05.10.2021

THE GROW-Studie: Warum die Vernetzung von Mittelstand und Startups noch Potenzial hat

Wahrgenommen ja, genutzt nein - so beschreibt Wirtschaftswissenschafterin Nadine Kammerlander den Status quo der Chancen der Zusammenarbeit von Mittelständlern mit Startups. Im Zuge der hybriden Event-Reihe "THE GROW by SalsUp" initiiert von SalsUp und brutkasten, hat sie eine Begleitstudie durchgeführt, deren Ergebnisse durchaus vorhandenes Potenzial aufzeigen.
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Nadine Kammerlander
Nadine Kammerlander © Julia Berlin
kooperation

Professor Dr. Nadine Kammerlander ist seit 2015 Professorin an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Zuvor war sie als Assistenzprofessorin an der Universität St. Gallen tätig. Die diplomierte Physikerin (TU München) und promovierte Betriebswirtschaftswissenschaftlerin (Otto-Friedrich Universität Bamberg) arbeitete mehrere Jahre bei McKinsey & Company und beriet internationale Unternehmen der Automobil- und Halbleiter-Branche in Produktentwicklungsprojekten, vor allem in den USA und Mexiko.

In Lehre und Forschung beschäftigt sie sich mit den Themen Innovation, Mitarbeiter und Governance in Familienunternehmen und Family Offices. Ihre wissenschaftlichen Beiträge sind in internationalen Fachzeitschriften (u.a. AMJ, AMR, JMS, JBV, ETP, JPIM, FBR, SBE) veröffentlicht und mit renommierten Forschungspreisen ausgezeichnet worden. Sie ist Mit-Herausgeberin der internationalen Fachzeitschrift „Family Business Review“, Mitglied mehrerer Editorial Review Boards (u.a. JOM, ETP, SEJ und JPIM) und arbeitet in unterschiedlichsten Projekten mit Familienunternehmen und internationalen Forschern zusammen. Unter anderem ist sie Teil des DFG-Netzwerks „Venturing Together“.


Frau Kammerlander, im Rahmen der digitalen Veranstaltungsreihe „THE GROW by SalsUp“, die gemeinsam von den Unternehmen SalsUp und brutkasten initiiert wurde, ging es darum Startups mit dem Mittelstand zu vernetzen. Sie haben parallel zur Roadshow eine Studie zum Thema durchgeführt. Können Sie uns nun nach dem erfolgreichen Finale Mitte September die ersten Erkenntnisse dieser präsentieren?

Ja, sehr gerne. Etwa 79 Prozent der befragten Unternehmen kommen aus Deutschland. Etwa ein Drittel der Teilnehmer – 34,2 Prozent – sind Mittelständler, die verbleibenden zwei Drittel sind Startups.
Etwa 65 Prozent der befragten Startups haben bereits in der Vergangenheit mit Mittelständlern zusammengearbeitet. Etwa 61 Prozent waren dabei mit der Zusammenarbeit (sehr) zufrieden, 12 Prozent gaben niedrige Werte der Zufriedenheit bei der vergangenen Zusammenarbeit an. Aber auch bei denjenigen, die weniger gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit gemacht hatten, ist das Interesse an einer zukünftigen Zusammenarbeit mit dem Mittelstand weiterhin hoch.

Was waren denn die größten Kritikpunkte, die in diesem Zusammenhang geäußert wurden?

Als größte Barriere zur Zusammenarbeit wird der fehlende Zugang bzw. der fehlende Ansprechpartner gesehen. Generell wünschen sich Startups von Mittelständler vor allem finanzielles Investment, Zugang zu Kunden und Wissen. Sie schätzen insbesondere die Langfristigkeit, hohe Reputation und ähnliche Werte beim Mittelstand.

Und was schätzt der Mittelstand an der Zusammenarbeit mit Startups?

Mittelständer sind bei der Zusammenarbeit mit Startups vor allem an der Lösung existierender Probleme, an Diversifikation sowie an finanzieller Rendite interessiert. Sie schätzen insbesondere die Flexibilität und Innovationskraft der Startups. Meine Studie hat ergeben, dass zwei Drittel der befragten Mittelständler bereits in der Vergangenheit mit Startups zusammengearbeitet und diese Zusammenarbeit überwiegend positiv bewertet haben.

Sie beschäftigen sich ja bereits seit Langem intensiv mit der Zusammenarbeit von Startups mit mittelständischen Familienunternehmen. Wie hat sich denn diese in den vergangenen Jahren entwickelt? Gab es zum Beispiel einen Anstieg von Unternehmen, die auf eine solche setzen und liegen Ihnen auch Zahlen für den österreichischen Markt vor?

In der Tat gibt es einen Anstieg der Zusammenarbeit. Beide Seiten erkennen, dass sie voneinander profitieren können bzw. dass es ohne Kooperation in vielen Fällen nicht möglich sein wird, erfolgreich weiter im Markt zu bestehen. Insofern gibt es eine erhöhte Anzahl von Unternehmen, die eine solche Partnerschaft eingehen möchte genauso wie eine erhöhte Anzahl von Initiativen, die genau das ermöglichen möchten. Speziell für den österreichischen Markt liegen leider keine Daten vor.

Zum einen braucht es ein besseres Matching und zum anderen aber auch ein Teilen der „Best Practices“ und „Worst Practices“.

Nadine Kammerlander

Wie können mittelständische Familienunternehmen und Startups konkret von einer Zusammenarbeit profitieren?

Familienunternehmen sind insgesamt sehr innovativ. Insbesondere was Prozess- und Produktinnovationen anbetrifft, haben sie in den letzten Jahrzehnten auf Grund ihrer besonderen Eigenschaften oft mit hoher Innovationskraft gepunktet. Bei radikalem Wandel, wie der Digitalisierung, sieht das jedoch anders aus. Hier schlägt das sogenannte „Family Innovator’s Dilemma“ zu:  Mittelständische Familienunternehmen haben auf Grund ihrer Strukturen und ihrer häufig anzutreffenden Unabhängigkeit vom Kapitalmarkt zwar im Prinzip die Möglichkeit, sich radikal zu ändern. Doch dieses Können wird oft nicht ins Tun überführt, da der unbedingte Wille zur Veränderung fehlt. Oft hängt man an alten Strukturen und Routinen oder scheut auf Grund der notwendigen Investitionen zurück. Bei einer Zusammenarbeit mit Startups können Familienunternehmen das notwendige digitale Wissen erlangen – und zwar möglichst „zerstörungsfrei“ da nicht das Kernunternehmen verändert werden muss.

Startups hingegen benötigen Zugang zu Kunden, Zugang zu administrativer Unterstützung und finanzielle Ressourcen. Damit können Mittelständler aushelfen. Durch ihre Vernetztheit und hohe Reputation können sie zudem dem Startup Legitimität verschaffen.

Werden diese Chancen bereits ausreichend erkannt und wahrgenommen?

Wahrgenommen – ja! Genutzt – nein! Immer mehr Mittelständler und auch Startups erkennen die Notwendigkeit für die Zusammenarbeit. Aber noch gibt es zu wenig Berührungspunkte und teilweise auch zu wenig Verständnis für die Bedürfnisse und Besonderheiten der „anderen“.

Orten Sie bei mittelständischen Familienunternehmen größere Bedenken als sie Konzerne haben, wenn es um die Zusammenarbeit mit Startups geht?

Das würde ich so nicht sagen. Man kann sogar sagen, dass sich Familienunternehmer:innen und Gründer:innen besonders ähnlich sind, da beide ähnliche, unternehmerische, Werte teilen. Diese fehlen dem typischen angestellten Management in Großkonzernen häufig. Wo es jedoch noch Potenzial gibt, ist im Verstehen er jeweils anderen Kommunikation und Kultur. Da tun sich mittelständische Familienunternehmen teils doch schwer.

Familienunternehmer:innen und Gründer:innen sind sich besonders ähnlich.

Nadine Kammerlander

Wie könnte man dieses Potenzial heben?

Zum einen braucht es ein besseres Matching – glücklicherweise wurde dieses Thema nun mit Plattform-Lösungen angegangen. Zum anderen braucht es aber auch ein Teilen der „Best Practices“ und „Worst Practices“. Sowohl Mittelständler als auch Startups müssen lernen wie Zusammenarbeit funktionieren kann – und wie nicht. Hier brauchen wir mehr Wissen – und müssen dieses Wissen weiter verbreiten.

Abschließende Frage: In welchen Bereichen arbeiten die Unternehmen denn bisher bereits zusammen und wo sollten sie es unbedingt tun?

Der wichtigste Bereich ist sicherlich der der Technologie. Dieser kann sehr vielfältig sein. Startups können zusätzliche (digitale) Services anbieten, welche das Kerngeschäft des Mittelständlers erweitern. Oder sie haben das Potenzial, neue Herstellungs- und Entwicklungsprozesse zu erzeugen. An anderer Stelle können Startups helfen, die internen Prozesse des Unternehmens effizienter und kostengünstiger zu gestalten.

Vielen Dank für dieses Interview.

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Der vegane „Camembert“ des Wiener Startups Freundeskreis ist seit Juni dieses Jahres in ausgewählten veganen Supermärkten erhältlich. Co-Gründerin Mona Heiß gibt im Interview mit brutkasten einen Einblick in die nächsten Schritte des Unternehmens.
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Das „Kernteam“: Leo Sulzmann, Mona Heiß und Markus Korn. (c) Freundeskreis

Käsealternativen aus Cashewnüssen, Mandeln, Soja oder Erbsenprotein: Der Markt für Käseersatzprodukte erlebt derzeit eine Hochphase. Auch das Startup Freundeskreis hat es sich zur Mission gemacht, mit seinem pflanzlichen „Cam-mhh-berta“ die Käsewelt zu transformieren. Anstelle von Milchkulturen, die in herkömmlichem Camembert verwendet werden, setzt das Unternehmen auf eine untypische Zutat: Marillenkerne – ein Nebenprodukt der heimischen Obstindustrie.

Ende letzten Jahres konnte Freundeskreis eine Förderung von 400.000 Euro von der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft (aws) sichern – brutkasten berichtete. Mit dieser Förderung bauten sie nicht nur ihre Produktion aus, sondern brachten auch ihren veganen „Cam-mhh-berta“ erfolgreich auf den Markt. Im Interview mit brutkasten berichtet Co-Gründerin Mona Heiß über die Fortschritte des Startups und die Pläne für die Zukunft.

Freundeskreis wird mit weiteren 97.000 Euro gefördert

Seit Juni dieses Jahres ist der pflanzliche “Cam-mhh-berta” in ausgewählten Bio-Supermärkten in Wien erhältlich: Pepper & Ginny (1010), Maran Vegan (1060) und Markta (1090). Das Feedback ist vielversprechend: Nach Unternehmensangaben wurden in den ersten vier Monaten bereits rund 1.000 Stück verkauft.

Nur wenige Monate nach der aws-Förderung konnte sich Freundeskreis eine weitere finanzielle Unterstützung sichern: Die Wirtschaftsagentur Wien stellte über die Förderschiene “Produktion” dem Startup rund 97.000 Euro zur Verfügung. Wie Co-Gründerin Mona Heiß im Interview mit brutkasten verrät, soll das Geld in eine neue Pilot-Käsefabrik in Wien-Penzing fließen, die zugleich als zukünftiger Firmenstandort dienen wird.

Bisher finanziert sich Freundeskreis ausschließlich über Fördermittel. Für die kommenden Monate plant das Team jedoch eine Finanzierungsrunde im Frühjahr, um Investor:innen zu gewinnen und das Wachstum des Startups weiter voranzutreiben.

Marillenkerne liefert Cremigkeit und gesunde Nährstoffe

Freundeskreis entwickelte eine pflanzliche Käsealternative, die primär aus Marillenkernen besteht: den „Cam-mhh-berta“. Laut dem Unternehmen ist dieser geschmacklich und in der Konsistenz kaum von herkömmlichem Camembert zu unterscheiden. Der Grund liege in den Eigenschaften der Marillenkerne, die reich an Proteinen und ungesättigten Fettsäuren sind. Diese Nährstoffe sorgen demnach nicht nur für gesundheitliche Vorteile, sondern tragen auch maßgeblich zur cremigen Textur bei, erklärt Heiß.

Die Produktion des „Cam-mhh-berta“ erfolgt in „traditioneller Handarbeit“ auf einem Bauernhof im Wienerwald, in einer ehemaligen Käserei. Dabei setzt Freundeskreis auf dasselbe Verfahren, das auch bei der Herstellung von Kuhmilchkäse Anwendung findet. Das Ergebnis sei ein Käse, der sich durch “Cremigkeit, Nachhaltigkeit und Tradition” auszeichnet.

“Cam-mhh-berta” besteht nur aus vier Zutaten

Das Besondere an der Käsealternative sind die Marillenkerne, die als Hauptzutat dienen. Diese fallen normalerweise als Abfall- oder Nebenprodukt der Saft- und Marmeladenproduktion an. Freundeskreis bezieht die Kerne von regionalen Lieferanten, darunter das niederösterreichische Scaleup Kern Tec – brutkasten berichtete. Aus den Marillenkernen wird durch ein speziell entwickeltes Verfahren eine milchige Flüssigkeit gewonnen, die mithilfe von Reifekulturen, veganen Enzymen und Mikroorganismen zum „Cam-mhh-berta“ verarbeitet wird. Die Käsealternative kommt mit nur vier Zutaten aus: Marillenkerne, Salz, Wasser und vegane Reifekulturen.

Ein kritischer Punkt bei der Verarbeitung von Marillenkernen ist die darin enthaltene Blausäure, die gesundheitsschädlich sein kann. Hier hat Gründer und Forscher Leo Sulzmann ein spezielles Verfahren entwickelt, um die Blausäure auf natürliche Weise abzubauen.

Freundeskreis-Team wächst

Hinter dem Food-Startup Freundeskreis stehen Forscher und Geschäftsführer Leonhard Sulzmann sowie Co-Gründerin Mona Heiß. Während Sulzmann sich auf die wissenschaftlichen und technologischen Aspekte konzentriert, verantwortet Heiß die Kreativdirektion und den Markenaufbau. Zum Kernteam gehört außerdem Sales- und Operations-Verantwortliche Markus Korn. Mittlerweile zählt das Team sechs Mitglieder, die gemeinsam am weiteren Ausbau der Marke Freundeskreis arbeiten.

Zukünftig sollen mehr vegane Käsealternativen auf den Markt kommen

Freundeskreis arbeitet aktuell an der Entwicklung weiterer veganer Käsealternativen. Bereits Anfang nächsten Jahres soll eine vegane „Frischkäsevariante“ auf Basis der Marillenkerne auf den Markt kommen. Doch das ist nicht alles: Eine weitere Produktreihe ist bereits in Planung. Co-Gründerin Mona Heiß verrät, dass es sich dabei voraussichtlich um ein Produkt handeln werde, das speziell zum Backen geeignet sei. Langfristig will das Startup außerdem auch einen veganen „Hartkäse“ anbieten. Die Herstellung dieses Produkts ist jedoch komplexer, da es aufgrund des verwendeten Verfahrens eine bestimmte Zeit für die Reifung benötigt.

In den kommenden Wochen soll außerdem ein Online-Shop live gehen, über den die Produkte von Freundeskreis direkt bestellt werden können. Diese Plattform wird zunächst als Testversion betrieben, um herauszufinden, wie gut sich die Produkte für den Direktvertrieb eignen. Geplant ist dabei ein Modell, bei dem die Käsealternativen erst auf Bestellung und nicht auf Vorrat produziert werden. Weiter in die Zukunft gedacht, kann sich das Startup auch den Vertrieb in Supermärkten vorstellen.

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