02.06.2022

Ukraine: “Man hat das Gefühl Teil des Krieges zu sein”

Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat neben der überraschend schnellen Einigkeit der EU-Staaten weitere bemerkenswerte Dimensionen des Kriegs offenbart: partizipative Technologie.
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(c) Robo Wunderkind/Stock.Adobe/Media Whale Stock - Robo Wunderkind-Gründerin Anna Iarotska über Technologie im Krieg.

Technologie war stets Teil von kriegerischen Auseinandersetzungen, spielt aber in diesem Fall eine weitaus tragendere Rolle als bisher. Es gab Hacks ungeahnten Ausmaßes, privaten Personen aus aller Welt wurde die Möglichkeit gegeben, sich zu beteiligen, soziale Netzwerke wurden zu einem Umschlagplatz, gefangen zwischen Information, Austausch und Propaganda – alles in allem fand im Ukraine-Krieg bisher ein Paradigmenwechsel statt: War Technologie in früheren Kriegen auf Waffen und Kommunikation beschränkt, wird sie heute als umfassendes psychologisches Mittel genutzt, um Widerstand zu leisten.

Auffällig war zu Beginn des Krieges vor allem das Hackerkollektiv Anonymous. Es drang ins russische Fernsehen ein, ebenso in staatliche Nachrichten- und Medienagenturen, in Großbetrieb wie Gazprom sowie in offizielle Websites der Regierung und von TV- und Internetanbietern. Auch gab es Attacken gegen die Raumfahrt-Agency Roskosmos und gegen die Zensur- und Regulierungsbehörde Roskomnadzor. Man wollte damit dem Aggressor schaden und aufzeigen, welche Manipulationen gegen das eigene Volk eingesetzt werden.

Ukraine-Krieg: Anti-Putin-Slogans in der Gemüseabteilung

Das alleine wäre schon bemerkenswert genug, doch Anonymous ging viel weiter. Wie der „Focus“ berichtete, enterte das Kollektiv auch den Alltag der russischen Bevölkerung: Beim Abwiegen von Gemüse im Supermarkt bekamen Kund:innen auf dem Bon statt Gewicht und Preis ukrainische Slogans ausgewiesen; 100.000 russische Drucker druckten plötzlich Anti-Putin-Messages aus. Der private PC-User wurde dazu eingeladen, simplerweise eine Website als Tab offenzuhalten, um DDos-Attacken zu starten.

Mitte Mai behauptete wiederum die Hackergruppe @squad3o3, dass über 100 Millionen Nachrichten von ihren Diensten nach Russland geschickt wurden, um Moskaus Propaganda zu bekämpfen. Auf der Website der selbst ernannten „Ukraine IT Army“ gab es Instruktionen, wie man einen solchen Cyberangriff ausführt. Jene Vereinigung hat auch versucht, den Aggressor und seine Bevölkerung an besonders heikler Stelle zu treffen – eines der Angriffsziele war das Portal des “Unified Automated Alcohol Accounting Information System“ (EGAIS), das als entscheidend für den Alkoholvertrieb in Russland gilt. Die Angriffe auf die EGAIS-Website fanden am 2. und 3. Mai statt; am 4. Mai wurden Ausfälle gemeldet.

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Aufgrund der Auswirkungen des Angriffs konnten Fabriken keine Tanks mit Alkohol annehmen und an die Kunden ausliefern. Viele stoppten die Lieferungen an die Lagerhäuser vollständig und drosselten daraufhin ihre Produktionsrate.

Neben dem anonymen Kollektiv engagierten sich auch Freiwillige aus anderen Ländern in diesem “Info War”. Auf Twitter etwa wurde dazu aufgerufen, auf Googles Restaurantbewertungsplattform im Textfeld über aktuelle Entwicklungen in der Ukraine zu berichten, um die russische Bevölkerung zu erreichen und die Regierungszensur gegen das eigene Volk zu umgehen.

Russen über Verluste informieren

“Ich bin mir nicht sicher, ob man auf diesem Wege Leute wirklich bekehren kann. Es ist für mich eher ein Zeichen des Widerstands; um zu zeigen, dass es Menschen gibt, die die Propagandalinie nicht unterstützen”, sagt Robo-Wunderkind-Gründerin Anna Iarotska. Die gebürtige Ukrainerin, die in Wien ihr Startup führt, hat erkannt, dass die Technologie es erlaubt hat, in diesem Krieg auf eine neue Art und Weise aktiv zu werden; etwa auf der Plattform zarmy.rip, die es ermöglicht, Soldaten im Moskauer Gebiet Nachrichten über Verluste ihrer Einheiten zu schreiben.

“Man geht davon aus, dass solche Informationen nicht frei zugänglich sind, und will einen psychologischen Druck aus- üben, damit die Soldaten demoralisiert werden und ungern in den Krieg ziehen”, sagt Iarotska.

Auch soziale Medien wie Facebook oder TikTok sind Tools für private User geworden, um sich in diesem Krieg einzubringen. Videos direkt aus den Kriegsgebieten zählen ebenso dazu wie die Nutzung von Apps wie warcrimes.gov, mit der Kriegsverbrechen dokumentiert werden, oder auch e-Enemy, eine Applikation, mit der die zivile Bevölkerung feindliche Truppenbewegungen an die ukrainische Führung melden kann.

Deepfakes als Waffe gegen die Moral

Ebenfalls viral gegangen sind von Unbekannten erstellte Deepfake-Videos – das sind Videoaufnahmen, die auf einen ersten unkonzentrierten Blick und für das ungeübte Auge täuschend echt aussehen, in Wahrheit aber generiert und gefälscht sind. War dies bislang ein Problem im Bereich der Pornoindustrie, wo Gesichter berühmter Schauspielerinnen einfach über jene von Pornodarstellerinnen gelegt wurden, so fanden Deepfakes im Ukraine-Krieg erstmals breite Anwendung. So kursierte etwa ein Deepfake-Video des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Netz, in dem er die Kapitulation der Ukraine verkündete; auch ein Deepfake von Russlands Präsident Wladimir Putin mit der gleichen Message ging auf Twitter herum.

“Dass es viel viralen Content gab, ist mir natürlich aufgefallen. Man hat das Gefühl, ein Teil des Kriegs zu sein, wenn man über Videos fast in Echtzeit vieles miterleben kann. Was mir aber auch auffällt: Man bekommt viel über einzelne Events mit, hat aber meistens keinen guten Überblick über die Gesamtsituation. Da wird die Rolle von etablierten Medien immer wichtiger”, sagt Iarotska.

Damit diese auch erfüllt wird, sind bestätigte Informationen das Um und Auf. Auffällig oft werden in europäischen Medien dennoch Informationen weitergegeben, die mit dem Zusatz “unbestätigt” versehen sind. Dies gilt für offizielle wie inoffizielle Meldungen von beiden Seiten.

Der Netzretter aus den USA

Überhaupt scheint die Verhinderung von Informationsweitergabe eines der wichtigsten Hauptanliegen abseits des Schlachtfelds zu sein. Während sich Russland vom „freien Internet“ zu verabschieden scheint, setzt das Land auf ein staatlich kontrolliertes (“RuNet”); gleichzeitig versucht es, die Internetinfrastruktur der Ukraine zu zerstören.

An dieser Stelle kam SpaceX Gründer Elon Musk mit seiner Technologie ins Spiel: Er stellte der Ukraine seine Starlink-Satelliten zur Verfügung und ermöglicht den Bürger:innen des Landes so weiterhin Internetzugang – ein Grund, warum ukrainische Soldaten aus umkämpften Gebieten wie dem Azovstal-Werk Pressekonferenzen übertragen konnten.

Iarotska selbst versucht, ihren Teil beizutragen – sie hilft bei der Spendensammlung der Gesellschaft Ukrainischer Jugend in Österreich. “Man liest in den Medien, dass viel Hilfe zugesagt wurde, aber was man nicht hört, ist, wie die Bürokratie die Hilfe vor Ort verzögert”, sagt sie. “Es sind Leute in der Ukraine, die Hilfe heute und jetzt brauchen, und alles, was auf staatlicher Ebene organisiert wird, nimmt viel Zeit in Anspruch, bis es tatsächlich ankommt. Deswegen ist für mich das direkte Spenden, das nicht über die gesamte Bürokratie laufen muss, bis es ankommt, hier der richtige Beitrag.”

Prinzipien bleiben gleich

Dieses “Hier” ist nicht der erste Krieg seiner Art und vom Gefühl her leider nicht der letzte. Es ist ein Krieg, der auf mehreren Ebenen geführt wird – ökonomisch mit Sanktionen, medial mit Fake News und Infos sowie militärisch. Auch wenn für Iarotska Technologie einiges und für die Zukunft Einschneidendes geändert hat, so habe sich an den Grundprinzipien des Kriegs nichts geändert:

“Krieg wird auf dem Schlachtfeld entschieden. Wenn die ukrainische Armee verliert, können alle anderen Ebenen nicht viel helfen. Deswegen und trotz meines aufrichtigen Wunschs nach einer friedlichen Welt verstehe ich auch, dass in dieser Situation Frieden erst erkämpft werden muss.”


Spenden

Gesellschaft Ukrainischer Jugend in Österreich
IBAN: AT19 2011 1823 5370 5400
SWIFT: GIBAATWWXXX
Referenz (Verwendungszweck):
Humanitäre Spende Ukraine


Dieser Artikel erschien im brutkasten-Magazin “besser fahren” am 29. Mai.

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v.l. Die beiden Founding Partner Laurenz Sim- bruner und Lukas Püspök | (c) Tina Herzl

Dieser Artikel erschien zuerst in der Jubiläumsausgabe unseres Printmagazins. Ein Link zum Download findet sich am Ende des Artikels.

Spätestens mit dem Sieg von Donald Trump bei den US-Wahlen und der angekündigten Rückkehr seiner „America First“-Politik ist die Debatte über die Technologiesouveränität in Europa neu entfacht. Unter dem Motto „Drill, baby, drill!“ hat Trump zudem angekündigt, die Förderung fossiler Energieträger wie Öl und Gas massiv ankurbeln zu wollen. Gleichzeitig ist Europa in zentralen Industrien wie der Solar- und Batterietechnologie stark von China abhängig. Angesichts dieser Herausforderungen stellt sich die Frage, welche Marktchancen europäische Climate-Tech-Startups im geopolitischen Spannungsfeld zwischen den USA und China künftig haben.

Diese Frage beleuchten wir aus Investorensicht im Gespräch mit Lukas Püspök und Laurenz Simbruner – sie sind Founding Partner des Wiener Venture-Capital-Fonds Push, der gezielt in Health-Tech- und Climate-Tech-Startups investiert. Püspök leitet zudem das gleichnamige Familienunternehmen, das einer der größten Windkraftbetreiber Österreichs ist.


Wie schätzt ihr die aktuelle Finanzierungslage für Startups aus Investorensicht ein?

Laurenz Simbruner: Die erwartete deutliche Verbesserung bei Dealchancen blieb 2024 aus. Viele hatten die Hoffnung, dass der Markt wieder stärker anzieht, aber das war eher eine vorsichtige Prognose als Realität. Stattdessen erlebten wir ein Jahr, das stark im Zeichen selektiver Investments stand – Flight to Quality und ein klarer Fokus auf Unit Economics und den Weg zur Rentabilität. Besonders Top-Teams und Serial Entrepreneurs hatten es beim Fundraising leichter. Im Bereich Climate-Tech war weiterhin Finanzierung da, vor allem von neueren Fonds, die bereits 2021 und 2022 geraist wurden. Doch auch hier gab es erste Anzeichen von Ernüchterung.

Wie äußern sich diese Anzeichen der Ernüchterung im Climate-Tech-Sektor?

Lukas Püspök: Noch vor zwei Jahren waren die Erwartungen hoch – viele Pitch Decks gingen von extremen Energiepreisen aus, und selbst kleine Einsparungen durch Softwarelösungen wurden als äußerst wertvoll angesehen. Heute sind die Energiepreise in Europa zwar leicht erhöht, aber weitgehend normalisiert. Das führt zu einer gewissen Normalisierung der Nachfrage nach spezifischen Lösungen. Doch der Megatrend Climate-Tech bleibt intakt: Lösungen im Kampf gegen die Klimakrise sind weiterhin dringend notwendig, und das Potenzial für neue Technologien ist groß. Besonders Boom-Technologien wie Batterien bleiben gefragt. Allerdings erschweren die wirtschaftliche Situation in Europa und der geopolitische Druck zwischen China und den Vereinigten Staaten die Entwicklungen in der Clean-Tech- und Climate-Tech-Branche.

Der Megatrend Climate-Tech bleibt intakt.

Laurenz Simbruner: Interessant ist auch die Entwicklung bei den Investitionsvolumina: Nach einem Anstieg über drei Quartale gab es zuletzt wieder einen Rückgang. Besonders Deals im Bereich künstliche Intelligenz ziehen hier Aufmerksamkeit auf sich, da viele Mega-Rounds ein Drittel des Investitionsvolumens in Anspruch nehmen. Unsere beiden Bereiche Klima und Gesundheit bleiben jedoch noch immer unter den Top-Verticals. Der Fokus im Climate-Tech-Bereich verschiebt sich hin zu echten Herausforderungen der Energiewende und Industrie. ESG-Monitoring oder reine Energiemonitoring-Lösungen reichen nicht mehr aus – es geht darum, die großen Probleme anzugehen. Beispielsweise spielt die Steuerung zwischen Energieproduzenten, Speichern und Abnehmern eine zentrale Rolle, und hier kann Software Effekte erzielen.

Lukas Püspök: Die Komplexität im Energiebereich steigt enorm, die neue Energiewelt ist wesentlich vielschichtiger und dynamischer als früher. Das schafft ein ideales Umfeld für neue Technologieunternehmen, die mit ihrer Agilität und Innovationskraft Lösungen bieten können, die traditionelle Akteure oft nicht schnell genug umsetzen. In diesem Feld ergeben sich fast zwangsläufig große Wachstumschancen für neue Technologieunternehmen. Die Herausforderungen und Möglichkeiten sind so groß, dass es fast nicht anders kommen kann.

Welche Chancen bestehen für Startups im Energiebereich angesichts der dominanten Marktposition Chinas im Hardwarebereich?

Lukas Püspök: Ja, tatsächlich sind die meisten wesentlichen Technologien mittlerweile fest in chinesischer Hand. Bei Wärmepumpen könnte Europa noch eine kleine Chance haben, aber auch hier zeigt sich ein ähnliches Bild wie bei den Wechselrichtern: Vor einigen Jahren hatten auch die europäischen Hersteller noch eine gewisse Relevanz am Weltmarkt, heute spricht jedoch fast jeder nur noch über Huawei und ein paar andere, die ihre Dominanz klar ausbauen konnten.

Diese Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren nicht einfach aufhalten lassen. China hat ein enormes Production-Know-how aufgebaut. Die Unternehmen dort sind in Forschung und Entwicklung sowie im Bau großer Produktionsanlagen extrem stark geworden. In Europa wird es sehr schwierig, dieses Niveau schnell zu erreichen.

Die USA gehen einen anderen Weg: Mit dem Inflation Reduction Act fließt viel Kapital in den Aufbau von Produktionskapazitäten, was den USA möglicherweise Vorteile verschafft. In Europa fehlen vergleichbar starke Investitionsanreize und langfristige Strategien, wie sie in China und den Vereinigten Staaten umgesetzt werden.

Historisch gesehen sind industrielle Erfolge eng an günstige Energiepreise gebunden.

Das bedeutet jedoch nicht, dass es für europäische Startups im Energy-Tech-Bereich keine Chancen gibt. Es gibt zahlreiche Felder, in denen sie erfolgreich sein können – von der Ausgleichsenergie über das Energiekostenmanagement bis zur Batterieoptimierung und Implementierung, um nur ein paar zu nennen. Hier bieten sich viele Möglichkeiten zur Wertschöpfung.

Wenn jedoch jemand in Europa eine neue Solarzelle entwickeln möchte, ist Skepsis angebracht, ob eine solche Entwicklung hier wirklich konkurrenzfähig in die Massenproduktion gehen kann. Deshalb liegt unser Fokus ohnehin nicht auf Hardware. Sie kann zwar eine Rolle spielen, aber der Hauptwert sollte immer aus der Softwarekomponente kommen – auch wenn das im Energy-Tech-Bereich manchmal herausfordernd ist.

Welchen Investitionsfokus verfolgt Push im Energiebereich?

Lukas Püspök: Unser Fokus liegt immer auf Asset-Light-Ansätzen, selbst bei Projekten mit Hardwarekomponenten. Wir sind offen, auch Hardware anzusehen, aber der wesentliche Wert wird in Europa öfter durch Software geschaffen, seltener durch herausragende Hardwareentwicklung und Produktion.

Laurenz Simbruner: Das liegt auch daran, dass wir als Tech-Investoren darauf achten, wie leicht Folgefinanzierungen gesichert werden können. Bei reinen Hardware-Investments stoßen wir auf Widerstände: Rund drei Viertel der potenziellen Investoren sagen bei „Hardware only“ Nein. Das erhöht das Risiko, dass eine Anschlussfinanzierung scheitert oder man alternative Finanzierungsquellen wie strategische Investoren oder Family Offices anstreben muss.

Was muss Europa tun, um im Energiebereich Technologiesouveränität zu erlangen?

Lukas Püspök: Europa kann nur wettbewerbsfähig bleiben, wenn es langfristige, klare Policies ähnlich wie die anderen großen Wirtschaftsräume umsetzt. China hat mit seinen Fünfjahresplänen schon vor Langem begonnen, grüne Technologien und Batterien strategisch zu fördern, und unterstützt seine Unternehmen auf vielen Ebenen. Die USA setzen auf den Inflation Reduction Act, der klare Impulse für die Industrie bietet. Im Vergleich dazu wirkt Europa mit seinen Initiativen wie dem Green Industrial Deal fast zurückhaltend und politisch fragmentiert, was große Schritte erschwert.

Wir brauchen diese Klarheit in der europäischen Politik, um unsere Industrie zu halten und wettbewerbsfähige, günstige Energie zu sichern. Historisch gesehen sind industrielle Erfolge eng an günstige Energiepreise gebunden, und auch für Europa ist der massive Ausbau erneuerbarer Energien alternativlos. Manche Stimmen sprechen sich zwar für mehr Kernenergie aus, aber der gänzlich fossilfreie Ausbau bleibt das Ziel; besonders, da Europa keine großen natürlichen Ressourcen besitzt. Wir müssen so viel wie möglich selbst in Europa erneuerbar produzieren.

Der Fokus im Climate-Tech-Bereich verschiebt sich hin zu echten Herausforderungen der Energiewende und Industrie

Donald Trump hat die US-Wahlen gewonnen und setzt sich für fossile Energieträger ein. Inwiefern ist das eine Gefahr für den europäischen Climate-Tech-Sektor?

Lukas Püspök: Die aktuellen Entwicklungen in den USA stellen für den europäischen Climate-Tech-Sektor aus meiner Sicht keine allzu große Gefahr dar. Wenn die USA erneut aus dem Klimaabkommen austreten und die Schiefergas- und Schieferölproduktion steigern, wird dies zwar Auswirkungen haben, doch Europa wird weiterhin konsequent auf Zukunftstechnologien setzen. Diese klare Haltung stärkt das europäische Ökosystem und zeigt eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber globalen politischen Veränderungen. Insgesamt halte ich den Wahlausgang für die Klimabemühungen für sehr bedauerlich – für die Chancen der europäischen Climate-Tech-Unternehmen aber nicht für eine fundamentale Gefährdung.

Laurenz Simbruner: Viele Climate-Tech-Lösungen dienen primär der Kostenreduktion und der Produktivitätssteigerung. Der Kundennutzen steht dabei im Vordergrund, z. B. durch geringeren Verbrauch oder höhere Effizienz. Die Entscheidung für solche Innovationen ist oft wirtschaftlich motiviert und nicht rein ideologisch. So spielt auch in den USA der wirtschaftliche Nutzen eine entscheidende Rolle – und erneuerbare Technologien wie Photovoltaik setzen sich langfristig durch, wenn sie wirtschaftlich sinnvoll sind.

Lukas Püspök: Letztlich zeigt sich: Technologien setzen sich dauerhaft nur dann durch, wenn sie einen entsprechenden Kundennutzen bringen. In vielen Fällen sind aber Anschubfinanzierungen notwendig, um Technologien wie Photovoltaik zu etablieren und günstige, nachhaltige Lösungen weltweit zu fördern. Der große Photovoltaikboom auf österreichischen Dächern begann weniger aus Umweltgründen oder weil plötzlich jeder grünen Strom wollte; vielmehr wollen wir uns im Lichte der hohen Kosten und der Abhängigkeit von Importen wirtschaftlich absichern. Dieses Prinzip zeigt sich auch in den USA: Zwar könnte man mehr Öl und Gas fördern, und in gewissem Umfang wird das leider auch passieren, aber in vielen Fällen ergeben andere Energieformen wirtschaftlich mehr Sinn. Auch die USA werden PV, Windkraft und Batterien weiter stark ausbauen, hauptsächlich, weil sie in der Stromproduktion zu fast konkurrenzlos günstigen Technologien geworden sind.


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