11.05.2023

TWOxTEN: Wie das Wiener Corona-Startup Novid20 den Pivot schaffte

In der Corona-Pandemie brachte Novid20 die richtige Lösung zur richtigen Zeit. Doch relativ plötzlich hieß es: schnell Handeln.
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Christoph Tockner und Moritz Miedler gelang der Pivot vom Corona-Startup Novid20 zur Agentur | (c) TWOxTEN
Christoph Tockner und Moritz Miedler gelang der Pivot vom Corona-Startup zur Agentur | (c) TWOxTEN

Die Corona-Pandemie erforderte schnell neue Lösungen. Nur wenige Tage nach Beginn des ersten Lockdowns im März 2020 legte ein Wiener Team, das sich den Namen Novid20 (im Gegensatz zu Covid19) gab, eine solche Lösung vor: Eine Kontakt-Tracing-App – der brutkasten berichtete damals. Der Plan ging zumindest in Österreich nicht auf. Das Rote Kreuz brachte seine – letztlich mäßig erfolgreiche – Tracing-App mit viel Werbeaufwand schnell heraus. Das Wiener Startup wollte damit nicht konkurrieren und versuchte es mit seiner App daher andernorts – und konnte unter anderem in Georgien einen Erfolg erzielen.

Novid20: Vom Kontakt-Tracing zur IT-Infrastruktur für Massentestungen

Doch Kontakt-Tracing sollte bei Novid20 bald in den Hintergrund geraten und dann aufgegeben werden. Größere Erfolge erzielte man bereits ab Herbst 2020 mit einem anderen System: einer IT-Infrastruktur für Massentestungen. Zunächst betreute das Startup die “Gurgelstudie” an österreichischen Schulen. Schon bald sollte aber das deutsche Bundesland Bayern zum wichtigsten Zielgebiet des Unternehmens werden.

“Die Anti-Covid-Welt braucht uns nicht mehr”

Ein großer Schultest-Auftrag in Bayern wurde gewonnen. Es lief gut. Noch Ende 2021 gab sich Gründer Moritz Miedler gegenüber dem brutkasten sehr optimistisch, was die Nachfrage angeht. Aber dann: “In der Omikron-Welle zeigte sich: Die Schultestungen funktionierten nicht mehr so gut und sie wurden letztlich nicht mehr unbedingt benötigt”, erzählt Miedler heute. Vor etwas mehr als einem Jahr sei dann endgültig klar gewesen: “Die Anti-Covid-Welt braucht uns nicht mehr”.

“Haben uns mit der Sinnkrise abgewechselt”

“Im Covid-Geschäft hatten wir eine denkbar ungünstigste Ausgangssituation: hohe Kosten, aber eine völlige Willkür des Virus und damit eine sehr wechselhafte Situation bei den staatlichen Auftraggebern. Es war immer klar, dass es jederzeit enden kann”, so der Gründer. Schon im Jänner 2022 sei er zum ersten mal panisch geworden. Damals habe ihn Co-Founder Christoph Tockner noch beruhigt. Wenig später sei es dann umgekehrt gewesen. “Wir haben uns mit der Sinnkrise abgewechselt”, scherzt Miedler.

Mit den Novid20-Kontakten zu neuen Ufern

Es wurde also klar: Es braucht etwas Neues. Eine Insolvenz sei jedenfalls nicht in Frage gekommen, sagt der Gründer. “Das Land Bayern war immer sehr transparent. Am Ende hatten wir einen Monat, um offzuboarden. Unser Finanzpolster reichte noch für ein paar Monate”, erzählt er. Nun habe es gegolten, die guten Kontakte durch Novid20 für ein neues Geschäftsmodell zu nutzen. “Wir haben viele kontaktiert und es hat funktioniert”, so Miedler.

Genetik-Enzyklopädie als erstes Projekt beim Neustart

Zunächst startete man im Mai 2022 mit dem Projekt “Genopedia”, einer Online-Enzyklopädie im Bereich Humangenetik für das Unternehmen Novogenia. “Wir hatten zu Beginn noch wenig Ahnung und haben uns als Team zunächst einmal mit Produktentwicklung auseinandergesetzt, um die Vision von Daniel [Anm. Wallerstorfer; Novogenia-CEO] umzusetzen. Das hat Spaß gemacht und wir wollten so weiter machen”, erzählt der Gründer.

Intensiver Pivot-Prozess zu Digitalagentur

Gefolgt sei ein intensiver Pivot-Prozess zu Digitalagentur, bei dem auch das Team teilweise umgebaut wurde. “Es war eine Selbstfindungsphase. Jetzt sehen wir uns als Digital Product Studio mit der Tagline: ‘we turn visions into software’. Wir wollen mit Gestalter-Persönlichkeiten zusammenarbeiten und die Digitalisierung im DACH-Raum vorantreiben”, sagt Miedler.

Joint Ventures als zweites Standbein

Mit MobyGreen, einer Plattform für nachhaltige Mobilität, die als Joint Venture gemeinsam mit dem Unternehmen Dolphin Technologies umgesetzt wird, hat das Unternehmen mittlerweile ein zweites großes Referenzprojekt, das über das Agenturgeschäft hinausgeht. “Unsere Vision hat sich immer stärker herauskristallisiert: Wir machen geile digitale Produktentwicklung und mit der Restkapazität entwickeln wir eigene Produkte. Das machen wir mit Partnern. Wir müssen dabei nicht im Lead sein, aber wollen eigene Visionen verwirklichen”, so der Gründer.

Aus Novid20 wird TWOxTEN

Nach dieser Umstellung im vergangenen Jahr sei es letztlich auch Zeit für ein Rebranding geworden. “Einige Kunden waren in Gesprächen nicht sehr angetan vom Namen Novid20, weil er an Covid erinnert. Das wollten wir nicht auf ewig im Namen mittragen”, sagt Miedler. Seit kurzem läuft alles unter einer neuen Marke: TWOxTEN. “Mit Zwei mal Zehn haben wir eine Referenz auf die 20 in Novid20 behalten. Der Name steht aber auch für uns zwei Geschäftsführer und den im Digital-Bereich geflügelten Begriff ’10x’. Und es gab ihn noch nicht – auch das ist wichtig”, fügt der Gründer an und lacht.

“Haben bewiesen, dass wir nicht vor neuen Projekten zurückschrecken”

Nun wolle man sich klar im Premium-Segment positionieren. “Wir haben bewiesen, dass wir nicht vor neuen Projekten zurückschrecken, uns hineintigern und uns gut behaupten können. Die Covid-Zeit war ein unglaublicher Team-Effort. Es ist ein Wahnsinn, was jeder einzelne geleistet hat. Das ist jetzt zwar nicht mehr auf diese Weise notwendig, aber unser Mindset behalten wir”, so Miedler.

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ready2order, Schweiz
(c) ready2order - Markus Bernhart und Arnold Blüml von ready2order.

Das Wiener Fintech ready2order hat sich seit 2015 auf die Entwicklung modularer Point-of-Sale- und Payment-Anwendungen für kleine Unternehmen spezialisiert und zählte im Vorjahr bereits über 10.000 Firmen in Deutschland und Österreich zu seinen Kunden. Nun aber wird die Kassensoftware des Fintechs auch gezielt in der Schweiz angeboten, um den Bedürfnissen von kleinen Unternehmen in Gastronomie, Einzelhandel und Dienstleistungssektor gerecht zu werden, wie es heißt.

ready2order: Schweiz als Ausgangspunkt

“Die Schweiz war für uns immer ein interessanter Markt”, erklärt ready2order CEO Markus Bernhart. “Trotz fehlendem Marketing haben wir bereits eine dreistellige Zahl an Kunden gewinnen können. Dies zeigt klar, dass es den Bedarf gibt und es ist für uns auch der richtige Zeitpunkt, unsere Präsenz im Markt auszubauen und unsere Kassenlösung offiziell anzubieten. Zudem sehen wir die Schweiz durch ihre Mehrsprachigkeit als perfekten Ausgangspunkt für eine Expansion in weitere europäische Länder.”

Zuchetti-Exit 2023

Eine wichtige Rolle bei der Expansion spielt die Unterstützung durch die Zucchetti-Gruppe, zu der ready2order seit Juli 2023 gehört – brutkasten berichete.

“Zucchetti ist bereits seit vielen Jahren mit der Kassensoftware TCPOS in der Schweiz vertreten und kennt den Markt sehr gut. Diese Erfahrung und das starke Partnernetzwerk vor Ort sind für uns von großem Vorteil”, so Bernhart weiter. Zudem würden sich durch die Synergien innerhalb der Gruppe zusätzliche Möglichkeiten eröffnen: „Als Zucchetti-Gruppe können wir verschiedene Kassensysteme für unterschiedliche Kundensegmente anbieten, was uns hilft, neue Marktchancen gemeinsam zu nutzen.”

ready2order: Zunächst nur Deutsch und Englisch

Zu Beginn wird sich ready2order auf die deutschsprachige Schweiz konzentrieren. “Unser Kassensystem unterstützt mehrere Sprachen, aber um den Markteintritt zu vereinfachen, setzen wir zunächst auf Deutsch und Englisch. Diese Region bietet uns operative Synergien, die den Start erleichtern”, erklärt Chief Growth Officer Arnold Blüml.

Die langfristigen Ziele von ready2order in der Schweiz sind für Blüml klar: “Als Innovationsführer möchten wir in den nächsten Jahren einen signifikanten Marktanteil erreichen”, sagt er. “Dabei spielt neben der Kundenzahl vor allem die Kundenzufriedenheit eine zentrale Rolle, die wir kontinuierlich messen werden.”

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