22.05.2018

“Tiny House”: Drei Wiener Startups mit Ideen zu neuen Wohnformen

Wohnwagon, Liberty.Home und NimmE sind drei Wiener Startups, die bei ihrer Suche nach neuen Wohnformen auf das "Tiny House" gekommen sind. Ihre Lösungen sind dennoch sehr unterschiedlich.
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(c) Wohnwagon -

Demografischer Wandel und steigende Mietpreise, zudem wachsende Städte – all das sind Aspekte, die das Nachdenken über neue Arten zu Wohnen befeuern. Gleich drei Wiener Startups operieren dazu im Feld einer Bewegung, die aus den USA stammt: “Tiny House”. Es ist ein auch gesellschaftspolitisch motiviertes Movement, das das Wohnen in Kleinhäusern propagiert. Wie groß, oder klein ein solches Haus sein darf, ist nicht fix geregelt – von 15 bis 50 Quadratmetern Wohnfläche ist die Rede. Dazu im Gespräch mit dem Brutkasten die Gründer von Liberty.Home, Wohnwagon und NimmE.

+++ “Sie wohnen in meinem Haus, während ich in Ihrem wohne“ +++

Tiny House: “Ein Zuhause bedeutet Freiheit”

Markus Hörmanseder nennt sein Startup Liberty.Home ein “Social-Business”.  Man will den Verkauf von “Tiny Houses” mit einer sozialen Mission kombinieren. “Mit unserem Micro-Home-Wohnkonzept möchten wir auf innovativem Weg obdachlosen Menschen ein Zuhause bieten, weil ein Zuhause auch Freiheit bedeuten kann. Speziell für Menschen die keines haben”, erzählt er dem Brutkasten. Die Idee zu dem Startup kam ihm und Co-Founder Philipp Hüttl im Zuge ihrer Bachelorarbeit im Vorjahr. “Wir wollten eine sinnvolle Arbeit, die den sozialen Aspekt in den Vordergrund stellt. Seit unserem Umzug von Oberösterreich nach Wien ist das Thema Obdachlosigkeit täglich präsent, und das wollten wir nicht akzeptieren. Wir denken, in einem Land wie Österreich muss es möglich sein, dieses Problem zu lösen. Liberty.Home symbolisiert unseren Beitrag dazu”, sagt Hörmanseder.

Tiny House
(C) FH Campus Wien / Ludwig Schedl – Liberty.Home-Gründer Philipp Hüttl und Markus Hörmanseder möchten mit einem Tiny House auf Obdachlosigkeit aufmerksam machen.

Soziale Grundgedanken in ein Unternehmenskonzept integrieren

Liberty.Home betreibt neben dem sozialen aber eben auch einen kommerziellen Zweig. Dabei sind laut Gründer, sowohl Unternehmen für die einfache Unterbringung von Mitarbeitern, als auch Privatperson (Gästehaus im Garten) Zielgruppen. “Durch den Produktverkauf möchten wir neben dem klaren Nutzen unseres Angebots auch auf das Thema Obdachlosigkeit aufmerksam machen. Über diverse Marketing-Kanäle soll auch der soziale Mehrwert durch einen Kauf bei Liberty.Home klar kommuniziert werden”, erklärt Hörmanseder. “Die größte Hürde dabei war es, einen derart sozialen Grundgedanken in ein unternehmerisches Konzept zu integrieren”.

Spannungsfeld unterschiedliche Zielgruppen

“Durch die Aufnahme in den Startup Corner der FH Campus Wien konnten wir mit Experten im Bereich Social Business und Social Entrepreneurship die Strukturen für unser Unternehmen professionell aufbauen. Wir denken, mit der Teilnahme am Red Bull Amaphiko-Programm steht einer zeitnahen Projektumsetzung nichts mehr im Weg”, stellt der Founder klar. Ein zweites Problem, dem sich die Gründer am Anfang stellen mussten, war ein gewissen “Spannungsfeld”, wie es Hörmanseder nennt, dem das Produkt ausgesetzt ist. “Durch den Verkauf unserer Produkte an verschiedenste Zielgruppen mit stark unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten musste unser Produkt sowohl kostengünstig, als auch qualitativ und optisch ansprechend gestaltet werden”, sagt er. Dazu wurde eine Arbeitsgruppe bestehend aus Architekten, Sozialarbeitern und Obdachlosen eingesetzt. Der Richtpreis einer solchen Micro-Wohneinheit beträgt 25.000 Euro.

Shirts und Hoodies

Einnahmen hat das Unternehmen neben dem Produktverkauf auch durch eine Kooperation mit dem Eferdinger Startup Vresh. Auf der Homepage werden Shirts und Hoodies angeboten, deren Erlöse für die Gründung einer gemeinnützigen GmbH verwendet werden. Die Gründer nutzen Events und Veranstaltung, um mit ihrer Social-Business-Idee vorstellig zu werden. “Der entstehende Content wird über verschiedenste Social-Media-Kanäle verbreitet und soll den Aufbau einer Plattform starten. Mit dem Projektfortschritt werden dann einzelne Rubriken veröffentlicht, wo wir unter anderem mit Interviews auf Einzelschicksale aufmerksam machen und Daten und Fakten zum Thema Obdachlosigkeit verbreiten werden. Wir haben schon einige Anfragen für Referenzprojekte in verschiedensten Richtungen, welche als weiterer Content das sensible Thema Obdachlosigkeit professionell kommunizieren”, erklärt Hörmanseder.

Im Finale des Social Impact Awards

Bisher wurde nicht aktiv nach Investment-Kapital für das Projekt gesucht. Die Kosten für den Prototypen (eine 8,75 Quadratmeter große Wohneinheit mit Dusche und WC, einem darüber liegenden Schlafplatz, einer Küchennische mit Waschbecken, zwei Herdplatten und einem Kühlschrank) konnten aber durch zahlreiche Sponsoren aus der Baubranche gedeckt werden, wie uns die frischgebackenen Finalisten des Social Impact Awards erklären. “Die Firmen haben neben der Materialspende auch Know-How und Hilfestellung in der ‘Markenbekanntmachung’ geleistet. Den restlichen Teil der bisherigen Finanzierung von Liberty.Home haben wir als Team gestämmt”, sagt Hörmanseder.

Er nennt die nächsten Ziele für sein Unternehmen: “Mit der Aufnahme in das Red Bull Amaphiko Programm können die Herausforderungen im Marketing schnell umgesetzt werden. Unser kurzfristiges Ziel ist es, eine seriöse innovative Social Media Plattform rund um das Thema Obdachlosigkeit aufzubauen. Ebenfalls werden wir mit der aktiven Vertreibung unseres Produktes in kürze starten. Und als Finalisten des Social Impact Award wollen wir in den Sommermonaten gemeinsam mit einem Experten-Team unseren karitativen Stamm des Projektes professionell aufstellen”.

Langfristige will man Liberty.Home als internationales Social-Business mit eigener Community rund um das Thema Wohnungslosigkeit und Wertschöpfung für die gesamte Produkt-Kette etablieren. “Darüber hinaus sollen unsere Produkte ein Angebot für kostengünstigen Wohnraum schaffen, der für jeden zugänglich ist, sodass ein gerechteres Maß an Lebensqualität für jeden einzelnen Menschen zum Standard wird”, sagt Hörmanseder.

Tiny House als Luxusversion

Das Öko Startup Green Up hat sich mit dem NimmE Tiny House ebenfalls Gedanken zu alternativen Wohnlösungen gemacht. Der Prototyp des NimmE Tiny House ist diese Woche zur Besichtigung im Salon Jardin unter dem Projekt “Startup im Park 2018” zu finden sein. Das Motto des Kleinhauses auf Rädern lautet “Öko, Lifystyle und Freiheit”. Dementsprechend reicht die Angebotspalette von “klein und chic” bis hin zu Luxusversionen und einer Fläche von zehn bis 50 Quadratmetern. Interessenten können zudem zwischen einer  Vollmöblierung, einem Autarkie-Paket (inklusive Öko-Toilette und Wasserspeicher), bis zu zwei Lofts, Fotovoltaik Fußbodenheizung, Holzkamin, sowie Elektro- und Sanitärinstallationen wählen. Preislich reichen die verschiedenen Varianten von 32.900 bis 49.900 Euro, wobei es für Schnellentschlossene bis Ende Mai Boni von 1.000 bis 3.000 Euro geben soll.

Die Gründer, die ihr Foto nicht im Bericht sehen möchten, waren anfänglich auf der Suche nach einem Gartenhaus. “Aber ein einfaches Gartenhaus war nicht passend für unsere Zwecke. Nach langer Suche haben wir die Tiny House-Bewegung in den USA entdeckt. Wir wollten am Anfang einen Bauwagen als günstige Zwischenlösung umgestalten, doch das ist gescheitert. Dann haben wir uns auf unser Endziel fokussiert und viel Energie und Geld investiert. So ist NimmE entstanden”, erklärt Mitgründer Gabriel Tamas.

Tiny House
(c). NimmE/Facebook – Gabriel Tamas und sein Team möchten den Öko-Minimalismus in Österreich bekannt machen.

“Breite Variation an potentiellen Tiny House-Käufern”

“Das  Tiny House-Produkt ist nicht neu, obwohl es in Österreich eher am Anfang steht. Wir wollen den Öko-Minimalismus bekannt und kleinen Luxus bezahlbar machen. Deshalb planen wir mit Partnern und ‘Tiny Ambassadors’ zu arbeiten”, führt Tamas seine Vorstellungen aus. Die Gründer sehen in Sachen Zielgruppen eine breite Variation an potentiellen Käufern, wie sie sagen. So schätzt man, dass das Produkt Natur-Freunde, aktive Menschen, die offen für etwas Neues sind, Familien, Studenten, Senioren, Jäger, Winzer und Pferdehalter interessiere. “Wir sprechen aber auch traditionellen Kunden in Österreich an. Etwa Personen, die mehr Wohnraum im Garten haben möchten, Camper, Hotels, Thermen, Golfclubs, Grundstückbesitzer für Vermietung oder als Nutzung für Büros und Schauräume”, sagt Tamas.

Als Problem bei der Gründung tauchte auf, dass es kaum passende Ausstellungsflächen in der Hauptstadt gab. “Wir sind jetzt jenen Personen extrem dankbar, die uns unterstützt haben, unser NimmE in der wunderbaren Lage am Kahlenberg auszustellen. Nach dem Ausstellen beim Salon Jardin müssen wir aber eine neue Fläche für NimmE finden. Wenn es in Wien nicht möglich  ist, dann fahren wir nach Niederösterreich”, sagt Tamas.

Wohnwagon als Alternative zum Tiny House

Wohnwagon bezeichnet sich selbst als “Handwerks-Startup”. Der Wohnwagon ist für die Gründer eine mobile Alternative zum Micro-House und enthält neben einer Bio-Toilette eine eigene Photovoltaik- und eine Wasseraufbereitungsanlage.

Tiny House
(c) Wohnwagon.at – Der Wohnwagon als alternative Wohnform für die Zukunft.

Ärger über Sondermüll als Initialzündung

Die beiden Founder, Theresa Steininger und Christian Frantal, hatten die Idee zu Wohnwagon, weil sie sich über die Art, wie heute gebaut wird, ärgerten. “Wir bauen viel zu groß, dämmen mit Sondermüll und versorgen unser Zuhause mit fossiler Energie – so kann es nicht weitergehen. Also haben wir ein Haus gebaut. Eines, das völlig anders ist, als man das bisher kennt. Mit einem geschlossenen Kreislaufsystem, das ohne externe Anschlüsse auskommt: Stromproduktion, Wasserreinigung, Warmwasseraufbereitung – alles mit drin. Ohne von externen Anschlüssen abhängig zu sein”, erzählt uns Steiniger im Gespräch. “40 Prozent des weltweiten Ressourcenverbrauchs fallen in der Baubranche an, ein riesiger Hebel um Klimawandel und Ressourcenverschwendung entgegen zu wirken und neue Wohnkonzepte auf den Weg zu bringen”.

Team aus verschiedenen Disziplinen

Die beiden Founder waren beide selbstständig und haben einander über Steiningers Werbeagentur kennengelernt. “Christian hatte die Idee zum Wohnwagon. Ich war quasi der erste große Fan und sah das Potential, daraus nicht nur ein schönes Produkt zu machen sondern zu inspirieren und grundlegend etwas zu verändern”, sagt die Wohwagon-Geschäftsführerin. Bekanntlich sei aller Anfang schwer. Die “Kunst” bei diesem Vorhaben sei darin gelegen, eine vollautarke Wohneinheit zu bauen, Kreisläufe zu schließen, natürlichen Rohstoffe zu verwenden und das alles im Wohnwagon auf 33 Quadratmeter zu verpacken, so Steiniger. “Dass das in der Produktentwicklung keine leichte Aufgabe war, ist klar. Aber durch ein Team, das die verschiedenen Disziplinen vernetzt, die sonst oftmals nichts voneinander wissen wollen, ist uns das gelungen”.

Tiny House
(c) Wohnwagon.at – Theresa Steininger und Christian Frantal vor ihrem Wohnwagon.

Autarke Dörfer und Siedlungen

Als nächstes Ziel skizzieren die Gründer eine Baubranche, die sich grundlegend verändert. “Wir wollen Wege zeigen, wie man im geschlossenen Kreislauf und mit der Natur gemeinsam bauen kann. Die Lösungen dafür sind alle da, wir müssen sie nur intelligent kombinieren und uns trauen, sie auch umzusetzen”, sagt Steininger. Auf lange Sicht gesehen möchte das Unternehmen zu einem starken Netzwerk für autarkes, nachhaltiges Wohnen werden. “Kurzfristig stehen aber die ersten größeren Autarkie-Projekte an: Das erste autarke Dorf, unser autarker Betriebsstandort, autarke Einfamilienhäuser und Siedlungen”.

1 Million Euro-Finanzierungsrunde noch 2018

Steiniger und Frantal haben mit ihrer Idee über zwei Runden gesamt 214.000 Euro von 300 Kleininvestoren einsammeln können. Dazu kamen Förderungen und Unterstützung von einzelnen Unternehmern. Seit 2016 ist InnoEnergy als Investor mit an Board. “2018 schließen wir unsere erste größere Finanzierungsrunde mit einem Volumen von gesamt circa eine Millionen Euro ab”, erzählt Steiniger. Insgesamt stehen potentiellen Käufern drei Varianten zur Verfügung. “Wir verkaufen Wohnwagons und bauen diese autarken kleinen Häuser in unserer kleinen Manufaktur in Niederösterreich. Wir bieten Planung und Beratung für autarkes und nachhaltiges Bauen mit unserer Planungsabteilung an. Zudem verkaufen wir Autarkie-Sets über unseren Webshop und machen die Lösungen so skalierbar und international zugänglich”, erklärt Steiniger. Die Preise für einen Wohnwagon beginnen bei 35.000 Euro für die Basis- Version und gehen bis zu 70.000 in der Vollausstattung.


⇒ Hier geht’s zur Webseite von Liberty.Home

⇒ Die Homepage von NimmE

⇒ Link zur Homepage von Wohnwagon

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Die dritte Folge von "No Hype KI" mit Manuel Moser, Alexandra Sumper, Moritz Mitterer und Clemens Wasner (v.l.n.r.) (c) brutkasten

„No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz.


Wie lässt sich KI “richtig” in Unternehmen integrieren? Wieso erleben Unternehmen einen “Bottom-Up-Push” und warum sprechen viele dabei noch von großen Hürden? Um diese und viele weitere Fragen ging es in der dritten Folge von “No Hype KI”. Zu Gast waren Alexandra Sumper von Nagarro, Manuel Moser von CANCOM Austria, Moritz Mitterer von ITSV sowie Clemens Wasner von AI Austria und EnliteAI.

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Der Bottom-Up-Push

“Der AI-Hype ist jetzt circa zehn Jahre alt”, startet Clemens Wasner die Diskussionsrunde. Was als “vorausschauende Warnung und Betrugserkennung” im B2B-Sektor begann, hat sich eine knappe Dekade später zu einer Bottom-Up-Push-Bewegung entwickelt. “Einzelne Mitarbeitende verfügen teilweise über weitaus mehr praktische Erfahrung mit Generativer KI”, als “das oft auf einer Projektebene passiert”, so Wasner.

Um KI federführend in Unternehmen zu verankern, sei es wichtiger denn je, Mitarbeitende einzubinden und ihnen intern eine Bühne für den Best-Practice-Austausch zu geben, erklärt Wasner weiter. Aktuell ginge der KI-Push immer intensiver von Mitarbeiter:innen aus. Vergleichbar sei diese Bewegung mit dem Aufkommen der Smartphones vor etwa fünfzehn Jahren.

Daten mit Qualität

Als Basis sollte zuerst allerdings der Datenhaushalt eines Unternehmens sauber strukturiert und reguliert werden, sagt Manuel Moser, Director Digital Innovation & Software Engineering bei CANCOM Austria. “Wenn ein Unternehmen in puncto Daten hinterherhinkt, kann das jetzt durchaus ein Stolperstein sein”, sagt der Experte. In CRM- und ERP-Systemen finden sich häufig unvollständige Angaben. Die dadurch entstehende unzureichende Datenqualität könne jede KI-Initiative ins Stocken bringen, so Moser.

“Der größte Feind ist Zettel und Bleistift”

Schon allein das Notieren von Informationen auf Zetteln gilt nicht nur als scheinbar banale Hürde, wie Moser im Talk erläutert. Analoge Gewohnheiten können enorme Auswirkungen auf den gesamten Digitalisierungsprozess des Unternehmens haben: “Ich sage immer: Bei Digitalisierungslösungen ist der größte Feind der Zettel und der Bleistift am Tisch, mit denen man das digitale Tool am Ende des Tages umgeht.”

Gerade der öffentliche Sektor sollte im KI-Einsatz sowie in der Verwaltung von Daten sorgfältig agieren. Moritz Mitterer, Aufsichtsratsvorsitzender der ITSV, spricht von besonders sensiblen Daten aus der Sozialversicherung, die ein enges rechtliches Korsett und damit ein höheres Maß an Vorsicht mit sich bringen.

“Wir haben 2017 in der ITSV damit begonnen, innerhalb der Struktur damit zu experimentieren”, erzählt Mitterer. Ein essentielles Learning daraus: Gerade große Prozessmengen stellen sich als ideales Feld für KI heraus – wenn man vernünftige Leitplanken, klare Haftungsregeln und eine unternehmensweite Governance definiert.

Im Fokus stehen User:innen

Datenqualität, Governance und gleichzeitig reichlich Agilität? Worauf sollten sich Unternehmen in erster Linie konzentrieren, um KI lösungsorientiert einzusetzen? Alexandra Sumper, Director Delivery Österreich bei Nagarro, betont, dass KI-Projekte weit mehr als reine Technik voraussetzen: “Meine Erfahrung zeigt wirklich, nicht zu groß zu beginnen, wenn man erst am Anfang steht.“ Viele Firmen würden sich gerade anfangs in Strategiepapieren verlieren, anstatt realitätsgetreue Use Case zu definieren, so die Expertin.

“Man muss gut darauf achten, dass man liefert. Sowohl an Datenqualität, als auch an optimierter User Experience”, erläutert Sumper. Als Erfolgsbeispiel nennt sie die Asfinag, die einen KI-Chatbot erfolgreich eingeführt hat. Das Besondere dabei: Ein Kernteam entwickelte die KI-Lösung, achtete auf Datenqualität und band die künftigen Nutzer:innen ein. Die Akzeptanz im Unternehmen stieg rasant, erzählt Sumper von den Projektanfängen.

Ähnliche Schlüsse zieht Sumper aus der Beobachtung anderer Kund:innen: In erster Linie gelte es zu testen, ob KI in einem kleinen Rahmen Nutzen bringt. Sobald Mitarbeiter:innen erleben, dass KI ihre Arbeit wirklich erleichtert, wächst das Vertrauen und die Bereitschaft, weitere Schritte zu gehen.

“Am Anfang gibt es nichts, dass zu 100 Prozent funktioniert”

Dass sich eine Trial-and-Error-Phase gerade in den Anfängen des KI-Einsatzes nicht vermeiden lässt, scheint ein allgemeiner Konsens der Diskussionsrunde zu sein. “Es gibt nichts, was sofort 100 Prozent top funktioniert”, so Sumper. Um Fehlerquellen und deren Auswirkungen jedoch möglichst gering zu halten, empfiehlt die Expertin Qualitätssicherung durch ein Key-User-Team, um Fehler festzustellen, zu korrigieren und Daten-Gaps zu schließen.

Hierbei sollen die Möglichkeiten von generativer KI intelligent genutzt werden, wie Clemens Wasner hervorhebt: “Wir haben das erste Mal eine Technologie, die es ermöglicht, unstrukturierte Daten überhaupt auswertbar zu machen.” Nun gilt es, Effizienz in der Datenstrukturierung und -auswertung zu fördern, um mit der aktuellen Welle der digitalen Transformation mitzuhalten. Denn KI ist, wie Manuel Moser von CANCOM Austria bestätigt, ein wesentlicher Teil der digitalen Transformation: “Ein Baustein, wenn man so will, wie ein ausgestrecktes Werkzeug eines Schweizer Taschenmessers.”

KI-Bereiche mit Potenzial zur Ausgründung

Das Gespräch zeigte insgesamt, dass Unternehmen viel gewinnen können, wenn sie KI nicht als fertige Lösung, sondern als Lernprozess verstehen, in den die Belegschaft aktiv mit eingebunden wird. Auf einer soliden Datenbasis mit klarer Kommunikation ließe sich schon in kleinen Projekten ein spürbarer Mehrwert für das Unternehmen erzeugen.

In manchen Branchen, darunter Sozialversicherungen, E-Commerce sowie Luftfahrt und Logistik, sind Fortschritte unvermeidlich, um den steigenden Anforderungen von Markt- und Mitarbeiterseite gerecht zu werden.

Wasner spricht hierbei von einem Fokus auf Digital Business, der sich bereits in der Entstehung neuer Geschäftsfelder am Markt zeigt: Immer häufiger bündeln Unternehmen Wissensträger:innen zu den Bereichen Data, IoT und Machine Learning in einer eigenen Organisation oder Ausgründung. Gezielt wird hier das Potenzial eines eigenen KI-Kernteams zu nutzen und auszubauen versucht.

Luft nach oben

Dass es in vielen Branchen noch reichlich ungenutztes Potenzial gibt, haben mittlerweile einige Reports aufgeschlüsselt dargestellt. Gerade im Healthcare-Bereich sei “mit Abstand am meisten rauszuholen” – unter anderem im Hinblick auf den sicheren und effizienten Umgang mit Patienten- und Amnesie-Daten zur schnellen und akkuraten Behandlung.

Laut Moritz Mitterer der ITSV besteht eine große Herausforderung darin, sensible Patientendaten und strenge Regulatorik mit dem Wunsch nach Fortschritt zu vereinen. Gerade in Sozialversicherungen sei es wichtig, eine klare Governance zu schaffen und den Einsatzrahmen von KI zu definieren. Nur so könne Vertrauen gefestigt und sichergestellt werden, dass neue Technologien nicht an bürokratischen Hemmnissen oder Sicherheitsbedenken scheitern.

Vertrauen ist “noch ein starker Blocker”

“Am Ende des Tages probieren Unternehmen aus: Wie reagiert die Technologie, wie geht man damit um, welche Art von Projekten macht man?”, rundet Manuel Moser von CANCOM Austria die Diskussion ab. Der nächste Schritt liege darin, immer “mehr in die Kernprozesse von Unternehmen reinzukommen”, so Moser. “Und das, glaube ich, ist ein sehr wesentlicher Punkt.” Das Vertrauen, dass es die Technologie braucht. Das ist aktuell noch ein “starker Blocker in Unternehmen”.

Die Expertenrunde teilt einen universellen Konsens: Der Mensch sowie sein Know-how und Vertrauen in KI spielen bei der digitalen Transformation eine erhebliche Rolle. Sobald KI-Anwendungen auf eine verlässliche Datenstruktur und klare Organisation treffen, kann sich KI im Unternehmensalltag entfalten. Erst durch das Zusammenspiel von Technik, Datenkultur und motivierten Teams wird KI zum Treiber neuer Chancen.


Die gesamte Folge ansehen:

Die Nachlesen der bisherigen Folgen:

Folge 1: “No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?

Folge 2: “Was kann KI in Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten?


Die Serie wird von brutkasten in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung unserer Partner:innen produziert.

No Hype KI
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