04.04.2022

Steinberger-Kern: Wie trotz hoher Energiepreise dennoch Einsparungen möglich sind

Energy Hero Geschäftsführerin Eveline Steinberger-Kern spricht im Interview über aktuelle Entwicklungen am Energie-Markt und warum es trotz der hohen Energiepreise dennoch Einsparungsmöglichkeiten für Endkunden gibt.
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Eveline Steinberger-Kern
Eveline Steinberger | Foto beigestellt

Welche Entwicklungen erleben wir aktuell bei den Energiepreisen und wie äußert sich dies bei Energy Hero?

Seit Herbst letzten Jahres haben wir die Situation, dass Energiepreise nur mehr eine Richtung kennen: sie steigen. Bei Strom haben wir am Großhandelsmarkt nahezu eine Verdreifachung der Preise im letzten Jahr gesehen. Bei Gas erleben wir eine Versechsfachung. Das kommt nun zeitverzögert bei der Energierechnung der Endkunden an.

Die Invasion Russlands in der Ukraine hat nochmals dazu beigetragen, dass sich die Situation für die Verbraucher verschärft. So werden Kunden beispielsweise von ihren Versorgern gekündigt, weil die Versorger ihre Lieferpflichten nicht mehr erfüllen können. Mindestvertragslaufzeiten werden teilweise nicht eingehalten. Preisgarantien, die ursprünglich abgeschlossen wurden, stehen nicht mehr zur Verfügung. All dies führt zu Irritationen.

Daher sind wir bei Energy Hero dazu übergegangen, nicht nur unseren automatischen Wechselservice anzubieten, sondern wir stehen all unseren Kunden mit Information und Aufklärung zur Verfügung. Wir helfen die allgemeinen Geschäftsbedingungen oder das Kleingedruckte zu interpretieren. Zudem übernehmen wir auch Anrufe bei den Versorgern.

Wie äußert sich diese Verunsicherung bei den Endkunden konkret?

Wenn Verbraucher jahrelang von ihren Energieversorger nichts gehört haben und dann plötzlich ein Schreiben erhalten, dass ihr Energieliefervertrag gekündigt werden muss, dann kann man sich vorstellen, dass die Alarmglocken läuten. Nicht jeder Kunde ist beispielsweise darüber informiert, dass es in Österreich eine Versorgungspflicht gibt. Als Energy Hero wollen wir aber darüber informieren, dass Lösungen dafür existieren. Daher haben wir auch unseren Kundenservice am Telefon aufgestockt, um die Anliegen unserer Kunden bestmöglich zu bedienen.

Wie viel können Verbraucher aktuell einsparen?

Verbraucher können sich noch immer einiges einsparen. Allerdings muss man dazu sagen, dass es für alle Endkunden teurer wird. Wenn die Großhandelspreise steigen, ist es eine Frage der Zeit, wann die Energieversorger diese Preissteigerungen auch an die Endkunden weitergeben.

Aber es gibt einen Unterschied zwischen teuer und noch teurer. Darauf wollen wir mit Energy Hero hinweisen. In Österreich gibt es vom Energiemarkt-Regulator E-Control den sogenannten Energiemarkt-Rechner. Würde ich mich dort selbst informieren, habe ich allerdings vermeintlich keine Einsparung zu erwarten. Warum: In diesem Tarif-Kalkulator finden sich alte Tarife, zu denen ich nicht mehr wechseln kann. Das sind Tarife, die ihre Gültigkeit für Bestandskunden hatten, aber für Neukunden gar nicht mehr zur Verfügung stehen.

Teilweise erleben wir einen Unterschied zwischen dem günstigsten und teuersten Tarif von bis zu 1000 Euro pro Jahr. Für Kunden mit geringeren Verbrauch, schaffen wir Einsparungen bis zu ein paar Hundert Euro. Grundsätzlich gilt, dass die Bestandskunden mit Preisgarantie besser dran sind. Aber auch sie haben mit Preissteigerungen von 20 bis 40 Prozent zu rechnen. Das hängt natürlich davon ab, ob sie nur Strom benötigen oder auch mit Gas heizen. Neukunden, die keinen Vertrag mit Preisgarantien haben, für die wird es diese Jahr eine Verdoppelung der Energiepreise geben.

Warum sind die Preise schon vor dem Russland-Ukraine-Konflikt gestiegen?

Der Russland-Ukraine-Konflikt hat nochmals den Preisanstieg angeheizt. Wir hatten aber zuvor schon maßgeblich die Diskussion rund um die Gaspipeline Nord Stream 2. Das hat sehr viele Spekulationen an den Trading-Desks ausgelöst. Zudem haben wir nach der Coronakrise und den Lockdowns erlebt, dass sich die Wirtschaft wieder sehr gut erholt hat und mehr produziert wurde. Dies führte dazu, dass es auch eine höhere Nachfrage nach Energie bei der Industrie gegeben hat.

Mit dem Konflikt ist zudem eines offensichtlich geworden. In dieser globalen Welt sind wir alle sehr miteinander verbunden. Die Abhängigkeit von Gas und Öl wird uns jetzt sehr schmerzlich nochmals vor Augen geführt. Die Gasreserven sind in vielen Ländern aktuell unter dem Stand, der in Normalzeiten gegeben ist. Einige Anbieter haben allerdings auf sinkende Gaspreise spekuliert, daher wurden die Gasreserven nicht wie üblich schon im Sommer aufgefüllt. Es zeigt, dass wir beim Ausbau der erneuerbaren Energien zu langsam waren.

Wie läuft aktuell die Entwicklung bei The Blue Minds Company?

Wir investieren weiter jährlich in ein bis zwei Portfolio-Unternehmen und Startups im Bereich der Energie-Transformation. Wir sind bei unseren Beteiligungen geografisch sehr offen. Allerdings hat sich in der Vergangenheit mit Zentraleuropa und Israel auch ein Schwerpunkt herauskristallisiert. Wir beschäftigen heute rund 60 Mitarbeiter:innen in Wien, Tel Aviv und München und entwickeln uns sehr gut. Beispielsweise haben wir im vergangenen Jahr im Bereich der Elektromobilität einen erfolgreichen Exit mit has.to.be hingelegt. Wir sind zuversichtlich, dass wir auch im Bereich der Kreislaufwirtschaft weiter vorankommen. Beispielsweise haben wir in Deutschland in Circunomics investiert. Wir sind davon überzeugt, dass wir nicht nur Dinge tun, die uns Spaß machen, sondern die Welt verbessern.


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Wiener-Börse-CEO Christoph Boschan
Wiener-Börse-CEO Christoph Boschan | Foto: brutkasten / Wiener Börse (Hintergrund)

Die neue EU-Kommission steht. Hierzulande laufen dagegen nach wie vor die Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS mit ungewissem Ausgang. Währenddessen kommt nicht nur Österreich nicht aus der Rezession heraus und auch die Prognosen bleiben tendenziell negativ. Begleitet wird das Szenario von einer Häufung an dramatischen Appellen und Forderungen nach umfassenden Änderungen in der Wirtschaftspolitik.

Wie steht es wirklich um Österreich und die EU? Was sind nun die drängendsten Maßnahmen? brutkasten geht diesen Fragen gemeinsam mit führenden Köpfen der heimischen Innovationsszene nach, darunter etwa FFG-Geschäftsführerin Henrietta Egerth, mit PlanRadar-Co-Founder Sander van de Rijdt und mit Storebox-Co-Founder Johannes Braith.

Zum Thema Kapitalmarkt haben wir nun bei Christoph Boschan, CEO der Wiener Börse, nachgefragt.


brutkasten: Die Regierungsverhandlungen befinden sich in der entscheiden Phase. Was sind die wichtigsten Maßnahmen, die in Österreich umgesetzt werden sollten, um Kapitalmarkt und Börse zu stärken?

Christoph Boschan: Die schnellste und einfachste Maßnahme wäre die Wiedereinführung der Behaltefrist für Wertpapiere bzw. die Einführung eines Vorsorgedepots. Das lag alles fix fertig auf dem Tisch und stand im letzten Regierungsprogramm.

Gewichtiger wäre eine bessere Abstimmung des Pensionssystems auf den Kapitalmarkt, also eine teilweise Veranlagung der ersten Säule am Aktienmarkt. Da spreche ich übrigens nicht mit dem reinen Blick durch die “Kapitalmarkt-Brille”. Das würde zugleich den Staatshaushalt entlasten und die Pensionsfinanzierung nachhaltig absichern und Geld für die Innovations- und Wachstumsfinanzierung bereitstellen.

Sie haben in einem brutkasten-Studiotalk im September gefordert, “zentrale, mächtige, große Kapitalsammelstellen zu errichten”. Was genau verstehen Sie darunter, beziehen Sie sich primär auf Pensionsfonds oder verstehen Sie das Konzept breiter?

In der teilweisen Veranlagung der ersten Säule am Kapitalmarkt liegt tatsächlich das größte Potenzial, ein bis zwei Prozent machen hier auf einige Jahre gesehen bereits viel aus. Die zweite Säule könnte mit einer verpflichtenden betrieblichen Vorsorge gestärkt werden. Oder man kreiert einen Staatsfonds nach norwegischem Vorbild.

Abseits davon gibt es in Österreich 330 Mrd. Euro an niedrigverzinstem privatem Kapital, die nicht nur keine Rendite abwerfen, sondern den Unternehmen auch bei der Innovationsfinanzierung fehlen. Die Liste an Möglichkeiten ist lang, wie auch jene der schon existierenden Blaupausen in Europa.

Welche Maßnahmen bräuchte es konkret? Welche dieser Schritte können in Österreich gesetzt werden und welche nur auf europäischer Ebene?  

Die entscheidenden Schalthebel sind tatsächlich bei den Nationalstaaten. Vorlagen, die für den österreichischen Anwendungsfall angepasst werden können, gibt es genug. Norwegen mit dem Staatsfonds, Schweden mit der teilweisen Veranlagung der Pensionen am Kapitalmarkt, die Schweiz mit der verpflichtenden betrieblichen Altersvorsorge. In Deutschland kommt nun das Vorsorgedepot mit steuerbegünstigter Wertpapierveranlagung. Alles, was eine zu befürwortende Harmonisierung betrifft, etwa beim Gesellschafts-, Insolvenz- und Steuerrecht, ist auf EU-Ebene zu lösen.

Stichwort EU-Ebene. Sie sprechen auch oft von der “unvollendeten Kapitalmarktunion”. Was müsste aus Ihrer Sicht geschehen, um diese Kapitalmarktunion zu vollenden?

Das deckt sich mit den zuvor diskutierten Ansätzen, die jedoch in der langen Liste der – grundsätzlich zu befürwortenden – Ziele der Kapitalmarktunion nur unzureichend adressiert werden können, da derzeit die großen Kapitalsammelstellen nur durch die Mitgliedsstaaten geschaffen werden können. Ohne große Kapitalsammelstellen werden wir die europäische Konkurrenzfähigkeit nicht entscheidend ankurbeln können.

Inwiefern können Kapitalreserven in privaten Altersvorsorgesystemen oder Pensionsfonds als „Treibstoff“ für tiefe und liquide Märkte dienen? 

Indem sie in börsennotierte Unternehmen investieren. Damit schaffen wir die besagten großen Liquiditätspools bzw. Kapitalsammelstellen. Die Unternehmen haben somit eine umfassendere Kapitalquelle für Innovation und Wachstum. Das erklärt auch, warum wir in Europa mit Abwanderung von Listings in Richtung USA zu kämpfen haben. Wachstumsorientierte Unternehmen gehen dorthin, wo sie potenziell das meiste Kapital bekommen können.

Wenn wir wollen, dass das nächste Google, Meta oder Amazon aus Europa kommt, müssen wir hier anpacken. Volkswirtschaften mit entwickelten Kapitalmärkten wachsen schneller und erholen sich rascher von Krisen.

Sie haben bereits angesprochen, dass die nun scheidende Regierung die Wiedereinführung der Behaltefrist für Aktien im Regierungsprogramm vereinbart hatte, ohne sie dann tatsächlich umzusetzen. Für wie wichtig – verglichen mit anderen Möglichkeiten, Anreize zu schaffen – wäre diese Maßnahme, um die private Vorsorge über die Börse attraktiver zu gestalten?

Ich bin immer dafür, Individuen zu ermächtigen und zu stärken und genau das macht die Behaltefrist. Die Befreiung von der KESt (Kapitalertragssteuer) für die langfristige Altersvorsorge ist als Anreiz nicht zu unterschätzen. Sie ist längst überfällig.

Versteuertes Arbeitseinkommen wird in Unternehmen investiert, diese schütten mit Körperschaftsteuer besteuerten Gewinn aus, auf den nochmal 27,5 Prozent geltend werden. Diese steuerliche Eskalation ist immens. Wer vorausschauend agiert und für sein Alter vorsorgt, sollte dringend entlastet werden.

Sie vertreten mit der Wiener Börse die österreichische Nationalbörse. Aktuell kursieren einige Vorschläge, die einen anderen Bereich, nämlich den vorbörslichen Kapitalmarkt betreffen und diese attraktiver machen sollen, etwa die Schaffung eines Dachfonds, der in bestehende Venture-Capital-Fonds investiert, oder einen Beteiligungsfreibetrag für Business Angels und andere private Kapitalgeber. Wie blicken Sie darauf?

Ich halte Ansätze, die Innovation, junges Unternehmertum und Wachstum fördern immer für begrüßenswert. Von jungen Unternehmen, die am Beginn ihrer Reise mit genügend Kapital ausgestattet werden, wird in weiterer Folge auch die Börse, die am oberen Ende der Finanzierungsstufen steht, profitieren.


Aus dem Archiv: Christoph Boschan im brutkasten-Studiotalk (September 2024):


Aus dem brutkasten-Printmagazin: Warum ein Börsengang nicht nur etwas für Großkonzerne ist


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