19.10.2023

Transparenz statt Opportunismus – so kann eine grüne Zukunft gelingen

Daniel Vetterkind ist Gründer des Hamburger ClimateTech-Startups recarb. In einem Gastbeitrag beschäftig sich Vetterkind mit der Frage, wie Transparenz beim Handel mit sogenannten Carbon Credits gewährleistet werden kann.
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Internationale Klimaabkommen, der European Green Deal, Verpflichtungen durch ESG und Co. – nie hatte nachhaltiges Wirtschaften mehr Antrieb als in der Gegenwart. Auch auf der Verbraucherseite wird umgedacht, sodass grüne Überlegungen für Konsumfragen und sogar bei der Jobsuche immer wichtiger werden. Entsprechend bemüht sind Unternehmen deshalb dabei, wo es geht, Emissionen durch Sanieren und Umdenken zu vermeiden und wo es nicht geht, sie auszugleichen. Eigentlich ein idealer Nährboden für den Handel mit grünen Zertifikaten – doch die Realität sieht anders aus. 

Es gibt kein “klimaneutral” 

Denn neben tatsächlich wirksamen und nachhaltigen Initiativen hat der besagte Nährboden auch einiges an Opportunismus hervorgerufen. Gefühlt über Nacht wurde eine Fülle an Produkten im Einzelhandel “klimaneutral”. Doch dauerte es nicht lang bis Verbraucherschützer und Gerichte die reale Wirksamkeit hinter solchen Claims unter die Lupe nahmen und feststellten: Fast kein Produkt kann so bezeichnet werden und die Maßnahmen hinter den Emissionsausgleichen sind oft völlig unklar. Nachvollziehbar, dass das Vertrauen von vielen Verbrauchern und Investoren damit verspielt wurde. 

Kein Weg vorbei am Klimaschutz 

Nur ist Nicht-Investieren in Klimaschutz auch keine Lösung und aufgrund der zugespitzten Lage ist die Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre genau so wichtig geworden wie die Vermeidung von Emissionen. Um unsere Klimaziele noch erreichen zu können, müssen laut IPCC bis 2050 jährlich sechs Gigatonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden. Das kann gelingen, etwa über naturbasierte Methoden wie Aufforstung oder maschinelles Einsaugen von CO2, doch braucht es dafür viel Zeit und Geld. 

Transparenz über allem 

Geld, das nicht allein von Staaten oder NGOs kommen wird. Es braucht große Investitionen aus der Wirtschaft. Dafür ist es essentiell, dass das Vertrauen der Unternehmen zurückgewonnen wird. Transparenz und Nachvollziehbarkeit müssen zum höchsten Gebot aller grünen Investitionsmöglichkeiten werden. Das betrifft auch die etablierte Praxis des Handels mit Carbon Credits. Ein solcher Credit steht immer für eine zertifizierte Tonne CO2, die durch ein Projekt vermieden oder aus der Atmosphäre entfernt wurde. Dabei kam es in der Vergangenheit häufig zu Intransparenz und Greenwashing und auch heute ist der tatsächliche Zusatznutzen der Projekte nur schwer messbar. Außerdem stehen hinter den Credits oft zertifiziertes Vermeiden von CO2, statt Entfernung aus der Atmosphäre. Ein solcher Credit trägt also nur dazu bei, die Situation nicht weiter zu verschlechtern.

Klimaschutz im Liveticker 

Um Greenwashing zu vermeiden und die Situation tatsächlich zu verbessern, gilt es nur noch in Projekte zu investieren, die nachweisbar und messbar einen Mehrwert für unser Klima bringen. Etwa indem sie belegen können, wie viel CO2 entzogen, wie viel Fläche renaturiert und welcher Beitrag für die Wiederherstellung der Biodiversität geleistet wird. Recarb leistet genau das, indem jedes Projekt einer detaillierten Due Diligence unterzogen wird, um noch vor Start des Projektes den Mehrwert für unser Klima zu berechnen, Risiken einschätzen und transparent machen zu können.

Unternehmen und Investoren können so fundierte Investitionsentscheidungen auf Basis von dynamischen Daten treffen. Für Projektentwickler bedeutet das einen schnelleren Zugang zu Kapital, zum Beispiel indem sie auf Basis des Due Diligence Prozesses Nutzungsrechte an einer CO2-Speicherleistung verkaufen. Recarb nennt diese Nutzungsrechte Carbon Shares. Zu jedem Zeitpunkt ist einsehbar, ob und wie viel CO2 das Projekt tatsächlich aus der Atmosphäre entfernt. Ebenfalls wird bei den Carbon Shares nur auf naturbasierte Entfernung gesetzt, die neben CO2-Entfernung auch noch den Erhalt bzw. Wiederaufbau von Ökosystemen und der Biodiversität unterstützt. 

Nährboden schaffen für die grüne Zukunft 

Diese Maßnahmen für den Vertrauens-Wiederaufbau können allerdings nur der erste Schritt in Richtung gelungener Klimafinanzierung sein. Denn um langfristig wirksam die Erderwärmung zu stoppen, müssen Unternehmen Investitionen in den Klimaschutz als sinnvollen Selbstzweck wahrnehmen, um den Planeten, seine Ökosysteme und damit letztendlich die Möglichkeit überhaupt zu Wirtschaften bewahren. Gelingt es uns also heute mit Transparenz zu überzeugen, können wir schon morgen das für die Zukunft unvermeidliche Umdenken vorantreiben und so das notwendige Kapital für den Erhalt unseres Planeten aufbringen. 


Über den Autor

Daniel Vetterkind ist Gründer und Unternehmer. Gemeinsam mit Anton Güthe gründete er 2022 das Startup recarb. recarb entwickelt einen wissenschaftlichen und dynamischen Due-Diligence-Prozess, der die Qualität von naturbasierter CO2-Entfernung und die Wiederherstellung von Tropenwäldern sicherstellt. Damit schafft das Startup die Grundlage, um Projekte zur naturbasierten CO2-Entfernung unter anderem über den Kapitalmarkt investierbar zu machen.

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Analyser, CSRD, EU-Taxonomie
(c) - PwC Österreich -Das Konsortium des Projekts "Analyser" beim Kick-Off.

Die Regeln der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die in den kommenden Jahren sukzessive schlagend werden, bedeuten für zahlreiche österreichische Unternehmen eine Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Bei vielen von diesen – auch jene, die freiwillig schon früher als erforderlich mit der Umsetzung starten – werden Schwierigkeiten erwartet, die Anforderungen zu erfüllen, da insbesondere KMU nicht über ausreichend Kapazitäten für interne Nachhaltigkeitsabteilungen verfügen würden.

CSRD und Taxonomie

Dies gilt im Besonderen für die EU-Taxonomie, die ergänzend zur CSRD anzuwenden ist. Gemäß ihr müssen die wirtschaftlichen Aktivitäten eines Unternehmens als nachhaltig oder nicht-nachhaltig deklariert werden.

Die Verordnung umfasst umfangreiche und detaillierte Kriterien, die für Ungeübte nicht leicht zu verstehen sind. Deshalb will in einem kürzlich gestarteten Forschungsprojekt namens “AI Enabled Sustainability Jurisdiction Demonstrator” (Analyser) ein Forschungskonsortium KI-basierte Module entwickeln. Die sollen es auch ungeschulten Anwenderinnen und Anwendern ermöglichen, die gesetzlichen Meldepflichten zu erfüllen. So soll eine Erleichterung für Unternehmen erzielt werden.

“Das oberste Ziel unseres Projekts ist es, die Zahl der KMU zu erhöhen, die selbstständig in der Lage sind, die EU-Taxonomie in guter Qualität zu berichten”, erklärt Maximilian Nowak, der das Projekt bei Fraunhofer Austria leitet.

Das Konsortium

Das Konsortium, bestehend aus Fraunhofer Austria, Universität Innsbruck, Technischer Universität (TU) Wien, Leiwand AI, PwC Wirtschaftsprüfgesellschaft, der Wirtschaftsagentur Niederösterreich ecoplus, Murexin und Lithoz wird dafür Teile des Prozesses mithilfe von Künstlicher Intelligenz automatisieren. Ein Chatbot, der auf einem eigens kreierten Sprachmodell beruht, soll mit den Anwenderinnen und Anwendern im Dialog stehen und sicherstellen, dass alle benötigten Dokumente vorliegen.

Es sind nämlich viele Fragen im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu klären: Welche wirtschaftlichen Aktivitäten gibt es im Unternehmen? Wie umfangreich sind diese? Welche davon sind taxonomiefähig, können also überhaupt nach den Kriterien bewertet werden?

Josef Baumüller, der von Seiten der TU Wien an dem Projekt beteiligt ist, sagt: “Es ist vielen noch nicht bewusst, wie komplex die Anforderungen zunächst an die Datenerhebung und anschließend an die Klassifizierung sind. Die Prozesslandschaft im Unternehmen muss erfasst und auf die Vorgaben der EU-Taxonomie übergeleitet werden, darüber hinaus gilt es, relevante Datenbedarfe zu identifizieren und im Sinne der Effizienz v.a. bereits vorhandene Datenbestände zu nützen.”

CSRD-Berichterstattung eine Herausforderung

Dass eine Unterstützung der Unternehmen unumgänglich ist, sagt auch Stefan Merl von der PwC Österreich GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft: “Wir spüren bereits jetzt eine massive Zunahme in den Anfragen von Unternehmen, insbesondere von KMU, die sehen, dass die Erfüllung der CSRD-Berichterstattungspflichten eine große Herausforderung ist. Es führt kein Weg daran vorbei, eine automatisierte Lösung zu entwickeln, die weit über den Automatisierungsgrad bestehender Tools hinausgeht. Genau das wollen wir im Projekt ‘Analyser’ verwirklichen.”

Dabei ist essenziell, dass die im Tool eingesetzte KI fair, nachvollziehbar und korrekt arbeitet. Dafür soll Leiwand AI GmbH die nötige Expertise in das Projekt einbringen.

“In einer so kritischen Angelegenheit wie der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist es besonders wichtig, dass auch Maßnahmen hinsichtlich einer zuverlässigen und fairen KI-Lösung getroffen werden. Durch den Einsatz verschiedener Methoden rund um nachhaltige und vertrauenswürdige KI werden wir dazu beitragen, dass der ‘Analyser’ gesicherte Informationen liefert, fair in Bezug auf Bias und Diskriminierung ist und im Einklang mit dem EU AI Act steht”, sagt Mira Reisinger, Data Scientist bei Leiwand AI.

Das Projekt ist im Herbst 2024 gestartet, läuft über drei Jahre und wird durch die FFG aus Mitteln des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie gefördert.

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