11.03.2019

techbold: “Die IT-Sicherheit bei KMU ist deutlich zurückgegangen”

Wir haben mit Damian Izdebski, Gründer von techbold, über die Probleme von KMU in Sachen IT-Sicherheit gesprochen und welche Lösung sein Unternehmen dahingehend mit einem eigenen "IT-Gütesiegel" anbieten möchte. Zudem gab uns Izdebski Einblicke in die weiteren Pläne von techbold und seine Probleme mit dem Fachkräftemangel.
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techbold
(c) der brutkasten / Martin Pacher: Damian Izdebski gründete techbold im Jahr 2015

Die Wiener IT-Firma techbold hat Anfang des Jahres ein IT-Gütesiegel auf den Markt gebracht, damit Außenstehende erkennen können, ob Unternehmen über geprüfte und sichere IT-Systeme verfügen. Im Rahmen der Überprüfung durch techbold sollen den Unternehmen Schwachstellen aufgezeigt werden. Anschließend wird ein Maßnahmenkatalog erarbeitet, um potenzielle Sicherheitslücken auszubügeln. Wir sprachen mit techbold Gründer Damian Izdebski über den Nutzen des IT-Gütesiegels und die Gründe, warum Unternehmen – insbesondere KMU – oftmals große Schwierigkeiten haben, ihre IT-Sicherheit eigenständig in den Griff zu bekommen.

Was ist der Sinn hinter dem “IT-Gütesiegel” und warum braucht es ein derartiges Siegel?

Das neu geschaffene Gütesiegel von techbold soll die Sicherheit und Qualität von IT-Systemen von Unternehmen für Ausstehende sichtbar machen. In den letzten drei Jahren haben wir beobachtet, dass insbesondere bei KMU die Sicherheit der IT-Systeme deutlich zurückgegangen ist. Meist handelt es sich dabei um Unternehmen in der Größe von zehn bis 70 Mitarbeitern, welche aufgrund von knappen Ressourcen keine eigenen IT-Mitarbeiter beschäftigen. Meist wird das IT-System durch externe Mitarbeiter betreut, die erst dann zum Einsatz kommen, wenn der Hut schon brennt.

Um welche konkreten Schwachstellen handelt es sich dabei?

Seit unserer Gründung haben wir bei Unternehmen hunderte von IT-Checks durchgeführt. Unsere Techniker überprüfen dabei den Zustand der EDV-Anlagen auf etwaige Schwachstellen. Dabei haben wir so einiges gesehen. Das reicht von falsch konfigurierten Firewalls bis hin zum Fehlen von Backup-Systemen.

Viele Unternehmen wissen zudem gar nicht, welche Personen Zugang zu den IT-Systemen haben. Dies geht soweit, dass Mitarbeiter, die bereits vor mehreren Jahren das Unternehmen verlassen haben, noch immer über aktive Zugangsdaten verfügen. 80 Prozent der Unternehmen haben ihre Zugangsdaten nirgends dokumentiert. Auch das Gäste-Wlan ist oftmals ein Einfallstor, das von Unternehmen nicht wirklich überprüft wird.

+++ Umfrage: Österreichs EPU und KMU fehlt Bewusstsein für IT-Sicherheit +++

Woran liegt es, dass insbesondere KMU mit ihrer IT-Security zu kämpfen haben?

Vor zirka zehn Jahren waren bei einem Betrieb mit rund 20 Mitarbeitern die IT-Anlagen und die erforderliche IT-Sicherheit noch überschaubar. Damals hat ein Techniker ausgereicht, um Firewall, den Server, die Backups zu überblicken und diese auf einem halbwegs brauchbaren Level zu halten.

In den letzten Jahren haben die Anforderungen an die IT-Sicherheit stark zugenommen. Mittlerweile sind auch IT-Anlagen von KMU extrem komplex geworden. Es gibt sehr wenige Leute, die den Komplexitätsgrad einer derartigen Anlage in ihrer Ganzheit überblicken können. Dahingehend bedarf es heutzutage Spezialisten, die sich spezifisch nur um die Firewall, die Datensicherung oder den User-Support kümmern. Unternehmen brauchen heutzutage spezielle Techniker mit unterschiedlichen Skills, um ihr System in seiner Ganzheit zu sichern.

“Wir sehen uns nicht als Feuerwehr, die gerufen wird, um Brände zu löschen. Wir sehen uns vielmehr als einen Brandschutzunternehmen.”

KMU werden in Österreich traditionell immer noch von kleinen IT-Dienstleistern betreut. Meistens kommen sie auf Zuruf, um ein bestehendes Problem zu beheben. Das Problem ist, dass sich Unternehmen nicht proaktiv um die Sicherheit kümmern, sondern nur dann reagieren, wenn das System bereits ausgefallen ist. Das Problem ist, dass niemand ganzheitlich die Verantwortung über die Anlage übernimmt. Das hängt natürlich damit zusammen, dass kleinere Betriebe keine eigenen Mitarbeiter abstellen können, die sich alleinig um die IT-Security kümmern.

Wir sehen uns nicht als Feuerwehr, die gerufen wird, um Brände zu löschen. Wir sehen uns vielmehr als einen Brandschutzunternehmen. Unser Konzept ist es, zu reagieren, bevor es zu einem Problem kommt. Wir versuchen, zu überwachen und ein Monitoring zu betreiben.

Wie sieht so eine Überprüfung durch techbold aus?

Die Überprüfung sieht so aus, dass zwei unserer Techniker einen halben Tag vor Ort beim Kunden sind. Dabei erstellen sie einen Momentaufnahme des IT-Systems und führen eine Art Inventur durch. Das heißt, dass alle Geräte, Notebooks, Monitore, aber auch Lizenzen aufgenommen werden. Ziel ist es, dass genau dokumentiert wird, welche Geräte im Einsatz sind, wie alt sie sind und ob sie noch über eine Garantie verfügen.

Zudem wird überprüft, wer über Zugangsberechtigungen verfügt und wie das Backup konzipiert ist. Mit dem Gutachten erhält man eine Dokumentation der IT-Anlage, eine Schwachstellenanalyse, sowie einen Vorschlag für Maßnahmen. Meist ist dies auch der Start für eine längere Zusammenarbeit mit den Kunden, da es nicht nur ausreicht, akute Probleme zu beheben, sondern das IT-System laufend gewartet werden muss.

Was kostet ein derartiges Gütesiegel?

Ein Gütesiegel kostet gar nichts. Die Frage ist eher, was es kostet, die Anlage des Kunden so weit zu bringen, dass wir das Gütesiegel vergeben können. Mit einem Zeitaufwand von ungefähr 20 bis 30 Stunden wird die bestehende IT-Anlage dokumentiert und die Stärken und Schwächen ausgearbeitet und präsentiert.

Bei einem Unternehmen mit rund 20 Mitarbeitern kostet das ungefähr tausend Euro. Je nach Anzahl der Server oder der Komplexität des Systems beläuft sich dies auf bis zu 2000 Euro.

Was muss in der Regel gemacht werden, damit IT-Systeme wieder sicher sind?

Oftmals ist es so, dass IT-Systeme sieben bis neun Jahre alt sind. Einige Sicherheitsthemen können daher nur so gelöst werden, indem man ein ganz neues System aufgesetzt. In der Regel reicht es aber auch aus, Updates durchzuführen und die Konfigurationen anzupassen

Es geht nicht darum, einem Betrieb mit 20 Mitarbeitern eine 100.000 Euro teure Firewall anzubieten. Das wäre auch viel zu übertrieben und gar nicht notwendig. Die Kosten müssen natürlich zwischen Größe und Nutzen des Unternehmens ausbalanciert sein.

Techbold hat im Herbst vergangenen Jahres ein Investment von über 1,3 Millionen Euro an Land ziehen können. Wie wird es 2019 weitergehen?

Es ist jetzt aktuell eine sehr spannende und intensive Zeit für uns. Wir sind seit Sommer letzten Jahres in unserem operativen Geschäft profitabel. Dementsprechend haben wir unsere erste Startup-Phase bereits überstanden. Mittlerweile entwickeln wir uns zu einem mittelständischen Dienstleistungsunternehmen. Inzwischen sind wir 40 Mitarbeiter und machen monatlich aktuell zwischen 500.000 bis 600.000 Euro Umsatz.

Welche aktuellen Herausforderungen hat techbold derzeit zu bewältigen?

Womit wir derzeit wirklich zu kämpfen haben, ist sicherlich der Fachkräftemangel. Ich würde acht bis zehn IT-Techniker sofort einstellen, wenn es diese am Arbeitsmarkt auch gegeben würde. Wir suchen Spezialisten für alle IT-Bereiche – Administration von Servern, Firewalls oder auch für den  Kunden-Support.

Derzeit schlagen wir die etwas andere Strategie ein, um an Fachkräfte zu kommen. Dahingehend versuchen wir kleinere IT-Dienstleister am Wiener Markt zu übernehmen und sind aktuell im Gespräch mit einer Handvoll von Firmen. Dadurch wollen wir nicht nur an neue Kunden kommen, sondern auch an die dringend benötigten Techniker.

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=> zum Gütesiegel

Videoarchiv: Damian Izdebski, der CEO von techbold, im Live Gespräch

Damian Izdebski, der CEO von techbold, im Live Gespräch über den heurigen Crowdinvesting Rekord auf CONDA, seine Erfahrungen damit und Tipps an die Gründer.

Gepostet von DerBrutkasten am Donnerstag, 6. April 2017

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Ida Tin, Co-Founderin von Clue (c) Valerie Maltsev

Dieser Artikel erschien zuerst in der Jubiläumsausgabe unseres Printmagazins. Ein Link zum Download findet sich am Ende des Artikels.

Bunte Hosenanzüge, gepaart mit hohen Absätzen, Sneakers, langen Locken und eleganten Kurzhaarschnitten – beim diesjährigen Global Leaders Summit, organisiert von the female factor und unterstützt von der Stadt Wien, gleicht das Publikum einem bunten Bällebad. An diesem ungewöhnlich warmen September­donnerstag füllt sich das Wiener Rathaus mit über 500 weiblichen Führungskräften aus 50 Nationen.

Is this how a leader looks like?

Mittendrin ragt die dänische Founderin Ida Tin aus der Menge. In einem grau-weiß gestreiften Blazer und mit elegantem Hair-Updo setzt sie kontrollierte Schritte auf den roten Teppich, der Besucher:innen den Weg ins Rathaus markiert. Links und rechts stehen weiß bezogene Stehtische, vor einer türkisen Fotowall tummeln sich Hosenanzüge. „This is how a leader looks like“ steht auf der Fotowand.

„Schriftstellerin“ ist die Berufsbezeichnung, die aus diverser Berichterstattung rund um die dänische Gründerin hervorgeht. In ihrem ersten Buch schrieb sie über Motorradreisen. In Dänemark wurde es zum Bestseller. Ihre Geschichte ist eine, die von vielen gehört und gelesen gehört – denn Ida heißt heute „Mother of Femtech“.

Mother of Femtech

Ida wurde im Kopenhagener Stadtteil Nørrebro geboren und war einen nicht unbeträchtlichen Teil ihres Lebens auf dem Motorrad unterwegs. Mit ihren Eltern und ihrem Bruder hat sie so mehrere Länder der Welt bereist.

Zusammen mit ihrem Vater ­arbeitete sie später für Moto Mundo, einen ­ Motorrad-Reiseveranstalter. In den frühen 2000ern organisierte sie Motor­radtouren durch Vietnam, die USA, Kuba, Chile oder die Mongolei; 2009 erschien ihr besagtes Buch „Direktøs“, in dem sie von ihren Reiseerfahrungen erzählt.

Weil auf Reisen kein Tag ist wie der andere, stand Ida vor einem Problem: Woher weiß sie, wann ihre Monats­blutung kommt? Händisch mitzuschreiben ging nicht, am Motorrad war kaum Platz. Sie brauchte etwas Handliches; etwas, das immer dabei ist. Und etwas, das selbst mitdenkt.

Ida kam auf eine Idee – ­ wenige Jahre später startete sie eine der weltweit ersten Tracking-Apps für Frauengesundheit. Ida gründete Clue als App für menstruierende Personen im Jahr 2012 in Berlin, gemeinsam mit Hans Raffauf, Moritz von Buttlar und Mike LaVigne. Über die Jahre wurde Clue zu einer der berühmtesten Apps unter Menstruierenden. Damit schuf Ida eine technologische Lösung zur Verbesserung von Frauengesundheit – eine Femtech-Lösung.

Forgive me, but I think there is a little bit of a lack of vision for Europe.

Ida Tin, Co-Founderin von Clue

Zurück am Global Leaders Summit höre ich Ida zu, wie sie auf der Global Stage des Großen Festsaals im Wiener Rathaus spricht. Ida setzt ihre Worte gezielt; im Trubel des Summits sticht sie nicht mit Lautstärke hervor, sondern mit Präsenz. Ohne ihre Stimme zu heben, finden Idas Worte ihren Weg durch die Geräuschkulisse des Festsaaltreibens. Sie spricht von einer Reform unseres Ökosystems.

„Let’s invite men into our world“ und „Sense your body, pay tribute to your mental health“ sind nur zwei der Aussagen, die man selten von Gründer:innen im Business-Kontext hört. Mit dem Aufbau ihres Unternehmens hat sie den Begriffen „Gründung“ und „Unternehmensführung“ eine neue Bedeutung verliehen. Sie hat sie menschlicher gemacht.

Nach dem Panel bleibt Zeit für ein kurzes Interview. Wieder schafft es Ida, mit bewusst gesetzten Wortkombinationen eine wichtige Message zu kommunizieren: „Wir müssen aufpassen, was wir als erfolgreich betrachten. Früher war Erfolg Geld, ein hoher Return on Investment; noch größere Finanzierungsrunden. Doch wenn wir ehrlich sind, ist der eigent­liche Reichtum unsere Gesundheit.“

Wie ein System funktioniert

Unverkennbar geht es in unserem Gespräch nicht nur um Geld: „Mehrere Studien zeigen, dass Investitionen in die Gesundheit von Frauen die Wirtschaft ankurbeln. Erst dieses Jahr hat McKin- sey einen Report herausgebracht, der zeigt: Wir würden uns jedes Jahr eine Billion Dollar sparen, wenn die Gesundheitsbedürfnisse von Frauen an- gemessen erfüllt würden.“

Ida zeigt in unserem Interview, dass sie das Thema bewegt: „Frauengesundheit ist teuer, gar keine Frage. Aber wir wissen mittlerweile auch: Wenn es Frauen gut geht, geht es ihren Unternehmen gut, ihren Familien und schließlich auch der Gesellschaft. Viel­fältige Teams begünstigen integrative Unternehmen, bringen weniger Voreingenommenheit und tatsächlich bessere Geschäftsergebnisse.“

Als ob das nicht schon selbsterklärend genug wäre, betont Ida mit einem Kopfnicken: „Wenn wir also Frauen in den Aufbau der Welt miteinbeziehen, funktioniert das System.“

“Die Besessenheit mit Geld macht unser Leben sehr arm. Und engstirnig.”

Ida Tin, Co-Founderin von Clue

Gesundheit!

Dass das in der Corporate-Bubble schwierig umzusetzen ist, weiß Ida. Auch alle bunten Hosenanzüge, die sich zum Global Leaders Summit im Wiener Rathaus versammelt haben, wissen es. Dass nicht tatenlos zugesehen werden darf, wie Frauen, ihre Gesundheit und ihr Potenzial im Unternehmertum vernachlässigt werden, weiß auch jede vor Ort.

„Wir wissen doch alle, dass man mehr Perspektiven in Führungsebenen bringt, wenn man Frauen dort reinsetzt. Wenn man sie einfach machen lässt und niemanden zu formen versucht. Wir leben in einer Kultur, vor allem in der Tech-Szene, in der wir Menschen formen. Du stellst jemanden an, du formst dir deine Arbeitskraft so, wie du sie willst, drückst sie in interne Strukturen. Du etablierst Arbeitsmodelle, die sich nach 40 Wochenstunden richten und Menschen gesundheitlich belasten. Und nicht selten endet das im Burnout. Ich denke, wir müssen uns in dieser Hinsicht mehr am Gesundheitsaspekt unserer Arbeit orientieren. Wenn wir uns kaputtarbeiten, was bleibt dann vom Leben übrig?“, so Ida.

Wenn wir Frauen in den Aufbau der Welt miteinbeziehen, funktioniert das System.

Ida Tin, Co-Founderin von Clue

Langsam lasse ich mir Idas Worte durch den Kopf gehen. „Wenn wir uns kaputtarbeiten, was bleibt dann vom Leben übrig?“ Ja, der Satz kommt wahrlich aus dem Mund einer der erfolgreichsten Founder:innen unserer Zeit. Das ist das Mindset jener Unternehmerin, die mit ihrer Tracking-App den Begriff Femtech prägte und den Grundstein für eine ganze Branche schuf. Sogar Apple war von Idas Technologie begeistert und bat um Zusammenarbeit.

Idas Mindset kommt nicht von irgendwo: „Meine Eltern waren ein Beispiel für Menschen, die genau das taten, was sie wirklich gerne machten; auch, wenn das in den Augen mancher als verrückter kleiner Traum schien. Mit ihrem Traum haben sie sich immerhin ihren Lebensunterhalt verdient. Und ich denke, wenn einem als Kind die Chance gegeben wird, die Welt zu sehen, bekommt man ein Gefühl dafür, wie viele Realitäten es da draußen gibt; und wie viele Dinge miteinander verknüpft sind.“

Der Mangel an Vision

Stichwort Verknüpfung: Sollten wir nicht zuerst anfangen, auf nationaler Ebene zu denken, bevor wir uns die ganze Welt vorknöpfen? Ida sieht das anders:

„Wie soll ein kleines, noch so starkes Land in einem schwachen Europa überleben? Wenn es zu politischen Unruhen auf europäischer Ebene kommt, sind wir alle verwundbar. Wenn die Wirtschaft in Europa zusammenbricht, werden auch einzelne Staaten zusammenbrechen. Es macht keinen Sinn, in nationalen Einheiten zu denken. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir uns in Zukunft versorgen können. Wir müssen ein bisschen mehr an unseren Planeten denken. Ich glaube, es mangelt an einer Vision für Europa; und an gutem Storytelling.“

Der neue Erfolg

Ida redet Klartext über Tatsachen, die eigentlich jeder kennt, aber niemand wirklich wahr­ haben möchte. Mit einem weiteren Kopfnicken teilt sie Lösungsansätze:

„Wenn wir unsere Wirtschaft in etwas Nachhaltiges verwandeln wollen, müssen wir Erfolg neu definieren. Zurzeit feiern wir Investments, wir feiern finanzielle Rendite. Wir feiern Unicorns. Aber die Welt verlangt nach einer mehrdimensionalen Vorstellung von Erfolg.“

Ida meint: sich selbst nach eigenen Maßstäben als erfolgreich zu bezeichnen; Gesundheit als Erfolg zu bezeichnen. Und: „Unternehmen aufzubauen, in denen Menschen gesund sein können, in denen Menschen offen queer sein können, in denen Menschen aus verschiedenen Kulturen zusammenkommen; in denen man sie nicht zwingt, Alkohol zu trinken – und in denen eine integrative Kultur geschaffen wird.“

Wir brauchen weniger

Mit Clue hat Ida genau das versucht, und zwar mit einem der wohl umstrittensten New-Work-Themen unserer Zeit: der Vier-Tage-Woche. „Wir haben gesehen, dass unsere Leute an vier Tagen in der Woche genauso viel geleistet haben wie an fünf.“

Ida bot ihrem Team neben vier Arbeitstagen damit auch drei freie Tage, die Möglichkeit für Side Projects und mehr Zeit für Sport, Familie und Ruhe. „Viele hatten das Gefühl, dass ihr Leben eine ganz neue Qualität gewonnen hat. Und zusätzlich gibt es auch eine Menge an Studien und Daten, die zeigen, dass das funktioniert“, so Ida.

Wie in Island

So wie in Island, wo seit 2020 51 Prozent der Arbeitnehmenden reduzierte Wochenarbeitszeiten von 35 bis 36 Stunden bei gleichem Lohn wie zuvor hatten. Heute soll der Anteil noch etwas höher liegen, heißt es von einer Studie des britischen Autonomy Institute und der isländischen Association for Sustainability and Democracy (Alda). Im vergangenen Jahr soll die Wirtschaft Islands um fünf Prozent gewachsen sein – damit verzeichnet der Staat eine der höchsten Wachstumsraten in Europa.

In Idas Office gab es an den vier Arbeitstagen außerdem schuhfreie Zonen, einen Meetingraum ohne Tisch sowie Schwimm- und Fitnessstunden für ihre Mitarbeiter:innen. „Es sind die kleinen Dinge, die die Leute zusammen und zum Lachen bringen. Irgendwann hatten wir sogar eine Vorstandssitzung im tischlosen Raum.“

Kannst du acht Stunden am Tag sitzen?“ Ida reißt mich aus meinem kurzen Tagtraum. „Ich kann es nicht!“, wirft sie hinterher. „Auch jeder Sportler weiß, dass man Erholung braucht, um Höchstleistung zu erbringen. Warum sollte man das als arbeitender Mensch also vernachlässigen?“

Die Planeten-Perspektive

Nach fast 40 Minuten werden wir von zwei bunten Hosenanzügen unterbrochen. Die Zeit für das Interview ist um, das nächste steht an. Eine Frage fehlt uns aber immer noch: Wie lässt sich unsere Gesellschaft nun nachhaltig umbauen?

„Die Besessenheit mit Geld macht unser Leben sehr arm. Und sie macht uns engstirnig. Niemand auf diesem Planeten muss exorbitant viel besitzen. Alles über einem bestimmten Betrag könnte in Klimafonds fließen, in Sozialprojekte, in die gerechte Verteilung von Vermögen. Die Monopolisierung von Reichtum schafft ein großes demokratisches Problem; und schließlich auch ein Problem für Innovation.“

Was uns Ida sagen will: Man kann keine Gesellschaft aufrechterhalten, in der zu wenige zu viel und zu viele zu wenig haben. „Ich wünsche mir, dass wir an einem gemeinsamen Ziel arbeiten. Manchmal frage ich mich: Warum haben wir nicht eine gemeinsame Marke für unseren Planeten? Einen gemeinsamen Plan mit einer gemeinsamen Perspektive. Das wäre etwas, das uns in unserem Tun sicherlich einiges an Klarheit und Ambition geben würde.“

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