07.10.2025
INVESTOR:INNEN-BEFRAGUNG

Venture Sentiment Index: Untertroffene Erwartungen mit Ausblick nach unten

Der "European Venture Sentiment Index" von Venionaire für das dritte Quartal 2025 zeichnet eine auf mehreren Ebenen negatives Stimmungsbild unter europäischen Startup-Investor:innen.
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Der European Venture Sentiment Index deutet eine positive Entwicklung für das nächste Quartal an (c) Adobe Stock
(c) Adobe Stock

Zuerst die guten Nachrichten: Die Stimmung unter europäischen Startup-Investor:innen war im dritten Quartal 2025 geringfügig besser als im zweiten und auch das investierte Venture-Capital-Volumen stieg von 13 auf 15 Milliarden US-Dollar.

Und nun die schlechten Nachrichten: Die Stimmung blieb dabei unter den Erwartungen und die Prognose der Investor:innen für das vierte Quartal deutet abwärts. Während das VC-Volumen stieg, ging die Zahl der Finanzierungsrunden zurück – es gab also weniger, dafür größere Investments, was auf eine schlechtere Finanzierungssituation für Startups in der Frühphase hindeutet.

Das zeigt der aktuelle European Venture Sentiment Index von Venionaire für das dritte Quartal 2025. Die Erhebung basiert auf einer Umfrage unter Investor:innen – von regulierten Risikokapitalfonds bis hin zu Family Offices -, die den gesamten europäischen Raum sowie alle Startup-Sektoren abdecken soll. Zusätzlich werden weitere Statistiken und aktuelle Werte zu Startup-Investments in Europa herangezogen.

Größte Sorgen der Investor:innen verändern sich

Konkret lag der Stimmungs-Index-Wert im dritten Quartal mit 5,7 Punkten unter den in der Erhebung zum zweiten Quartal erwarteten 5,9. Der tatsächliche Wert liegt damit dennoch um 0,1 Punkte über jenem im Vorquartal. Die „signifikante Lücke“ zwischen Erwartung und tatsächlichem Wert beweise, dass Anleger:innen noch auf das Einsetzen einer größeren Dynamik warten, interpretiert man bei Venionaire. Positiv hervorzuheben sei, dass im Vergleich zum Vorquartal die Investor:innenaktivität (+4,2 Prozent) und die Bewertung von Startups (+3,9 Prozent) zunahm.

Entwicklung des European Venture Sentiment Index | © Venionaire Capital AG

Zudem gab es laut Venture Sentiment Index eine Veränderung der größten Sorgen der Investor:innen. Standen in den vorangegangenen Quartalen zumeist noch geopolitische Spannungen und makroökonomische Themen im Vordergrund, sind es nun risikokapitalspezifische Themen: Herausforderungen bei der Kapitalbeschaffung und ein schwieriges Exit-Umfeld wiegen schwerer als die Einführung von Handelszöllen beziehungsweise das Ausbleiben ebenjener. „Wir sehen, dass sich die Investor:innen neu orientieren und anpassen. Sie werden kritischer und effizienzorientierter, verhindern aber immer noch eine komplette Stagnation“, kommentiert Venionaire-Gründer Berthold Baurek-Karlic.

Rückgang auf mehreren Ebenen und Pessimismus für das vierte Quartal

Für das vierte Quartal bleiben die Erwartungen verhalten: Die befragten Investor:innen sehen eine weitere Abschwächung auf sie zukommen, mit einem prognostizierten Index-Wert von nur 5,4 Punkten. „Anlegerinnen und Anleger werden vorsichtiger in ihren Investments. Zwar sehen wir vor allem in späteren Finanzierungsrunden große Kapitalzuflüsse, jedoch nur, wenn sie das Risiko als gering einschätzen und vor allem auch Vertrauen in das Führungsteam haben“, so der Venionaire-Chef.

Dabei werden Rückgänge in vielen Bereichen für das vierte Quartal erwartet: In puncto Investor:innenaktivität prognostiziert Venionaire ein Minus von 15,9 Prozent, die Bewertung von Startups soll um 11,9 Prozent zurückgehen. Auch in Sachen Qualität der einzelnen Deals wird ein Minus von drei Prozent erwartet. Ausreißer nach oben sind der Wettbewerb um Deals (prognostiziertes Plus von 3,3 Prozent) und das allgemeine Fundraising-Umfeld (prognostiziertes Plus von 1,2 Prozent).

Steigendes Volumen, sinkende Deal-Anzahl

Beim Investitionsvolumen für Venture Capital gab es zuletzt – wie erwähnt – einen Anstieg von 13 Milliarden US-Dollar im zweiten Quartal 2025 auf 15 Milliarden US-Dollar im dritten Quartal. Das bedeutet auch ein Plus von 37,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dabei ging die Anzahl der Transaktionen allerdings um 7,1 Prozent auf 855 zurück.

Entwicklung des Kapital-Volumens | © Venionaire Capital AG

Das durchschnittliche Transaktionsvolumen über alle Phasen hinweg (Seed and Angel, Early-Stage, Late-Stage und Technology Growth) betrug 17,5 Millionen US-Dollar, was einen Anstieg von 24,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal bedeutet. „Das dritte Quartal war geprägt von größeren, kapitalintensiveren Finanzierungsrunden, vor allem in Früh- und Spätphasen, während der Anteil der Seed-Finanzierungen stabil blieb. Es zeigt: Investor:innen sind weiterhin bereit, ihr Kapital einzusetzen, aber nicht um jeden Preis“, analysiert Baurek-Karlic.

Bei der geografischen Verteilung der Investmentrunden gab es zuletzt keine Überraschung: Großbritannien, Frankreich und Deutschland stehen weiterhin unangetastet an der Spitze des europäischen Risikokapital-Ökosystems und konnten auch im dritten Quartal wieder das höchste Investitionsvolumen generieren. Zusammen machten sie 10,4 Milliarden US-Dollar oder 69,3 Prozent der gesamten VC-Finanzierung in Europa aus (gegenüber 58,5 Prozent im zweiten Quartal).

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vl.: Michael Seifner, Antonín Jaroš und Philipp Haslinger | Foto: Philipp Haslinger
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0,045 Nanometer – das ist aktuell die Auflösungsgrenze der leistungsstärksten Transmissionselektronenmikroskope. Ein großes Virus mit bis zu 150 Nanometern Durchmesser kann man damit schon recht gut erkennen, aber wenn es um die Untersuchung von einem DNA-Strang mit rund 2,5 Nanometer Durchmesser geht, sieht man nicht mehr viel – und das obwohl man im Prinzip einzelne Atome mit etwa 0,1 Nanometer Durchmesser sehen kann. Das Problem ist, dass der Elektronenstrahl die biologischen Bindungen, die die Atome zusammenhalten, zerstört.

Zukunftstechnologie Quantenoptik

Hier kommen der TU-Wien-Professor Philipp Haslinger und sein Team ins Spiel. „Mit klassischer Elektronenmikroskopie stößt man irgendwann an die Grenzen. Zudem werden organische Samples wie etwa Viren durch die Elektronenstrahlen zerstört“, erklärt Haslinger im Gespräch mit brutkasten. Seine Antwort: Quantenoptik – übrigens eine von 105 Zukunftstechnologien, die sich auf der neuen Innovation Map der WKÖ finden.

Genauer und „zerstörungsfrei“

Konkret ist es Quantenelektronenoptik, an der Haslinger und sein Team arbeiten. Dabei kombinieren sie zwei Technologien: Das Elektronenmikroskop (konkret: Transmissionselektronenmikroskopie) und die Spinresonanzspektroskopie, die aus der Magnetresonanztomografie (MRT) bekannt ist. “MRT ist eine nicht-invasive, also zerstörungsfreie Methode“, erläutert Haslinger. „Unsere Vision ist es, diese Idee auf die Nanowelt zu übertragen und damit kleinste Objekte sichtbar zu machen. Damit könnte man beispielsweise Protein-Strukturen auslesen, ohne sie zu beschädigen.“

Ungeahnte Möglichkeiten

Das ist aber nur eine von vielen potenziellen Anwendungsmöglichkeiten. Auch für die Materialforschung oder Energiespeichertechnologien könnte die Methode neue Perspektiven eröffnen. „Wir wissen heute noch gar nicht, welche Türen sich damit öffnen werden“, sagt Haslinger. „Im Grunde verleihen wir der Elektronenmikroskopie eine neue Charakterisierungmöglichkeit, eine neue Farbe. Sie liefert dann Informationen, die bisher unsichtbar waren. Das kann zu vielen neuen Erkenntnissen führen.“

Es sei vergleichbar mit dem Erkenntnisgewinn, den MRT gegenüber klassischer Computertomografie auf Röntgenbasis bringe: „Man sieht Dinge, die man vorher nicht gesehen hat“, so Haslinger, „als der erste Computer gebaut wurde, war auch noch nicht klar, dass einmal das Internet und später Künstliche Intelligenz folgen würden.“

„Können schon jetzt Dinge machen, die vorher nicht möglich waren“

Noch ist die Forschungsgruppe aber nicht am Ziel. „Mit unserem Prototypen können wir schon jetzt Dinge machen, die vorher nicht möglich waren, etwa die quantenmechanischen Eigenschaften von mikroskopischen Objekten mit dem Elektronenstrahl vermessen“, sagt der Forscher. Die angestrebte atomare Auflösung habe man aber noch nicht erreicht. Dafür brauche es weitere Prototypen, für die erst kürzlich unter anderem eine Förderung im Rahmen des Programms „Transfer.Science to Spin-off“ der „Christian Doppler Forschungsgesellschaft“ eingeworben wurde – brutkasten berichtete.

Antonín Jaroš am Prototyp im Labor der Forschungsgruppe | Foto: Philipp Haslinger

Diese Förderung schaffe Raum dafür, weiterzuforschen und gleichzeitig bereits an einer Spin-off-Ausgründung zu arbeiten, sagt Haslinger. Denn er forscht nicht alleine, sondern mit einem starken Team: Antonín Jaroš (PhD-Student) und Michael Seifner (PostDoc) sollen weiter die Möglichkeit haben, auch wissenschaftlich auf hohem Niveau zu arbeiten. Dennoch soll bereits in zwei bis drei Jahren gegründet werden – hierbei wird Haslingers Team auch mit den neu geschaffenen Spin-off-Strukturen innerhalb der TU Wien, zu denen unter anderem Noctua Science Ventures (brutkasten berichtete) zählt, unterstützt.

Mikroskopie als Milliardenmarkt

Und für die Zukunft gibt es durchaus große Pläne. „Elektronenmikroskopie ist ein Milliarden-Dollar-Markt mit weltweit zehntausenden Geräten – jedes große Krankenhaus, wie zum Beispiel das Wiener AKH, hat so ein Gerät“, sagt Haslinger. Und er gehe davon aus, dass die von seinem Team entwickelte Technologie in Zukunft neue Anwendungen in dem Bereich ermöglichen wird. „Es gibt jetzt schon mehrere Gruppen, die unser Produkt für die Forschung haben wollen“, so der Wissenschaftler.

Mit dem nächsten Prototypen werde man dann bereits erste Kooperationen umsetzen können. Und in weiterer Folge soll in einigen Jahren der Rollout der Technologie folgen. Ob man dann selber die Technologie herstellen werde, oder Lizenzen an Partner vergeben werde, sei aktuell aber noch nicht klar, so Haslinger. „Erst einmal müssen wir sehen, wie gut die nächsten Prototypen wirklich funktionieren und wie groß das Interesse dann tatsächlich ist.“


Entdecke die Innovation Map

Die Forschung von Philipp Haslinger und seinem Team steht exemplarisch für die Innovationskraft, die an Österreichs Universitäten steckt – und dafür, wie wissenschaftliche Erkenntnisse Schritt für Schritt ihren Weg in die Anwendung finden. Technologien wie die Quantenelektronenoptik zeigen, dass der nächste große Durchbruch oft dort entsteht, wo Grundlagenforschung auf Unternehmergeist trifft.

Wer mehr solcher Zukunftsprojekte kennenlernen möchte – von neuen Energiespeicherlösungen über MedTech-Innovationen bis zu Quantentechnologien – findet auf der „Innovation Map“ der Wirtschaftskammer Österreich einen Überblick über mehr als 100 Forschungs- und Entwicklungsvorhaben. Die interaktive Plattform macht sichtbar, wo bereits heute an der Zukunft gearbeitet wird – und lädt dazu ein, selbst einzutauchen in die Welt der Innovation.

👉 Jetzt entdecken, welche Technologien Österreichs Innovationslandschaft prägen: innovationmap.at

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