19.12.2018

Zehn Startups, die 2018 Aufmerksamkeit in Deutschland erregten

Börsengänge, Investments, Turnarounds. Auch im Nachbarland Deutschland geht ein bewegtes Jahr der Startup-Szene zuende. Wir lassen einige wichtige Meldungen Revue passieren. Insbesondere - aber nicht nur - im Bereich FinTech lief es in Deutschland, mit dabei sind u.a. Wirecard, Deposit Solutions, RatePay und Finleap.
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Startups Deutschland 2018
(c) fotolia / elxeneize

Erfolg und Niederlage liegen 2018 auch in der deutschen Startup-Szene nah beieinander. Wir wagen einen kleinen Jahresrückblick und werfen einen Blick in das Nachbarland. Diese Unternehmen aus Deutschland sind uns besonders positiv aufgefallen. Das sind die wichtigsten Trends: Vor allem die FinTechs haben viel Geld eingesammelt und waren insgesamt ziemlich präsent in der Szene, gleich zwei Online-Möbelhändler wagten den Schritt an die Börse, ein Spieleentwickler und eine digitale Umzugsunternehmen wurde für das Durchhaltevermögen mehr als entlohnt und ein Übersetzungsdienst mausert sich zu einer ernsthaften Konkurrenz für die großen BigTechs.

+++ Markteintritt in Deutschland: Was österreichische Startups beachten müssen +++

1. Wirecard

Unterschätze niemals ein Startup: Kaum ein Unternehmen hat in den letzten Monaten so an den Grundfesten des deutschen Bankenwesens gerüttelt, wie Wirecard aus München. Es schaffte, die Großen vom Thron zu stürzen und ihnen das „Fürchten“ vor den jungen Wilden zu lehren. Viel beachtet stieg Anfang September der Münchner Zahlungsabwickler Wirecard in die Top-Börsenliga auf. Für das FinTech muss das Dax-Gründungsmitglied Commerzbank seinen Platz im deutschen Leitindex der 30 größten Konzerne räumen. Beim Börsenwert von mehr als 24 Milliarden Euro hatte Wirecard zuvor nicht nur die Commerzbank weit hinter sich gelassen, sondern auch schon die Deutsche Bank überflügelt.

2. Deposit Solutions

Nach der Überweisung frischen Kapitals wird das Hamburger Startup, bekannt vor allem für die Zinsvermittlung Zinspilot, nun mit 500 Millionen Dollar bewertet. Zuvor floss Geld in Höhe von 88 Millionen Euro von den Vitruvian Partners (Großbritannien) und Kinnevik (Schweden) sowie bestehenden Investoren. Es war die zweitgrößte Finanzierungsrunde für ein deutsches FinTech überhaupt. Mit dem Geld will Deposit Solutions rund um Gründer Tim Sievers in die USA expandieren. Über einen möglichen Börsengang des Unternehmens wird nun mehr oder weniger laut spekuliert.

3. Westwing

Kissen, Bettwäsche, Stühle und vieles andere mehr verkauft der Möbelhändler Westwing. Seine Gründerin, Delia Fische, brachte ihr Unternehmen sieben Jahre nach Start in Deutschland nun im zweiten Anlauf im Herbst an die Börse. Westwing wollte beim IPO rund 132 Millionen Euro einsammeln. Aufgrund starker Kursverluste fiel der IPO jedoch nicht so erfolgreich aus, wie geplant. Dennoch behauptet sich das Unternehmen bislang recht erfolgreich an der Börse.

4. Wooga

Für die Szene und für Berlin im Besonderen ist diese Geschichte ein Signal: Wooga-Gründer Jens Begemann hat in den letzten Jahren alle Höhen und Tiefen erlebt. Mit großem Erfolg 2009 gestartet mutierten die vergangenen Jahre für den Gaming-Entwickler mitunter zum Höllenritt. Es war alles dabei: Stellenabbau, mangelnde Fokussierung der Produkte und ungeduldigen Investoren. Doch Begemanns Glaube an sein Unternehmen und an den Markt zahlten sich aus: Jetzt verkaufte er Wooga an den israelischen Spielehersteller Playtika, der einem chinesischen Konsortium gehört – für 200 Millionen Dollar.

5. RatePay

Wer bei einem der vielen Online- Händler bestellt, bekommt kurze Zeit später digitale Post von RatePay. Das Berliner Unternehmen bietet sicheres Bezahlen für Online Shops ohne Risiko. Ende November dieses Jahres wird bekannt, dass die niederländische NIBC Bank dem Berliner Payment-Fintech eine Kreditlinie in Höhe von 83 Millionen Euro zur Verfügung stellt. RatePay wurde 2009 von Miriam Wohlfarth und Jesper Wahrendorf an den Start gebracht. Bereits 2010 kaufte der Versandhändler Otto das Startup, bereits ein Jahr später wird es von Advent International und Bain Capital übernommen.

6. Movinga

Einen langen Atem hat Finn Age Hänsel beim Umzugsunternehmen Movinga bewiesen, 2018 konnte er dann endlich die Früchte ernten. Ihm gelang, was zeitweise niemand mehr für möglich gehalten hatte: der Turnaround. Noch im Frühjahr 2016 stand Movinga kurz vor der Pleite. Die Gründer mussten gehen. Hänsel aber blieb – auf Bitten der Investoren. Mittlerweile beschäftigt das Berliner Unternehmen wieder mehr als 200 Leute. Movinga erhielt Ende November 15 Millionen Euro und geht damit gleich auf Einkaufstour. Mit dem frischen Kapital kauft Hänsel den französischen Marktführer, dazu sowie Teile des insolvent gegangenen deutschen Konkurrenten Move24. Damit ist Movinga die mit Abstand größte Umzugsplattform Europas.

7. Relayr

Einen der finanziell größten Erfolge der letzten Jahre feierte das Berliner Sensorik-Startup Relayr fünf Jahre nach dessen Gründung. Der Versicherungskonzern Munich Re kaufte das Unternehmen für 300 Millionen US-Dollar. Das Startup bietet kleineren und mittleren Unternehmenskunden eine Plattform, in der die Daten von Maschinen zusammenfließen.

8. DeepL

Das Unternehmen gehört zu jenen, die völlig unauffällig und still vor sich hin werkeln, aber dann plötzlich zu den ganz Großen gehören. Für DeepL aus Köln dürfte es vermutlich auch bald soweit sein. Benchmark Capital investierte einen ungenannten Betrag – sicherlich aber einen zweistelligen Millionenbetrag. Den Kölner Hidden Champion gibt es eigentlich schon seit 2009 und kümmert sich um Übersetzungen aller Art – zunächst allerdings unter der Marke Linguee, einer Internet-Suchmaschine für Übersetzungen. Im Sommer des vergangenen Jahres ging dann DeepL an den Start. In der App und auf der Plattform der Firma können Nutzer kostenlos Texte übersetzen lassen, derzeit stehen neun Sprachen zur Auswahl. Die KI-basierte Technik der Kölner soll Tests zufolge besser sein als die hinter den Übersetzungsdiensten von Google, Facebook und Microsoft. 50 Millionen Personen hätten das Tool allein im November genutzt, heißt es von DeepL.

9. Home24

Nach Delivery Hero und HelloFresh (beide 2017 an die Börse) wagte im Juni das dritte Rocket-Gewächs den IPO. Hinter dem Unternehmen liegen teilweise schwere Zeiten, mit Entlassungen, einer heftigen Abwertung – und einer großen Vision. 2016 wurde das Unternehmen noch mit 981 Millionen Euro bewertet. Wenig später hatte sich der Wert mehr als halbiert. 150 Millionen Euro wollte Home24 mit dem Börsengang einsammeln. Seither hat der Online-Möbelhändler jedoch zu kämpfen. Ursprünglich wollte das junge Unternehmen in diesem Jahr um 30 Prozent wachsen. Jetzt sollen es nur noch 20 Prozent sein.

10. Finleap

Im Geld einsammeln hat der Berliner Company Builder Finleap Erfahrung: 2018 erhielt er vom chinesischen Versicherungsunternehmen Ping An eine Finanzspritze in Höhe von 41,5 Millionen Euro. Bereits im Vorjahr gingen bei Investoren die Geldbörsen auf pumpten insgesamt 39 Millionen Euro in das Berliner Unternehmen. Finleap hat bislang zwölf FinTechs gestartet, darunter die Solarisbank, den Online-Makler Clark und den Kontowechsel-Spezialisten Finreach.

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AI Landscape 2024, Wasner, Hochreiter
(c) Stock.Adobe/GamePixel - Die AI Landscape 2024 ist da.

Die Austrian AI Landscape von Clemens Wasner (EnliteAI, AI Austria) zeigt AI-Startups und -Unternehmen aus der heimischen Startup-Szene. Das Branding dazu wurde von Andreas M. Keck, Kopf und Gründer von “beamr. brand consulting studio” pro-bono durchgeführt. Es ist bereits die insgesamt achte Ausgabe der österreichischen KI-Landschaft.

AI Landscape 2024 wird größer als ihre Vorgänger

“Heuer gibt es 70 neue Unternehmen, ein Novum in dieser Größenordnung. Es ist ein internationales Phänomen, denn die Eintrittsbarriere für die Gründung eines KI-Unternehmens ist gesunken. Ein Grund ist, dass viele Basistechnologien als ‘open source’ verfügbar sind und nicht mehr von Grund auf selbst entwickelt werden müssen”, erklärt Wasner die gestiegene Anzahl an KI-Unternehmen in Österreich.

Besonders im Bereich “Corporate Early Adopters” zeigt sich eine starke Steigerung. “Unternehmen, die teilweise 100 Jahre alt sind, haben eigene AI-Business-Units aufgebaut, eigene Teams zusammengestellt und sind Joint Ventures eingegangen. AI ist schlussendlich in der Realwirtschaft angekommen”, so der AI-Experte weiter.

Die AI Landscape Austria 2024

(c) EnliteAI, AI Austria, Andreas M. Keck (beamr) – Die gesamte Austrian AI Landscape.

Cybersecurity-Bereich steigt

Allgemein ist festzustellen, dass sich – entgegen der letzten Jahre – mehr Firmen mit “Cybersecurity & Defence” beschäftigen. Die Gründe dafür sind, dass es einerseits, wie erwähnt, mehr Open-Source-Modelle gibt, auf die man zurückgreifen kann, ohne selbst Basis-Modelle entwickeln zu müssen. Andererseits hat der Ukraine-Krieg ein Bewusstsein für diese Branche geschaffen.

Die EU hat etwa am 15. März 2024 das Arbeitsprogramm für den European Defence Fund veröffentlicht. Die offizielle Ausschreibung wurde am 20. Juni geöffnet, eine Einreichung war bis zum 5. November 2024 möglich. Diese Ausschreibung war mit 1,1 Milliarden Euro dotiert, wovon 40 Millionen Euro für disruptive Technologien und 67 Millionen Euro für KMU vorgesehen sind.

AI Landscape: GenAI als Treiber

Einen anderen Faktor für die Steigerung der Anzahl an KI-Firmen in Österreich sieht Wasner darin, dass viele Unternehmen in der Vergangenheit auf Automatisierung gesetzt hätten. Belege erkennen, den E-Mail-Posteingang lesen und ins CRM schieben – das sei mit der eigenen Technologie natürlich limitiert gewesen, durch Generative AI und LLMs (Large Language Models) wären nun sehr viele in diesem Bereich tätig. “Das ist etwas, das weltweit parallel passiert”, so Wasner. “Und Chatbots oder Dashboards beinhaltet.”

Auch bemerkenswert ist, dass im Bereich “Life Science” mittlerweile 30 Unternehmen aus Österreich vertreten sind. Für den KI-Experten “wenig verwunderlich”, da es hierzulande mit LISAvienna, INITS und mit dem Science Park Graz gleich drei Ökosysteme gibt, die in diesem Feld “Firmen produzieren”.

Zudem ist der Proptech-Bereich auffällig stark geworden, was wiederum an der Nutzung von LLMs liegt, zum Beispiel wenn es um die Auswertung von Dokumenten rund um Bauprojekte geht. Überall dort, wo man auf unstrukturierte Daten treffe – Baupläne, etc. – sei nun GenAI vermehrt einsatzbar und das ganze Proptech-Feld gehe “durch die Decke”. Insgesamt, so Wasner, gebe es heuer einfach mehrere große Themenfelder in der heimischen AI Landscape.

Beachtlich sei zudem, dass in der KI-Branche wenig Firmen pleite gegangen sind. “Dieses Jahr habe ich im Vergleich zum Vorjahr nur drei, vier Firmen herunternehmen müssen”, sagt er. “Davor waren es rund 30.”

Doch der KI-Experte warnt vor zu großer Euphorie. Er sieht den Moment jetzt als “Ruhe vor dem Sturm” und erwartet eine Konsolidierungswelle für das kommende Jahr. In diesem Sinne prognostiziert er einen Akquise-Trend, der uns bevorsteht. Größere Firmen würden, so seine Einschätzung, Unternehmen aus der Sparte “Operations & Search” aufkaufen, weil sich deren Angebot als replizierbares Business für Dienstleister auszeichne (Knowledge-Management, Bots, Suche mit LLMs).

Mehr Deregulierung, aber…

Was den europäischen Standort betrifft, wünscht sich Wasner mehr Deregulierung, allerdings nicht unbedingt auf der KI-Seite, wie er sagt. Europas KI-Problem liege vor allem im Umstand begründet, dass es hier schwieriger sei, zu gründen bzw. etwa Mitarbeiterbeteiligungen schwerer zu implementieren wären. “In Europa gibt es 27 Rechtsformen bei der Unternehmensgründung, das ist einfach nicht ‘investible'”, sagt er. Auch seien die Finanzierungen zu gering, vor allem dann, wenn man eine KI-Foundation baue. Mistral aus Frankreich wäre da der einzige Ausreißer, was europäische Top-KI-Firmen betreffe.

Als zweiten Punkt nennt Wasner, dass sich die “Compute-Infrastruktur” als zu klein für den europäischen Raum zeige und es von der EU-Seite Investitionen von mindestens 20 Milliarden Euro – wenn nicht mehr – bräuchte, um im KI-Konzert der Großen eine Chance zu haben. Der dritte und letzte Faktor, den Wasner in Sachen Wettbewerbsfähigkeit erwähnt, ist, auf “skilled immigration” zu setzen, um die besten Talente ins Land zu holen, wie er sagt: “Das allerdings geht nur, wenn man die ersten beiden Punkte löst.”

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