05.09.2018

Unlearn: Vom “Verlernen” als Grundlage für die digitale Transformation

Interview. Hanno Burmester, Gründer der Berliner Consulting-Firma Unlearn, hat das Konzept des Verlernens zur zentralen Strategie seiner Beratungstätigkeit gemacht. Im Gespräch erklärt er, warum es in der digitalen Transformation notwendig ist.
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Unlearn: Hanno Burmester über das Verlernen als Basis für digitale Transformation
(c) Unlearn: Hanno Burmester

Immer mehr neue Inhalte im Kopf gleichsam “aufeinander zu stapeln”, hilft noch nicht, mehr zu lernen. Wirklich wirksames Lernen erfordere die bewusste Wahrnehmung der Denkmuster, von denen man gesteuert wird und in Folge das aktive Verlernen eben dieser Gewohnheiten. Das ist die Ausgangsthese von Hanno Burmester, Gründer Unlearn Consulting & Development Gmbh. Eigenverantwortung, Selbststeuerung und vor allem die Behandlung der Frage, wie persönliche Werte und Organisationswerte zusammenhängen und welche Verhaltensweisen sich daraus für den Alltag ergeben, seien die wichtigsten Werkzeuge für die Transformation von Unternehmen. Wir haben Burmester im Interview dazu genauer befragt.

Dieses Interview wurde von Julia Weinzettl geführt und erstmals auf dem Blog der Plattform Taskfarm veröffentlicht.

+++ Fokus: Corporate Innovation +++


Der Unlearn-Gründer spricht am 11.Okt. 2018 am Austrian Innovation Forum in Wien. Dort steht dieses Jahr der “Umbruch” und seine Auswirkungen auf Innovationsstrategien und deren menschliche Komponente im Zentrum.

Video-Interview mit Initiator Helmut Blocher beim Austrian Innovation Forum 2017

Live vom Austrian Innovation Forum, mit dem Gründer und GF Helmut Blocher, Walter Kreisel CEO von Kreisel Systems, Martin Johann Fröhlich, Startup-Manager der Deutsche Bahn Konzern und Christina Rami-Mark, GF des österreichischen Weltmarktführers MARK Metallwarenfabrik.

Gepostet von DerBrutkasten am Donnerstag, 12. Oktober 2017


‘Um Zukunft zu werden, müssen wir verlernen’ – was bedeutet das?

Ich glaube, dass wir kulturell, individuell und auch als Unternehmen, Lernen immer verstehen als “Ich hole mir etwas Neues, lege es auf etwas Bestehendes drauf und dann kann ich es besser als vorher”. Aber wirklich wirksames Lernen erfordert ein paar Schritte mehr. Bevor man lernt, sollte man eine Bestandsaufnahme machen und überlegen von welchen Mustern, Glaubenssätzen und Gewohnheiten man gesteuert wird und was davon hinderlich ist, um Neues zu lernen und eine Änderung hervorzurufen.

Denn permanentes Aufladen von Neuem auf Bestehendes verändert noch nicht die Perspektive. Eingelernte Denk- oder Verhaltensmuster bremsen neue Erkenntnisse. Daher ist das Verlernen vor dem Neulernen elementar wichtig. Sich diesen Schritt bewusst zu machen, ist die Basis für jede Art der Transformation, sowohl für die individuelle als auch für die Transformation von Organisationen und Gesellschaften.

Eines eurer Schlagwörter bei Unlearn ist “agile Organisationsentwicklung”. Ist das die Weiterführung von agilem Projektmanagement?

“Agile Organisationsentwicklung” ist eine Begriffsneuschöpfung. Wir glauben, dass man aus dem agilen Mindset, der Art und Weise wie man agile Prozesse steuert, sehr viel über Organisationsentwicklung lernen kann. In großen Organisationen wird häufig von einzelnen Menschen oder kleinen Gruppen ein Plan gemacht. In der Umsetzung fragt sich oft die Hälfte der Ausführenden nach der Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme, da viele Aspekte nicht berücksichtigt wurden. Das passiert sogar sehr guten Systemikern. Bei der Projektsteuerung gerade in komplexen Veränderungsprozessen und durchwegs immer, wenn es um menschliche Veränderung geht, ergibt sich ein hohes Maß an Komplexität. Da reicht schon eine sehr kleine Gruppe von Personen.

Im agilen Ansatz sind Selbstorganisation und Selbststeuerung fundamentale Bestandteile. Kollaboration ist essenziell, um die Inhalte zu verbessern und die Akzeptanz zu erhöhen.Wir setzen bei Unlearn daher im Prozessdesign stark auf eine enge, kreative Kollaboration mit unseren Kunden, die diesen Prozess von Anfang an mitdesignen. Für den Erfolg ist die Einbindung aller Funktions- und Hierarchieebenen wichtig, denn die Perspektivenvielfalt, die bereits während des Prozesses entsteht, ist schon ein Lernenprozess.

Die Kulturprägung und Veränderung beginnt bereits an dieser Stelle. Auch wird das Ergebnis durch die Einbindung von multihierarchischen Teilnehmern besser, als wenn nur die Führungsetage etwas ausbrütet. Wir haben damit nicht nur gute Erfahrung im Outcome gemacht, sondern auch den Spaßfaktor in der Konzeption erhöht und somit die oft träge Umsetzung und Akzeptanz der Ideen erleichtert, weil sie aus einem sinnvollen Mix an handelnden Personen besteht.

Mit welchem Auftrag kommen Unternehmen zu Euch? Ist Kulturentwicklung etwas, das ihr aktiv anbietet? Oft versteckt sich das Kulturthema hinter einem Umzug oder der Umgestaltung der Büros und geht dann Hand in Hand mit Kulturentwicklung.

Ich teile diesen Eindruck, und ich würde fast sagen, der Kulturbegriff, ist an vielen Stellen eher hinderlich als förderlich. Weil Kultur ist ja alles und nichts.

Unternehmen kommen immer mit einem Labelthema, unter dem sich dann Kultur versteckt. Wir haben beispielsweise ein Projekt mit einem Automobilhersteller umgesetzt, der einen Umzug von unterschiedlichen Standorten des Unternehmens in einen Campus plante. Die Abteilungen hatten unterschiedliche Arten miteinander zu kommunizieren, ganz unterschiedliche Rituale, Gewohnheiten und Codices.
Wir arbeiteten in diesem Kontext an der Überwindung der Gegensätze um eine gemeinsame Kommunikation, ein Miteinander und eine gute Zusammenarbeit zu ermöglichen.

“Wir haben ganz unterschiedliche Spielfelder, der roten Faden bei allen ist Transformation.”

Ein weiteres Beispiel ist ein mittelständisches Produktionsunternehmen in Baden-Württemberg, das seine Zeiteinteilung nach einem sehr rigiden Arbeitszeitmodell ausrichtete. Die Arbeit begann für alle Mitarbeiter um 7:30 und endete ebenfalls für alle um 17:30. Wenn es eine Pause gab, läutete ein Gong und dann standen alle auf. Dieses Modell wollte man auf Vertrauensarbeitszeit umstellen. Hinter dieser Umstellung verbargen sich aber die Themen: “Wie können wir einander vertrauen?” und “Woran merken wir, dass wir das können?”. Die Frage wofür Führung zuständig wäre, wurde aufgeworfen. Bisher waren Führungsaufgaben hauptsächlich Kontrolle und Personen, die die Uhr checkten. Plötzlich ging es um ganz andere Inhalte, wie die Definition von Selbststeuerung und Eigenverantwortung. Diese Aufgabenstellungen sind starke Kulturthemen, denen mentale Modelle und stille Grundannahmen, die nicht explizit verhandelt werden, zugrunde liegen.

Als letztes Beispiel betreuen wir eine Landespartei, die zwar mit dem Status quo zufrieden ist, sich aber im Hinblick auf die Zukunft organisatorisch und kulturell weiter entwickeln möchte. Wir arbeiten hier mit einem kleinen Team in der Führung, das aber eine Freiwilligen-Organisation mit 40.000 Leuten leitet. Aufgrund dieser Situation haben wir eine andere Projekt Logik als beispielsweise in einem Konzern. Die Anzahl der Menschen ist allerdings ähnlich, sowie die unterschiedlichen Ebenen auf denen gearbeitet wird. Prozesse und Strukturen müssen genauso überlegt werden, bis hin zur Frage wie tatsächlich kommuniziert wird und mit welcher Haltung man einander begegnet. Das sind komplexe Projekte, deren Umsetzung über mehrere Jahre gehen. Wir haben ganz unterschiedliche Spielfelder, der roten Faden bei allen ist Transformation.

Viele Personen sind nicht veränderungsbereit, weil sie Angst haben, durch die Änderungen Nachteile zu erfahren, zum Beispiel ihre Position oder ihren Status zu verlieren oder auch gekündigt zu werden. Welchen Ansatz verfolgt ihr in dieser Situation?

Wir starten mit einer offenen Haltung und der Einladung zum Mitmachen. Es ist aber wichtig klarzustellen, dass für die Partizipation ein gewisser Rahmen vorgegeben ist. Gerade wenn es um Veränderungsaufgaben und neues Arbeiten geht, ist es wesentlich, dass vorher von den Verantwortlichen strategisch einige Parameter gesetzt werden, die erstmal nicht verhandelbar sind. Dadurch stecken wir ein Spielfeld ab. Die Gestaltung des Spielfelds ist partizipativ. Dieses Setup hilft, um dem Prozess eine Orientierung zu geben. Aufgrund der Transparenz können sich die Menschen überlegen, ob sie mitgehen wollen und wenn nicht, was die Alternative wäre.

Hier gibt es unterschiedliche Reaktionen, in denen oft interessante Informationen stecken. Manche überlegen sich, wie sie sich verändern möchten, andere gehen in den Widerstand, dritte blockieren und verlassen das Unternehmen. Alles sind valide Verhaltensweisen. Wir analysieren welche Auslöser im Widerstand stecken und ob es Möglichkeiten gibt, den Prozess zu verbessern.

Zum zweiten haben wir bei Unlearn die Grundhaltung, extrem transparent und ehrlich zu kommunizieren. Wenn wir jemanden einladen mitzumachen, dann ist das immer genau so gemeint. Wir machen keine Pseudo-Partizipation. Hier haben Menschen oft andere Erfahrungen gemacht und misstrauen uns anfänglich. Wenn die Mitarbeiter im Verlauf des Prozesses aber gemerkt haben, dass wir es wirklich ernst meinen, beginnen oft erstaunliche Erfahrungen. Bei Menschen von denen wir zu Beginn unsicher waren, ob sie den Weg mitgehen, erlebten wir teilweise unglaubliche Veränderungsgeschichten mit extremen Konsequenzen, auch für das Leben der Einzelnen. Denn wenn der Arbeitsbereich verändert wird, hat das Auswirkungen auf den Rest des Lebens. Hier gibt es Beispiele, wo ich wirklich den Hut ziehe, denn es ist nicht selbstverständlich, dass Menschen so eine hohe Veränderungsbereitschaft haben.

Du sprichst auch davon, dass Spiritualität für Unternehmen eine immer grössere Rolle spielt.

Das ist natürlich ein Grenzthema. Ich verstehe Spiritualität nicht im Sinne von Esoterik, sondern mir geht es um Fragen, wie “Warum sind wir hier?”, “Welchen Beitrag wollen wir leisten?”, “Was ist unsere Funktion im Gesamtsystem?”. Das sind spirituelle Fragen, weil sie nicht final beantwortbar sind und es nicht die eine Wahrheit gibt, sondern immer unterschiedliche Wahrheiten als Antwort.

“Als einziges Ziel zu haben, dass die Profit-Marge gleich bleibt und der Marktanteil nicht sinkt, funktioniert auch wirtschaftlich immer schlechter in der heutigen Welt.”

Ich glaube, dass diese Fragen gerade für Unternehmen, die sich in einer starken Umorientierung befinden, ganz wichtig sind. Die Umorientierung fußt oft darin, dass man merkt, dass an vielen Stellen falschen Zielen hinterher gelaufen wird und die Zukunftsperspektive nicht mehr gegeben ist. Als einziges Ziel zu haben, dass die Profit-Marge gleich bleibt und der Marktanteil nicht sinkt, funktioniert auch wirtschaftlich immer schlechter in der heutigen Welt. Viele vergessen, was eigentlich der größere Sinnzusammenhang ist, in dem sie bestehen.

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Menschen wie ausgetrocknet sind, wenn man fragt, wie persönliche Werte und Organisationswerte zusammenhängen und welche Verhaltensweisen sich daraus für den Alltag ergeben. Wenn wir beginnen über Sinnstiftung, den größeren Sinnzusammenhang, den persönlichen und Unternehmensbeitrag sprechen, dann geschehen die erstaunlichsten Dinge.

Diese Themen sind über die letzten Jahre verkümmert und werden jetzt dankbar aufgenommen. Die Beschäftigung mit der persönlichen, beruflichen Einordnung um eine Antwort auf die Frage zu finden, was unser sinnhafter Beitrag im großen Ganzen ist, ist sehr bedeutsam.
Daraus ergibt sich eine extreme Strategiefähigkeit, denn wenn es eine übergeordnete Idee gibt, dann kann der/die Einzelne in die Selbststeuerung gehen und eine Richtung einschlagen in der er/sie konsistent ist, selbst wenn es Widerstände gibt. Diese Durchdringung zu erreichen, ist deutlich schwerer, wenn man oberflächliche Ziele hat, auf denen es einen auf dem Weg nach vorne schnell aus der Kurve werfen kann.

Selbststeuerung ist bei Unlearn ein wichtiges Element.

Stimmt. Selbststeuerung ist deshalb wichtig, weil wir zum Einen immer mehr mit Führungs- und Organisationsmodellen zu tun haben, bei denen nicht mehr die Präsenz, sondern das Ergebnis zählt und zweitens, weil niemand mehr sagen kann, was richtig und was falsch ist. Es gibt keine Führung mehr die en detail vorschreiben kann, was zu tun ist, das funktioniert gerade in businessgesteuerten Unternehmen einfach nicht mehr. Daher ist es besonders wichtig zu wissen, was der eigene Kern und die eigene Ausrichtung ist.

Die Klärung dieser Fragen ermöglicht es dem Einzelnen auch dann zu agieren, wenn nicht ganz genau vorgegeben wird, wo es gerade hingehen soll. Was soll denn sonst helfen? Policies und Compliance Regeln sind es in der Regel nicht. Übergeordnete Fragen und Diskussionen eröffnen eine Dimension, die vielen erst mal schwammig erscheint, tatsächlich ermöglicht es den Menschen aber, sich individuell und kollektiv selbst zu steuern.

Wenn du aus deiner Perspektive 10 Jahre in die Zukunft schaust, welche Organisationsformen wird es geben?

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir uns gerade in einem historischen Prozess befinden. Das hegemoniale Organisationsmodell ist am Sterben, auch wenn es gerade noch die große Mehrheit darstellt. Ein anderes Organisationsmodell ist im Kommen, gewisse Kerneigenschaften dieses neuen Modells sind bereits zu erkennen.

Das erste Merkmal ist Dezentralität. Ich glaube, es werden Organisationen entstehen, die kleiner als die heute Maßgeblichen sind. Ich denke, dass wir es in Konzernen in höherem Maß mit Zerschlagung zu tun bekommen werden, einfach weil mit einer kleineren Größe die Steuerbarkeit und die Wendigkeit wächst.

Das Zweite ist, dass sich eine gewachsene Form von Selbstorganisation ausbildet, einer weiteren Form von Selbststeuerung. Es wird zwar weiter hierarchische Führungen geben, aber die Funktion ändert sich. Hier steht die rechtliche Verantwortung und das Sicherstellen von funktionierenden Schnittstellen im Vordergrund, die Entscheidungsgewalt ist nicht mehr an erster Stelle.

Weiters denke ich, dass es zu einer größere Sinnorientierung in Unternehmen kommen wird, dass sich dadurch der politische Kontext ändert und wir eine viel rigidere Politik bekommen werden, die auch wirtschaftlich einiges ändern wird. In unserem derzeitigen Modell ist beispielsweise Kostenexternalisierung selbstverständlich, das wird in zehn Jahren noch legal sein, ob das aber in 20 oder 30 Jahren noch so ist, bezweifle ich. Wir stehen gerade am Anfang des Paradigmenwechsels. Diejenigen, die Veränderung nicht wollen, fangen an das argumentieren zu müssen. Personen mit guten Ideen haben das Recht sie auszuprobieren. Diese Haltung wird sich noch verstärken, dadurch werden wir eine bessere Anpassungsfähigkeit an die Umwelt bekommen und das brauchen wir ganz dringend.

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Zur Gastautorin

Julia Weinzettl startete ihre Karriere nach dem Wirtschaft-, Politik- und Kommunikationswissenschaften-Studium als Marketingmanagerin der damaligen Startups sms.at, uboot.com und handy.at. Nach Tätigkeiten als Mobile Business Development Manager bei bwin (damals auch noch im Startup-Stadium) und als Data Protection Counselor bei der Personensuchmaschine www.123people.com wurde Weinzettl selbst zur Gründerin. Gemeinsam mit ihrem Mann Mike Weinzettl startete sie 2011 www.taskfarm.com als Marktplatz zur Projektvermittlung. Später folgte der Pivot zu einem Fokus auf Softwareentwicklung und Consulting. Mit dem Taskfarm-Blog legt die Gründerin eine große Interview-Serie zum Thema “Future of Work” vor.

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Das Team von StartUp Burgenland am Abend der StartUp Lounge im Wiener Filmquartier (c) Maze&Friends

Vor vier Jahren startete StartUp Burgenland mit dem Ziel, das wirtschaftliche Potenzial der Region zu fördern und zu erweitern. Mittlerweile hat StartUp Burgenland mit seinem Inkubator- und Accelerator-Programm auch über die Grenzen des Bundeslandes hinaus einen wesentlichen Impact erzielt und zahlreiche junge Menschen im Aufbau ihres Unternehmens gefördert.

In vier Durchgängen haben bislang 30 Startups am StartUp Burgenland Accelerator und Inkubator teilgenommen. “Es ist wunderbar auf die letzten vier Jahre zurückzublicken und zu sehen, mit welcher Bandbreite an Gründerinnen und Gründern wir zusammengearbeitet haben”, eröffnete Martin Trink, Leiter von StartUp Burgenland, die StartUp Lounge am vergangenen Donnerstag, den 13. November 2024.

Im Rahmen der StartUp Lounge lud die Wirtschaftsagentur Burgenland in das Wiener Filmquartier im fünften Wiener Gemeindebezirk, um den Abschluss des vierten Batches des Inkubator- und Accelerator-Programms mit sieben der teilnehmenden Startups und zahlreichen Stakeholdern der heimischen Innovationsszene zu feiern.

Moderatorin Elisabeth Gamauf (li.), Michael Gerbavsits (Mitte), Geschäftsführer der Wirtschaftsagentur Burgenland, und Martin Trink (rechts), Leiter StartUp Burgenland (c) Maze&Friends

“StartUp Burgenland ist ein Ort, an dem Gemeinschaft wächst”

Den Impact, den der StartUp Burgenland Accelerator bei den jungen Menschen vor Ort erzielt, ist unverkennbar: Know How, Kunden und Kapital sind nur drei der vielen Benefits, die Teilnehmende rund um das Coaching, Mentoring und Networking in den letzten acht Monaten mitnehmen konnten. Die Unterstützung geht weit über den Rahmen des Programms hinaus.

Michael Gerbavsits, Geschäftsführer der Wirtschaftsagentur Burgenland, hob die essenzielle Rolle von StartUp Burgenland hervor: “StartUp Burgenland ist mehr als nur ein Programm für Geschäftsideen – es ist ein Ort, an dem eine Gemeinschaft wächst, die innovatives Unternehmertum als essenzieller Bestandteil der regionalen Wirtschaftsförderung begreift. Mit umfassender Unterstützung von der Ideenentwicklung bis zur Markteinführung hat sich das Projekt als unverzichtbar etabliert.”

Die StartUp Lounge diente nicht nur als offizielles Abschlussevent, um jungen Talenten eine Bühne zu geben, auf der sie den Fortschritt der letzten Monate präsentieren durften. Neben Networking in einer familiären Atmosphäre durfte das Publikum im Rahmen des Abendprogramms der Erfolgsgeschichte des Brüder- und Gründerpaares Patrick und Markus Reinfeld zuhören, die schon in Batch 1 des StartUp Burgenland Accelerators ihr Business “Pflegenavi” gestartet haben.

“Wir unterstützen nicht nur Geschäftsmodelle, sondern vor allem auch junge Menschen. Wir begleiten sie über ein paar Monate und manchmal auch noch länger”, begrüßte Geschäftsführer Gerbavsits die beiden Founder.

Im Rahmen der StartUp Lounge fanden Founder:innen, Mentor:innen und Stakeholder:innen aus dem Ökosystem zusammen. (c) Maze&Friends

“Es gibt keinen Hard Cut, das Team ist immer proaktiv dabei”

“Wir sind heute als Vorzeigeprojekt da. Um zu zeigen, wie wir uns seit Batch 1 weiterentwickeln konnten und uns nun auf dem Markt etabliert haben”, so Patrick Reinfeld. Das Brüderpaar sprach von laufender Unterstützung vonseiten des StartUp Burgenland Teams. Und vor allem von Authentizität und Menschlichkeit:

“Es gibt hier keinen Hard Cut, das gesamte Team von StartUp Burgenland bietet uns seither laufende Unterstützung – lange über das Programm hinaus. Das Team war und ist immer proaktiv dabei, heben immer ab, wenn wir etwas brauchen. Und gerade jetzt, wo wir dabei sind, unser Produkt so richtig im Markt auszurollen, haben sie uns hier zur StartUp Lounge eingeladen und uns die Chance gegeben, uns hier vor Stakeholdern nochmals zu positionieren und zu zeigen, wo unsere Reise hingeht. Das ist etwas ganz Besonderes.”

Pflegenavi entwickelt e-Wallets für Heimbewohner:innen

Im Rahmen des Accelerator-Programms 2021 gründeten die Brüder ihr Startup Pflegenavi. Drei Jahre später verzeichnete das Startup schon mehrere tausend User:innen. Darunter namhafte Organisationen wie die Caritas und der Samariterbund.

Pflegenavi fokussiert sich auf die Verwaltung von Bewohnergeldern – also Drittgeldern – in Pflegeheimen. “Wir haben uns die Frage gestellt: Was sind die Herausforderungen bei Leiter:innen von Pflegeeinrichtungen? Hier geht es klassisch um die Verwaltung von Bewohnergeldern, um die Verwaltung von Rechten und Risiken. Und auch um Haftungsthemen. Hier setzt Pflegenavi an: Wir haben eine digitale Allround-Lösung entwickelt, mit der wir Pflegeeinrichtungen eine transparente Verwaltung dieser Bewohnergelder ermöglichen.”

Das FinTech entwickelte eine cloudbasierte Softwarelösung, um eine digitale, auf e-Wallets basierende Depotverwaltung zu ermöglichen, die Bewohnergelder sicher und klar abgrenzt. E-Wallets, also elektronische Geldbörsen, können Bewohner:innen und Besucher:innen der Pflegeeinrichtungen eine einfache, digitale Abwicklung ihrer Zahlungen garantieren. Damit lassen sich alltägliche Zahlungen für Bewohner:innen oder Angehörige einfach und sicher abwickeln.

“Wir haben unseren Co-Founder gefunden”

Das Gründerteam pries indes den Mehrwert des StartUp Burgenland Accelerators im Laufe seiner Geschäftsentwicklung an. Essenzielle Vorteile seien neben zielgerichteten Coaching- und Workshop-Sessions vor allem die zahlreichen Möglichkeiten zum Networking:

Dank des Accelerators habe das Team gemerkt, dass ihm die IT-Komponenten gefehlt hat: “Der größte Mehrwert war hier die Vernetzung mit unserem jetzigen Co-Founder Rainer Schuster, der uns genau diese Lücke optimal füllen konnte. Mittlerweile haben wir einen Product-Market-Fit gefunden, der gut performt und bereits weitere Geschäftsfelder erreicht. Aktuell wollen wir den Rollout in Österreich vorantreiben, 2025 geht es in Richtung Deutschland.”

Vertrauenswürdige KI im Fokus

Nach den Eindrücken des Startups Pflegenavi bereicherte Verena Krawarik, Head of Innovation der APA, den Abend mit einem Panel zu den Herausforderungen des EU AI Acts. Krawarik sprach über den Stellenwert von “Trustworthy AI” rund um den bevorstehenden EU AI Act und berief sich auf heimische Informationsstellen zum Thema AI – darunter die KI-Servicestelle, TÜV-Ratgeber sowie die RTR. Außerdem zur Sprache kamen Rahmenbedingungen zu Künstlicher Intelligenz im Innovationsmanagement.

Verena Krawarik, Head of Innovation der APA (c) Maze&Friends

“Februar ist Schlüsseltermin, ab dann sind verbotene KI-Praktiken auch wirklich verboten. Dann dürfen sie keine Praktiken anwenden, die in China vielleicht Gang und Gebe sind”, so die Innovationsexpertin. Sie gewährte außerdem Einblicke in die im AI Act vorgesehenen Risikoklassifizierungen sowie zur bevorstehenden Transparenzpflicht.

Abschließend appellierte Krawarik, frühzeitig mit AI-spezifischer Grundausbildung und einschlägigen Schulungsprogrammen zu beginnen, um Wissenslücken in Unternehmen zu vermeiden und die Affinität gegenüber neuester technologischer Entwicklungen zu intensivieren.

Über die StartUp Lounge äußerte sich die Innovationsexpertin: “Ich finde es ganz toll, dass hier zu Themen Lösungen entstehen, die gar nicht leicht zu lösen sind. Das zeigt die Kompetenz der jungen Leute hier, und das begeistert mich sehr.”

StartUp Walk durch sieben aufstrebende Accelerator-Projekte

Als krönenden Abschluss begab sich das Publikum auf den “StartUp Walk” im Filmquartier: Sieben der acht teilnehmenden Startups aus Batch 4 des Accelerators durften ihr Unternehmen in 90 Sekunden vor den anwesenden Stakeholdern pitchen. Jedes Team erzählte auf äußerst authentische Art und Weise von seiner persönlichen Reise im StartUp Burgenland Accelerator.

Unter den sieben anwesenden Startups fanden sich: Friends in Flats, KOMO, teamchallenge.at, Bimexperts, FireFighter Rescue App, Reefmaster und Trumpet Star. Kurze Einblicke in die Pitches der Teams finden sich am Ende des Artikels.

Nach Alumnus-Talk, AI-Panel und StartUp Walk tauschten sich die pitchenden Startups mit den anwesenden Key Playern des Ökosystems aus – und feierten ihre Fortschritte der letzten Monate im Rampenlicht des Abends.

“Die jungen Menschen brennen für ihr Unternehmen”

Auch teilnehmende Stakeholder aus der Innovationsszene zeigten sich begeistert von der Menschlichkeit, Kompetenz und der Hingabe, die von den Jungunternehmen vermittelt wurde. Einer davon ist Alexander Raffeiner. Der Coach und PR-Stratege durfte “die Teams im Bereich PR und Kommunikation coachen und sie auf die Pressekonferenzen vorbereiten. Für mich war es heute eine echte Belohnung, zu sehen, wie gut alle Startups ihre Ideen gepitched haben.”

Über die Begeisterung der Teams ließ sich nicht hinweg sehen: “Die jungen Menschen brennen für ihr Unternehmen. Da gibt es schon die ein oder anderen Hürden zu überwinden. Aber wenn du siehst, wie weit diese jungen Menschen es in kurzer Zeit bringen, bin ich als Coach richtig stolz”, so Raffeiner.

Niki Futter: “Das Burgenland versucht, im eigenen Umfeld Startups aufzubauen und zum Erfolg zu führen”

Auch Niki Futter, Business Angel und Vorstandsvorsitzender der invest.austria, war bei der StartUp Lounge vor Ort: “StartUp Burgenland ist ein Incubator für ein Bundesland, das versucht, im eigenen Umfeld Startups aufzubauen und zum Erfolg zu führen. Wir haben heute sieben Startups gesehen, die durch das Programm gelaufen sind. Das ist heute ihr Abschlussabend. Und man kann ihnen nur alles Gute wünschen.”

Auch die Atmosphäre des Abends ließ den Business Angel nicht unberührt: “Es war eine wunderbare Veranstaltung. Insbesondere hat es mich gefreut, Verena Krawarik von der APA wieder zu sehen, die zu den Top-Expert:innen im AI-Bereich in Österreich zählt und die hier einen doch substantiell breiten und vernünftigen Einblick in die Problematik der AI-Regulierung gegeben hat”, meint Niki Futter zu Programm und Atmosphäre des Abends.

“Ein ganz großes Danke”

Schließlich schloss StartUp-Burgenland-Leiter Martin Trink den offiziellen Teil der Veranstaltung mit den Worten: “Das ist keine One-Man-Show. Das funktioniert nur deshalb, weil wir ein großartiges Team sind. Ein ganz großes Danke an alle!”

Allen, denen es mit einer neuen Geschäftsidee nun in den Fingern juckt, bietet sich bis Ende November noch die Möglichkeit, sich zur Aufnahme in den kommenden Batch 5 des StartUp Burgenland Incubators und Accelerators zu bewerben. Im Jänner geht der neue Durchlauf an den Start – mit einer Besonderheit, wie Leiter Martin Trink verkündete:

“StartUp Burgenland – als jüngstes AplusB Mitglied – veranstaltet gemeinsam mit der aws den Business Angel Day 2025 am 23.Oktober 2025 im Schloss Esterhazy – eine ideale Gelegenheit, um Investoren und Gründer zusammenzubringen, den Austausch zu intensivieren und neue Partnerschaften zu fördern.“


Diese Startups pitchten im StartUp Walk

Friends in Flats

Mathias Molnar von Friends in Flats (c) Maze&Friends

Den ersten Pitch startete das Startup Friends in Flats, das die Vermietung von Wohnungen als Wohngemeinschaften digitalisiert und den Prozess für Wohnungseigentümer und Mieter:innen damit effizienter gestaltet. Vom StartUp Burgenland Accelerator profitierte das Team vor allem dank der “vielen Connections und hochklassigen Workshops”.

KOMO

Sebastian Kolbe von KOMO (c) Maze&Friends

Weiter ging es mit dem Startup KOMO rund um Gründer Sebastian Kolbe – er selbst ist Inhaber eines Küchenstudios. Kolbe entwickelte eine ERP-Softwarelösung für Küchenstudios – aus eigener Frustration rund um papierreiche Auftragsabwicklung und -verwaltung heraus. Das Ziel der Software ist es, Arbeitsabläufe in Küchenstudios zu digitalisieren und effizienter zu gestalten.

teamchallenge.at

Matthias und Karin Leonhardt von teamchallenge.at (c) Maze&Friends

Die dritte Station des StartUp Walks war das Jungunternehmen teamchallenge.at. Mit seiner “Outdoor-Challenge” für Firmen, Vereine, Freunde oder Familien versucht das Startup, Team-Building unkompliziert und per Smartphone im Freien zu ermöglichen. Das Gründerteam besteht aus ehemaligen Leistungssportlern im Orientierungslauf. Dementsprechend ähneln die vom Startup konzipierten Challenges einer Kombination aus Schnitzeljagd, Escape-Room und Orientierungsparcours. Mittels QR-Code lassen sich Aufgaben am Handy abrufen und interaktiv in Teams lösen.

Bimexperts

Eva Galas von Bimexperts (c) Maze&Friends

Weiter ging es mit dem Startup Bimexperts, das sich der Emissionsreduktion in der Gebäude- und Baubranche verschrieben hat. Mit ihrem Softwaretool TGA Concept will die Bimexperts GmbH in Kombination mit KI Planungsfehler, Energiekosten sowie Materialverschwendung reduzieren und damit Kosten sparen sowie die Bauqualität fördern. Somit sollen mehr Zeit und Ressourcen zur Konzeption von nachhaltigen Lösungen für Bauprojekte geschaffen werden.

FireFighter Rescue App

Lukas Thurner von FireFighter Rescue App (c) Maze&Friends

An fünfter Stelle pitchte das Startup FireFighter Rescue App. Um bei Feuerwehreinsätzen den Zugriff auf benötigte Informationen zu beschleunigen und den Informationsfluss effizient zu gestalten, hat der freiwillige Feuerwehrmann und Softwareentwickler Lukas Thurner eine App entwickelt, die digitale Vernetzung von Feuerwehren ermöglicht: Dazu wird jedes teilnehmende Einsatzfahrzeug mit einem Tablet ausgestattet, das über die FireFighter-Rescue-App Zugang zu spezifischen Informationen zum Einsatz liefert. Und damit eine sichere und effiziente Bewältigung ermöglichen soll.

Reefmaster

Stefan Kofler von Reefmaster (c) Maze&Friends

Das sechste pitchende Startup hat sich der Mission der Heim-Aquarien-Reinigung verschrieben. “Ein Aquarium ist zu viel Arbeit” soll ab sofort keine Ausrede für dessen Anschaffung mehr sein. Denn die Idee des Gründers und CEOs Stefan Kofler ist es, Meeres-Aquarien mittels nutzerfreundlicher Technologien vom “Reefmaster Piper” selbst reinigen zu lassen. Dabei handelt es sich um ein vollautomatisches Wasseranalyse-System, das bis zu 26 Arbeitstage im Jahr sparen soll. Der Reefmaster Piper übernimmt Reinigung, Wartung und Messung der Wasserqualität.

Trumpet Star

Mario Schulterer von Trumpet Start (c) Maze&Friends

Zu guter Letzt überraschte ein Pitch mit musikalischer Untermalung das Publikum auf seinem StartUp Walk: Trumpet Star verbindet digitale und analoge Lernmethoden für das Instrument Trompete. Die multimediale Technologie soll es Schüler:innen jeglichen Alters ermöglichen, per App auf Smartphone, Tablet oder im Lernheft Trompete zu lernen. Mit der Lernplattform sollen Schüler:innen auch außerhalb des Klassenzimmers beim Üben motiviert und unterstützt werden.

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