23.09.2019

Wie sich Trumps US-Zölle auf heimische Startups auswirken

Die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump richtet sich abwechselnd mal stärker, mal schwächer gegen China und die EU. Für Unternehmen, die in die USA liefern, sorgen die US-Zölle für Einbußen und Gedankenspiele hinsichtlich Produktionsstätten. Darüber sprachen wir mit Stefan Ponsold, Gründer Sunnybag, Tractive CEO Michael Hurnaus, Georg Weiß, CEO Logsta, Petra Dobrocka, Co-Founder Byrd, und Florian Krisch vom österreichischen AußenwirtschaftsCenter New York.
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Die US-Zölle betreffen heimische Startups auf unterschiedliche Art und Weise - (l.o.) Stefan Ponsold, Sunnybag, (r.o.) das Tractive-Team, (l.u.) ByrdDas Logsta-Team, (r.u.) Petra Dobrocka, Byrd
Collage: Die US-Zölle betreffen heimische Startups auf unterschiedliche Art und Weise - (l.o.) Stefan Ponsold, Sunnybag, (r.o.) das Tractive-Team, (l.u.) ByrdDas Logsta-Team, (r.u.) Petra Dobrocka, Byrd

Es herrscht Krieg in der Weltwirtschaft. Und Frieden. Manchmal. US-Präsident Donald Trumps Zollpolitik wirkt sprunghaft und willkürlich. Doch mag dabei auch keine klare Strategie erkennbar sein, sie richtet trotzdem Schäden bei jenen Unternehmen an, die in die USA liefern. In Gesprächen mit heimischen Hardware- und Logistik-Startups wird klar, dass flexibles Denken und Planung nötig sind, um im Streit zwischen China und den USA Mehrkosten wegen neuer US-Zölle zu umgehen.

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Beginn eines Handelskriegs

Der Beginn der neuen protektionistischen US-Politik lässt sich auf den Februar 2018 datieren. Die USA verhängten damals Zölle und Importkontigente für Waschmaschinen und Solarmodule. Knapp einen Monat später traten US-Zölle von 25 Prozent auf Stahl und 10 Prozent auf Aluminium in Kraft. Im April konterte China daraufhin mit Zöllen auf US-Landwirtschaftsprodukte.

Am sechsten Juli des selben Jahres rief die Trump-Administration Zölle von 25 Prozent auf chinesische Güter aus und setzte am 23. August eine zweite Welle von Strafzahlungen drauf. Insgesamt betrug das Handelswert-Volumen bei dieser Aktion rund 50 Milliarden US-Dollar. China reagierte mit Zöllen im gleichen Umfang. Die Folge: die USA klagten vor der WTO gegen die Strafzölle, die China gegen US-Produkte erhoben hatte.

Weitere Importe aus China wurden daraufhin mit Strafzöllen im kumulierten Handelswert von 200 Milliarden US-Dollar belegt und eine Liste mit betroffenen Gütern aus China veröffentlicht. Im Mai 2019 hob Donald Trump die Zölle auf Güter dieser Liste auf 25 Prozent an.

Danach kam es zu Gesprächen zwischen Trump und Chinas Staatschef Xi Jinping, die einen “Waffenstillstand” zur Folge hatten. Allerdings nur für kurze Zeit.

Weihnachtsbusiness nicht stören

Anfang August 2019 kam es erneut zu weiteren Strafzöllen von 10 Prozent auf chinesische Importe im Wert von rund 300 Milliarden US-Dollar. Diese sollten ursprünglich im September in Kraft treten. Die US-Regierung verschob allerdings die neuen Strafzölle auf Güter (Smartphones, Laptops und Spielzeug) auf den 15. Dezember, um das Weihnachtsgeschäft nicht allzu sehr zu “stören”, wie Trump sinngemäß per Twitter ausrichtete.

Zudem sei auch ein Zusatzzoll geplant, der Importe von Sojabohnen und Erdöl betreffe. Autozölle in Höhe von 25 Prozent sollen ebenfalls ab Mitte Dezember wirksam werden. Damit würden, falls all diese Vorhaben tatsächlich durchgezogen werden, fast alle chinesischen Produkte mit Strafzöllen belegt sein.

Auch EU und Japan betroffen

Neben China hat der US-Präsident auch andere Handelspartner ins Visier seiner Zoll-Politik genommen. Trump droht der EU neben den Schutzzöllen auf Aluminium und Stahl auch mit Sonderzöllen wegen Subventionen an den Luftfahrtkonzern Airbus. Auch Japan ist in den Fokus des US-Präsidenten geraten. Allerdings kam es mit dem Kaiserreich nach monatelangen Handelsgesprächen zu einer Einigung. Es soll zeitnah ein Abkommen zu Zollfragen und zum Thema digitaler Handel unterzeichnet werden. Dies teilte US-Präsident Donald Trump letzte Woche dem Kongress mit.

US-Handelsdefizit mit China

Zwischen regelmäßigen Drohungen und Rückziehern irritiert Trumps Wirtschaftspolitik sowohl Handelspartner als auch Beobachter. Seine Argumentation, er schütze die nationale Sicherheit, halten Experten für ein vorgeschobenes Argument. Die USA weisen gegenüber China ein Handelsdefizit von rund 419 Milliarden US-Dollar aus. Einer der Gründe für die aggressive Rhetorik des US-Präsidenten gegenüber dem Reich der Mitte.

“Property Theft” als Problem

Zudem ist, wie etwa CNBC berichtet, “intellectual property theft” ein riesiges Problem für die Vereinigten Staaten. Im März belegte die dort zitierte Studie, dass von China im Schnitt einem von fünf US-Unternehmen geistiges Eigentum gestohlen werde. Demnach richte diese Praktik jährlich Schäden im Wert von 600 Milliarden US-Dollar an.

“Wir überlegen mit unserer Produktion China zu verlassen und eventuell nach Vietnam zu gehen”

Auch Österreichische Startups betroffen

Auch heimische Startups hadern mit Einbußen aufgrund der US-Zölle, wenn auch nicht in diesem Ausmaß. Stefan Ponsold vom Solarladesystemhersteller Sunnybag, der in China seinen Solar Backpack produzieren lässt, berichtet von einem 17,6 Prozent Zollsatz zu dem obendrauf noch Strafzölle anfallen. Insgesamt würden sich die Extrakosten auf 42,6 Prozent des Warenwerts summieren, die als Zölle zu bezahlen sind.

Profiteure der US-Zölle

Wenig verwunderlich, dass sich das Startup andere Optionen ansieht, wie Ponsold erklärt: “Wir überlegen mit unserer Produktion China zu verlassen und eventuell nach Vietnam zu gehen”, sagt er. Er ist nicht der einzige, der diesen Schritt in Erwägung zieht. Laut einer Umfrage der Unternehmensberatung Bain & Company unter 200 US-Konzernen mit Geschäftsverbindungen nach China erklärten 60 Prozent, sie würden nach neuen Lieferanten, neuen Innovationsquellen und neuen Regionen für die Fertigung Ausschau halten. Zielregionen sind dabei Kambodscha, Mexiko, sogar Europa und eben Vietnam.

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(c) Sebastian Reich – Sunnybag-Gründer Stefan Ponsold überlegt Produktionsverlagerung aufgrund der US-Zölle.

Strafe bei Leistungsbezug zu China

Florian Krisch vom Österreichisches AußenwirtschaftsCenter New York präzisiert das Zustandekommen der enormen Extrakosten: “In gewissen Konstellationen kann es zu einem Zolltarif von 42 Prozent und mehr kommen. Dies geschieht dann, wenn zum bisherigen ‘normalen’ Zolltarif ein Strafzoll hinzukommt. Ein Strafzoll wird ausgelöst, sobald die in die USA importierten Waren einen Leistungsbezug zu China vorweisen”, sagt er. “Die US-Zollbehörde erteilt in Rahmen schriftlicher ‘Binding Rulings’ verbindliche Zollauskünfte, die online ersichtlich sind. Darin wird explizit erwähnt, dass ein Tarif von 17,6 Prozent in Rechnung gestellt wird”.

Zusätzlich dazu sei zu prüfen, ob das Produkt von den (jetzt neuen) Strafzöllen/Zusatzzöllen für chinesische Waren betroffen ist. Dies könne man dieser Liste entnehmen. In dem oben genannten Fall von Sunnybag, und als Anleitung für ähnlich betroffene Startups, sei unter der Nummer 4202.92 (Travel, sports and similar bags) ein “Yes” zu finden. Somit würden die weiteren 25 Prozent an Zöllen anfallen. Diese werden auf den normalen Tarif aufgeschlagen.

Billiger: Logsta routet Container um

Auch das Logistik-Startup Logsta, das viele heimische Startups als Kunden hat, musste Alternativen finden, um Kosten zu sparen, wie CEO Georg Weiß erklärt. “Einer unserer Kunden ließ seine Ware von China in die USA verschicken. Genau in der Zeit der Verschiffung wurden die Strafzölle eingeführt. Da der Verkauf für unseren Kunden nicht mehr wirtschaftlich war, haben wir den Container nach Österreich umgeroutet. Selbst die Mehrkosten für das Umrouten der Ware waren billiger, als die Strafzölle”, erklärt er.

Weiß hat zudem mit seinem Team in den USA analysiert, wann es ratsamer wäre, bestimmte Warengruppen nicht so intensiv zu importieren. “Die Entscheidung obliegt stets unseren Kunden. Daher besprechen wir das immer individuell, um ihnen bei der Entscheidung zu helfen, ob sie trotz Zoll und Transportkosten noch gewinnbringend in den USA operieren können. Wir sind froh, dass dennoch viele Kunden den Schritt wagen und mit unserer Hilfe den amerikanischen Markt erobern”, erklärt der Gründer.

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(c) Adrian Almasan: Das Logsta-Team. Laut Logsta-CEO Georg Weiß sei “Umrouten” der Ware billiger als Starfzölle zahlen.

Laut Logsta sind Alternativen zur Produktion in China für viele Startups immer noch schwer zu finden. Schließlich seien die Lohn- und Produktionskosten dort sehr niedrig: “Auch hier versuchen wir gemeinsam zu kalkulieren, welcher Weg der finanziell Beste ist, um den optimalen Service bereit zu stellen und unseren Kunden die Sorge um die Zölle abzunehmen”, sagt Weiß.

Getbyrd: “Zölle für unsere Kunden ein Vorteil”

Für  Getbyrd, ebenfalls ein Logistik-Startup, zeigen die US-Zölle eine andere Wirkung, wie Founderin Petra Dobrocka erklärt: “Wir betreuen Online-Händler, die Produkte in die USA verkaufen, aber der Großteil dieser Händler produziert die Ware nicht in China. Viele unserer Kunden sind direkt auch Hersteller und produzieren meist lokal, oft im DACH-Raum oder zumindest in Europa. Man könnte also sagen, dass die Strafzölle im Rahmen unserer Kundengruppe aktuell sogar einen Vorteil bringen, da unsere Kunden so möglicherweise ihre Produkte besser in die USA verkaufen können”, sagt sie.

(c) Byrd: CMO Petra Dobrocka

In Gesprächen mit Fullfilment-Partnern

Dobrocka fügt aber an: “Wir sehen jedoch, dass die aktuelle Situation sich auch großflächiger auf europäische Produkte ausweiten kann und sind deshalb bereits in Gesprächen, um Fuflillment-Partner in den USA zu finden. Damit möchten wir einerseits den weiteren Entwicklungen in den USA einen Schritt voraus sein, aber gleichzeitig auch allen unseren Kunden einen einfachen Marktstart in den USA ermöglichen”.

Tractive: “meisten Verkäufe in Europa”

Weniger Probleme mit den USA hat das Paschinger Startup Tractive, wie Gründer Michael Hurnaus dem brutkasten erklärt. “Ich denke nicht, dass beim Handel die USA viel anders sind, als andere Länder”, sagt er. Da das Unternehmen die Massenproduktion in China hat, spüre man den Handelskrieg zwar etwas: “Allerdings sind 90 Prozent unserer Verkäufe in Europa, daher betrifft es uns tatsächlich nur am Rande”.

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(c) jakoblehner.com: Das Tractive-Team. Tractive-Gründer Michael Hurnaus: “90 Prozent unserer Verkäufe sind in Europa”.

Vier Listen und Qualitätsverlust

Laut Florian Krisch gibt es als Informationsquelle aktuell vier Listen (siehe Links unten), die von Strafzöllen betroffenen Waren auflisten. Die letzte und vierte Liste sei jedoch noch nicht fertig ausgehandelt. “Es kann also sein, dass Trump und Xi Jinping sich noch auf ein paar Zollbefreiungen einigen”, sagt er. Diese Strafzölle seien besonders für österreichische Startups relevant, die in China Waren produzieren und diese dann in die USA exportieren wollen.

Laut Forbes Magazine planen rund 14 Prozent der europäischen Unternehmen sich aufgrund des Handelskrieges aus China zurückzuziehen. “Stattdessen beziehen sie ihre Produkte aus anderen asiatischen Ländern. Zwar bezahlen sie dann keine Strafzölle, jedoch leidet möglicherweise die Produktqualität darunter: In Indien und Pakistan sind zum Beispiel 37 Prozent der inspizierten Waren mangelhaft, in Kambodscha sogar 40 Prozent. In der Türkei sind es nur 25 Prozent, gleich dem Wert für China”, merkt Krisch an.

US-Zölle nichts Neues für heimische Startups

Insgesamt sieht der Außenwirtschafts-Experte den Handelskrieg für die österreichische Startup-Szene nicht allzu drastisch. “Einführzölle in die USA sind für österreichische Unternehmen nichts Neues. Mithilfe der Zolltarifnummer kann für jedes Produkt individuell ermittelt werden, ob ein Zoll zu entrichten ist und wie hoch diese Abgabe sein wird. Neben dem Produkt an sich, ist das Ursprungsland einer Ware der ausschlaggebende Faktor zur Berechnung des Einfuhrzolls. Trumps Zusatzzölle richten sich aktuell ja nur gegen Produkte aus chinesischer Fertigung.”, fasst Krisch zusammen.

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(c) WKO – Florian Krisch, Manager Startups & Innovation, WKO AußenwirtschaftsCenter New York zu Abwanderungsgedanken: “In Indien und Pakistan sind zum Beispiel 37 Prozent der inspizierten Waren mangelhaft,…”.

Apps und Saas-Lösungen als Exportschlager in die USA

Da österreichische Startups in den USA jedoch hauptsächlich Softwareprodukte (SaaS Lösungen oder Apps) verkaufen würden und weniger auf Hardwareprodukte setzen, seien sie von den Zusatzzöllen auf chinesische Produkte weniger stark betroffen. “Es gibt natürlich Sondersituationen, vor allem wenn das Startup in China fertigen lässt und dann in die USA exportiert, jedoch haben wir noch nicht mitbekommen, dass Startups aufgrund der neuen US-Zölle die Pläne für den US-Markteintritt verschieben”. Die Außenwirtschaft Austria sei jederzeit bereit, detailliertes Feedback zu geplanten Markteintrittsvorhaben zu geben. “Außerdem sind wir in regem Austausch mit Experten und Behörden und können umgehend die passenden Infos zu anfallenden Einfuhrzöllen recherchieren”, sagt Krisch.

Abwarten und auf Dynamik hoffen

Auch wenn bisher US-Zölle trotz des großen medialen Echos noch keine großen Auswirkungen auf österreichische Startups hatten, so könne leider nicht ausgeschlossen werden, dass sich dieses Problem nicht noch verschlimmert, meint Krisch.

“Viele heimische Startups haben auch in anderen Ländern eine starke Präsenz aufgebaut und ein generelles Abkühlen der Wirtschaft, bedingt durch einen Handelsstreit der beiden größten Volkswirtschaften der Welt, kann auf mehreren Ebenen – etwa schwächerer Konsum und schlechteres Investorenklima – negative Auswirkungen haben. Momentan bleibt nicht viel mehr als abzuwarten, ob und in welcher Form ein Trade-Deal mit China zustande kommt. Die Tatsache, dass nächstes Jahr in den USA gewählt wird und der Präsident wohl noch eines seiner größten Wahlversprechen umsetzen möchte, könnte der Debatte neue Dynamik verleihen”, so Krisch abschließend.


⇒ Logsta

⇒ Getbyrd

⇒ Sunnybag

⇒ Tractive

⇒ AUSSENWIRTSCHAFT Austria

⇒ Liste der Strafzölle 1.1

⇒ Liste der Strafzölle 1.2

⇒ Liste der Strafzölle 2.1

⇒ Liste der Strafzölle 2.2

⇒ Liste der Strafzölle 3.1

⇒ Liste der Strafzölle 3.2

⇒ Proposed List der Strafzölle 4.1

⇒ Proposed List der Strafzölle 4.2

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Anekdoten - Das brutkasten-Team und seine Weggefährten haben in den vergangenen zehn Jahren viel erlebt | (c) Marko Kovic
Das brutkasten-Team und seine Weggefährten haben in den vergangenen zehn Jahren viel erlebt | (c) Marko Kovic

Dieser Artikel ist im Dezember 2024 in der Jubiläumsausgabe des brutkasten-Printmagazins – “Wegbereiter” – erschienen. Eine Download-Möglichkeit des gesamten Magazins findet sich am Ende dieses Artikels.


Es gibt bekanntlich für alles ein erstes Mal – und in einem Startup gibt es diese ersten Male noch ein bisschen häufiger. Gründet man ein Medien-Startup, das sich mit Startups beschäftigt, sollte man etwa erst einmal die bekannten Gesichter der Startup-Szene kennenlernen. Aber wie?

“Am Anfang, als ich das Ganze begonnen habe und es mich so fasziniert hat, habe ich erst einmal versucht herauszufinden, wie ich Andreas Tschas (Anm.: damals Gründer und CEO Pioneers Festival) kennenlernen kann. Das war für mich so, als ob ich es schaffen muss, einen Superstar kennenzulernen”, erzählt brutkasten-Gründer und -CEO Dejan Jovicevic. “Auch Hansi Hansmann war für mich weit weg und unerreichbar.” Schließlich schaffte er es bekanntlich, und nach Tschas vor ein paar Jahren ziert nun Hansmann das aktuelle brutkasten-Cover.

Ein besonderer allererster Live stream

Leichter – vielleicht sogar etwas zu leicht – fiel es Redakteur Martin Pacher anfangs, an so richtig bekannte Persönlichkeiten zu kommen. “Es war Anfang 2019; ich war gerade erst zwei Wochen in meiner fixen Position bei brutkasten und hatte noch nie einen Video-Talk moderiert”, erzählt Pacher. “Und dann hat es sich ergeben, dass Dejan kurzfristig die Moderation eines sehr hochkarätig besetzten Livestream-Interviews nicht machen konnte, und ich war der Einzige, der Zeit hatte, einzuspringen.”

Die Gesprächspartner:innen für Pachers allererstes Video-Interview waren keine Geringeren als die damalige Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck, der damalige Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny, Business-Angel-Legende Hansi Hansmann und “Future Law”-Gründerin Sophie Martinetz; natürlich alles in einem Take und live in den Social-Media-Kanälen von brutkasten.

Martin Pachers (l.) erster Live-Video-Talk mit (vlnr.) Ewald Nowotny, Margarete Schramböck, Hansi Hansmann und Sophie Martinetz | (c) brutkasten

“Ich habe eigentlich immer den Ansatz, zu sagen: ‘Ja, mach’s einfach!’ – auch wenn es wenig Vorbereitungszeit gibt und man ins kalte Wasser springen muss“, erzählt der Redakteur. In der Situation sei er dann aber doch sehr aufgeregt gewesen. “Haris, unser damaliger Head of Video, hat mir dann positiv zugeredet. Er hat mich schön in Szene gesetzt, die Lichter eingeschaltet und heruntergezählt: ‘3, 2, 1, go!’ Und ja, dann kam es zu meiner ersten Anmoderation. Die hätte ich rückblickend betrachtet vielleicht noch ein bisschen flüssiger machen können“, räumt Pacher ein.

Es sollten noch Dutzende weitere Video-Interviews werden – “ich weiß nicht, wie viele Video-Talks ich in all der Zeit moderiert habe, aber es ist definitiv im dreistelligen Bereich!”, so Pacher. Unter seinen Interviewpartnern waren Leute wie Wikipedia-Gründer Jimmy Wales oder Formel-1-Legende Jean Todt. Letzterer habe mitten im Interview sein Handy abgehoben und zu telefonieren begonnen, erzählt der Redakteur. “Das hat mich dann doch ein bisschen aus dem Konzept gebracht. Aber es ist dann alles gut gegangen und wir konnten die Aufnahme fortführen, nachdem Todt dann noch einen großen Schluck Kaffee genommen hatte.”

Martin Pacher im Gespräch mit Jean Todt | (c) brutkasten

Exit während der Weihnachtsfeier

Manchmal hat man den Kontakt zu den wichtigen Persönlichkeiten schon erfolgreich hergestellt, und dann kommen einem aber andere Hindernisse in die Quere, weiß Redakteur Momcilo Nikolic. Er hatte bei KI-Koryphäe Sepp Hochreiter um ein Interview angefragt – “und er hat sich auch gemeldet. Es war der erste Schultag meines Sohns und wir sind gemeinsam mit anderen Eltern vor der Schule gestanden. Da ruft Hochreiter an und sagt, er hätte jetzt ein paar Minuten Zeit”, erzählt Nikolic. Und dann? “Ich habe festgestellt: Auch das geht. Ich bin kurz auf die Seite gegangen, habe inmitten von nervösen Eltern auf der Straße ein komplexes Interview über KI geführt und war glücklicherweise rechtzeitig wieder fertig.”

Generell ist Nikolic der Mann für solche Fälle bei brutkasten. “2021 hatten wir – noch coronabedingt – eine Remote-Weihnachtsfeier. Kurz nach neun Uhr abends kam die Meldung zum Durchblicker-Exit; einer der größten Exits der österreichischen Startup-Geschichte. Ich habe mir ein Glas Whiskey gegönnt und das runtergetippt”, erzählt der Redakteur.

Die legendäre “gemischte Platte”

Ein halbes Jahr später war die Coronazeit halbwegs überwunden, das brutkasten-Sommerfest konnte in Präsenz stattfinden – und eine brutkasten-Tradition wurde eingeführt, wie sich Conny Wriesnig, Lead Media Consulting und Begründerin dieser Tradition, erinnert: “Damals ist die ‘gemischte Platte’ entstanden.“ Dabei handelt es sich um ein Tablett mit unterschiedlichsten alkoholischen Getränken bzw. Shots – first come, first serve. “Das war praktisch eine neue Sales-Taktik: Erst wollten ein paar Leute nichts trinken, dann habe ich die gemischte Platte gepitcht, und zack: Auf einmal hatte jeder ein Getränk in der Hand”, erzählt Wriesnig.

Gemischte Platte bei der brutkasten-Weihnachtsfeier 2023 | (c) brutkasten

“Mein Highlight war aber am nächsten Morgen: Wir haben alle fast durchgefeiert und höchstens drei Stunden geschlafen und hatten gleich um neun ein Meeting. Dort hat Dejan erzählt: Als seine Frau ihn gefragt hat, was er frühstücken will, hat er instinktiv gesagt: ‘Eine gemischte Platte’. Ab dem Moment wusste ich: Es wird keine Feier mehr ohne die gemischte Platte geben!”. Und tatsächlich sollte das nicht die einzige Anekdote mit Beitrag des besonderen Getränketabletts bleiben.

Folgenreiche Aprilscherze

An dieser Stelle sollte betont werden, dass man es bei brutkasten auch ohne Alkohol lustig haben kann, etwa am 1. April, wie Aprilscherz-und-Weihnachtslied-Beauftragter Dominik Perlaki, Autor dieser Zeilen, weiß. “Der ‘Standard’ ist einmal auf einen meiner Aprilscherz-Artikel hereingefallen und hat den Inhalt zwei Tage später in einem ernst gemeinten Beitrag verarbeitet. Hansi Hansmann, um den es ging, fand das dann leider nicht mehr so lustig”, erzählt Perlaki.

“Ich habe im Laufe der Jahre die brutkasten-Wochenzeitung ‘im Kasten’ erfunden und Sebastian Kurz zum ‘2 Minuten 2 Millionen’-Investor gemacht. Mein Highlight war aber ein Scherz, den hiMoment-Gründer Christoph Schnedlitz, der damals im Büro im weXelerate ein paar Meter entfernt saß, mit mir umsetzte.” Schnedlitz, der sich stets sehr skeptisch zum Konsum sozialer Medien äußerte, wurde im Aprilscherz-Artikel ein 100-Millionen-Euro-Exit an Facebook angedichtet. „Kurze Zeit später hat mir Christoph erzählt, dass es richtig anstrengend für ihn wurde: Sein Steuerberater hat ihn gefragt, wie er so etwas machen kann, ohne es mit ihm zu besprechen, und noch Wochen später haben sich regelmäßig Leute bei ihm gemeldet, mit denen er ewig keinen Kontakt hatte, um zu fragen, wie es ihm denn so geht.“

Titelbild zum HiMoment-Exit-Aprilscherz mit Christoph Schnedlitz | (c) brutkasten

Im Railjet erkannt werden

Mit Prominenz muss man eben umgehen können. Dazu kann auch Dejan Jovicevic etwas erzählen: “Ich bin einmal im Railjet gesessen und bei der Fahrscheinkontrolle kommt die Schaffnerin zu mir und sagt: ‘Du bist doch Dejan vom brutkasten!’ Ich dachte: ‘Jetzt bin ich schon so bekannt, dass mich alle kennen!’ Aber es stellte sich heraus: Sie war ÖBB-Vorständin und quasi undercover unterwegs – und hatte mich kurz zuvor bei einem Event gesehen.”

Zumindest für eine Zeit lang in Erinnerung geblieben dürfte auch Dominik Perlaki einmal einigen Event-Teilnehmern sein, wie er erzählt: “Es war AustrianStartups-Stammtisch im später leider geschlossenen Wiener Coworkingspace sektor5; Stargast war der damalige Kanzler Christian Kern.” Am Ende des Programms habe Moderator Daniel Cronin gesagt, Kern könne nur mehr eine Frage aus dem Publikum beantworten, bevor er gehen müsse. “Und Cronin erklärte, die Frage dürfe derjenige stellen, der auf drei am höchsten hüpft und am lautesten schreit. In einem gestopft vollen Raum mit mehreren Hundert Leuten war ich der Einzige, der gehüpft ist und geschrien hat – und zwar ziemlich hoch und laut”, erzählt Perlaki. An die Frage könne er sich aber nicht mehr erinnern.

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