“Alles verschlafen” – Wrabetz und SP-Wirtschaftsverband rechnen mit KI-Strategie der EU ab
Der Sozialdemokratische Wirtschaftsverband (SWV) Wien bereitet sich im Thinktank "furture vienna" auf die nächste rote Regierungsbeteiligung vor. Es brauche nun dringend KI-Konzepte.
Der Fortschritt von “Künstlicher Intelligenz” eröffnet für die Arbeitswelt diverse Chancen und Risiken. Laut Einschätzung von Elisabeth Hakel, Geschäftsführerin des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands Wien, hat die Politik der letzten Jahre aber vieles verpasst.
Ex-ORF-Chef Wrabetz kritisiert EU
“Österreich und Europa haben im KI-Bereich zuletzt alles verschlafen”, kritisiert Hakel im brutkasten-Gespräch. Dabei nimmt die ehemalige SPÖ-Startup-Sprecherin auch ihre eigene Partei, nicht aus. Damit soll nun aber Schluss sein.
Der SWV Wien hat daher im vergangenen Jahr den Thinktank “future vienna” gegründet. Der Sozialdemokratie nahestehende Personen beschäftigen sich dabei mit den brennenden Fragen zu den Themen Mobilität, Steuern und Digitalisierung.
Die Leitung der Expert:innengruppen des Thinktanks zu Digitalisierungsfragen hat der ehemalige ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz über, der gemeinsam mit Hakel scharfe Kritik an der EU übt. Im Zentrum des Unmuts von Wrabetz und Hakel steht dabei der Artificial Intelligence (AI) Actder Union.
„Sollte der Act realisiert werden, wird die globale KI-Entwicklung nicht gestoppt, sie wird nur nicht in Europa stattfinden“, so Wrabetz in einer Aussendung. Hakel sieht zudem vor allem für kleinere Unternehmen und Startups eine Gefahr. Sie befürchtet, dass sich Wettbewerbsnachteile gegenüber China und den USA dadurch weiter vergrößern würden. Ginge der AI-Act durch, würden sich viele Unternehmen außerhalb der EU beispielsweise erneut im Silicon Valley ansiedeln, meint Hakel.
Thinktank bereitet sich auf Koalitionsverhandlungen vor
Der SWV ist überzeugt davon, dass KI in der näheren Zukunft alle Bereiche, egal ob Handwerk, Kultur oder Industrie nachhaltig beeinflussen wird. Daher brauche es genaue Vorstellungen und Antworten der Politik. Im Thinktank “future vienna” werden Konzepte ausgearbeitet, die man “die auf unterschiedlichen Ebene am politischen Verhandlungstisch die Zukunft Österreichs mitgestalten sollen”, so Hakel.
Ein wesentlicher Punkt ist dabei für Hakel die Notwendigkeit einer Ausbildungsoffensive. Das Bildungssystem gehöre demnach komplett umgestaltet und es brauche eine Intensivierung auf KI-nahe Tätigkeitsfelder. “Österreich hinkt in diesem Bereich komplett hinterher, wenn man nach Skandinavien blickt, sieht man am besten, wie wir den Anschluss verloren haben”, so Hakel. Sie fordert daher eine fächerübergreifende KI-Offensive an Österreichs Schulen.
Auch im Steuerbereich müsse sich etwas ändern. Derzeit würden im Thinktank Expert:innen-Gruppen neue Konzepte über die Abgabenlast ausarbeiten. Klar ist jedoch für Hakel und den SWV: “Das Steuersystem des 20. Jahrhunderts wird nicht für das 21. Jahrhundert reichen”. Beschränkungen von KI wünscht sich Hakel bei Fragen zu Gesundheitsdaten und anderen Grundrechtseingriffen.
Österreich und Europa sind gefordert neue Maßnahmen zu setzen. Hakel und der SWV befürchten, dass nach dem langen Zuwarten nun die Überregulierung in der Union Einzug hält. Für die Zukunft brauche es jedoch die “Neugierde am Neuen”, um Chancen und Möglichkeiten zu nutzen.
Den “Traum vom großen Exit” teilen vielleicht nicht alle in der Startup-Szene, aber er gehört jedenfalls zur Startup-Welt dazu. Dieses Jahr gab es eine ganze Reihe von Startup-Verkäufen in Österreich – brutkasten berichtete über rund 25 und es dürften noch ein paar mehr gewesen sein. Doch bei weitem nicht jede dieser Übernahmen ist so ein Traum-Exit.
“2024 wird ein Jahr der Opportunities: Ich glaube, dass viele Startups bzw. Assets günstig zu haben sein werden”, sagte Business Angel Hansi Hansmann im brutkasten-Jahresrück- und Ausblick 2023 – und er sollte Recht behalten. Bei einigen der Startup-Verkäufe, über die brutkasten dieses Jahr berichtete, liegt die Annahme nahe, dass es Notverkäufe waren – in einzelnen Fällen ist das bestätigt. Andere waren zwar keine Notverkäufe, aber in ihrem (vermutlichen) Volumen ziemlich unspektakulär. Anders als etwa im ebenfalls Exit-starken Boom-Jahr 2021, als viel Kapital für den Aufkauf kleinerer Konkurrenten in den Markt gespült wurde, passiert der Verkauf in der anhaltenden Rezession häufig eher unfreiwillig.
Das waren die größten und/oder aufsehenerregendsten Exits des Jahres
Doch dann gab es auch einige Fälle, auf die der Begriff Traum-Exit doch zutrifft, oder die aus einem anderen Grund Aufsehen erregt haben – sei es wegen der Summe oder anderer Umstände. Das waren die größten und/oder aufsehenerregendsten Exits des Jahres:
Single Use Support
Es war kein Exit im eigentlichen Sinn, denn es wurden nur 60 Prozent des Unternehmens übernommen. Und auch die Summe wurde nicht genannt. Dennoch kann man mit einer gewissen Bestimmtheit davon ausgehen, dass die Mehrheitsübernahme des Tiroler BioTech-Scaleups Single Use Support im Mai der spektakulärste Deal in Österreich im Jahr 2024 war. Denn wenige Monate zuvor, im Dezember 2023, hatte es unter anderem im deutschen Handelsblatt Medienberichte über einen möglichen Exit in Milliarden-Höhe gegeben. Auf Basis dieser kolportierten Firmenbewertung kann man also von einem beachtlichen neunstelligen Deal ausgehen – selbst falls die Bewertung nicht ganz erreicht wurde.
ecosio
180 Millionen US-Dollar legte der US-Softwareanbieter Vertex im August dieses Jahrs für die Übernahme des 2013 gegründeten auf elektronischen Datenaustausch (EDI) und elektronische Rechnungsstellung (E-Invoicing) spezialisierten Wiener Unternehmens ecosio hin. Es ist damit der größte Exit-Deal des Jahres mit bekannter Summe in Österreich. Ausgezahlt wurden zunächst allerdings “nur” 69 Millionen US-Dollar sowie 35 Millionen US-Dollar in Form von Vertex-Aktien. Der Rest der Summe ist als Gewinnbeteiligung noch an Bedingungen geknüpft.
Apeiron
Nach allen gängigen Definitionen kann Apeiron aus Wien zwar definitiv nicht mehr als Startup bezeichnet werden. Doch weil die Zyklen im BioTech-Bereich bekanntlich erheblich länger dauern und auch wegen seines Volumens, sei der Deal hier erwähnt. 100 Millionen US-Dollar ließ sich das US-Pharma-Unternehmen Ligand Pharmaceuticals das Wiener Krebstherapie-Scaleup kosten. Für das Team ging es danach gleich mit dem nächsten Startup, invIOs, das an einer weiteren Krebstherapie arbeitet, weiter.
myClubs
Ein zweistelliger Millionenbetrag, der “nicht bei zehn, aber auch nicht bei 99 Millionen Euro” liege – diese Angabe machte der deutsche Käufer Urban Sports Clubs zum Übernahmedeal des Wiener Fitness-Scaleup myClubs. Damit lässt sich der im August verkündete Exit auf jeden Fall unter die größten Übernahmen in Österreich in diesem Jahr einreihen. Am Unternehmen waren unter anderen Speedinvest, Hansi Hansmann und mySugr-Gründer Frank Westermann beteiligt gewesen. Kapitalgeber des Käufers Urban Sports Clubs war übrigens der europäische Growth Investor Verdane.
Eversports
Und noch einen Exit eines Wiener Sport-Scaleups gab es dieses Jahr. Im Oktober gab Eversports bekannt, mehrheitlich vom bereits erwähnten europäischen Growth-Investor Verdane übernommen worden zu sein. Über die Summe wurde zwar Stillschweigen vereinbart, der für die Transaktion genutzte Fonds “Edda III” investiert aber in der Regel zwischen 50 und 150 Millionen Euro. Entsprechend ist auch von einem Volumen von mindestens 50 Millionen Euro bei diesem Deal auszugehen.
Cropster
Und noch einmal Verdane. Ebenfalls im Oktober wurde auch das Innsbrucker Kaffee-Scaleup Cropster, das unter anderem Starbucks zu seinen Kunden zählt, mehrheitlich vom europäischen Growth-Investor Verdane übernommen. Hier wurde ebenfalls über die Höhe des Deals stillschweigen vereinbart. Auch in diesem Fall gilt: Auf Basis des üblichen Investment-Volumens ist von einem Deal im zumindest achtstelligen Bereich auszugehen.
hokify
Für Aufsehen in der brutkasten-Community sorgte auch der Exit des Job-Plattform-Startups hokify, der bereits im Jänner verkündet wurde. Mit 40 Millionen Euro wurde eine genaue Summe für die Unternehmensbewertung genannt. Der Käufer, karriere.at, besaß jedoch bereits zuvor 85 Prozent des Unternehmens. Nach Adam Riese legte der heimische Jobplattform-Riese also zum Abschluss des bereits seit Jahren schrittweise laufenden Übernahme-Prozesses noch einmal sechs Millionen Euro auf den Tisch.
New Fluence
Im nicht genau bezifferten Millionenbereich liegt der Exit des Wiener Startups New Fluence. Für viel Aufsehen in der Community sorgte er nicht aufgrund seines Volumens, sondern wegen seiner Geschichte. Co-Founder des Startups ist Österreichs ehemals jüngster Gründer Moritz Lechner, der 2017 mit 14 Jahren sein erstes Startup gründete. Etwas mehr als sieben Jahre später zählte er mit nunmehr 21 Jahren im November gewiss auch zu den jüngsten Gründer:innen, denen hierzulande jemals ein Millionenexit gelungen ist.
Lernsieg
Definitiv nicht zu den größten Exits des Jahres zählt die Mehrheitsübernahme von Lernsieg im Mai. Auch sie sei hier aber wegen ihrer besonderen Geschichte erwähnt. Mit 17 Jahren hatte Benjamin Hadrigan die Lehrerbewertungsapp 2019 gestartet und damit eine massive öffentliche Diskussion vom Zaun gebrochen sowie zahlreiche Klagen auf sich gezogen. Rund 70 gewonnene Verfahren und etwa 500.000 Euro Anwaltskosten später verkaufte er die Mehrheit des Unternehmens dieses Jahr bei 740.000 Euro Firmenbewertung an die erst 21-jährige Gründerin Katharina Lang.
Weitere Exits 2024 – kein Anspruch auf Vollständigkeit
Diese Liste erhebt freilich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bei zwei weiteren Exits, über die brutkasten berichtete, ist ein Millionenbetrag als Volumen bestätigt: Mokker.ai und ShareVision. Bei anderen ist von einem Millionenbetrag auszugehen. Wieder anderen ging eine Insolvenz voraus, namentlich Zizoo und goUrban (wobei zweiteres nach der Insolvenz bereits wieder ein Millioneninvestment zur Sanierung geholt hatte).
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