08.04.2016

Startups: Gesund mit dem Smartphone

Das Angebot an Gesundheits-Apps wächst stetig. Mehr als 100.000 Health-Anwendungen buhlen um die Gunst der Patienten. Allein in den USA steckten Investoren rund 1,4 Mrd Dollar in Health Startups – ein Trend, der nun auch Österreich erreicht hat.
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Wer körperlich und mental fit ist, fühlt sich besser und leistet mehr. So lautet das Motto der “Quantified Self”-Bewegung aus Amerika, die nun auch in Europa Fuß fasst. Der berühmte Apfel pro Tag scheint auf Dauer als Gesundheitsvorsorge nicht mehr zu reichen. Jeder zweite Deutsche habe laut einer Bertelsmann Studie das Smartphone schon bewusst für seine Gesundheit eingesetzt. Konkret geht es bei den digitalen Produkten für Gesundheit und Sport um Erkenntnisse aus personen- und umweltbezogenen Daten, die mittels Smartphones und Wearables gesammelt und ausgewertet werden.

Mündige Patienten

Digitale Gesundheitsdaten stärken den Wissensvorsprung der Patienten bei der Vorsorge und helfen Medizinern dabei, die richtige Therapieempfehlung zu finden. Christoph Sauermann, Geschäftsführer von Mediclass und Experte für Gesundheitspolitik, betont die steigende Bedeutung des Smartphones im Dienste der Gesundheit: “Ärzte werden durch die Informationen, die sie von ihren Patienten bekommen, bessere Diagnosen und Therapieempfehlungen treffen”, sagt Sauermann. „Das führt zu einer Kosteneffizienz.” Dadurch wird das Smartphone zu einem wichtigen Werkzeug – ob durch Information, Austausch mit anderen oder ein verbessertes Selbstmanagement. Nicht umsonst sei das “Gesundheitswesen unter den Top 3 Branchen für Investoren der Digital Disruption”, so Sauermann.

Entscheidende Hilfe

Der Mediziner Lukas Zinnagl hat das mobile Arzneimittelverzeichnis “Diagnosia” erfunden, das in einer Datenbank die Wechselwirkungen von Medikamenten ausweist. “Das soll den medikamentösen Entscheidungsprozess für Mediziner erleichtern”, sagt Zinnagl. Die Idee dazu hatte er während seiner Arbeit in einem Wiener Spital. “Wir geben keine Medikamentenempfehlungen ab, sondern machen die Fachliteratur für Ärzte verfügbar und bewerten die Evidenz”, erklärt der Jungunternehmer. Umso mehr war Zinnagl über den Gegenwind überrascht: Vor knapp einem Jahr kam das Startup ins Visier des Pharmakonzerns Sanofi-Aventis, das Diagnosia Ruf- und Kreditschädigung vorgeworfen hat. “Damit hätten wir in der Konzeptionsphase überhaupt nicht gerechnet”, hofft Zinnagl auf einen Einzelfall.

Zurückblickend auf seine persönliche Anfangszeit rät Zinnagl jungen Unternehmern viel fachliches Know-how durch Arbeitspraxis zu sammeln und nicht zu viele Co-Founder einzubinden. “Fünf waren definitiv zu viel”, erinnert sich Zinnagl an die Startschwierigkeiten. Als Startup müsse man sich genau den Markt, die Branche und die regulativen Vorgaben überlegen. “Ich hätte mir nicht gedacht, dass wir als App-Entwickler fünf Jahre später mit dem Gesundheitsministerium zusammensitzen”. Mit im Diagnosia-Schiff sitzt seit 2011 auch Business Angel Hansi Hansmann, der in Diagnosia investiert hat.

Vorsorge durch Dokumentation

Andere Startups im Health Bereich wollen die Rolle des Patienten mit Wissen über ihre Gesundheits- und Krankengeschichte stärken. Auf der Suche nach einer geeigneten Dokumentations-App für Diabetes, kam Frank Westermann die Idee für “MySugr“. Die App wird mit den Daten aus Blutproben und Ernährung gespeist, wertet diese aus und übermittelt sie auf Wunsch an den behandelnden Arzt. Der Betriebswissenschafter Westermann schöpft neben seiner eigenen Betroffenheit viel Motivation aus dem Feedback. In den rund 8.000 Userkommentaren schreiben manche von den lebensrettenden Folgen von MySugr. “Das ist ein Megaantrieb”, schwärmt Westermann. Das war aber nicht immer so. Zu Beginn der Gründungsphase hatte Westermann einen “guten Job, der Spaß gemacht hat” und damit Zweifel, ob er das aufgeben solle. Jetzt steht Westermann gemeinsam mit drei Co-Founder, alle vier Diabetiker, an der Spitze eines 30-köpfigen Unternehmens. Dieses Beispiel aus Österreich mit insgesamt 600.000 registrierten Diabetikern – davon 50% in Europa und 50% in den USA – zeigt, was passieren kann, wenn die Krankenkassen die Kosten für die Nutzung erstatten.

Fehlender Rahmen für Apps

Die Skepsis der Krankenkassen bei Kostenübernahmen von digitalen Health-Produkten erklärt Clemens Martin Auer, Sektionschef des Gesundheitsministeriums, mit einer fehlenden Klassifizierung: Notwendig wäre hier eine Ordnung, wo “in einem gemeinsamen Profil gewisse Standards und Normen definiert werden”. Nach Auer sei hierfür der Staat verantwortlich. “Wenn die Applikationen diesem Rahmen entsprechen, ist eine Zusammenarbeit mit den Krankenkassen realistisch”.

Datenschutz an erster Stelle

Bei Digital Health Anwendungen trommelt das Gesundheitsministerium (BMG) in erster Linie für den Datenschutz. „Personenbezogene Daten dürfen nur mit Zustimmung der Patienten verwendet und über verschlüsselte Server übermittelt werden“, unterstreicht Auer. Zudem stehe im Gesundheitswesen oft das Problem der Interoperabilität der IT Systeme im Weg. “Oft können Akteure, wie Apotheken, Spitäler oder Ärzte nichts mit den Infos der Partner anfangen”, sagt der BMG Sektionschef. Big Data in der Health-Branche sei für Auer ein „spannendes Thema mit viel Potential, das mit neuen Algorithmen sinnvoll genützt werden soll”.

In Sachen Digital Health Anwendungen sind sich Investoren und Gesundheitsexperten in einem Punkt einig: Auch wenn Österreich im Vergleich zu Deutschland oder den USA hinterherhinkt – die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist nicht mehr aufzuhalten.

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CTO Sebastian Baron, CEO Simon Valverde, Co-Founderin Helene Herrmann (c) Twine

Künstliche Intelligenz vereinfacht uns das Leben in vielen Bereichen und könnte uns in mancher Hinsicht sogar ersetzen. Bald wird KI möglicherweise in der Lage sein, menschliche Emotionen zu erkennen und nachzuahmen. Doch kann KI auch zwischenmenschliche Beziehungen einschätzen und für uns sogar das „Perfect Match“ finden?

Dieser Herausforderung nimmt sich Gründer und CEO Simon Valverde mit seinem PsyTech-Startup Ascalon an. Zusammen mit Kommiliton:innen entwickelte er während des Studiums die App Twine, die auf einer Matching-AI basiert. Durch die Verbindung von Psychologie und KI soll Twine Menschen zusammenbringen, die wirklich gut zueinander passen. Im Interview mit brutkasten gibt Simon Valverde einen Einblick in die Möglichkeiten, die sich hinter PsyTech verbergen.

Twine fokussiert sich auf Hobbys und Interessen

Die Entstehungsgeschichte von Twine begann in einem Studentenwohnheim in Salzburg, entstanden aus der Frustration, keine:n passende:n Partner:in für bestimmte Aktivitäten gefunden zu haben. Jede:r kennt das Problem: Man will ein Hobby oder Interesse teilen, aber im eigenen Umfeld findet sich niemand. Außerdem fiel dem Freundeskreis auf, dass Menschen generell immer weniger soziale Beziehungen eingehen würden.

Seit Oktober dieses Jahres kann das zehnköpfige Team aus Psychologie- und Data-Science-Studierenden oder -Absolvent:innen nun endlich sein Produkt präsentieren: Twine ist eine App, über die man durch gemeinsame Interessen und Freizeitaktivitäten neue Leute kennenlernen kann – „ohne Aufwand und mit der Gewissheit, dass man sich versteht“.

Hinter Twine steckt ein eineinhalb Jahre lang optimiertes Matching-AI-Modell. Sein Ziel war es, einen “Algorithmus zu entwickeln, der Leute zueinander bringt, die zueinander passen“, erklärt CEO Simon Valverde.

KI soll zwischenmenschliche Beziehungen verstehen

Das Besondere an Twine: Die Matches basieren auf psychologischen Erkenntnissen und werden mithilfe von KI ausgewählt. Das zugrunde liegende KI-Modell funktioniert wie folgt: Bei der Anmeldung beantwortet man einen Fragebogen, auf dessen Basis ein persönliches Charakterprofil erstellt wird. Dazu werden Informationen über die Persönlichkeit und Interessen der jeweiligen Person erhoben. Vor allem die Erwartungen und Bedürfnisse sind nach den Erkenntnissen der Sympathieforschung entscheidend für die zwischenmenschlichen Beziehungen. „Persönlichkeitsmerkmale müssen in Beziehungen gar nicht perfekt übereinstimmen,“ erklärt Valverde, der selbst Psychologie, Data Science und Wirtschaft in Salzburg studiert hat.

Die KI lernt kontinuierlich dazu: sie verarbeitet die Fragebögen sowie das Verhalten, die Interaktionen und das Feedback der Nutzer:innen, um immer besser zu erkennen, welche Eigenschaften und Erwartungen zusammenpassen. Bei einem Match erhält man einen individualisierten Text, der erklärt, warum die andere Person gut zu einem passt.

Das Twine-Team arbeitet aktuell an neuen Funktionen für die App. Zukünftig wird es möglich sein, eine ganze Gruppe für gemeinsame Aktivitäten zu finden oder die bestehende Freundesgruppe zu erweitern. Durch den Vergleich mit bestehenden Freundschaften soll die KI künftig noch besser verstehen, wie zwischenmenschliche Beziehungen funktionieren.

Startup möchte mit psychologischem KI-Modell in B2B-Bereich

Twine verzeichnet bereits erste Erfolge: Seit dem Start am 1. Oktober zählt die Matching-App 300 aktive Nutzer:innen, vorwiegend aus der Boulder-Community in Salzburg.

Aktuell wird das Projekt noch aus eigenen Mitteln finanziert, doch das Team hofft auf Investoren, um die Matching-KI weiter zu verbessern. „Diese App ist jedoch nur ein erster Schritt, um Social-AI-Modelle in einem realen Umfeld zu testen und weiterzuentwickeln,“ erklärt Valverde. Twine konzentriert sich derzeit vor allem auf den Customer-Proof und die Datensammlung, um das KI-Modell für den B2B-Bereich zu optimieren. Das langfristige Ziel sei es, einer KI das “soziale Judgement eines Psychologen” anzutrainieren. Diese Fähigkeit könne in vielen Bereichen Anwendung finden, etwa bei der Suche nach passenden Mitarbeiter:innen. Langfristig plant das Startup Ascalon, diese psychologischen KI-Modelle im B2B-Sektor zu monetarisieren.

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