17.07.2018

“Tech-Titans”: Europäische Scaleups am Weg zum 50 Milliarden-Dollar-Unternehmen

Bereits zum fünften Mal bringt das M&A-Beratungs- und Tech-Investitionsunternehmen GP Bullhound seinen Report "Titans of Tech: European Tech Comes of Age" heraus. Dieser Report analysiert das Wachstum von Europas führenden Technologieunternehmen, die auf dem Weg zu den ersten europäischen "Tech-Titans" sind. Die Quintessenz: Europa steht kurz davor, ein eigenes 50-Milliarden-Dollar-Unternehmen hervorzubringen.
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Tech-Titans
(c) spotify: Das Musikunternehmen des Gründers Daniel Ek führt das Rennen um eine 50 Milliarden Dollar Unternehmensbewertung an.

Im Tech-Sektor Europas bewegt sich etwas. Laut dem Tech-Titans-Report hat sich im europäischen Raum die Anzahl der Unicorns seit 2014 von 30 auf 69 erhöht. Allein im Vorjahr waren es 14 Firmen, die den Unternehmenswert von einer Milliarde US-Dollar übersprungen haben. Der Brutkasten hat mit Julian Riedlbauer, Partner von GB Bullhound, über aktuelle Entwicklungen in der Tech-Szene gesprochen.

+++ Unicorn-Status erreicht: Revolut holt sich 250 Mio USD Kapital +++

Tech-Titans-Report: Spotify am Weg zum Titanen

GP Bullhound zufolge haben sich seit 2014 fünf ‘Decacorns’ – Unternehmen im Wert von zehn Milliarden US-Dollar oder mehr – in der europäischen Technologieszene etabliert: Yandex, Zalando, Supercell, Mobileye und Spotify. Der Musik-Streaming-Dienst Spotify ist dabei der klare Spitzenreiter im Rennen auf dem Weg zum “Titanen” mit 50 Milliarden-US-Dollar-Bewertung. Das Unternehmen konnte innerhalb von einem Jahr durch seinen kürzlich abgeschlossenen Börsengang seine Unternehmensbewertung um 122 Prozent steigern.

Tech-Titans
(C) GP Bullhound – Spotify führt im Rennen zum europäischen Tech-Titanen.

Allein der deutsche Markt hat bislang acht Unicorn-Unternehmen hervorgebracht, woraus eine Gesamtbewertung von 36 Milliarden US-Dollar resultiert. Den Grund für die allgemein positive Entwicklung in Europa sieht Julian Riedlbauer darin, dass Gründer mehr Erfahrung haben und in europäische Firmen mehr Geld hineingesteckt wird. “Dadurch können Unternehmen schneller wachsen. Zudem gibt es mehr Börsengänge und allgemein gesprochen, mehr Möglichkeiten Geld zu akquirieren”, sagt der Leiter der deutschen GP Bullhound-Niederlassung in Berlin.

Mehr Wachstumskapital und schnellere Internationalisierung

Neben dem deutschen ist es vor allem der UK-Markt, der laut dem Tech-Titans-Report federführend ist. Dort sind allein im letzten Jahr sechs Unicorns entstanden. Die Voraussetzungen für diese Entwicklung lägen im britischen Ökosystem, das zu den älteren europäischen Systemen gehöre. Britische Unternehmen würden sich ferner schneller internationalisieren, meint Riedlbauer, der zudem mehr Wachstumskapital auf der Insel verortet. Im Tech-Titans-Report ist hierbei von einem Paradigmenwechsel die Rede, was Investitionskapital betrifft. Der Report nimmt dabei strategische Investoren in den Fokus.

Strategische Investoren besser als Finanzinvestoren?

2017 erhielten europäische Tech-Unternehmen rund 20 Milliarden US-Dollar an Investitionen. Megarounds – Finanzierungsrunden von 200 Millionen oder mehr –  konnten im Vorjahr neun Unternehmen (darunter u. a. Auto1 Group, Deliveroo, Delivery Hero, Klarna und Unity) lukrieren, während es 2013 gerade einmal zwei (Spotify und Mobileye) waren. Als Grund nennt der Report die vermehrte Aktivität von strategischen Investoren. 42 Prozent der Investments in Megarounds-Größe im Jahr 2017 und 75 Prozent in diesem Jahr stammen von Strategen wie etwa BBVA, Naspers und Softbank.

Warum dies so sei und warum die Investitionsbereitschaft seitens strategischer Investoren im Vergleich zu Finanzinvestoren größer werde, wisse man noch nicht, so Riedlbauer. Jedoch deute die Entwicklung auf einen Paradigmenwechsel hin, da die Strategie an die Stelle der traditionellen Finanzinvestoren trete. Hierbei seien es vor allem asiatische Investoren, die am ehesten investieren. Sie hätten im Jahr 2017 bereits 35 Prozent und in diesem Jahr mehr als die Hälfte aller bisherigen Mega-Runden geführt.

Tech-Titans
(c) GP Bullhound – Strategische Investoren gewinnen bei Finanzierungsfragen mehr an Bedeutung.

Mehr Kapital in USA und Asien

Laut Report wird klar: Der Technologiesektor in den USA und Asien hat im Durchschnitt 4,5-mal mehr Kapital angezogen als seine europäischen Pendants: Chinas Didi hat mit 15,7 Milliarden US-Dollar die meisten Finanzmittel von Investoren erhalten, während in Deutschlands Delivery Hero 2,9 Milliarden US-Dollar seit der Gründung bis Ende des letzten Jahres eingesammelt hat. Auch im vergangenem Jahr hat das Unternehmen die meisten Mittel in Europa beschafft. “Europa liegt deutlich hinter China, was größere Finanzierungsrunden betrifft. Es muss noch einiges getan werden, um aufzuschließen, aber es wird besser”, so die Einschätzung Riedlbauers zum Vergleich mit internationalen Spitzenreitern.

Österreich nicht aggressiv genug

Der Report nennt mit UK, Deutschland, Schweden, Israel und Russland fünf essentielle Key-Markets, die für die europäische Tech-Szene von großer Bedeutung sind. Österreich dagegen habe zwar eine aktive Tech-Szene und tolle Startups, jedoch sind die Firmen “global nicht aggressiv genug”, so Riedlbauer. Die österreichische Szene befinde sich dort, wo Berlin vor fünf Jahren war. Es brauche mehr Kapital und Unternehmen, die groß genug werden, um internationale Investoren anzuziehen.

Die Kriterien für den Report

Für den Report wurden mehr als 400 Firmen im europäischen Technologie-Ökosystem analysiert. Ziel war es, die Unternehmen zu identifizieren, die am ehesten zu den Milliarden-Unternehmen von morgen gehören werden. Für die Analyse waren Technologieunternehmen mit einer Ausrichtung auf Internet/Software mit europäischem Hauptsitz und einer Gründung nach dem Jahr 2000 relevant. Zudem wurden nur Firmen berücksichtigt, die ab 2014 20 Millionen US-Dollar oder mehr eingesammelt haben oder einen Unternehmenswert von 400 Millionen US-Dollar hatten.

Über GP Bullhound

Das weltweit agierende M&A-Beratungs- und Tech-Investitionsunternehmen GP Bullhound berät sowohl Unternehmen, als auch Gründer und Investoren in den Bereichen Mergers & Acquisitions (M&A) und Wachstumsfinanzierungen. Seit seiner Gründung 1999 in London hat GP Bullhound mehr als 240 M&A- und Privat-Placement-Transaktionen mit führenden Industrieunternehmen wie Essence, Avito, Delivery Hero, Fjord, King Digital Entertainment, Pingdom, Innogames sowie Spotify abgeschlossen und hat mittlerweile Standorte in San Francisco, Stockholm, Berlin, Manchester, Hongkong, Madrid, New York und Paris.


⇒ GP Bullhound

⇒ Zum Report

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Lanbiotic, Neurodermitis
(c) Oliver Wolf - Patrick Hart und Katrin Susanna Wallner von Lanbiotic.

Das Grazer Startup Lanbiotic stellt medizinische Hautpflege-Produkte mit lebensfähigen Bakterien speziell für die von Neurodermitis geplagte Haut her. Dabei verwenden die beiden Gründer:innen Patrick Hart und Katrin Wallner den zum Patent angemeldeten Bakterienstamm “Lactococcus Lanbioticus“.

Lanbiotic: “Skalierung als neue Normalität”

“Mit unseren probiotischen Hautanwendungen bringen wir gesundheitsfördernde Bakterien direkt auf die Haut, um die natürliche Balance des Hautmikrobioms wiederherzustellen und Hautprobleme gezielt an der Ursache zu bekämpfen”, erklärt Wallner.

Das letzte Jahr fühlte sich für die Gründerin an, als sei ein Traum nicht nur wahr, sondern sogar übertroffen worden. Andererseits sei es eine “neue Normalität” an der Skalierung des Unternehmens zu arbeiten.

“Wir haben weitere Produkte mit unserem einzigartigen Bakterienstamm ‘Lactococcus Lanbioticus’ entwickelt, um umfassender auf die Bedürfnisse von Menschen mit zu Neurodermitis neigender Haut eingehen zu können. Neu hinzugekommen sind Flora Bath und Flora Sun”, erklärt Wallner.

Flora Bath ist ein spezieller Badezusatz, der für Menschen entwickelt wurde, die großflächig oder an der Kopfhaut von Ekzemen betroffen sind – ein Bereich, in dem Pflegecremen oft an die Grenzen ihrer Praktikabilität stoßen.

“Der Fokus liegt wie immer bei Lanbiotic auf der Ergänzung des Hautmikrobioms, also ‘der lebende Teil’ der natürlichen Schutzbarriere der Haut, die den gesamten Körper bedeckt, mit probiotischen Bakterien”, so Wallner weiter. “Eine Ausgewogenheit des Hautmikrobioms ist, wie auch im Darm, entscheidend, um die Gesundheit der Haut zu bewahren und Beschwerden zu lindern.”

Flora Sun hingegen ist ein weiteres Produkt, das auf die besonderen Herausforderungen empfindlicher Haut unter UV-Strahlung eingeht. Studien hätten gezeigt, dass das Hautmikrobiom die natürliche Fähigkeit der Haut verbessern kann, mit den Effekten – und häufig auch Schäden – durch Sonneneinstrahlung umzugehen.

EHI-Siegel für Onlineshop

“Parallel dazu haben wir auch international expandiert: Der Eintritt in den deutschen Markt war ein großer Schritt, der mit der Anpassung unserer Produktions- und Logistikkapazitäten verbunden war, um langfristig weitere internationale Märkte beliefern zu können. Unser Webshop wurde außerdem mit dem EHI-Siegel zertifiziert, um unseren Kund:innen einen sicheren und vertrauenswürdigen Einkauf zu ermöglichen.”

Auch das Team wuchs 2024, zudem konnte durch zahlreiche Medienauftritte und Messeteilnahmen Aufmerksamkeit für die eigenen Produkte und die Marke gewonnen werden.

“Als weiteres Highlight wurden wir von der Apothekerkammer mit unserer Fachfortbildung akkreditiert, was Apotheker dazu motiviert, unsere Fortbildungen zu besuchen und mehr über das noch recht ‘nischige’ Thema Hautmikrobiom zu erfahren”, sagt Wallner.

Neue Märkte im Fokus

Aktuell arbeitet das Startup intensiv daran, Lanbiotic als Unternehmen und Marke weiterzuentwickeln, strategisch zu positionieren und zu skalieren. Das oberste Ziel ist es, die Lebensqualität von Menschen mit Neurodermitis über ihre mikrobiombasierten Produkte zu verbessern.

“Wir möchten Lanbiotic in weiteren Märkten etablieren, insbesondere natürlich in Ländern, wo die Prävalenz für Neurodermitis hoch ist. Dafür arbeiten wir an effizienten Marketingprozessen, um unsere Markenbekanntheit zu steigern, und bauen unsere Vertriebsstrukturen aus”, erklärt die Founderin. “Um diesen Schritt bestmöglich zu unterstützen, suchen wir gezielt nach vertrauenswürdigen Partnern für den internationalen Vertrieb, die unsere Werte und Qualitätsansprüche teilen. Die Kooperationen sollen es uns ermöglichen, unsere Produkte nachhaltig in weiteren europäischen und außereuropäischen Ländern anzubieten und das Thema Hautmikrobiom international bekannter zu machen.”

Daneben optimiert das Team Produktionsprozesse, um der wachsenden Nachfrage nachkommen zu können. In der Produktentwicklung liegt dabei der Fokus auf der Entwicklung weiterer wissenschaftsbasierten probiotischen Pflegeprodukten, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Neurodermitis und empfindlicher Haut zugeschnitten sind. Dazu steht man intensiv mit Industrie und Spitzenforschung in Kontakt.

Lanbiotic: Strukturen und Prozesse schaffen

Intern sei man vor allem stark mit dem Aufbau der Organisation beschäftigt. Man arbeitet daran, Strukturen und Prozesse zu schaffen, die das Wachstum langfristig stützen können. Ziel sei es, eine gesunde Organisation aufzubauen, die den Expansions- und Innovationszielen gerecht werde und das Unternehmen flexibel in die nächsten Entwicklungsstufen führt.

Lanbiotic wurde in der Vergangenheit unter anderem auch von der Austria Wirtschaftsservice (aws) unterstützt. So absolvierte das Unternehmen den aws First Incubator und erhielt über aws Innovationsschutz eine Förderung, um sein geistiges Eigentum zu schützen. Später folgte eine Preseed- und Seed-Förderung über aws Innovative Solutions. Mit diesem Seed-Förderprogramm unterstützt die aws innovative Gründungsideen, die über die Unternehmensgrenzen hinaus einen positiven gesellschaftlichen Impact bewirken. Der Fokus liegt auf skalierbaren Geschäftsmodellen. Im Fall von Lanbiotic war die Förderung essentiell, um die Produktentwicklung und Markteinführung zu finanzieren und sich allgemein zu professionalisieren.

“Eine bessere Förderung als aws Seed Innovative Solutions könnte es derzeit, meiner Meinung nach, für uns nicht geben”, sagt sie. “Es handelt sich um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss von 400.000 Euro, der für unterschiedlichste Aktivitäten in der Markteinführung und Produkteinführung verwendet werden kann. Naturgemäß ist das Programm sehr kompetitiv, aber wenn man für die Finanzierung ausgewählt wird, hat man wirklich einen gewaltigen Booster, um ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen.”

Die weiteren Ziele von Lanbiotic

Im Allgemeinen habe ihnen das Programm bereits jetzt weit mehr gebracht als Geld. “Ich empfand den Bewerbungsprozess per se als wertvolle Erfahrung, um mir unser Business Model noch einmal ganz genau anzusehen und unsere Ziele zu definieren”, präzisiert die Grazerin. “Dass wir sie jetzt so scheinbar ‘locker’ übertreffen konnten, ist natürlich die Draufgabe.”

Durch die positive Resonanz der stetig wachsenden Stammkundenbasis sieht sich Wallner in ihrer Mission bestätigt. “Wir wissen aber auch, dass viele Menschen Lanbiotic noch nicht kennen und Neurodermitis in vielen Ländern nach wie vor ein großes Problem darstellt”, sagt sie. “Daher wollen wir gezielt skalieren, den Umsatz und Gewinn steigern, innerhalb und außerhalb Europas expandieren und unser Produktportfolio weiter diversifizieren.”

In Sachen Umsatzentwicklung wird Lanbiotic 2024 das gesetzte Umsatzziel voraussichtlich verdoppeln, wie Wallner erzählt. “Unser für 2025 gestecktes Ziel ist ambitioniert, aber wir sind zuversichtlich, dass wir hier wieder gute Arbeit leisten. Aktuell haben wir einen sechsstelligen Nettoumsatz erreicht, und dank der Unterstützung durch die aws Seed-Förderung werden wir auch heuer, wie jedes Jahr seit unserer Gründung, noch profitabler sein.”


* Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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