22.07.2024
KOMMENTAR

Steuerfreie Überstunden: Super Leistungsanreiz – aber für wen eigentlich?

Die Steuerbefreiung von Überstunden ist eine zuletzt immer lauter artikulierte Forderung von Wirtschaftskammer und Co, die es nun auch in den "Wachstumsplan" des Kanzlers geschafft hat. Bleibt nur die Frage: Wer bekommt heutzutage überhaupt noch Überstunden ausbezahlt? Damit es funktioniert, braucht es allem voran Anreize für Arbeitgeber:innen.
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Steuerbefreite Überstunden - Kommentar von brutkasten-Redakteur Dominik Perlaki
brutkasten-Redakteur Dominik Perlaki | (c) brutkasten / Hintergrund: (c) Ibrahim Boran via Unsplash

Bundeskanzler Karl Nehammer verspricht sich davon “Leistungsgerechtigkeit”. Für Wirtschaftskammer (WKÖ)-Präsident Harald Mahrer geht es dabei darum, dass “Leistung belohnt und nicht bestraft” wird. Die Rede ist von einer geforderten generellen Steuerbefreiung von Überstunden. Zusammen mit Industriellenvereinigung (IV)-Präsident Georg Knill präsentierten die beiden vergangene Woche einen “Wachstumsplan für Österreich”, der unter anderem diese Forderung enthält.

Aus Arbeitnehmer:innen-Sicht kann man nur sagen: Bravo! Wer sollte sich auch dagegen wehren, Überstunden gut bezahlt zu bekommen. Bloß: Wer bekommt heutzutage überhaupt Überstunden ausbezahlt?

Nur wenige bekommen Überstunden überhaupt ausbezahlt

Die aktuellsten Zahlen, die sich hierbei für Österreich finden lassen, stammen aus 2017, sind also schon etwas in die Jahre gekommen. Demnach gaben damals bei einer von der Wirtschaftskammer zitierten Umfrage 70 Prozent der Arbeitnehmer:innen an, dass Überstunden in Zeitausgleich vergütet werden, 40 Prozent, dass die ausbezahlt werden und 18 Prozent, dass sie mit Pauschale bzw. All-In-Vertrag ausgeglichen werden. Daraus, dass in dieser Rechnung insgesamt 128 Prozent herauskommen, lässt sich schlussfolgern, dass auch der Großteil jener, die angeben, Überstunden ausbezahlt zu bekommen, teilweise (bzw. mehrheitlich) auch in Zeitausgleich vergütet werden.

Die Tendenz zu Überstunden-Pauschalen dürfte sich seit der zitierten Erhebung verstärkt haben. Für das Jahr 2022 führt eine von der Arbeiterkammer (AK) zitierte Sonderauswertung der Statistik Austria den Wert von 25 Prozent aller Arbeitnehmer:innen an, die Überstunden weder mit Geld noch mit Zeitausgleich abgegolten bekamen. Dass derartige Pauschal-Regelungen unter anderem im Startup-Bereich seit Jahren der Standard sind, ist kein Geheimnis.

Keine Ausbezahlung – kein Leistungsanreiz durch die Steuerbefreiung

So schön die Steuerbefreiung von Überstunden also auch klingt – die allerwenigsten würden im Status Quo davon profitieren. Daher wird die Maßnahme auch den erhofften Leistungsanreiz nicht erbringen.

Eigentlich…

Es steht aber zu vermuten, dass dieser schon jetzt – ganz ohne Steuerbefreiung – bei sehr vielen Arbeitnehmer:innen gegeben wäre, wenn Überstunden tatsächlich ausgezahlt werden würden. Und zwar so, wie es das Gesetz vorsieht. Denn eigentlich – das lässt sich nicht nur bei der AK, sondern auch bei der WKÖ nachlesen – sind Überstunden vom Arbeitgeber mit dem Faktor 1,5 zu vergüten – auch in Form von Zeitausgleich. Das bedeutet: eineinhalbfacher Bruttolohn bzw. eineinhalb Stunden frei für jede Mehrstunde.

Keine Frage, dass hier eine zusätzliche Steuerbefreiung die Motivation enorm steigern könnte, sich für eine Auszahlung statt Zeitausgleich zu entscheiden und damit die von WKÖ und IV angestrebte Mehrarbeit zu erbringen. Nur kaum jemand in Österreich hat die faktische Möglichkeit zu dieser Entscheidung.

Es braucht Anreize für Arbeitgeber:innen

Wie kann man das lösen? Indem man einmal vom “die wollen alle nichts arbeiten”-Dauerwutanfall herunterkommt und sich ernsthaft die Frage stellt, ob das Problem hier wirklich nur bei den Arbeitnehmer:innen liegt. Was es braucht sind Anreize für die Arbeitgeber:innen, Überstunden (gesetzeskonform) auszubezahlen. Wenn das passiert, macht auch die Steuerbefreiung auf Angestellten-Seite viel Sinn. Und wenn man sich dann mit Überstunden tatsächlich das Gehalt um ein paar Netto-Hunderter im Monat auffetten kann, werden die Arbeitnehmer:innen Schlange stehen, das zu tun – versprochen!

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Cocoon Capital Advisory Sebastian Kurz - Startups und Beteiligungen - Dream Security
Sebastian Kurz | (c) EVP via Wikimedia Commons

Vor gut zwei Jahren co-gründete der österreichische Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz das Cybersecurity-Startup Dream Security. Mit an Bord ist Shalev Hulio, Ex-CEO der Spionagefirma NSO. Bereits zum Start holte sich das Unternehmen 20 Millionen US-Dollar Kapital. Kurz hielt danach ein Drittel der Anteile.

Investment an Gaza-Grenze

Im November 2023 holte sich Dream ein neues Investment in Höhe von 33,6 Millionen US-Dollar. Kurz hielt danach noch rund 20 Prozent der Anteile. Das Kapital kam primär von den Bestandsinvestoren Aleph und Group 11 – beide aus Israel. Kurz darauf bezifferte das Wall Street Journal die Bewertung der Kurz-Startups mit rund 200 Millionen US-Dollar.

“Die heutige Cyberlandschaft erfordert innovative Ansätze, um aktuellen Bedrohungen effektiv und zielgerichtet zu begegnen. Dank dieser Finanzierungsrunde sind wir in der Lage, weiterhin rasch zu wachsen”, kommentierte der Ex-Kanzler in einem Statement, das brutkasten damals erhielt.

Seither zeigt der eskalierte Gaza-Konflikt Auswirkungen auf Dream Security. So war CEO Shalev Hulio zum Zeitpunkt des letztjährigen Investments selbst als Reservist in der israelischen Armee tätig. Unterschrieben wurde der damalige Investment-Vertrag von Hulio in Uniform an der Grenze zu Gaza.

125 Millionen US-Dollar Umsatz

Im November 2023 zählte das Unternehmen noch 70 Mitarbeiter:innen – 60 davon in Israel. Mittlerweile sei die Belegschaft auf 150 Mitarbeitende gewachsen. “Ihr seid der Grund dafür, dass wir heute dort stehen, wo wir sind”, so der Ex-Kanzler in einem seiner jüngsten LinkedIn-Postings. Gedankt wird auch den bisherigen Investor:innen, darunter Dovi Frances, der Group 11 und Michael Eisenberg, Partner bei Aleph. Überdies verkündet Ex-Kanzler Kurz, mit Dream bereits “über 125 Millionen US-Dollar Umsatz in Europa, dem Nahen Osten und Asien” erreicht zu haben.

Party in der Wüste

Darüber hinaus schreibt Kurz auf LinkedIn: “Für uns als Österreicher war es eine neue Erfahrung, eine Party in der Wüste zu feiern, und dazu noch dem Thema entsprechend gekleidet zu sein… das hat auf jeden Fall eine Menge Spaß gemacht!” Gefeiert wurden die genannten Meilensteine laut dem Posting im Rahmen eines “Tribe-Events”.

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