27.03.2023

Das müssen Startups über Vesting wissen

Gastbeitrag. Rechtsanwalt Andrei Demian beleuchet die in der Praxis regelmäßig vorkommenden Vesting-Regelungen bei Startup-Investments und damit verbundene Problemstellungen.
/artikel/startup-vesting
Rechtsanwalt Andrei Demian
Foto: Andrei Demian/Hintergrund: Adobe Stock

Start-ups erwirtschaften in den ersten Jahren in der Regel keine Gewinne, benötigen jedoch viel Kapital, um erfolgreich zu skalieren. Dieses Kapital wird – je nach Unternehmensphase – etwa durch Angel- oder Venture Capital-Investments aufgebracht.

Da vor allem im Anfangsstadium der Erfolg des Start-ups stark von einem engagierten Gründer- und Managementteam abhängig ist, soll durch vertragliche Regelungen Vorsorge getroffen werden, dass dieses möglichst lange an Board bleibt, damit das Investment unter Umständen nicht umsonst war. Vesting-Regelungen können hierfür ein sinnvolles Instrument sein.

Investoreneinstieg durch Kapitalerhöhung bei der Start-up GmbH

Die überwiegende Zahl der österreichischen Start-ups wird in der Rechtsform der GmbH gegründet und betrieben. Investoren stellen der Start-up GmbH „frisches“ Geld in Form von Eigenkapital zur Verfügung. Bei der Kapitalaufnahme in den sog. Finanzierungsrunden handelt es sich strukturell um ordentliche Kapitalerhöhungen bei der Start-up GmbH. Die Kapitalerhöhung ist mit einer Änderung des Gesellschaftsvertrags der Start-up GmbH verbunden und bedarf eines Gesellschafterbeschlusses mit einer 3/4-Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§§ 50 Abs 1 und 52 Abs 1 GmbHG), sofern im Gesellschaftsvertrag keine höhere Mehrheit dafür vorgesehen ist.

Anlässlich des Einstiegs der Investoren in die Start-up GmbH wird eine Bewertung des Start-ups vorgenommen und die Höhe der Beteiligung festgelegt, die der Investor für sein Investment erhält. Bei der Bewertung des Start-ups ist das Gründerteam insbesondere in einer frühen Unternehmensphase ein wichtiger Bewertungsfaktor.

Die Beteiligung an einem Start-up wird aus Investorensicht regelmäßig als eine „Investition in Köpfe“ gesehen, weshalb Investoren ein Interesse haben, dass das Gründerteam, welches auch die Geschäftsführung des Start-ups bildet und die Managementaufgaben verantwortet, möglichst lange an Board bleibt und an der Entwicklung des Unternehmens weiterarbeitet. Diesem Interesse kann durch verschiedene vertragliche Mechanismen Rechnung getragen werden.

Call-Optionen und Vesting-Regelungen in der Gesellschaftervereinbarung

Spätestens zum Zeitpunkt des Einstiegs von Investoren in die Start-up GmbH wird eine Gesellschaftervereinbarung abgeschlossen, welche die Rechtsbeziehungen einerseits zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern und andererseits zwischen den Gesellschaftern untereinander regelt. Die Gesellschaftervereinbarung gehört bei Start-up Investments zum Standardrepertoire und wird regelmäßig bereits anlässlich der Start-up Gründung abgeschlossen.

Um einen möglichst langen Verbleib sowie eine aktive Mitwirkung des Gründerteams im Unternehmen abzusichern, werden in der Gesellschaftervereinbarung festgelegte Fallgruppen, die mittelbar oder unmittelbar zu einer Beendigung der Managementtätigkeit der Gründer führen („Leaver-Fälle“), mit dem Verlust der Beteiligung der Gründer an der Gesellschaft sanktioniert.

Dazu wird den Mitgesellschaftern eine mit dem Eintritt eines Leaver-Falles aufschiebend bedingte Call-Option (Übertragungsangebot) auf den Erwerb der Beteiligung des/der ausscheidenden geschäftsführenden Gründungsgesellschafter/s eingeräumt. Bei Eintritt eines Leaver-Falles sind die Mitgesellschafter in der Regel im Verhältnis ihrer Beteiligung zueinander berechtigt, die Beteiligung des aus der Gesellschaft ausscheidenden Gründers zu erwerben.

Durch eine sog. Vesting-Regelung wird die Call-Option näher ausgestaltet. Diese sieht vor, dass dem Gründer in regelmäßigen Intervallen über einen gewissen Zeitraum und/oder bei Erreichen festgelegter Milestones ein bestimmter Prozentanteil seiner Beteiligung anwächst und damit nicht mehr der Call-Option unterliegt, sondern dem Gründer unwiderruflich zugesprochen wird.

Als Vesting-Periode wird üblicherweise ein Zeitraum zwischen drei und fünf Jahren vereinbart. Sobald die gesamte Beteiligung gevestet (angewachsen) ist, unterliegt sie nicht mehr der Call-Option. Je nach Reife des Start-ups kann auch ein bestimmter Anteil der Beteiligung der Gründer als vorab gevestet von der Call-Option ausgenommen sein.

Unterscheidung: Good Leaver vs Bad Leaver

Die in der Gesellschaftervereinbarung definierten Leaver-Fälle unterscheiden werden anhand der Ursache für die Beendigung der Tätigkeit voneinander unterschieden: Bei persönlichen, schweren Verfehlungen oder etwa auch der außerordentlichen Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrags aus wichtigem Grund liegt ein „Bad Leaver“ Fall vor. Ist die weitere Mitwirkung hingegen etwa infolge von Arbeitsunfähigkeit, Eigenkündigung des Anstellungsvertrags durch den geschäftsführenden Gründer oder Tod nicht mehr möglich, handelt es sich um einen „Good Leaver“ Fall.

Diese Unterscheidung spielt insbesondere bei der Reichweite des Beteiligungsverlustes infolge der Ausübung der Call-Option und bei der Höhe des bei Ausübung der Call-Option zu zahlenden Kaufpreises eine Rolle. Bei einem Good Leaver ist die bereits gevestete Beteiligung in der Regel „gesichert“ und unterliegt nicht mehr der Call-Option. Der nicht gevesteten Anteil wird hingegen den anderen Gesellschaftern zum Verkehrswert abgetreten.

Bei einem Bad Leaver ist häufig vereinbart, dass auch der gevesteten Anteil (teilweise oder zur Gänze) abgetreten wird und der Kaufpreis dafür unter dem Verkehrswert liegt. Die Vesting-Regelung kann auch eine sog. Cliff-Periode von zumeist einem Jahr vorsehen, vor deren Ablauf jeder Leaver-Fall (Good Leaver und Bad Leaver) zum vollständigen Verlust der Beteiligung führt.

Rechtliche Problemstellungen beim Vesting

In der Praxis haben sich unterschiedliche Gestaltungsvarianten gebildet, die je nach Verhandlungsposition gründer- oder investorenfreundlicher ausgestaltet sind.

Vesting-/Leaver-Regelungen, die über die Ausübung von Call-Optionen zum Ausschluss des betroffenen Gesellschafters führen, können allerdings rechtlich problematisch sein, wenn kein sachlicher Grund für den Ausschluss vorliegt. Nach der herrschenden Rechtsauffassung wird ein allgemeines und voraussetzungsloses, einseitiges Beendigungsrecht durch die anderen Gesellschafter als sittenwidrige Beeinträchtigung der Stellung des betroffenen Gesellschafters abgelehnt.

Im Hinblick auf die für den Erfolg des Start-ups wesentliche Bedeutung der Managementtätigkeit der Start-up Gründer, die auch für die Investmententscheidung der Investoren ausschlaggebend war, kann die Beendigung der Managementtätigkeit als sachlicher Grund dafür gesehen werden, dem betroffenen Gründer die Gesellschaftsbeteiligung zu entziehen.

Deckt eine Leaver-Regelung allerdings jede Beendigungsform der Managementtätigkeit ab, so ist davon auch die freie und an keinen Grund anknüpfende Abberufung des Geschäftsführers nach § 16 Abs 1 GmbHG – in der Regel als Good Leaver Fall – erfasst. Damit wird der Verlust der partiellen Gesellschafterstellung (nämlich im Ausmaß des nicht gevesteten Teils) aber in das freie Ermessen der anderen Gesellschafter gestellt. Das könnte insbesondere zu Beginn der Vesting-Periode unzulässig sein, weil zu diesem Zeitpunkt der überwiegende Teil der Beteiligung noch nicht gevestet ist.

Darüber hinaus ist darauf zu achten, dass ein zu niedriger Kaufpreis für die Ausübung der Call-Option (jedenfalls wenn er unter 50% des Verkehrswerts liegt), eine zu lange Geltungsdauer der Vesting-Klausel oder eine zu lange Cliff-Periode sittenwidrig und damit ebenfalls unzulässig sein können.

Vor dem Hintergrund der angeführten Problemstellungen empfiehlt es sich, derartige Klauseln vor deren Implementierung rechtlich prüfen zu lassen.


Über den Autor

Andrei Demian ist Rechtsanwalt bei LeitnerLaw Rechtsanwälte in Wien und auf Corporate/M&A, Venture Capital und Start-ups spezialisiert.

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AI Landscape 2024, Wasner, Hochreiter
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Die Austrian AI Landscape von Clemens Wasner (EnliteAI, AI Austria) zeigt AI-Startups und -Unternehmen aus der heimischen Startup-Szene. Das Branding dazu wurde von Andreas M. Keck, Kopf und Gründer von “beamr. brand consulting studio” pro-bono durchgeführt. Es ist bereits die insgesamt achte Ausgabe der österreichischen KI-Landschaft.

AI Landscape 2024 wird größer als ihre Vorgänger

“Heuer gibt es 70 neue Unternehmen, ein Novum in dieser Größenordnung. Es ist ein internationales Phänomen, denn die Eintrittsbarriere für die Gründung eines KI-Unternehmens ist gesunken. Ein Grund ist, dass viele Basistechnologien als ‘open source’ verfügbar sind und nicht mehr von Grund auf selbst entwickelt werden müssen”, erklärt Wasner die gestiegene Anzahl an KI-Unternehmen in Österreich.

Besonders im Bereich “Corporate Early Adopters” zeigt sich eine starke Steigerung. “Unternehmen, die teilweise 100 Jahre alt sind, haben eigene AI-Business-Units aufgebaut, eigene Teams zusammengestellt und sind Joint Ventures eingegangen. AI ist schlussendlich in der Realwirtschaft angekommen”, so der AI-Experte weiter.

Die AI Landscape Austria 2024

(c) EnliteAI, AI Austria, Andreas M. Keck (beamr) – Die gesamte Austrian AI Landscape.

Cybersecurity-Bereich steigt

Allgemein ist festzustellen, dass sich – entgegen der letzten Jahre – mehr Firmen mit “Cybersecurity & Defence” beschäftigen. Die Gründe dafür sind, dass es einerseits, wie erwähnt, mehr Open-Source-Modelle gibt, auf die man zurückgreifen kann, ohne selbst Basis-Modelle entwickeln zu müssen. Andererseits hat der Ukraine-Krieg ein Bewusstsein für diese Branche geschaffen.

Die EU hat etwa am 15. März 2024 das Arbeitsprogramm für den European Defence Fund veröffentlicht. Die offizielle Ausschreibung wurde am 20. Juni geöffnet, eine Einreichung war bis zum 5. November 2024 möglich. Diese Ausschreibung war mit 1,1 Milliarden Euro dotiert, wovon 40 Millionen Euro für disruptive Technologien und 67 Millionen Euro für KMU vorgesehen sind.

AI Landscape: GenAI als Treiber

Einen anderen Faktor für die Steigerung der Anzahl an KI-Firmen in Österreich sieht Wasner darin, dass viele Unternehmen in der Vergangenheit auf Automatisierung gesetzt hätten. Belege erkennen, den E-Mail-Posteingang lesen und ins CRM schieben – das sei mit der eigenen Technologie natürlich limitiert gewesen, durch Generative AI und LLMs (Large Language Models) wären nun sehr viele in diesem Bereich tätig. “Das ist etwas, das weltweit parallel passiert”, so Wasner. “Und Chatbots oder Dashboards beinhaltet.”

Auch bemerkenswert ist, dass im Bereich “Life Science” mittlerweile 30 Unternehmen aus Österreich vertreten sind. Für den KI-Experten “wenig verwunderlich”, da es hierzulande mit LISAvienna, INITS und mit dem Science Park Graz gleich drei Ökosysteme gibt, die in diesem Feld “Firmen produzieren”.

Zudem ist der Proptech-Bereich auffällig stark geworden, was wiederum an der Nutzung von LLMs liegt, zum Beispiel wenn es um die Auswertung von Dokumenten rund um Bauprojekte geht. Überall dort, wo man auf unstrukturierte Daten treffe – Baupläne, etc. – sei nun GenAI vermehrt einsatzbar und das ganze Proptech-Feld gehe “durch die Decke”. Insgesamt, so Wasner, gebe es heuer einfach mehrere große Themenfelder in der heimischen AI Landscape.

Beachtlich sei zudem, dass in der KI-Branche wenig Firmen pleite gegangen sind. “Dieses Jahr habe ich im Vergleich zum Vorjahr nur drei, vier Firmen herunternehmen müssen”, sagt er. “Davor waren es rund 30.”

Doch der KI-Experte warnt vor zu großer Euphorie. Er sieht den Moment jetzt als “Ruhe vor dem Sturm” und erwartet eine Konsolidierungswelle für das kommende Jahr. In diesem Sinne prognostiziert er einen Akquise-Trend, der uns bevorsteht. Größere Firmen würden, so seine Einschätzung, Unternehmen aus der Sparte “Operations & Search” aufkaufen, weil sich deren Angebot als replizierbares Business für Dienstleister auszeichne (Knowledge-Management, Bots, Suche mit LLMs).

Mehr Deregulierung, aber…

Was den europäischen Standort betrifft, wünscht sich Wasner mehr Deregulierung, allerdings nicht unbedingt auf der KI-Seite, wie er sagt. Europas KI-Problem liege vor allem im Umstand begründet, dass es hier schwieriger sei, zu gründen bzw. etwa Mitarbeiterbeteiligungen schwerer zu implementieren wären. “In Europa gibt es 27 Rechtsformen bei der Unternehmensgründung, das ist einfach nicht ‘investible'”, sagt er. Auch seien die Finanzierungen zu gering, vor allem dann, wenn man eine KI-Foundation baue. Mistral aus Frankreich wäre da der einzige Ausreißer, was europäische Top-KI-Firmen betreffe.

Als zweiten Punkt nennt Wasner, dass sich die “Compute-Infrastruktur” als zu klein für den europäischen Raum zeige und es von der EU-Seite Investitionen von mindestens 20 Milliarden Euro – wenn nicht mehr – bräuchte, um im KI-Konzert der Großen eine Chance zu haben. Der dritte und letzte Faktor, den Wasner in Sachen Wettbewerbsfähigkeit erwähnt, ist, auf “skilled immigration” zu setzen, um die besten Talente ins Land zu holen, wie er sagt: “Das allerdings geht nur, wenn man die ersten beiden Punkte löst.”

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