29.07.2016

Tarbauer: “Es wäre ein super geiles Paket, wenn es für alle wäre”

Das Startup-Paket der Bundesregierung sorgt für Gesprächsstoff. Die Junge Wirtschaft Wien befürwortet zwar den generellen Beschluss des Paketes, übt aber vor allem Kritik daran, dass es auf "innovative Startups" beschränkt ist. Der Vorsitzende Jürgen Tarbauer im Brutkasten-Interview.
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(c) Oreste Schaller - Jürgen Tarbauer hat einge Anmerkungen zum Startup Paket.

Drei Wochen ist es her, seit die Bundesregierung ihr Startup-Paket präsentiert hat. Während die Nachricht von der Community zunächst großteils wohlwollend aufgenommen wurde, zeigte sich die Junge Wirtschaft Wien kritisch. Zwar begrüßt sie das Paket generell, noch ist es ihr aber zu einseitig. Einige der festgelegten Punkte seien von der Jungen Wirtschaft Wien schon seit Langem vorgeschlagen worden. Außerdem fordert sie unter anderem ein lohnnebenkostenfreies Quartal für die ersten drei Mitarbeiter eines Unternehmens ohne zeitliche Begrenzung. Mit dem Brutkasten sprach Jürgen Tarbauer, Vorsitzender der Jungen Wirtschaft Wien, über die Details und Hintergründe der Forderungen, darüber, ob man in Österreich gründen sollte und warum auch Tischler cool sind.

Was ist besonders gut gelungen am Startup-Paket?

Dass das Unternehmertum wertgeschätzt wird. Dass man erkannt hat, dass die Lohnnebenkosten hoch sind. Das war ja eigentlich jahrzehntelange Arbeit, bis man erkannt hat, dass man da jetzt etwas tun muss. Und wenn man die Lohnnebenkosten senkt, dass das zu einer Mehrbeschäftigung führt. Dass es Unternehmen sind, die die Arbeitsplätze schaffen. Das sind alles Sachen, die sind cool. Dass die Bundesregierung das erkannt hat, das ist schon mal sensationell. Die Zeitspanne, die sie dafür gebraucht hat, finde ich ein bisschen fragwürdig, aber das ist eine andere Thematik. Ich finde das ganze Paket einen guten Ansatz, aber ich würde es nicht auf „innovative Sartups“ beschränken, sondern sagen: bitte für alle. Es wäre ein super geiles Paket, wenn es für alle wäre.

Wieso sollte das Paket nicht nur auf Startups beschränkt sein?

Wir sind der Meinung, dass das nur ein kleiner Anfang sein kann. Weil was mit dem Paket jetzt leider passiert, ist, dass es offenbar eine Entwicklung zur Zwei-Klassen-Unternehmerschaft geben soll. Die Bundesregierung entscheidet, es muss ein junges Unternehmen sein, es muss innovativ sein. Wenn die Österreichische Bundesregierung das Wort innovativ verwendet, bekomme ich schon Angst, weil das immer ein sehr dehnbarer Begriff ist. Offenbar verbindet die Regierung „Innovation“ mit Internet. Wir sind als Junge Wirtschaft aber der Meinung, dass wir ein Land der KMUs sind und als solches ein tolles Gründerland sein wollen. Wir fordern schon lange, dass man in den ersten drei Jahren von Lohnnebenkosten befreit sein sollte, jeweils im ersten Quartal. Also das erste Quartal Lohnnebenkosten-frei für die ersten drei Mitarbeiter. Das hat der Herr Schelling im Paket aber ein bisschen abgewandelt. Unsere Idee war viel besser. Die hätte auch keine Unterscheidung gemacht, die ist völlig Bürokratie frei.

Wenn die Österreichische Bundesregierung das Wort innovativ verwendet, bekomme ich schon Angst.

Was bedeutet das?

Im Startup-Paket ist es jetzt so, dass man unterscheidet zwischen innovativen und nicht-innovativen Unternehmen. Ein Startup ist anscheinend ein „gutes“ Unternehmen, das auf Wachstum ausgerichtet ist und auf Internet. Das ist einer der Bestandteile, damit man diese Lohnnebenkostenbefreiungs-Förderung bekommt. Aber wenn sich ein Tischler selbständig macht und diese Unterstützung bekommen würde, auch wenns nur für drei Jahre wäre, wäre er leicht zu kontrollieren, weil ich weiß, wie viele Mitarbeiter der hat, das ist kein zusätzlicher Bürokratie-Aufwand. Ich müsste dann nichts bewerten, wenn das einfach jeder Unternehmer bekommt. Außerdem wird dieses Unternehmen garantiert in Österreich bleiben. Das was wir jetzt haben, mit dieser Internet-Startup-Innovationsoffensive, bedeutet: Nach drei Jahren läuft die Förderung aus und dann könnte dieses Unternehmen ganz einfach den Standort wechseln, weil es Internet-basiert völlig egal ist, wo der Standort ist. In Wien, in Österreich, in Bratislava, in Indien, in Pakistan, im Silicon Valley.

Glaubst du, dass das Paket wirklich dazu beitragen wird, bürokratische Hürden abzubauen?

Nein. Was ich nicht gut finde an dem Paket, ist, dass man da eine neue Bürokratie aufbaut, sprich ich muss mir das Unternehmen anschauen, bewerten und so weiter. Als Junge Wirtschaft fordern wir schon lange, Förderungs-Maßnahmen für alle Unternehmen anzuwenden. Wir würde damit unmittelbar, also wirklich flott, eine wirkliche Erholung der Arbeitslosenzahlen schaffen. Wenn ich einmal soweit bin, einen Mitarbeiter einstellen zu können, komme ich leichter in einen Flow. Ich war selbst ein EPU und habe mittlerweile knapp zehn Mitarbeiter. Der erste Mitarbeiter war eine Herausforderung, das war wirklich ein Wahnsinn. Kann ich mir das leisten und die ganzen Überlegungen. Das war beim zweiten Mitarbeiter auch da, aber schon viel weniger. Wenn ich dann den dritten Mitarbeiter habe, dann ist man im Flow drinnen, da hat man dann ja auch schon eine gewisse Kundenzahl und einen gewissen Grundumsatz, dass das schon geht.

Was wäre von Seiten der Regierung dazu nötig?

Ich glaube, es wäre das richtige Signal an die österreichischen Unternehmer, dass man ihnen sagt: Selbständigkeit ist gut, Unternehmertum ist gut und ich mache es nicht abhängig von irgendeinem Kriterium. Es ist viel leichter wenn wir sagen, wir machen diese Vergünstigung für alle Unternehmen. Dann sagt die Bundesregierung zwar immer, dass wir uns das nicht leisten können und dass wir eh schon eine so tolle Steuerreform haben. Ich glaube aber, dass wir uns das schon leisten können, weil jeder Arbeitslose uns mehr kostet, als wenn er in Beschäftigung ist. Da spreche ich noch gar nicht von Geld, sondern von dem Spirit, den dieser Mensch ausstrahlt. Mit Beschäftigung ist man auch zufriedener und das macht die Gesamtstimmung in einem Land einfach aus. Je höher unsere Arbeitslosenzahlen werden, umso unglücklicher sind die Leute. Zumindest glaub ich beim Großteil nicht, dass die happy sind und sagen „ma super, ich wollt immer schon daheim sitzen und nichts tun.“ Vielleicht gibt es den ein oder anderen, der das denkt aber ich glaube, dass das eigentlich absolute Ausnahmen sind. Und in Wirklichkeit sind die Leute mit Beschäftigung auch die Motivierteren, die Glücklicheren. Das brauchen wir. Und das passiert mit diesem Startup-Paket leider gar nicht. Im Gegenteil, man zeigt eigentlich den Leuten, die Österreich aufgebaut haben, und auch den Jungunternehmern „du bist cool“ oder „du bist nicht cool“. Das finde ich ganz schrecklich.

Heißt das, du bist grundsätzlich gegen eine Unterscheidung zwischen Startups und anderen Unternehmensformen?

Nein, es braucht grundsätzlich schon eine Unterscheidung. Die Junge Wirtschaft findet es auch cool, dass die Leute Selbständigkeit und Unternehmertum jetzt als cool empfinden. Wir sehen das ja schon lange so. Selbständigkeit ist kein sexy Wort offensichtlich, Startup klingt gleich viel cooler. Aber in Wirklichkeit ist es eine Definition, von der niemand weiß, was sie wirklich bedeutet. Jeder hat seine eigene Definition davon. Wir sind der Meinung, auch ein Tischler kann ein Startup sein. Andere Organisationen sind der Meinung, ein Tischler kann das niemals sein.

Wie definiert denn die Junge Wirtschaft ein Startup?

Es muss auf irgendeine Art und Weise einen neuen Zugang zu einem gewissen Ding haben, damit man dieses englische Wort für Unternehmertum bringen kann. Aber ich sage ganz offen, für mich ist jeder Unternehmer gleich gut, gleich wichtig und auch gleich cool. Und ich finde es scheiße geil, dass wir in Österreich oder in Europa heute sagen, selbständig machen ist absolut geil. Man hat etwas geschafft, wenn man als EPU startet und dann zum Dienstgeber wird. Dienstnehmer zu haben und Arbeitsplätze zu schaffen, das ist echt ein urgeiles Gefühl, da kann jede Achterbahn einpacken, wenn man ins Büro kommt und man sieht, da arbeiten Leute an einer Sache, die man irgendwann einmal als Idee im Kopf hatte.

Und ich finde es scheiße geil, dass wir in Österreich oder in Europa heute sagen, selbständig machen ist absolut geil.

Wie wichtig findest du es denn, dass sich die Politik und auch die SPÖ jetzt mit dem Thema auseinandersetzt?

Naja ich weiß nicht, wie stark sich die SPÖ jetzt damit auseinandersetzt, außer diesem Publicity-Paket. Vielleicht hat man auch einfach nur zu hohe Erwartungshaltungen, weil man jetzt einen Bundeskanzler hat, der aus der vermeintlichen Wirtschaft kommt, eigentlich aber aus einem sehr staatsnahen Betrieb, der ÖBB. Ja, er hat dort eine Menge geleistet. Das war aber sehr staatsnahe und sehr politisch, das muss man auch sagen. Und ich würde jetzt niemandem Vorschuss-Lorbeern geben, bevor nicht auch Leistungen kommen. Und Arbeitsplätze schafft halt einmal nicht der Staat. Ich finde es gut, dass wir jetzt eine Regierung haben, wo beide Parts pro Unternehmertum sind.

Redaktionstipps

Wie lange wird es denn dauern, bis sämtliche bürokratische Hürden wirklich reduziert werden können?

Naja, ich muss ehrlich sagen, wir haben vor kurzem eine Idee geboren, die total easy wäre: Bevor ein neues Gesetz kommt, müssen zwei alte gehen. Das wäre total einfach. Wir hätten schon mehr an der Entbürokratisierung geschaffen, wenn man eine einzige Person angestellt hätte, die nichts anderes tut, als jeden Tag ins Büro fahren und sich alle Gesetze durchschauen, ob die überhaupt noch aktuell sind. Weil es andere Gesetze gibt, die sie eh schon wieder aufgehoben haben. Das ist der Hemmschuh, den wir in Österreich haben. Hätten wir nur eine Person, die würde wahrscheinlich bis 2500 sitzen, aber dann hätten wir schon mehr geschaffen an Entbürokratisierung, als in den letzten Jahren weitergebracht wurde.

Wie wichtig ist eine Entlastung bei den Lohnnebenkosten?

Wenn ich einen Mitarbeiter einstelle und ich zahle dem 1500 Euro netto, also ein Durchschnittseinkommen, dann kostet mich der 2500 Euro. Das musst du einmal erwirtschaften. Und ein Mitarbeiter,der 2500 Euro kostet, bekommt am Ende nur 1500 Euro raus. Und das ist schon eine Diskrepanz und da sind wir leider Vize-Weltmeister, nur Belgien ist teurer als wir. Und ich weiß nicht, ob das nicht ein Hohn ist, gegenüber den Unternehmen, die jetzt Arbeitsplätze geschaffen haben, und die auch tagtäglich kämpfen. Dass man jetzt sagt, nur wenn du ein junges Unternehmen bist und wenn du innovativ bist wirst du gefördert. Das schreit ja schon nach einer zwei Klassen Gesellschaft und das finde ich so unfair. Das macht auch keine positive Stimmung. Der Tischler glaubt, er ist kein so wichtiges Unternehmen mehr, oder ein Gastronom ist jetzt nicht mehr so cool und so toll nur weil er eben Gastronom ist.

Wie wird in Österreich mit dem Thema Innovation umgegangen?

Wir sind jetzt noch so in einem Regulativ drinnen, das wir halt noch von der goldenen Zeit haben, wo es Industrialisierung gab. Wenn sich damals die Leute so wie jetzt gegen Innovationen gewehrt hätten, dann würden wir noch immer mit Fiakern fahren.Das ist für mich als junger Mensch ganz schwierig. Früher gab es an jeder zweiten Ecke einen Hufschmied, jetzt gibt es halt an jeder zweiten Ecke eine Werkstadt. Es hat sich halt geändert. Hufschmied ist jetzt nicht mehr so gefragt, dafür sind jetzt andere Firmen gefragt. Vor 50 Jahren gab es noch keine Firmen, die Apps entwicklet haben, weil noch niemand wusste, was eine App ist. Jetzt gibt es Firmen, die Apps entwickeln, die mehrere 100 Mitarbeiter anstellen. Also ich finde, diese Panik, die wir da immer haben vor Innovation, die gehört endlich weg.

Du hast selbst eine Firma. Hältst du es für klug, in Österreich zu gründen?

Wir sind ja alle in der vermeintlichen Krise. Das Durchschnittsmitglied der Jungen Wirtschaft kennt gar keine andere Zeit als die Krise. Die goldenen Zeiten, von denen alle reden, sind sieben oder acht Jahre hinter uns. Leute, die jetzt Unternehmen gründen in Österreich und sich selbständig machen, die müssen, wenn die Krise vorbei ist und wir wieder in diesen goldenen Zeiten sind, alle stinkreich werden und mega erfolgreich, wenn diese Logik stimmt. Allerdings glaub ich, dass wir nicht in einer solchen Krise sind, sondern einfach in einer schwierigen Zeit und das ist halt so. Aber Unternehmertum als solches finde ich nach wie vor cool.

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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