09.05.2018

VC-Verband AVCO fordert 1 Mrd. Euro-Dachfonds für Österreich

Gastkommentar. Berthold Baurek-Karlic, Vorstand der österreichischen VC-Dachorganisation AVCO (u.a.), erklärt, warum die Organisation einen Dachfonds für Österreich fordert.
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AVCO fordert Dachfonds für Österreich
(c) AVCO: AVCO-Präsident Rudolf Kinsky

Der österreichische Kapitalmarkt besteht nicht nur aus der Wiener Börse. Die überwiegende Mehrheit der Firmen – der sogenannte Mittelstand bzw. Startups – ist auf privates Eigenkapital (Private Equity) angewiesen. Das Thema fand auch im Regierungsprogramm der Österreichischen Bundesregierung Platz, da die wirtschaftliche Bedeutung dieser “Alternativen Finanzierung” mittlerweile auch hier klar verstanden wurde. Nachdem in den vergangenen Jahren Anreize für eine verstärkte Mobilisierung von informellem Eigenkapital (z.B. Business Angels oder Crowd Investing) geschaffen wurden, hat die Europäische Union gerade erst vor wenigen Wochen die bisher größte Venture Capital Initiative – “VentureEU” – gestartet, die über zwei Milliarden Euro über Dachfonds-Strukturen in Venture Capital Fonds in ganz Europa investieren soll.

+++ Startup-Finanzierung – “Finnland ist uns Lichtjahre voraus” +++

Zu stark für CEE-Initiative, zu schwach für VentureEU

In Österreich fürchtet man, von diesem Geld kaum etwas zu sehen. Für jene Regionen im CEE-Raum die unter sog. Marktversagen leiden, hat der Europäische Investitionsfonds eine eigene Venture Capital-Initiative gestartet, die allerdings wiederum nur eingeschränkt österreichischen Fonds zugutekommen wird. Private Equity (Buy-Out, Generationenwechsel, vorbörsliches Wachstum) ist in vielen Bereichen leider ausklammert. Der heimische Private Equity-Markt ist im Segment des regulierten Risikokapitals (Private Equity und Venture Capital Fonds) für diese Initiativen zu stark und für VentureEU zu schwach. Es braucht einen nationalen Dachfonds, der über seine Zielfonds eine Milliarde Euro vorbörsliches Eigenkapital (inkl. Venture Capital) bereitstellt. Der Fonds selbst soll breit gestreut in alle Segmente von Private Equity investieren, was dessen Risiko drastisch senkt und somit als attraktives Investment für institutionelle Anleger gilt.

Dänemark als Dachfonds-Vorreiter

Diese Idee ist nicht neu – der Danish Growth Fund ist privatwirtschaftlich finanziert und teilweise staatlich besichert. Seit 1992 wurden durch diesen Fonds bzw. dessen Zielfonds über 7.300 Startups und Unternehmen mit Kapital versorgt. Dabei werden Summen zwischen 100.000 und fünf Millionen Euro für maximal 25 Prozent der Unternehmensanteile investiert oder als Kredit bzw. Kreditsicherung vergeben. Teil dieses Gesamtfonds sind die beiden VÆKSTKAPITAL Funds. Seit 2011 wird hier in Kooperation mit Zielfonds Geld investiert.

Nach diesem Vorbild fordert die Austrian Private Equity and Venture Capital Organisation (AVCO) einen “Austrian Growth Fund” erklärt AVCO-Präsident Rudolf Kinsky. Die AVCO vereint Mitglieder mit einer Gesamtsumme von mehr als fünf Milliarden Euro Assets-under-Management. Darunter befinden sich etwa Fonds wie Alpine Equity, Hannover Finanz, Deutsche Private Equity, Waterland, Invest AG, 3TS, APEX, Venionaire oder Speedinvest. Mit Sitz im Haus der Industrie fungiert die AVCO als unabhängiger Ansprechpartner für alle Fragen zu Private Equity und als Interessensvertretung der österreichischen Risikokapitalgeber.

Nationaler Dachfonds für Österreich

Die AVCO will das Fondsmanagement international ausschreiben und so einen privatwirtschaftlich initiierten Dachfonds für Österreich professionell aufsetzen. Institutionelle Investoren (etwa Versicherungsgesellschaften, Pensionskassen und Stiftungen) sollen – allenfalls in Kombination mit einer Art Garantie der Republik (nicht Maastricht Schulden erhöhend) – in den breit gestreuten Fonds investieren. “Der vorbörsliche Kapitalmarkt in Österreich ist zu schwach – hier müssen wir reagieren, da der volkswirtschaftliche Schaden sich sonst potenziert. Wir sehen eine wachsende Finanzierungslücke, die zum Ausverkauf österreichischer Startup-Talente und führender Mittelstandsunternehmen führt”, geht Kinsky auf den Grund für die Forderung ein. Hierzu befindet sich die AVCO bereits seit Monaten in Gesprächen mit institutionellen Investoren und hat auch die Regierung von dem Vorhaben an verschiedenen Stellen bereits gut informiert bzw. ist mit dieser in laufender Abstimmung.

+++ Gastkommentar: Das Regierungsprogramm aus VC-Sicht +++

“Verlieren die besten Unternehmen im Zuge der Internationalisierung”

Förderungen, Business Angels und erste kleine Venture Capital Investments werden in Österreich mittlerweile verträglich bereitgestellt – Luft nach oben gibt es hier natürlich noch. Die besten Unternehmen verlieren wir aber leider im Zuge der Internationalisierung, beim Exit oder Börsengang (siehe Wachstumssegmente “Scale” (Frankfurt) und “First North” Nasdaq Nordic) bzw. im Zuge von Generationenwechseln, wo wir kaum Investoren auffahren können. Die Aufgabe von Venture Capital-Investments ist nicht nur die Kapitalbereitstellung, sondern vor allem die Begleitung und Erschließung neuer Märkte gemeinsam mit Unternehmen und Private Equity Fonds als wichtige unternehmerische Partner für etablierte Mittelstandsunternehmen.

AVCO-Forderung: Austrian Growth Fund bereits nächstes Jahr

Business Angels können stark in den Anfängen unterstützen, aber für die Internationalisierung oder für das führen etablierter Mittelstandsunternehmens braucht es professionelle Teams und natürlich auch sehr viel Kapital. Das kann nicht durch einzelne Investoren bereitgestellt werden – hier braucht es professionelle Fonds-Manager und davon brauchen wir viel mehr in Österreich.
Die Regierung hat das Thema Kapitalmarkt und Wirtschaftsstandort aufgenommen, die Umsetzung von staatlicher Seite wird aber bis 2020 dauern – wie man aus dem jüngsten Treffen des Finanzausschusses im Österreichischen Parlament lesen konnte. Die AVCO sieht die Privatwirtschaft am Zug und will bereits nächstes Jahr den Austrian Growth Fund aktiv sehen.

Die Vorbilder – VÆKSTKAPITAL 1/2

Als Teile des übergeordneten Danish Growth Fund wurden die beiden VÆKSTKAPITAL Funds im Jahr 2011 etabliert. Seitdem wurden gemeinsam mit anderen Investoren umgerechnet mehr als eine Milliarde Euro in 16 Fonds investiert. Der CIO der Fonds wird bei der diesjährigen Jahrestagung der AVCO am 4. Oktober eine Keynote halten.

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Wiener-Börse-CEO Christoph Boschan
Wiener-Börse-CEO Christoph Boschan | Foto: brutkasten / Wiener Börse (Hintergrund)

Die neue EU-Kommission steht. Hierzulande laufen dagegen nach wie vor die Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS mit ungewissem Ausgang. Währenddessen kommt nicht nur Österreich nicht aus der Rezession heraus und auch die Prognosen bleiben tendenziell negativ. Begleitet wird das Szenario von einer Häufung an dramatischen Appellen und Forderungen nach umfassenden Änderungen in der Wirtschaftspolitik.

Wie steht es wirklich um Österreich und die EU? Was sind nun die drängendsten Maßnahmen? brutkasten geht diesen Fragen gemeinsam mit führenden Köpfen der heimischen Innovationsszene nach, darunter etwa FFG-Geschäftsführerin Henrietta Egerth, mit PlanRadar-Co-Founder Sander van de Rijdt und mit Storebox-Co-Founder Johannes Braith.

Zum Thema Kapitalmarkt haben wir nun bei Christoph Boschan, CEO der Wiener Börse, nachgefragt.


brutkasten: Die Regierungsverhandlungen befinden sich in der entscheiden Phase. Was sind die wichtigsten Maßnahmen, die in Österreich umgesetzt werden sollten, um Kapitalmarkt und Börse zu stärken?

Christoph Boschan: Die schnellste und einfachste Maßnahme wäre die Wiedereinführung der Behaltefrist für Wertpapiere bzw. die Einführung eines Vorsorgedepots. Das lag alles fix fertig auf dem Tisch und stand im letzten Regierungsprogramm.

Gewichtiger wäre eine bessere Abstimmung des Pensionssystems auf den Kapitalmarkt, also eine teilweise Veranlagung der ersten Säule am Aktienmarkt. Da spreche ich übrigens nicht mit dem reinen Blick durch die “Kapitalmarkt-Brille”. Das würde zugleich den Staatshaushalt entlasten und die Pensionsfinanzierung nachhaltig absichern und Geld für die Innovations- und Wachstumsfinanzierung bereitstellen.

Sie haben in einem brutkasten-Studiotalk im September gefordert, “zentrale, mächtige, große Kapitalsammelstellen zu errichten”. Was genau verstehen Sie darunter, beziehen Sie sich primär auf Pensionsfonds oder verstehen Sie das Konzept breiter?

In der teilweisen Veranlagung der ersten Säule am Kapitalmarkt liegt tatsächlich das größte Potenzial, ein bis zwei Prozent machen hier auf einige Jahre gesehen bereits viel aus. Die zweite Säule könnte mit einer verpflichtenden betrieblichen Vorsorge gestärkt werden. Oder man kreiert einen Staatsfonds nach norwegischem Vorbild.

Abseits davon gibt es in Österreich 330 Mrd. Euro an niedrigverzinstem privatem Kapital, die nicht nur keine Rendite abwerfen, sondern den Unternehmen auch bei der Innovationsfinanzierung fehlen. Die Liste an Möglichkeiten ist lang, wie auch jene der schon existierenden Blaupausen in Europa.

Welche Maßnahmen bräuchte es konkret? Welche dieser Schritte können in Österreich gesetzt werden und welche nur auf europäischer Ebene?  

Die entscheidenden Schalthebel sind tatsächlich bei den Nationalstaaten. Vorlagen, die für den österreichischen Anwendungsfall angepasst werden können, gibt es genug. Norwegen mit dem Staatsfonds, Schweden mit der teilweisen Veranlagung der Pensionen am Kapitalmarkt, die Schweiz mit der verpflichtenden betrieblichen Altersvorsorge. In Deutschland kommt nun das Vorsorgedepot mit steuerbegünstigter Wertpapierveranlagung. Alles, was eine zu befürwortende Harmonisierung betrifft, etwa beim Gesellschafts-, Insolvenz- und Steuerrecht, ist auf EU-Ebene zu lösen.

Stichwort EU-Ebene. Sie sprechen auch oft von der “unvollendeten Kapitalmarktunion”. Was müsste aus Ihrer Sicht geschehen, um diese Kapitalmarktunion zu vollenden?

Das deckt sich mit den zuvor diskutierten Ansätzen, die jedoch in der langen Liste der – grundsätzlich zu befürwortenden – Ziele der Kapitalmarktunion nur unzureichend adressiert werden können, da derzeit die großen Kapitalsammelstellen nur durch die Mitgliedsstaaten geschaffen werden können. Ohne große Kapitalsammelstellen werden wir die europäische Konkurrenzfähigkeit nicht entscheidend ankurbeln können.

Inwiefern können Kapitalreserven in privaten Altersvorsorgesystemen oder Pensionsfonds als „Treibstoff“ für tiefe und liquide Märkte dienen? 

Indem sie in börsennotierte Unternehmen investieren. Damit schaffen wir die besagten großen Liquiditätspools bzw. Kapitalsammelstellen. Die Unternehmen haben somit eine umfassendere Kapitalquelle für Innovation und Wachstum. Das erklärt auch, warum wir in Europa mit Abwanderung von Listings in Richtung USA zu kämpfen haben. Wachstumsorientierte Unternehmen gehen dorthin, wo sie potenziell das meiste Kapital bekommen können.

Wenn wir wollen, dass das nächste Google, Meta oder Amazon aus Europa kommt, müssen wir hier anpacken. Volkswirtschaften mit entwickelten Kapitalmärkten wachsen schneller und erholen sich rascher von Krisen.

Sie haben bereits angesprochen, dass die nun scheidende Regierung die Wiedereinführung der Behaltefrist für Aktien im Regierungsprogramm vereinbart hatte, ohne sie dann tatsächlich umzusetzen. Für wie wichtig – verglichen mit anderen Möglichkeiten, Anreize zu schaffen – wäre diese Maßnahme, um die private Vorsorge über die Börse attraktiver zu gestalten?

Ich bin immer dafür, Individuen zu ermächtigen und zu stärken und genau das macht die Behaltefrist. Die Befreiung von der KESt (Kapitalertragssteuer) für die langfristige Altersvorsorge ist als Anreiz nicht zu unterschätzen. Sie ist längst überfällig.

Versteuertes Arbeitseinkommen wird in Unternehmen investiert, diese schütten mit Körperschaftsteuer besteuerten Gewinn aus, auf den nochmal 27,5 Prozent geltend werden. Diese steuerliche Eskalation ist immens. Wer vorausschauend agiert und für sein Alter vorsorgt, sollte dringend entlastet werden.

Sie vertreten mit der Wiener Börse die österreichische Nationalbörse. Aktuell kursieren einige Vorschläge, die einen anderen Bereich, nämlich den vorbörslichen Kapitalmarkt betreffen und diese attraktiver machen sollen, etwa die Schaffung eines Dachfonds, der in bestehende Venture-Capital-Fonds investiert, oder einen Beteiligungsfreibetrag für Business Angels und andere private Kapitalgeber. Wie blicken Sie darauf?

Ich halte Ansätze, die Innovation, junges Unternehmertum und Wachstum fördern immer für begrüßenswert. Von jungen Unternehmen, die am Beginn ihrer Reise mit genügend Kapital ausgestattet werden, wird in weiterer Folge auch die Börse, die am oberen Ende der Finanzierungsstufen steht, profitieren.


Aus dem Archiv: Christoph Boschan im brutkasten-Studiotalk (September 2024):


Aus dem brutkasten-Printmagazin: Warum ein Börsengang nicht nur etwas für Großkonzerne ist


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