20.09.2021

Unternehmensinsolvenzen steigen (endlich) wieder an

Nach einem konstanten Rückgang der Unternehmensinsolvenzen seit Beginn der Coronapandemie stiegen diese im dritten Quartal 2021 erstmals wieder an.
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(c) Adobe Stock - Axel Bueckert

Darauf, wie paradox die Situation ist, wird seit Monaten hingewiesen: Während sich (nicht nur) Österreich in der größten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten befindet, nehmen die Firmenpleiten konstant ab. Und das am stärksten in Branchen, die besonders von der Krise betroffen sind, wie etwa Tourismus und Gastronomie. Grund dafür sind die immer wieder erneuerten Corona-Hilfsmaßnahmen. Diese würden auch Firmen retten, die auch ohne Krise Insolvenz anmelden hätten müssen, kritisierte unter anderem der KSV1870 mehrfach und forderte daher, Unternehmen “nicht mehr künstlich am Leben zu halten”. Wie der Verband Creditreform nun vermeldete, wendete sich der Trend bei den Unternehmensinsolvenzen nun aber.

Unternehmensinsolvenzen stiegen im dritten Quartal um 30 Prozent an

Konkret gab es im dritten Quartal 2021 parallel zur allgemeinen Erholung der Wirtschaft auch einen Anstieg der Firmenpleiten um 30 Prozent – allerdings von einem zuletzt sehr niedrigen Niveau. Creditreform-Geschäftsführer Gerhard Weinhofer erklärt dazu gegenüber der APA: “Mit der Wiedereinsetzung der Insolvenzantragspflicht und der Beendigung der Stundungen kehrt man zur Normalität zurück und das führt auch wieder zu mehr Insolvenzen als in den Monaten zuvor”. Bisher gab es dieses Jahr 1.840 Unternehmensinsolvenzen. Vor der Krise gab es in Österreich üblicherweise rund 5.000 Insolvenzverfahren im Jahr.

Auf dieses Niveau würden sich die Unternehmensinsolvenzen mittelfristig auch zurückentwickeln, erwartet man bei Creditreform. Noch laufen einige Corona-Hilfsmaßnahmen. Bei deren Auslaufen wären rund 2.500 Unternehmen insolvenzgefährdet, heißt es vom Gläubigerschutzverband auf Basis einer bei Walter Schwaiger von der TU Wien in Auftrag gegeben Analyse. Wie der KSV1870 aber schon vor einiger Zeit prognostizierte, ist auch dann keine riesige Insolvenzwelle, sondern ein gemäßigter Anstieg auf das Vorkrisenniveau zu erwarten.

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(c) Anyline vlnr.: David Dengg, Entwickler, Daniel Albertini, CTO, Lukas Kinigadner, CEO, und Jakob Hofer, CMO
(c) Anyline vlnr.: David Dengg, Entwickler, Daniel Albertini, CTO, Lukas Kinigadner, CEO, und Jakob Hofer, CMO

Schon Jahre vor dem aktuellen KI-Hype konnte das Wiener Scaleup Anyline mit seiner Bilderfassungs-Lösung via Smartphone große Erfolge erzielen. In den Jahren 2016 bis 2021 kam das Unternehmen auf ein Wachstum von durchschnittlich 200 Prozent pro Jahr. Platzierte man die Lösung zunächst in unterschiedlichsten Branchen, wurden die Autoindustrie und im Speziellen das Erfassen von Daten zu Autoreifen immer mehr zum Fokus.

“Als wir uns entschieden haben, uns auf weniger Branchen zu konzentrieren, wurde klar, dass wir die neue Ausrichtung so schnell wie möglich im Team verfestigen mussten”, erzählt Co-Founder und CEO Lukas Kinigadner. Wie viele Wachstumsunternehmen setzte auch Anyline daraufhin auf OKRs (Objectives and Key Results), um Strategie, Ziele und Organisation zu strukturieren.

OKRs “zu strukturiert für ein Scaleup”

Doch erfolgreich war die Einführung der Methode im Rückblick nicht, wie Natasha Sotomayor, Head of Growth Strategy, erklärt: “OKRs waren dazu gedacht, uns zu verbinden, aber sie haben einfach nicht funktioniert. Sie waren zu strukturiert für ein Scaleup. Für mich waren OKRs zu starr und zu sehr top-down ausgerichtet. Und sie haben sich nicht gut mit den übergeordneten Zielen verbunden.”

Fehlendes “why”

Auch mit anderen Methoden wie “North Star” sei das “why” nicht ausreichend bei den Mitarbeiter:innen angekommen und es nicht gelungen, die Motivation zu steigern. “In einem Startup oder Scaleup sind die Dinge immer in Bewegung. Man lernt ständig dazu. Deshalb ist es wichtig, dass man als Mitarbeiter:in versteht: Worauf arbeite ich hin?”, so Sotomayor.

Umstieg auf AOA bei Anyline

Seit einiger Zeit nutzt Anyline mit Art of Acceleration (AOA) von GrowthSquare (brutkasten berichtete bereits) eine neue Methode. Davon versprach man sich eine schnelle und klare Kommunikation von Zielen und Erwartungen, einen flexiblen Bottom-up-Ansatz und einen Fokus auf den Weg selbst, nicht nur auf die Endergebnisse. “Wir brauchten einen schnellen Weg, um Zielsetzungen, Erwartungen und Grenzen zu kommunizieren, um den Mitarbeiter:innen von Anyline Kontext und Ziele zu geben”, sagt CEO Kinigadner. Einer der zentralen Vorteile der AOA-Methode sei, dass sie schnell Orientierung gebe, wo das Unternehmen gerade steht und welche Überzeugungen darin herrschen.

“Wenn man glaubt, dass eine neue Methode von Anfang an auf Gegenliebe stößt, ist man zum Scheitern verurteilt”

Doch natürlich wurde – nach mehreren gescheiterten Versuchen mit anderen Methoden – auch AOA von den Anyline-Mitarbeiter:innen nicht einfach mit offenen Armen empfangen. “Wenn man glaubt, dass eine neue Methode von Anfang an auf Gegenliebe stößt, ist man zum Scheitern verurteilt. Als Führungskraft war für mich klar: ‘Wenn sie mich nicht hassen, dann bin ich schon auf dem richtigen Weg'”, sagt Kinigadner. Vor allem auch seitens des Management-Teams habe es ein klares Commitment zur neuen Methode und die Bereitschaft, selbst Hand anzulegen, gebraucht.

Canvas, Retros und vierteljährliche Workshops

Generell setzt die AOA-Methode auf einen Bottom-up-Ansatz, legt einen Fokus auf das “why” und den Prozess auf dem Weg zum Ziel und soll eine größere Flexibilität im Vergleich zu anderen Methoden wie OKRs bieten. Konkret umgesetzt wird das unter anderem mit dem sogenannten “AOA Canvas” in den zwei Formaten “Company” und “Team”, wo Insights zum Status Quo, zu Überzeugungen, Herausforderungen, Vision, Zielen und einigem mehr geboten werden. Damit sollen Mitarbeiter:innen die Ziele im Auge behalten, während sie gleichzeitig viel Selbstbestimmung am Weg dorthin haben.

Monatlich gibt es “Retros” und quartalsmäßig Workshops, in denen die Teams über das Zurückliegende reflektieren und gemeinsam das weitere Vorgehen definieren. “Die Teams schätzen es sehr, wenn sie die Möglichkeit haben, zu reflektieren, einen Schritt zurückzutreten, ein wenig kreativ zu sein und darüber nachzudenken, was sie als Team in diesem Quartal erreichen möchte. Wenn man immer nur umsetzt, geht im Bereich Ideen nichts weiter”, meint Natasha Sotomayor. In diesen Diskussionen spielen Hierarchien keine Rolle, wodurch die Kommunikation zwischen Führungsebene und Mitarbeiter:innen an vorderster Front verbessert werden soll.

Hohe Zufriedenheit im Anyline-Team

Und was kam dabei bislang heraus? Nach drei Quartalen mit monatlichen Retros und vierteljährlichen Workshops gaben jeweils mehr als 80 Prozent der Anyline-Mitarbeiter:innen in einer internen Befragung an, dass sie die Zeit zur Reflexion schätzten, sich in ihren Teams wohlfühlten, ihre Stimme gehört wurde und sie wussten, worauf das Unternehmen hinarbeitete. “Sagen wir mal, von den 22 Teams sind 20 begeistert und die anderen beiden mögen es. Wohingegen ich glaube, dass im Großen und Ganzen niemand die OKRs mochte”, so Sotomayor.

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