01.08.2017

Julian Hosp von TenX: “Zu viele Fälle, wo Token Sales missbraucht werden”

Interview. Julian Hosp bietet mit seinem in Singapur ansässigen Startup TenX eine Debit-Card für Kryptowährungen. Kürzlich konnte TenX mit einem Token Sale 80 Mio Dollar Kapital aufstellen.
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(c) Julian Hosp

Mitte Juli sorgten der Tiroler Founder Julian Hosp und seine drei Co-Founder mit ihrem in Singapur ansässigen Startup TenX für Aufsehen. Bei einem ICO (initial coin offering) – Hosp bevorzugt in seinem Fall den Begriff Token Sale – nahm TenX Kryptowährungen im Gegenwert von rund 80 Millionen US-Dollar auf. Die Käufer erhielten dafür den Token PAY. TenX finanziert damit sein Produkt – eine allgemein akzeptierte Debit-Card, auf die Kryptowährungen geladen werden können. Im Interview erklärt Julian Hosp dem Brutkasten, wie das System von TenX funktioniert, was er über einen ICO in Österreich denkt, für wen sich ein ICO oder Token Sale auszahlt und wie er mit dem Bitcoin-Hard Fork umgeht.

+++ Brutkasten Primetime: Kryptowährungen im Realitätscheck +++

TenX bietet eine Debit-Card an, mit der man mit Kryptowährungen zahlen kann. Wie funktioniert das genau?

Wir haben eine App. Die ist jetzt gerade noch nur für Android verfügbar, geht aber noch diese Woche als Web-App raus und noch im August für iOS. Die App lädt man herunter, registriert sich und kann dann dort eine Debit-Card bestellen. Dafür zahlt man einmalig 15 Dollar, sonst gibt es keine Gebühren. Man bekommt die Karte dann zugeschickt und kann Kryptowährungen raufladen. Das geht mit Bitcoin, Ethereum, Dash und erc20 Token. Die kann man dann weltweit online und offline nutzen und wir bieten dabei immer den besten verfügbaren Kurs.

Habt ihr dazu eine Kooperation mit einem der großen Kreditkarten-Anbieter? Wird die Karte überall akzeptiert?

Ja, wir haben einen Kooperationsvertrag mit einem Issuing-Partner. Dadurch funktioniert die Karte ganz normal über das Kartennetzwerk. Für den Nutzer funktioniert das dann komplett reibungslos. Es ist wie jede andere Debit-Card und das Geschäft merkt den Unterschied gar nicht. Die Karte ist aber nicht gebrandet. Das kann man sich vielleicht schwer vorstellen, wenn man es noch nicht gesehen hat. Jedenfalls: Wo die Karte akzeptiert wird ist überhaupt kein Thema für uns – das geht wirklich überall problemlos.

Ihr habt vor kurzem einen ICO (Initial Coin Offering) durchgeführt. Kryptowährungen im Gegenwert von 80 Millionen US-Dollar sind hereingekommen. Wie funktioniert das rechtlich?

Unsere Firma TenX ist in Singapur registriert. Mit dem Token, bzw. der Token-Issuing-Stelle verhält es sich ein bisschen komplexer. Da ist es sinnvoller nicht ein Land heranzunehmen, sondern den Vorgang zu dezentralisieren, sodass er auch rechtlich wirklich sauber ist.

Im September wird es von byte heroes den ersten ICO nach österreichischem Recht geben. Ist das also aus deiner Sicht gewagt?

Ich bin kein Jurist und hab nicht den genauen Überblick über das österreichische Recht in dem Fall. Wir wurden jedenfalls klar beraten, den ICO nicht auf einen Ort zu fixieren. Wir haben uns da von einer sehr erfahrenen Firma aus Singapur beraten lassen, die mit uns eine sehr smarte Lösung ausgearbeitet hat. Wir haben auch bestimmte Orte ausgenommen, etwa die USA und Singapur. Das hat übrigens bei einigen Leuten für Stirnrunzeln gesorgt, dass wir das eigene Land ausgenommen haben. Aber es war eben in dem Fall nicht das eigene Land. Das ist alles ein komplexes Konstrukt, durch das alles verteilt ist. Das führt dann aber eben dazu, dass unser ICO zu einer Million Prozent niet- und nagelfest ist.

“Ich würde ich mich ohnehin nicht trauen, es als allererster im Land zu versuchen.”

Ich persönlich würde mich nicht trauen, aus einem einzelnen Land heraus, das ganz klare Regularien festlegt, einen Token Sale zu machen. Nicht in Österreich und nicht in Deutschland. Ich denke, da passieren leicht Fehler und plötzlich muss man eine riesige Strafe zahlen, weil man etwa das Prospekt-Recht verletzt. Mich wundert es also ein wenig, dass das ein Startup in Österreich macht. Weil es ist in der Blockchain-Welt nichts leichter, als das Ganze dezentral zu machen. Es ist eben das Eine, die Firma in Österreich zu haben, aber von wo aus man den Token Sale macht ist eine andere Sache. Außerdem würde ich mich ohnehin nicht trauen, es als allererster im Land zu versuchen (lacht).

+++ byte heroes: Erster komplett österreichischer ICO noch im September +++

Zurück zu eurem ICO. Wie werden die Anleger von eurem Token PAY profitieren?

Es war bei uns eigentlich kein ICO sondern ein Token Sale. Wir haben das klar definiert. Es funktioniert wie bei Kickstarter oder Indiegogo: Du kaufst bei uns unser Produkt. Wir haben eine bestimmte Stückzahl davon, dafür bekommen wir von dir Geld und können dann in die Produktion gehen. Du hast kein Gewinnversprechen. Du hast einfach den Gegenwert von dem was du gekauft hast in dem Token. Nicht mehr und nicht weniger. Es sind bei uns also keine Anleger oder Investoren, sondern einfach Käufer. Wir haben auch klar kommuniziert: Man kauft unseren Token, um die Firma zu unterstützen. Man kauft ihn nicht, um sich zu bereichern. Ein Incentive, den wir ausgeben, ist ein kleiner Profit-Share. Die Token Holder bekommen zusammen einen halben Prozent der Umsätze von TenX, gleichmäßig verteilt. Das haben wir noch nicht ausgeschüttet. Es dauert noch ein wenig, bis sich soviel ansammelt, dass es für die Leute relevant ist. Wir haben erst ein paar tausend Nutzer. Das sind noch keine Unsummen. Das ist auch nur ein kleines Dankeschön von unserer Seite.

Allgemein gefragt: Für wen bietet sich ein ICO oder Token Sale an?

Was ich besonders interessant finde ist, wenn man ein bestehendes Produkt hat, einen bestehenden Service, der nicht im Kryptobereich ist und es durch einen Token Sale vielleicht schafft, eine Verbindung herzustellen. So etwas kann extrem spannend sein. Ein Beispiel: Ein Freund von mir in Spanien hat ein Nicht-Krypto-Unternehmen. Es ist sogar ein normales Geschäft mit Wänden und einer Tür. Er will das jetzt über einen Token Sale skalieren und damit ein Franchise-Modell aufbauen. Ich glaube, dass auch er einen unglaublich erfolgreichen Token Sale machen kann. Weil er hat Kunden, er hat ein Produkt und er hat Erfahrung. Das ist alles nachvollziehbar. Das Business gibt es schon seit vier Jahren und man sieht genau, was es kann. Generell denke ich, vor allem in einem Bereich, wo es sehr schwer ist, zusätzliches Kapital zu bekommen, kann sich ein Token Sale extrem auszahlen.

“Wenn einer kommt, der eigentlich noch keine Ahnung hat und dann zehn Millionen einsammeln will, um das Risiko auf 5000 andere Leute abzuwälzen, dann ist das schon sehr fragwürdig.”

Was ich hingegen total gefährlich und so “dotcom-bubbly” finde, ist wenn Leute einfach beschließen: Lass uns zehn Millionen einsammeln und dann sehen wir weiter. Oder überhaupt absichtlich Abzocke betreiben. Ich hoffe, dass da zukünftig auch rechtliche Konsequenzen folgen werden. Es können natürlich immer Fehler passieren und man soll nicht dafür bestraft werden, wenn man es ehrlich versucht hat. Es kommt halt auch da, wie bei jedem Investment, auf den Business-Plan, auf den Track-Record an. Wenn einer kommt, der eigentlich noch keine Ahnung hat und dann zehn Millionen einsammeln will, um das Risiko auf 5000 andere Leute abzuwälzen, dann ist das schon sehr fragwürdig. Ich hoffe, dass Projekte, die so auftreten auf Dauer einfach kein Funding bekommen. Dass es so wird wie auf Kickstarter und Indiegogo und sie einfach nichts verkaufen. Damit könnte auch eine Bubble verhindert werden.

Wie kann man sich so eine gezielte Abzocke vorstellen?

Das könnte so ablaufen: Da gibt es ein Projekt, das kein Produkt und keine Kunden hat. Dann kommt ein großer Investor und bietet einen Deal an: “Ich bekomme von euch zehn Prozent aller Tokens kostenlos. Dafür helfe ich euch, den Sale extrem zu pushen. Ich stelle meinen Namen dahinter.” Dann wird er seine Tokens als erster gleich wieder los. Sie sammeln 50 Millionen Dollar ein und sagen dann: “Hinter uns die Sintflut”. Diese Geschichte ist nicht an den Haaren herbeigezogen. Ich weiß leider aus erster Hand, dass so etwas passiert. Das kann das Image der Token Sales generell schädigen, obwohl sie eigentlich eine Großartige Möglichkeit sind. Daher sollte es auch im Blockchain-Bereich gesetzliche Reglements geben. in diesem Fall bin ich klar für Regularien. Derzeit gibt es jedenfalls viel zu viele Fälle, wo Token Sales missbraucht werden. Man muss sich nur ansehen, wie viele Token Sales es von Firmen gibt, die ein funktionierendes Produkt haben. Das kann man auf einer Hand abzählen. Das ist schockierend.

Themenwechsel: Heute fand die Aufspaltung in Bitcoin und Bitcoin Cash statt. Was ist da genau passiert?

Ursprünglich ging es um die Blockgröße. Darum, wie viele Transaktionen pro Minute zugelassen werden. Die Diskussion gibt es seit über einem Jahr und am ersten August gab es jetzt einmal eine Deadline. Da haben sich die User zusammengetan und beschlossen: Wenn die Miner keine Einigung erzielen, machen wir einen “User Activated Soft Fork”, also eine von den Nutzern ausgehende Gabelung von Bitcoin, die aber ein Update und keine tatsächliche Spaltung darstellt. Dadurch sollten die Miner gezwungen werden, die Blockgröße zu adaptieren und das ganze System zu verbessern. Das Update, das dafür verwendet wurde heißt “segwit” – “segregated witness”. Dadurch werden nicht per se die Blöcke größer, sondern die Verpackung der Transaktionen wird effizienter. Das ist zwar eine temporäre Lösung, aber es ist zumindest eine Lösung.

“Bitcoin Cash wird Bitcoin zu höheren Standards zwingen.”

Im Vorhinein haben sich dann auch die Wogen geglättet. Es haben dann alle übereingestimmt und es war alles sauber. Dann gab es aber vor zehn Tagen einen wohl auch Bitcoin-politisch motivierten Aufruf. Da hat eine Gruppe, in der viele chinesische Miner vertreten sind, klar gemacht, dass sie es überhaupt nicht so will. Sie wollen acht mal so große Blöcke. Sie wollen sich komplett abspalten und auch das “Core Team”, das es von Beginn an gab, loswerden. Sie haben beschlossen, einen “User Activated Hard Fork” durchzuführen. Im Gegensatz zu einem “Soft Fork”, das wie gesagt eher einfach ein Update ist, ist das eine komplette, aggressive Spaltung. Es gibt also seit heute (1. August) Nachmittag “B Cash” bzw. “Bitcoin Cash”.

Ich war da am Anfang sehr skeptisch. Heute stehe ich dem aber sehr positiv gegenüber. Ich glaube, dass Bitcoin Cash eine Daseinsberechtigung hat. Als Ex-Profisportler liebe ich einfach den Wettbewerb. Weil er bringt die Teilnehmer immer dazu, das Beste aus sich herauszuholen und sich zu höheren Standards zu pushen. Und auch wenn Bitcoin Cash wahrscheinlich nicht alles schaffen wird, was die Gruppe sich vorgenommen hat, weil es eigentlich keine wirkliche Neuerung zu Bitcoin ist, wird es jedenfalls Bitcoin zu höheren Standards zwingen.

+++ Analyse zur Abspaltung: Tag der Entscheidung für Bitcoin +++

Heißt das, du entscheidest dich nicht für eines von den beiden, sondern hältst beides?

Genau. In dem Moment, wo der Fork passiert, hat man ja, wenn man einen Bitcoin hält, dann einen Coin auf der einen und einen Coin auf der anderen Chain. Das heißt, automatisch hat man einmal beide – der ursprüngliche Wert teilt sich auf. Ich werde dann nicht sofort das Bitcoin Cash verkaufen. Denn ich glaube, dass da genug Unterstützung – auch von politischer Seite – dahinter ist. Und meistens ist es bei einem Fork so, dass wenn ein Coin verliert, er an den anderen verliert. Die Leute springen also in den jeweils anderen, wenn sie aus dem einen aussteigen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie auf etwas ganz anderes wechseln.

“Ethereum Classic war mein erster Fork und ich war einfach zu verunsichert. Heute lass ich mich von reddit und Social Media nicht mehr so beeindrucken.”

Bei Ethereum haben wir das letztes Jahr so erlebt. Da habe ich viel daraus gelernt. Ich habe den Fehler gemacht, dass ich an den Fork, an Ethereum Classic, nicht geglaubt habe. Ich habe schnell verkauft und noch gedacht, dass ich einen super Deal gemacht habe. Aber eigentlich hätte ich es ein paar Monate länger halten müssen, dann hätte ich einen wirklichen Gewinn gemacht. Das war mein erster Fork und ich war einfach zu verunsichert. Heute lass ich mich von reddit und Social Media nicht mehr so beeindrucken. Jeder kann seine Meinung haben. Aber ich glaube halt aus wirtschaftlicher Sicht, dass da durchaus Substanz dahinter ist.

Würdest du also anderen Anlegern empfehlen, das gleiche zu tun, wie du?

Empfehlen will ich gar nichts. Ich bin kein Anlageberater. Ich gebe auch in meinen Blogs und Videos kaum Empfehlungen ab. Stattdessen will ich Leuten helfen, das Thema zu verstehen – nicht unbedingt die technischen Details, aber die Grundprinzipien. Wenn man die versteht, kann man rational für sich selber entscheiden, wie man vorgeht und dann auch stolz hinter der Entscheidung stehen. Wenn man es nicht versteht, muss man ja jemand anderem hinterherlaufen, wie ein Lemming. Und es soll wirklich niemand Bitcoin Cash halten, weil ich das sage. Die Leute sollen mir zuhören und dann entscheiden, ob das was ich sage, für sie Sinn ergibt, oder sie es für Blödsinn halten.

+++ Kryptowährungen: Spekulationsblase oder die Revolution der Finanzwelt? +++

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Im Wiener Museumsquartier lud das AIT zu den Technology Talks. Hier im aws-Workshop mit (v.l.n.r.) Moderator Dejan Jovicevic, Georg Kopetz, Birgit Hochenegger-Stoirer, Markus Wanko, Anna Pölzl, Manon Sarah Littek und Bernhard Sagmeister (c) Tanja Spennlingwimmer, aws

Alle Jahre wieder versammeln sich heimische und internationale Köpfe der Tech- und Wirtschaftsbranche zu den Technology Talks des Austrian Institute of Technology (AIT). Heuer allerdings mit einem besonderen Pivot: Die Technologiegespräche luden in das Wiener Museumsquartier.

Das Highlight der diesjährigen Gespräche: Die Panels und Workshop-Sessions mit heimischen und internationalen Innovationspionieren. Thematisch bewegte man sich nicht nur im makroökonomischen Innovationsfeld auf internationaler Ebene, sondern richtete auch einen gezielten Blick auf treibende Kräfte des heimischen Ökosystems.

So lud die Austria Wirtschaftsservice GmbH (aws) im Rahmen einer zweiteiligen Workshop-Session Key Player der heimischen und internationalen Startup-, Spinoff- und VC-Szene zur Diskussion auf die Bühne. Unter dem Titel “Startups und Spinoffs: Von der Gründer:innen-Idee zur VC-Finanzierung” wurde in zwei 90-minütigen Sessions über folgende Fragestellung diskutiert:

Warum bleibt Österreich im internationalen Gründungswettlauf zurück? Was braucht es, um ein starkes Ökosystem für akademische Spinoffs zu schaffen und Anforderungen von Risikokapitalgeber:innen gerecht zu werden? Und: Wie kann der Wirtschaftsstandort Europa im internationalen Wettbewerb mithalten? Die nahezu einstimmige Antwort: Länder- und branchenübergreifender Zusammenarbeit sowie mehr Mut zum Risiko.

Die Workshop Session 2 mit (v.l.n.r.) Moderator Dejan Jovicevic, Patrik Cesky, Christian Hoffmann, Dorothea Pittrich, Alexander Svejkovsky, Doris Agneter, Birgit Mitter und Johannes Bintinger (c) Tanja Spennlingwimmer, aws

Zur Workshop-Session geladen wurden Bernhard Sagmeister, Geschäftsführer der Austria Wirtschaftsservice GmbH, sowie Patrik Cesky, Geschäftsführer des aws Gründungsfonds. Außerdem zu Gast waren Doris Agneter, Geschäftsführerin von tecnet equity, Helmut Schönenberger, CEO der UnternehmerTUM GmbH der TU München, Birgit Hochenegger-Stoirer, Vizerektorin der Medizinischen Universität Innsbruck, Manon Sarah Littek des Green Generation Fund, Georg Kopetz, Geschäftsführer von TTTech, Christian Hoffmann der TU Wien sowie Alexander Svejkovsky, Managing Director des AIT.

Die Startup- und Spinoff-Szene wurde unter anderem von Anna Pölzl, Co-Founderin und CEO von nista.io, Markus Wanko von xISTA, Dorothea Pittrich von CellEctric, Birgit Mitter, Co-Founderin von Ensemo und Johannes Bintinger, CEO von n-Ink, vertreten.

“Wenn wir stehen bleiben, haben wir schon verloren”

“Lauft einfach los und macht. Wir müssen ständig rennen. Wenn wir stehen bleiben, haben wir schon verloren.” Klare Worte von Helmut Schönenberger, CEO der UnternehmerTUM GmbH der TU München, des Zentrums für Entrepreneurship in der Academia. Zum Start der Workshop-Reihe appelliert der CEO an mehr Tatendrang in der Universitätslandschaft: Ausgründungen und die Möglichkeit auf Entrepreneurship während oder nach der Ausbildung sollten in universitären Curricula noch breiteren Einklang finden. Erkenntnisse aus akademischer Forschung bringen großes Potenzial für Wirtschaft und Industrie.

Dennoch sieht Schönenberger eine Hürde im komplikationsfreien Zusammenspiel zwischen Academia und Entrepreneurship: Zugänge zu Risikokapital brauchen mehr Niederschwelligkeit und deutlich mehr Risikobereitschaft. Nicht zuletzt in ähnlicher Weise, wie sie in der US-amerikanischen VC-Landschaft präsent ist. Belegen lässt sich eine Disbalance investierter VC-Summen auch statistisch: Schönenberger zufolge käme das “meiste Geld aus den USA”.

Startups und Spinoffs noch besser “pushen”

Die zentrale Herausforderung: Startups und Spinoffs im Ökosystem noch besser zu pushen. Hier setzt als einer der wichtigsten heimischen Key Player die Austria Wirtschaftsservice (aws) an. Mit ihren Pre-Seed- und Seed-Förderprogrammen unterstützt sie Ausgründungen mehrdimensional. Strategisch und finanziell wird Unterstützung in der Frühphase geboten.

So half man unter anderem dem Tullner Startup und AIT Spinoff Ensemo rund um Birgit Mitter. Die Founderin sprach auch im Rahmen des Workshops über die Unterstützung durch die aws-Pre-Seed-Förderung und des niederösterreichischen Inkubators accent.

Inwiefern sich die Situation allerdings vonseiten der Founder:innen – teils frisch aus Universitäten und unbewusst dessen, welche Möglichkeiten im Startup- und Spinoff-Feld warten – gestaltet, wurde weiter im Rahmen der Workshop-Session diskutiert.

“Das Gründen war wenig auf meinem Radar”

Eine wichtige Stimme war dabei die nista.io-Founderin Anna Pölzl: Die TU-Absolventin hat ein Spinoff gegründet, ohne “im Studium je das Wort Startup gehört zu haben”. “Ich bin vor fünf Jahren auf der TU fertig geworden und habe meinen Co-Founder aus Zufall kennengelernt. Davor hab ich im Studium im Grunde nichts von Startups mitbekommen. Das Gründen war dementsprechend wenig auf meinem Radar”, erinnert sich die Founderin.

Schließlich kam es doch zur Gründung ihres EnergyTech-Startups. Allerdings sprang sie dabei “naiv ins kalte Wasser” – mangels Vorwissen. In ähnlicher Situation befand sich auch Birgit Mitter mit ihrem AIT-Spinoff Ensemo. Auch hierbei halfen Inkubatoren und die Pre-Seed-Förderung durch die aws dabei, sich vom “klassischen Wissenschaftsdenken und der akademischen Detailverliebtheit” zu lösen und unternehmerische Skills aufzubauen.

Eine nicht unwesentliche Rolle schreibt Mitter auch der Unterstützung des Startup Centers des AIT Austrian Institute of Technology zu: “Abgesehen von der tollen Unterstützung vonseiten des AITs sowie heimischer Inkubatoren was Betriebswirtschaft, Führung und unseren Proof of Concept anbelangt, haben wir vor allem eines gelernt: Gewisse Dinge brauchen Zeit. Und das Wichtigste ist, dass unser Produkt funktioniert. Wie und warum, das ist den Kunden egal. Hauptsache, es funktioniert.”

Mittlerweile hat sich auch Anna Pölzl zu einer der wichtigsten Startup-Founder:innen unseres Landes entwickelt. Mit einigen Jahren Erfahrung im Gepäck spricht die CEO die “verängstigte VC-Mentalität” in Österreich an: “Hierzulande sind wir schon sehr vorsichtig und von Angst getrieben – was in der VC-Szene ja durchaus ein Vorteil sein kann. Allerdings merken wir – gerade in puncto Fehlerkultur und Optimismus – viel mehr Potenzial, wenn wir über die Grenzen hinaus schauen.”

“Denkt ihr überhaupt groß genug?”

Aus Erfahrung verrät Pölzl einen “Geheimtrick” heimischer Startup-Founder:innen für Pitches vor ausländischen Investor:innen: “Unter österreichischen Gründer:innen ist das so ein Ding, dass man zwei Pitch Decks vorbereitet: Einmal für heimische und einmal für internationale Pitches. Hierzulande haben wir nämlich die Erfahrung gemacht: Wenn man zu hohe Summen fordert, wird man schief angeschaut. International wird man für dieselbe Summe allerdings auch schief angeschaut – weil die geforderte Summe zu niedrig ist. Dann hört man meistens: ‘Denkt ihr überhaupt groß genug?’”

Was Pölzl anspricht, könnte dem heimischen Ökosystem langfristig zum Verhängnis werden: Startups wandern ab, wenn sie anstreben, zu wachsen. Das liegt schlichtweg daran, dass es hierzulande an Wachstums- und Expansionskapital für Scaleups mangelt. Die Risiko- und Investitionsbereitschaft sei Übersee höher – sprich: In den USA und China, mit Großbritannien als Sprungbrett.

Das Problem, das im Zuge der Workshops aufgegriffen wird, ist kein neues. Dennoch muss darüber gesprochen und aktiv Maßnahmen gesetzt werden, um das Abwandern heimischer Scaleups zu verhindern, Innovation in Europa zu beheimaten und fortan auch Fachkräfte anzuziehen, um dem Wirtschaftskontinent Europa jenen Status zu verleihen, den er verdient hat. Nämlich: Eine Vorreiterrolle.

Viele Vorreiter befänden sich aktuell allerdings vermehrt in China und den USA. Unter anderem aufgrund höherer Risikobereitschaft, unter anderem aber auch aufgrund flexiblerer Regulierungen.

Mehr Verständnis in der Gesellschaft

Auch dazu brauche es hierzulande deutlich mehr Innovationsaffinität – vor allem in puncto Bio- und HealthTec. Und ein breites Verständnis für branchen- und sektorübergreifende Datenanalysen wie jener von anonymisierten Gesundheitsdaten. Dazu ergänzt Bernhard Sagmeister, Geschäftsführer der aws: „Wir alle sollten durch konsequente Kommunikation überzeugender Beispiele in der Breite der Gesellschaft mehr Verständnis für Innovation als den Treiber bzw. die Garantie unseres Wohlstandes erzeugen.”

Ähnlicher Ansicht ist Birgit Hochenegger-Stoirer, Vizerektorin für Finanzen und Digitalisierung an der Medizinischen Universität Innsbruck:

“Wir sind uns bewusst, dass der Umgang mit Gesundheitsdaten ein kritisches Thema ist. Auf der anderen Seite muss dieses Thema großflächig kommuniziert und Verständnis dafür geschaffen werden. Gesundheitsdaten werden anonymisiert und verantwortungsvoll gehandhabt – und können die Zukunft unseres Innovationssystems deutlich mitgestalten. Anonymisierte Daten müssen nach einer klar definierten Governance an die Industrie weitergegeben werden, um Austausch, Forschungsfortschritt und Innovation zu schaffen. Die universitäre Grundlagenforschung muss sich in Richtung klinische Forschung entwickeln. Und dafür ist ein Rechtsrahmen notwendig, den es aktuell noch nicht gibt.”

“Wir müssen das Rad nicht neu erfinden”

Unis und Institute können den Schritt allerdings nicht alleine schaffen, sondern: Es braucht Hilfe vonseiten Politik und heimischer Wirtschaftstreiber. “Gerade Europa hat ein regulatorisches Mindset. Startups, Industrie und Universitäten müssen stärker zusammenarbeiten, denn BioTech wird immer wichtiger und endet nicht vor dem Krankenbett.”

Ein wesentlicher Appell der Vizerektorin: “Ich würde davor warnen, dass wir jetzt alle glauben, wir müssen das Rad neu erfinden. Wir dürfen keine Aliens produzieren, die für die Industrie unverwertbar sind. Lasst uns über den österreichischen Tellerrand hinausdenken. Die großen Player und Geldgeber sitzen außerhalb von Österreich. Wir müssen uns zusammenschließen und kollaborative Modelle entwickeln, damit wir für ausgewählte Branchen gute Lösungen haben.”

Im Lichte der Spinoff- und Forschungsthematik kam auch das Thema Intellectual Property (IP) zur Sprache. Die Vizerektorin appelliert an “gute Development-Möglichkeiten” und eine “aktive Transaktionskultur”, um geistiges Eigentum im Universitäts- und Industriekontext verwerten zu können. “Dabei dürfen wir nicht nur innerhalb der Uni- oder Förderlandschaft denken”, so Hochenegger.

“Sobald Skalierung ein Thema ist, gehen Startups hierzulande etwas unter. Unis müssen sich dafür professioneller aufstellen. Und zwar in Gremien, die nicht nur aus der Academia, sondern auch aus der Wirtschaft kommen. Dazu braucht es: Commitment, klare Transparenz und Nachhaltigkeit. Wenn wir in der Zusammenarbeit erfolgreich sein wollen, müssen wir durchhalten und nicht nach einem Jahr ungeduldig werden.”

Hier zeigt sich die aws Spinoff-Initiative als ein nationaler Wegweiser, der bereits einen erheblichen Mehrwert in puncto Awareness- und Transparenz-Steigerung von universitären Ausgründungen geschaffen hat. Die aws Spinoff Initiative Modul 1 für Hochschulen wurde im Rahmen der Workshops von den beiden anwesenden Hochschulvertreter:innen, namentlich Birgit Hochenegger-Stoirer der Med Uni Innsbruck und Christian Hoffmann der TU Wien, als sehr positiv hervorgehoben. So hieß es: “Hochgradige Forschung wird dank frühzeitiger Finanzierung durch die aws gut begleitet. Wir brauchen weitere Erfolgsmodelle wie diese, die zeigen, dass Ausgründungen unkompliziert, wirtschaftsfreundlich und innovationsgetrieben auch hierzulande funktionieren.”

“Das Ziel ist nicht nur Geld, sondern das Schaffen einer gemeinsamen Technologie”

Ganz so schlecht steht es um die heimische VC-Szene dann doch nicht – darüber spricht Anna Pölzl aus Erfahrung: “Es findet ein Umdenken statt: Risikokapital und Möglichkeiten des Corporate Venture Capitals werden vor allem in Hinblick auf strategische Partnerschaften immer wichtiger. Das Hauptziel ist nicht nur Geld, sondern das Schaffen einer gemeinsamen, zukunftsweisenden Technologie.”

Was Pölzl anspricht, lässt sich auch als allgemeiner Tenor der aws-Workshop-Sessions im Rahmen der diesjährigen Technology Talks wiedergeben: Es braucht mehr Kollaboration. Auch Bernhard Sagmeister, Geschäftsführer der Austria Wirtscaftsservice GmbH, stellt sich hinter dieses Credo.

Für fundierte, branchenübergreifende Zusammenarbeit sei Österreich allerdings zu klein. Sagmeister appelliert an länderübergreifende Zusammenarbeit auf Europaebene – auch in puncto Risikokapital. Wenn es zu einem allgemeinen Dachfonds kommen sollte, macht Sagmeister deutlich: „Für den Erfolg eines Dachfonds ist ein professionelles Management Voraussetzung.“

Sie ist nicht zu überlesen: Die Message, die heimische Wirtschafts- und Forschungstreibende an unser Ökosystem senden. Länder- und Sektorübergreifende Kollaboration ist gefragt. Fragmentierung sei zwar ein Zeichen von “Fokus und Spezialisierung”, so Doris Agneter, Geschäftsführerin von tecnet equity, sei aber auch ein Hindernis für überregionale Synergienutzung und Kollaboration.

“Wir wollen Anker in der Seed- bis Series-A-Phase sein”

Wie die aws mit Herausforderungen dieser Art umgeht, erklärt Patrik Cesky, Geschäftsführer des aws Gründungsfonds, abschließend in folgenden Worten: „Wir wollen Anker-Investor in der Seed- bis Series-A-Phase sein und internationale Investoren dazu bewegen gemeinsam mit uns in österreichische Innovation zu investieren. Es gibt in Österreich insgesamt nicht sehr viele Frühphaseninvestments im Jahr. Deswegen fokussieren wird nicht nur auf bestimmte Industrien, sondern brauchen etwas Pragmatismus bei der Auswahl der Investments. So leisten wir im Rahmen unserer Möglichkeiten, den bestmöglichen Beitrag, um Startups in Frühphasen zu unterstützen und weiterzuentwickeln. Alles, was darüber hinausgeht, braucht einen funktionierenden Kapitalmarkt mit privaten Fonds zur Anschluss- und Wachstumsfinanzierung.”

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