24.10.2017

TourRadar: 9 Mio Euro Investment für Wiener Gruppenreise-Marktplatz

Neben Leadinvestor Endeit Capital aus Amsterdam, sind die bestehenden Investoren Cherry Ventures und Hoxton Ventures bei der Serie B-Runde dabei. Speedinvest hält seine Anteile.
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(c) TourRadar: (vlnr.) Nicholas Trieb, COO, Travis Pittman, Co-Founder und CEO, Michael Pötscher, CMO

“Konkurrenz gibt es in unserem Feld eigentlich nicht. Wir besetzen eine Nische”, sagt TourRadar CMO Michael Pötscher. Das Wiener Startup, das auch Büros in Brisbane (Australien) und Toronto (Kanada) betreibt, bietet einen Online-Vergleich für Gruppenreisen. “Wir sind aber nicht einfach nur ein Vergleichsportal. TourRadar ist ein Online-Marktplatz. Wir nehmen Buchungen und Zahlungen entgegen”, erklärt Pötscher im Gespräch mit dem Brutkasten. Und mit diesem Konzept sei man eben weltweit noch einzigartig – 90 Prozent aller Gruppenreisen würden derzeit noch offline gebucht. Die USP hat bereits einige Investoren überzeugt: Speedinvest und aws waren neben anderen bei der Seed-Runde dabei. Erst 2016 hatte es eine sechs Millionen Euro Serie A-Runde gegeben, wo Cherry Ventures (Berlin) und Hoxton Ventures (London) als Lead-Investoren auftraten.

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“45 Milliarden Euro schweren Gruppenreisemarkt erobern”

Nun wurde der erfolgreiche Abschluss einer Serie B-Runde bekanntgegeben: Neun Millionen Euro wurden es diesmal. Leadinvestor ist der in Amsterdam ansässige VC Endeit Capital, der laut Pötscher einen Großteil der Gesamtsumme einbrachte. “TourRadar wird in der weiteren Skalierung auf das umfassende Know-How und die Erfahrung von Endeit Capital im B2C Bereich zugreifen können”, sagt TouRadar Co-Founder und CEO Travis Pittman über den neuen Teilhaber. “Die Buchungsplattform verfügt über das Potenzial, das Online-Segment des 45 Milliarden Euro schweren Gruppenreisemarktes zu erobern. Wir werden die Gründer mit unserer Erfahrung im Aufbau internationaler Marken im Bereich Marketingtechnologie und e-Commerce unterstützen”, erklärt Martijn Hamann, Partner von Endeit Capital.

Markt mit sehr niedrigen technologischen Standards

Auch Cherry Ventures und Hoxton Ventures erhöhen bei der aktuellen Runde ihre Anteile (Bislang 17,4 Prozent bzw. 12,5 Prozent). “TourRadar ist auf einem extrem fragmentierten Markt beheimatet, der sehr niedrige technologische Standards aufweist”, sagt dazu Daniel Glasner, Gründungspartner von Cherry Ventures. Altinvestor Speedinvest erwirbt keine zusätzlichen Anteile, hält aber die Beteiligung von 19,6 Prozent über den Fonds Speedinvest I. Das Startup mit Mitarbeitern mit 30 verschiedenen Nationalitäten sei “eine Besonderheit in unserem Portfolio”, sagt Michael Schuster von Speedinvest. Man wolle das Team weiterhin bei dieser Erfolgsgeschichte unterstützen.

Neue Developer sollen für Automatisierung sorgen

Das neue Investment soll vorwiegend in drei Felder fließen. Erstens will man die Anzahl der Mitarbeiter verdoppeln. “Wir suchen vor allem nach Entwicklern. Nachdem wir uns nach der Serie A-Runde auf das Support-Team, Business Development und Marketing konzentriert haben, wollen wir jetzt die Automatisierung weiter verbessern”, sagt CMO Pötscher. Zu Beginn hatte man noch sehr viele Informationen manuell gesammelt: “Wir haben damals Reisekataloge abgetippt, um die Informationen zu digitalisieren.” Inzwischen würden die weltweiten Partner ihre Reise-Angebote selbst über einen Feed ins System speisen. Die neuen Developer sollen nun für weitere Digitalisierung, etwa mit Hilfe von Bots, sorgen.

Performance Marketing: “Local Experiences” hervorheben

Zweitens soll das Geld in den weiteren Ausbau des Performance Marketing fließen. “Wir wollen die ‘Local Experiences’ noch weiter hervorheben. Wir haben eine riesige Bandbreite zwischen richtigen Abenteuer-Erlebnissen, wie Shark Diving in Südafrika, bis zu Spezialführungen in europäischen Museen”, erklärt Pötscher. Über das eigene Magazin und die Social Media-Kanäle wolle man künftig noch mehr Content in Form von Berichten, Videos und Fotos ausspielen. “Gruppenreisen haftet hierzulande teilweise ein negativer Ruf an. Dabei hat man teilweise Programmpunkte, die individuell nicht buchbar sind. Und insgesamt sind sie billiger, sicherer und bequemer.”

Proaktiv auf Partner zugehen

Drittens will TourRadar mit dem Investment das Produkt-Portfolio weiter ausbauen. “Der kleine namibische Reiseveranstalter soll genau so auf unserer Plattform vertreten sein, wie die großen Player”, erklärt Pötscher. Daran arbeite man bereits seit Jahren erfolgreich und wolle das fortsetzen. In Zukunft will man auch verstärkt proaktiv auf die Partner zugehen. “Wir sehen mit Hilfe unserer BI (Anm. Business Intelligence) zum Beispiel, dass es einen Markt für Canyoning in Vietnam gibt”, sagt der CEO, “wenn es ein entsprechendes Angebot gibt, integrieren wir es. Wenn es das aber noch nicht gibt, gehen wir zu den Partnern und schlagen das vor.” Man wolle ganz gezielt neue Experiences forcieren, bei denen man vorab wisse, dass sie funktionieren werden.

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Ilja Jay Lawal im brutkasten-Studio bei Dejan Jovicevic | Foto: Viktoria Waba, brutkasten

Ilja Jay Lawal ist seit über einem Jahrzehnt als Founder aktiv. Sein erstes Label co-gründete er in seinem ersten Studiensemester. Wenige Jahre später stand Lawal mit seinem Business-Partner Pedram Parsaian als Vortragender in Hörsälen.

Ilja Jay Lawal: “Eine starke Marke, auch ohne Produkt”

“Ihr müsst wissen, wofür eure Marke steht. Wir haben unser Label TrueYou gegründet, als es noch kein Produkt gab. Das war egal. Denn wir wussten: Die Marke ist eine starke”, sagte Lawal in einer Lehrveranstaltung einer Wiener Fachhochschule im Jahr 2018. Die Worte waren unerwartet, sie blieben Studierenden im Gedächtnis – auch sieben Jahre später.

Heute sitzt Ilja Jay Lawal im brutkasten-Studio am Stubenring. “Schon einige Male warst du bei uns als Influencer, als Solopreneur, als Unternehmer”, eröffnete brutkasten-Founder Dejan Jovicevic das Gespräch.

Ilja Jay Lawal | Foto: Viktoria Waba, brutkasten

Lawals Mode-Label TrueYou gibt es seit August 2013, vier Jahre später folgte die nächste Gründung: Follow Austria als Social-Media- und Influencer-Agentur mit mittlerweile 26 Mitarbeiter:innen. Wie es zu diesem Schritt kam, warum Lawal ein einziger Fokus schwerfällt und was er im Biohacking- und Life-Science-Bereich plant, gibt es hier im Überblick.

Ein Ventil über Facebook

“Ich wollte ein kreatives Ventil neben dem Studium haben”, erinnert sich Lawal. Also gründete er noch während seines Bachelorstudiums ein Mode-Business. “Ich bin dann immer mehr rein gewachsen, dann gab es keinen Weg zurück: Ich war schon zu tief drinnen.” 

Damals, in den frühen 2010er Jahren, starteten viele Unternehmen über eine Facebook-Seite. Die Plattform diente als Karrieresprungbrett. So auch für Lawals erstes Label TrueYou, dessen Seite in kurzer Zeit mehrere hundert Likes generierte. Gratulationen folgten noch vor dem Eintrag ins Firmenbuch. Der Founder hatte eine Strategie: Community Building und Storytelling. 

“Wir hatten zuerst einen Auftritt”

Lawal startete ohne Produkt, ohne Design-Kenntnisse und ohne Erfahrung im Mode-Business. Also begann man sich im Team, Design-Kenntnisse anzueignen. Einer seiner Business-Partner, Roland Svoboda, war im Design-Lead, Lawal war Head of Marketing und Branding.

Kurze Zeit später kam der Sprung ins kalte Wasser: Das Team – auch Business-Partner Pedram Parsaian war involviert – lernte einen deutschen Designer in Paris kennen. Er mochte den “Look und Feel der Marke” – und das immer noch ohne Produkt. Der Designer sprang an Bord und half dem Startup im Aufbau.

Wenig später erhielt TrueYou einen Produktionsstandort in der Modemetropole Paris: “Das war ein klarer USP: Wir sind ein Wiener Modelabel, aber wir produzieren in Paris. Das hat uns deutlich an Wert verschafft”, sagt Lawal.

Ilja Jay Lawal | Foto: Vikrotia Waba, brutkasten

“Es gab fünf männliche Blogger”

Die Entwicklung nahm ihren Lauf, das Business wurde aufgebaut. Heute positioniert sich TrueYou als Mode- und Lifestyle-Label mit Sitz in Wien. Gründer Lawal gehört mittlerweile der Berufsgruppe “Influencer” an – mit über 23.000 Follower:innen auf der Plattform Instagram.

Den Schritt zum Influencer tätigte er aus mehreren Gründen: Noch als Student wollte Lawal seine “Reise als Geschäftsführer und Gründer eines Modelabels” dokumentierten. Das war damals einzigartig – zumindest als Mann.

“Männliche Blogger gab es damals fünf, wenn überhaupt”. Später sollte sich herausstellen: Lawals Influencer-Sein half dem Marketing seiner Marke. Es brachte Bekanntheit, Authentizität und Originalität.

Zehn Jahre Vienna Fashion Week

Das Label wurde größer und trat über zehn Jahre lang bei der Vienna Fashion Week auf. 2024 sollte allerdings die letzte Show von TrueYou über die Bühne gehen, was Lawal mit einem weinenden und einem lachenden Auge betrachtet:

“Ich war über zehn Jahre lang bei der Fashion Week in Wien aktiv. Seit ich 20 bin, war im Juli und August immer die Fashion Week in meinem Kopf.” Nun wagt er sich, den Fokus auf ein anderes Projekt zu legen.

Dieses startete schon 2017: Vier Jahre nach seiner ersten Gründung begann Lawal mit seinem zweiten Unternehmen “Follow Austria” als Social-Media- und Influencer-Agentur: “Ich habe über die Jahre gemerkt, dass die Blogger-Landschaft in Österreich immer größer wird. Eine Agentur, die die Zusammenarbeit zwischen Influencern und Unternehmen managt, war eine Marktlücke.”

Gegründet wurde die Agentur aus Eigenmitteln. Vorerst spezialisierte man sich auf die Eventorganisation. Es folgten Kooperationen mit Coca Cola und Obi. Bis heute betreut Follow Austria das Social-Media-Department des Baumarktes Obi in ganz Österreich. Zum Kundenstamm zählen außerdem die Elektronikkette Media Markt, die Stadt Wien sowie die Unterhaltungselektronik von Bang & Olufsen.

“Es ist herausfordernd, vor allem, wenn du Mitte 20 bist”

Doch das Wachstum brachte Challenges: Im Aufbau seiner Agentur lernte Lawal, als Gründer und Leader Verantwortung für Mitarbeiter:innen zu übernehmen.

“Dir wird bewusst, dass du ihre Bezugsperson bist und ihnen beiseite stehen musst. Auf der anderen Seite willst du sie auch weiterentwickeln und fordern. Das ist herausfordernd – vor allem dann, wenn du selbst Mitte 20 bist.” 

Bis heute ist Follow Austria bootstrapped: “Weil wir in den Jahren davor sehr viel Vorarbeit geleistet haben. Wir haben in unser Branding investiert, in unsere Marke, in uns als Personen. Das ist etwas, womit viele Unternehmen erst bei der Gründung anfangen müssen. Wir haben quasi Social Media schon gemacht, bevor es cool war.”

“Maybe it’s not a bug, maybe it’s a feature”

Unverkennbar hat Lawal seit Beginn seiner Karriere viel Diverses ausprobiert: “Ich habe immer versucht herauszufinden, woran das liegt”, so der Founder. “Bis mir ein Mentor gesagt hat: ‘Maybe it’s not a bug, maybe it’s a feature.’ Vielleicht ist das genau eines meiner Talente oder eine meiner Stärken, dass ich mich in viele unterschiedliche Sachen rein denken kann.”

Auch Lawals Einstellung zu Mode hat sich seit Beginn seiner Gründergeschichte geändert: “Ich konsumiere Mode nur mehr”, sagt er im brutkasten-Studio. “Ich liebe Mode. Es ist ein Ventil, um sich persönlich auszudrücken. Aber die Leidenschaft für die Kreation ist jahrelang schon weg. Ich habe zu viele Einblicke in die Branche bekommen und gesehen, was das für ein Pain sein kann.” 

Biohacking im Visier

Auch heute zeigt sich der Founder vielseitig in seinen Zukunftsplänen: “In meinem Kopf schwirren schon sehr viele Ideen.” In Zukunft will Lawal im Fitness- und Biohacking-Bereich tätig werden. “Das ist eine persönliche Leidenschaft von mir. Und wir haben einige Partner und Kunden, mit denen wir in den Bereichen arbeiten.”

Aktuell hört der Founder allerdings auf seine Vernunft: “Ich sollte mich vorerst auf die Agentur konzentrieren und das nicht parallel machen. Als Agentur hatten wir bisher immer ein Wachstumsjahr. Nun wollen wir an unsere organischen Grenzen stoßen. Wir haben unser Potenzial noch nicht ausgeschöpft.” 

“Wir haben keinen Druck”

Dahingehend denkt der Founder bereits über strategische Partnerschaften und mögliche Erweiterungen nach: “Wir haben noch ein paar gute Jahre, wo wir aus eigener Kraft an unser Wachstumslimit gehen können.” 

Mittlerweile arbeitet die Agency profitabel: “Wir haben also keinen Stress und keinen Druck. Wir brauchen quasi niemanden. Aber das ist das Schöne: Wenn du den Druck nicht hast, dann kannst du das maximal ausreizen und schauen, was die Zukunft hergibt.” 


Ilja Jay Lawal im brutkasten-Studio

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