09.04.2020

Aktuelle Studie ortet Einbruch bei Startup-Investments in der Coronakrise

Das Jahr 2019 war ein Rekordjahr für Startup-Investments in Europa. Doch mit der Coronakrise dürfte die Jubelstimmung verflogen sein.
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(c) Adobe Stock / indysystem

Die gute Nachricht zuerst: Im Jahr 2019 lag die Finanzierung europäischer Startups laut dem „EY Startup-Barometer Europa“ auf Rekordniveau.  Im vergangenen Jahr stieg der Gesamtwert der Startup-Finanzierungen in Europa im Vergleich zum Vorjahr um 46 Prozent auf 31,1 Milliarden Euro, die Zahl der Finanzierungsrunden legte um ein Prozent auf 4.246 zu. Doch mit der Jubelstimmung dürfte aufgrund des Coronavirus wohl vorerst Schluss sein.

+++Coronavirus: News, Daten, Hintergründe+++

„2019 dürfte vorerst das letzte Rekordjahr für das europäische Startup-Ökosystem gewesen sein“, sagt Thomas Gabriel, Partner und Leiter Startup bei EY Österreich: „Die Coronavirus-Pandemie wird zu deutlich sinkenden Investitionen führen. Außerdem sind bei vielen Unternehmen massive Umsatzausfälle zu erwarten. Damit ist diese Krise eine existenzielle Herausforderung für das europäische und auch das österreichische Startup-Ökosystem.“

Ausblick 2020: Coronavirus bremst Investments

Im Jahr 2020 dürften sowohl die Zahl der Deals als auch die investierten Summen deutlich sinken, erwartet Gabriel. Wie stark, hänge von der Intensität und Dauer der aktuellen Krise ab: „Niemand kann derzeit prognostizieren, wie lange die aktuelle Vollbremsung der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens andauert. Fest steht aber, dass das heimische Startup-Ökosystem vor der größten Bewährungsprobe seiner Geschichte steht. Es braucht rasch Unterstützungsmaßnahmen und flexible Kapitalzugänge, sonst wird es zu einer starken Rückentwicklung der heimischen Startup-Szene kommen.“

+++Zum Investment-Ticker+++

Entscheidend sei in dieser schwierigen Situation, dass die sich in der Vergangenheit entwickelten kleinen Früchte des österreichischen Startup-Ökosystems zumindest grundsätzlich erhalten bleiben, sagt Gabriel: „Der Finanzierungsmarkt darf nicht vollständig austrocknen. Hier sind dringend politische Hilfsmaßnahmen und Lösungen notwendig. Ein Lichtblick ist, dass es bereits erste positive Signale seitens der Regierung gegeben hat, zum Beispiel durch die Stundung von Förderungsrückzahlungen, die Aufstockung des aws-Seed-Financing-Programms und die Ankündigung eines Venture-Capital-Fonds.“

Digitalisierung als Treiber von Wirtschaft und Gesellschaft

Gerade jetzt zeige sich nämlich, wie unverzichtbar eine noch deutlich stärkere Digitalisierung der Wirtschaft sei, so Gabriel: „Jetzt erweist sich, wie wichtig zum Beispiel Plattformen sind, auf denen Lehrer ihre Schüler per Livestream unterrichten und wie sehr Unternehmen im Vorteil sind, die bereits funktionierende Homeoffice-Lösungen und Web-Konferenz-Tools sowie umfassend digitalisierte Prozesse etabliert haben. Ebenso sind Unternehmen mit digitalen Vertriebsplattformen nun klar im Vorteil.“

Die anhaltend niedrigen Finanzierungsvolumina und die zu erwartenden Finanzierungsprobleme in der aktuellen Krisensituation unterstreichen laut Gabriel, wie wichtig eine Gesamtstrategie für die Startup-Szene in Österreich sei. „Es wäre sinnvoll, sich strategisch auf bestimmte Schwerpunkte zu fokussieren und Cluster einzurichten, welche die Herausforderungen der österreichischen Industrieunternehmen abbilden. Ein Schulterschluss zwischen Öffentlicher Hand, Unternehmen, Kapitalgeber und Startups ist unbedingt erforderlich“, sagt er.

Daten zu Startup-Investments in Österreich

Die EY-Studie basiert auf einer Analyse der Investitionen in europäische Startups. Als Startups werden dabei Unternehmen gewertet, die nicht älter als zehn Jahre sind. In der europäischen Studie werden auch explizit Daten zu Startup-Investments in Österreich angeführt.

Demnach ist in Österreich der Gesamtwert des Investitionsvolumens von 173 Millionen Euro auf 183 Millionen Euro gestiegen. Damit belegt Österreich Rang 15 im europäischen Vergleich. Gleichzeitig ist auch die Zahl der Finanzierungsrunden österreichweit nach oben gegangen: Sie stieg von 71 auf 88 – hier rückt Österreich unter die Top-10 in Europa und belegt den neunten Platz. In Wien stieg das Investitionsvolumen von 104 Millionen Euro auf rund 140 Millionen Euro – die österreichische Hauptstadt ist aber trotzdem nicht in den europäischen Top-20 vertreten und landet auf Platz 23. Die Anzahl der Finanzierungsrunden ist in Wien von 43 auf 46 gestiegen – das bedeutet Platz 14 im europäischen Ranking.

(c) EY

Insbesondere Startups aus dem Gesundheitsbereich bekamen 2019 in Österreich hohe Finanzierungen. Die beiden größten Finanzierungen des Jahres flossen in Biotech- bzw. Medtech-Unternehmen: Insgesamt rund 40 Millionen Euro wurden in Themis Bioscience investiert, das in Wien und New York ansässige Startup Hookipa erhielt rund 33 Millionen Euro. Komplettiert werden die Top-3 vom Marketing-Analytics-Unternehmen Adverity, das rund rund elf Millionen Euro erhielt.

Viele kleine Runden in Österreich

„Für den Startup-Standort Österreich war das Jahr 2019 grundsätzlich erfolgreich – das Volumen der Investitionen stieg sogar auf Rekordniveau. Allerdings ist es nach wie vor so, dass es in Österreich viele kleine Finanzierungen gibt: Die Top-10-Deals in Österreich hatten 2019 ein Durchschnittsvolumen von 14 Millionen Euro – die Schweiz liegt bei 78 Millionen Euro, Deutschland bei 258 Millionen Euro“, so EY-Partner Gabriel.

+++Coronakrise: Startup-Szene präsentiert Forderungen an die Politik+++

„An Expansion ist bei vielen Unternehmen derzeit nicht zu denken – nun geht es darum, den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten, den Kapitalabfluss zu minimieren und möglichst viel Geld im Unternehmen zu halten“, ergänzt der Experte: „Die Mehrzahl der Startups ist nur für einige Monate durchfinanziert, danach benötigen sie frisches Geld.“

Coronakrise als Herausforderung für Investoren

Eine besondere Herausforderung sei die derzeitige Situation auch für die Kapitalgeber, so Gabriel: „Ein Exit ist jetzt sehr viel schwieriger als vor der Krise – die Bewertungen werden nach unten angepasst. Für die Investoren geht es daher nun vorrangig darum, ihre Portfoliounternehmen durch die Krise zu bekommen. Und sie haben im Zweifelsfall zu entscheiden, welche Geschäftsmodelle tatsächlich noch eine Zukunft haben. Für vielversprechende Unternehmen wird es durchaus noch Zwischenfinanzierungen geben – große Neuinvestitionen werden wir aber deutlich seltener sehen als 2019.“

Gewinner und Verlierer der Coronakrise

Es werde auch Unternehmen und Segmente geben, die gestärkt aus dieser Krise hervorgehen werden, so Gabriel: „Digital Health im weitesten Sinne wird boomen – einige dieser Lösungen waren schon in den vergangenen Jahren in Gang gebracht worden. Hier wird sich jetzt die Entwicklung eindeutig beschleunigen. Biotech- und Medtech-Unternehmen erzielten schon 2019 die höchsten Finanzierungssummen in Österreich und werden natürlich weiter gewinnen. Die Bereiche Logistik, Food, Online-Handel, Online-Learning, Online-Kommunikation und Saas-Modelle könnten mittelfristig ebenfalls einen Aufschwung erleben. Schwieriger wird es hingegen für Startups insbesondere aus den Bereichen Travel, Mobility und Events.“

Unterstützung mit kostenlosem Finanzplanungs-Tool

„Wir werden diese Krise als Wirtschaftsstandort nur dann bewältigen, wenn wir Solidarität und Zusammenhalt zeigen“, fasst Gabriel zusammen. Um heimische Jungunternehmen und kleine Betriebe in der aktuellen Situation zu unterstützen, stellt EY daher sein Tool „EY Finance Navigator“ für drei Monate kostenlos zur Verfügung. Der „EY Finance Navigator“ unterstützt speziell Startups dabei, die finanziellen Auswirkungen von COVID-19 auf ihr Business zu beurteilen.

Das Online-Tool erleichtert die Erstellung eines professionellen Finanzplans und detaillierter Cashflow-Prognosen. Mit Hilfe dieser Finanzmodellierungssoftware sind schnell wachsende Unternehmen in der Lage, finanziell getriebene strategische Entscheidungen zu treffen und können besser vorhersehen, wann Liquiditätsprobleme auftreten. Außerdem können für Investoren interessante Kennzahlen übersichtlich aufbereitet werden.

Unter anderen könne die Startups damit die folgenden Fragen beantworten:

  • Wie wird sich ein Umsatzrückgang auf meinen Cashflow auswirken?
  • Was mache ich, wenn es länger dauert bis Finanzierungen abgeschlossen sind?
  • Wie kann ich in nächster Zeit meinen Zahlungsmittelverbrauch kontrollieren?
  • Wie wirken sich Zuschüsse der Regierung und der Banken auf meine finanzielle Lage aus?

Startups können sich unter https://thefinancenavigator.ey.com/register mit dem Code COVID19FN für den „EY Finance Navigator“ registrieren. Hier ein Überblick zu den Bedingungen.

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„Thema ein Stück weit aus dieser emotionalen, moralisierenden Ecke herausholen“

„Ich will das Thema ein Stück weit aus dieser emotionalen, moralisierenden Ecke herausholen“, sagt Stephan Kraft. Für Red Hat als weltweit führenden Anbieter für Open-Source-Lösungen für Unternehmen gehen die Argumente für eine Nutzung nämlich weit darüber hinaus. „Es geht nicht darum, Open Source als Selbstzweck zu sehen, um zu den Guten zu gehören“, so der Experte. Tatsächlich sei die Verwendung von Open Source gerade bei der Etablierung von KI im Unternehmen für Startups und KMU eine wichtige Weichenstellung.

Offenheit, um Diskriminierung entgegenzuwirken

Auch Natalie Ségur-Cabanac sieht Open Source als „Key Technology“ im KI-Bereich. Für „Women in AI“ spiele die Offenheit eine zentrale Rolle: „Diese Offenheit braucht es, um Diskriminierung entgegenzuwirken.“ Open Source verbessere den Zugang für Frauen zur Technologie, die Abbildung von Frauen in den Daten und es vergrößere die Möglichkeiten in der Forschung. Man müsse aber auch aufpassen, ob Software wirklich so offen sei, wie behauptet, sagt sie bezogen auf die aktuellen Diskussionen rund um OpenAI, das sich – ursprünglich als offenes Projekt gestartet – zum profitorientierten Unternehmen entwickelte. Es brauche auch eine klare Definition, was „open“ sei.

Masse an Möglichkeiten

Leftshift.One-Gründer Patrick Ratheiser betont auch die schiere Masse an Möglichkeiten, die Open Source bietet. „2021 hatten wir weltweit Zugriff auf circa 5.000 Open-Source-Modelle. Jetzt sind es bereits mehr als eine Million.“ Die Nutzbarkeit sei also klar gegeben, zudem biete die Technologie eine gewisse Unabhängigkeit und werde über ihre Vielfalt zum Innovationstreiber.

Ist Open Source immer die beste Lösung?

Doch bedeutet das, dass Open Source immer die optimale Lösung ist? Ratheiser sieht das differenziert: „Es ist ganz wichtig zu erkennen, was der Kunde braucht und was in dem Fall gerade notwendig ist. Egal, ob es nun On-Premise, in der Cloud, Open Source oder Closed Source ist.“ Florian Böttcher von CANCOM Austria pflichtet hier bei: „Wir setzen genau so auf hybrid.“

Datenstruktur im Hintergrund ist entscheidend

Ein Thema, bei dem bei Open Source Vorsicht geboten ist, spricht Natalie Ségur-Cabanac an. Besonders wichtig sei es bei KI-Anwendungen, eine gute Datenstruktur im Hintergrund zu haben. „Die Verantwortung, dass ein Modell mit sauberen Daten trainiert worden ist, liegt bei den Anbietern. Bei Open Source verschwimmt das ein bisschen. Wer ist wofür zuständig? Das ist eine Herausforderung für die Compliance zu schauen, wo man selbst verantwortlich ist und wo man sich auf einen Anbieter verlassen kann.“

Compliance: Großes Thema – mehr Sichereheit mit professioneller Unterstützung

Stephan Kraft hakt hier ein. Genau aus solchen Gründen gebe es Unternehmen wie Red Hat, die mit ihrem Enterprise-Support für Open-Source-Lösungen die Qualitätssicherung auch im rechtlichen Bereich übernehmen. „Das ist ein ganz wichtiger Teil unseres Versprechens gegenüber Kunden“, so Kraft. Unbedacht im Unternehmen mit Open Source zu arbeiten, könne dagegen in „Compliance-Fallen“ führen, pflichtet er Ségur-Cabanac bei.

Das sieht auch Patrick Ratheiser als Thema bei Leftshift.One: „Unsere Lösung ist Closed Source, wir setzen aber im Hintergrund Open Source ein. Wichtig ist, dass wir dem Kunden Compliance garantieren können.“ Stephan Kraft empfiehlt Unternehmen bei der Open-Source-Nutzung: „Man kann nicht immer gleich die neueste ‚bleeding edge‘-Lösung nehmen sondern sollte etwas konservativer herangehen.“

Infrastruktur: Gut planen, was man wirklich braucht

Unabhängig davon, ob man nun Open Source oder Closed Source nutzt, braucht es für die Nutzung von KI die richtige Infrastruktur. „Es kommt natürlich auf den Use Case an, den ein Unternehmen umsetzen will. Da sind die Anforderungen an die Infrastruktur sehr unterschiedlich“, grenzt Florian Böttcher ein. CANCOM Austria unterstützt seine Kunden in genau der Frage. Anwendungen wie das Training von KI-Modellen würde aus gutem Grund kaum in Österreich umgesetzt. „KI ist sehr stromhungrig und entwickelt viel Hitze. Das ist schwierig für ein eigenes Data-Center im Unternehmen, gerade wenn man die Strompreise in Österreich ansieht“, so Böttcher.

„Rechenleistungs-Hunger“ von KI könnte sich in Zukunft verringern

Wichtig sei es letztlich, sich als Unternehmen sehr klar darüber zu sein, was man umsetzen wolle. „Danach, welche Software-Lösung man für seinen Use Case einsetzen muss, richtet sich auch die Infrastruktur“, so Böttcher. Er erwarte aber auch, dass die KI-Modelle im nächsten Entwicklungsschritt effizienter werden und der „Rechenleistungs-Hunger“ sich verringere.

Patrick Ratheiser ergänzt: „Es ist grundsätzlich eine Kostenfrage.“ Unternehmen müssten sich sehr gut überlegen, ob sie ein eigenes LLM (Large Language Model) betreiben und dieses sogar selbst trainieren wollen, oder lieber doch eine Usage-basierte Lösung wählen. Er sehe bei österreichischen Unternehmen – auch bei größeren – eine klare Tendenz zur zweiten Variante. „Es lässt sich deutlich schneller einrichten, ist kalkulierbarer und auch viel schneller skalierbar“, erklärt Ratheiser.

Etwa im Forschungsbereich sei es jedoch wichtig und notwendig, auch eigene LLMs und die damit verbundene Infrastruktur zu betreiben. Doch auch die Möglichkeit von hybriden Lösungen biete sich an. „Man kann mittlerweile auch Teile in der Cloud lassen und Teile On-Premise. Man kann etwa nur ein datenschutzsicheres LLM selbst betreiben“, erklärt der Experte, der auch bei der Wahl der genutzten Modelle einen hybriden Ansatz empfiehlt: „Man braucht nicht für alle Use Cases das neueste Modell. Manchmal braucht man überhaupt kein LLM.“

Datenschutz: Einige Herausforderungen bei LLMs

Stichwort: Datenschutz. Hier schafft die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im KI-Bereich besondere Herausforderungen, weiß Natalie Ségur-Cabanac, die vorab betont: „Ich persönlich halte die DSGVO für ein gutes Regulierungswerk, weil sie sehr viel Spielraum gibt. Ich sage immer: Datenschutz ist sehr komplex, aber nicht kompliziert.“ Konkret seien etwa der Grundsatz der Zweckbezogenheit, also dass man Daten nur für konkrete Zwecke einsetzen darf, und dass man sie minimierend einsetzen muss, relevant für den KI-Bereich. „Da haben wir schon einen Konflikt, weil man ja [bei LLMs] erst einmal schaut, was man aus möglichst vielen Daten machen kann“, so die Expertin.

Ist KI rechtlich innerhalb der EU sogar per se in einem Graubereich?

Auch Transparenzbestimmungen – sowohl in der DSGVO als auch im AI-Act der EU – seien zu beachten. „Wenn ich KI verwende, muss ich auch wissen, was drinnen ist“, fasst Ségur-Cabanac zusammen. Ist KI also rechtlich innerhalb der EU sogar per se in einem Graubereich? „Nein, das glaube ich nicht. Aber man muss seine Hausaufgaben schon gut machen“, sagt die Expertin. Wichtig sei daher auch die im Rahmen des EU-AI-Acts eingeforderte KI-Kompetenz in Unternehmen – im technischen und rechtlichen Bereich.

KI-Kompetenz als zentrales Thema

Patrick Ratheiser stimmt zu: „Neben der Technologie selber sind bei unseren Kunden die Mitarbeiter ein Riesen-Thema. Man muss sie nicht nur wegen dem AI-Act fit bekommen, sondern es geht darum, sie wirklich auf die Anwendungen einzuschulen.“ Wichtig seien dabei auch die Kolleg:innen, die sich bereits mit dem Thema auskennen – die „Pioniere“ im Unternehmen. „AI Literacy ist sicherlich das Thema 2025 und in nächster Zeit. So, wie wir gelernt haben, mit dem Smartphone umzugehen, werden wir es auch mit generativer KI lernen“, so Ratheiser.

„Einfach einmal ausprobieren“

Stephan Kraft ergänzt: Neben einer soliden Datenbasis und der notwendigen Kompetenz brauche es bei KI – gerade auch im Bereich Open Source – noch etwas: „Einfach einmal ausprobieren. Es braucht auch Trial and Error. Das ist vielleicht oft das Schwierigste für CFOs und Geschäftsführer.“ Dieses Ausprobieren sollte aber innerhalb eines festgelegten Rahmens passieren, damit die KI-Implementierung gelingt, meint Natalie Ségur-Cabanac: „Unternehmen brauchen eine KI-Strategie und müssen wissen, was sie mit der Technologie erreichen wollen.“ Auch sich mit den zuvor angesprochenen rechtlichen Anforderungen – Stichwort Compliance – zu beschäftigen, komme zeitlich erst nach der Festlegung der Strategie.


Die gesamte Folge ansehen:

Die Nachlesen der bisherigen Folgen:

Folge 1: “No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?

Folge 2: “Was kann KI in Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten?

Folge 3: “Der größte Feind ist Zettel und Bleistift”: Erfolgsfaktoren und Herausforderungen in der KI-Praxis”

Folge 4: KI-Geschäftsmodelle: “Wir nutzen nur einen Bruchteil dessen, was möglich ist”


Die Serie wird von brutkasten in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung unserer Partner:innen produziert.

No Hype KI
27.01.2025

Open Source und KI: „Es geht nicht darum, zu den Guten zu gehören“

Nachlese. Die Nutzung von Open-Source-Modellen eröffnet Unternehmen auch im KI-Bereich weitreichende Möglichkeiten. Es gibt dabei aber auch einiges zu bedenken. Darüber und mehr diskutierten in Folge 5 von "No Hype KI" Stephan Kraft von Red Hat, Florian Böttcher von CANCOM Austria, Natalie Ségur-Cabanac von Women in AI und Patrick Ratheiser von Leftshift.One.
27.01.2025

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„No Hype KI“ wird unterstützt von CANCOM AustriaIBMITSVMicrosoftNagarroRed Hat und Universität Graz.

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Masse an Möglichkeiten

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Die Serie wird von brutkasten in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung unserer Partner:innen produziert.

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