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Start-ups erwirtschaften in den ersten Jahren in der Regel keine Gewinne, benötigen jedoch viel Kapital, um erfolgreich zu skalieren. Dieses Kapital wird – je nach Unternehmensphase – etwa durch Angel- oder Venture Capital-Investments aufgebracht.
Da vor allem im Anfangsstadium der Erfolg des Start-ups stark von einem engagierten Gründer- und Managementteam abhängig ist, soll durch vertragliche Regelungen Vorsorge getroffen werden, dass dieses möglichst lange an Board bleibt, damit das Investment unter Umständen nicht umsonst war. Vesting-Regelungen können hierfür ein sinnvolles Instrument sein.
Investoreneinstieg durch Kapitalerhöhung bei der Start-up GmbH
Die überwiegende Zahl der österreichischen Start-ups wird in der Rechtsform der GmbH gegründet und betrieben. Investoren stellen der Start-up GmbH „frisches“ Geld in Form von Eigenkapital zur Verfügung. Bei der Kapitalaufnahme in den sog. Finanzierungsrunden handelt es sich strukturell um ordentliche Kapitalerhöhungen bei der Start-up GmbH. Die Kapitalerhöhung ist mit einer Änderung des Gesellschaftsvertrags der Start-up GmbH verbunden und bedarf eines Gesellschafterbeschlusses mit einer 3/4-Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§§ 50 Abs 1 und 52 Abs 1 GmbHG), sofern im Gesellschaftsvertrag keine höhere Mehrheit dafür vorgesehen ist.
Anlässlich des Einstiegs der Investoren in die Start-up GmbH wird eine Bewertung des Start-ups vorgenommen und die Höhe der Beteiligung festgelegt, die der Investor für sein Investment erhält. Bei der Bewertung des Start-ups ist das Gründerteam insbesondere in einer frühen Unternehmensphase ein wichtiger Bewertungsfaktor.
Die Beteiligung an einem Start-up wird aus Investorensicht regelmäßig als eine „Investition in Köpfe“ gesehen, weshalb Investoren ein Interesse haben, dass das Gründerteam, welches auch die Geschäftsführung des Start-ups bildet und die Managementaufgaben verantwortet, möglichst lange an Board bleibt und an der Entwicklung des Unternehmens weiterarbeitet. Diesem Interesse kann durch verschiedene vertragliche Mechanismen Rechnung getragen werden.
Call-Optionen und Vesting-Regelungen in der Gesellschaftervereinbarung
Spätestens zum Zeitpunkt des Einstiegs von Investoren in die Start-up GmbH wird eine Gesellschaftervereinbarung abgeschlossen, welche die Rechtsbeziehungen einerseits zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern und andererseits zwischen den Gesellschaftern untereinander regelt. Die Gesellschaftervereinbarung gehört bei Start-up Investments zum Standardrepertoire und wird regelmäßig bereits anlässlich der Start-up Gründung abgeschlossen.
Um einen möglichst langen Verbleib sowie eine aktive Mitwirkung des Gründerteams im Unternehmen abzusichern, werden in der Gesellschaftervereinbarung festgelegte Fallgruppen, die mittelbar oder unmittelbar zu einer Beendigung der Managementtätigkeit der Gründer führen („Leaver-Fälle“), mit dem Verlust der Beteiligung der Gründer an der Gesellschaft sanktioniert.
Dazu wird den Mitgesellschaftern eine mit dem Eintritt eines Leaver-Falles aufschiebend bedingte Call-Option (Übertragungsangebot) auf den Erwerb der Beteiligung des/der ausscheidenden geschäftsführenden Gründungsgesellschafter/s eingeräumt. Bei Eintritt eines Leaver-Falles sind die Mitgesellschafter in der Regel im Verhältnis ihrer Beteiligung zueinander berechtigt, die Beteiligung des aus der Gesellschaft ausscheidenden Gründers zu erwerben.
Durch eine sog. Vesting-Regelung wird die Call-Option näher ausgestaltet. Diese sieht vor, dass dem Gründer in regelmäßigen Intervallen über einen gewissen Zeitraum und/oder bei Erreichen festgelegter Milestones ein bestimmter Prozentanteil seiner Beteiligung anwächst und damit nicht mehr der Call-Option unterliegt, sondern dem Gründer unwiderruflich zugesprochen wird.
Als Vesting-Periode wird üblicherweise ein Zeitraum zwischen drei und fünf Jahren vereinbart. Sobald die gesamte Beteiligung gevestet (angewachsen) ist, unterliegt sie nicht mehr der Call-Option. Je nach Reife des Start-ups kann auch ein bestimmter Anteil der Beteiligung der Gründer als vorab gevestet von der Call-Option ausgenommen sein.
Unterscheidung: Good Leaver vs Bad Leaver
Die in der Gesellschaftervereinbarung definierten Leaver-Fälle unterscheiden werden anhand der Ursache für die Beendigung der Tätigkeit voneinander unterschieden: Bei persönlichen, schweren Verfehlungen oder etwa auch der außerordentlichen Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrags aus wichtigem Grund liegt ein „Bad Leaver“ Fall vor. Ist die weitere Mitwirkung hingegen etwa infolge von Arbeitsunfähigkeit, Eigenkündigung des Anstellungsvertrags durch den geschäftsführenden Gründer oder Tod nicht mehr möglich, handelt es sich um einen „Good Leaver“ Fall.
Diese Unterscheidung spielt insbesondere bei der Reichweite des Beteiligungsverlustes infolge der Ausübung der Call-Option und bei der Höhe des bei Ausübung der Call-Option zu zahlenden Kaufpreises eine Rolle. Bei einem Good Leaver ist die bereits gevestete Beteiligung in der Regel „gesichert“ und unterliegt nicht mehr der Call-Option. Der nicht gevesteten Anteil wird hingegen den anderen Gesellschaftern zum Verkehrswert abgetreten.
Bei einem Bad Leaver ist häufig vereinbart, dass auch der gevesteten Anteil (teilweise oder zur Gänze) abgetreten wird und der Kaufpreis dafür unter dem Verkehrswert liegt. Die Vesting-Regelung kann auch eine sog. Cliff-Periode von zumeist einem Jahr vorsehen, vor deren Ablauf jeder Leaver-Fall (Good Leaver und Bad Leaver) zum vollständigen Verlust der Beteiligung führt.
Rechtliche Problemstellungen beim Vesting
In der Praxis haben sich unterschiedliche Gestaltungsvarianten gebildet, die je nach Verhandlungsposition gründer- oder investorenfreundlicher ausgestaltet sind.
Vesting-/Leaver-Regelungen, die über die Ausübung von Call-Optionen zum Ausschluss des betroffenen Gesellschafters führen, können allerdings rechtlich problematisch sein, wenn kein sachlicher Grund für den Ausschluss vorliegt. Nach der herrschenden Rechtsauffassung wird ein allgemeines und voraussetzungsloses, einseitiges Beendigungsrecht durch die anderen Gesellschafter als sittenwidrige Beeinträchtigung der Stellung des betroffenen Gesellschafters abgelehnt.
Im Hinblick auf die für den Erfolg des Start-ups wesentliche Bedeutung der Managementtätigkeit der Start-up Gründer, die auch für die Investmententscheidung der Investoren ausschlaggebend war, kann die Beendigung der Managementtätigkeit als sachlicher Grund dafür gesehen werden, dem betroffenen Gründer die Gesellschaftsbeteiligung zu entziehen.
Deckt eine Leaver-Regelung allerdings jede Beendigungsform der Managementtätigkeit ab, so ist davon auch die freie und an keinen Grund anknüpfende Abberufung des Geschäftsführers nach § 16 Abs 1 GmbHG – in der Regel als Good Leaver Fall – erfasst. Damit wird der Verlust der partiellen Gesellschafterstellung (nämlich im Ausmaß des nicht gevesteten Teils) aber in das freie Ermessen der anderen Gesellschafter gestellt. Das könnte insbesondere zu Beginn der Vesting-Periode unzulässig sein, weil zu diesem Zeitpunkt der überwiegende Teil der Beteiligung noch nicht gevestet ist.
Darüber hinaus ist darauf zu achten, dass ein zu niedriger Kaufpreis für die Ausübung der Call-Option (jedenfalls wenn er unter 50% des Verkehrswerts liegt), eine zu lange Geltungsdauer der Vesting-Klausel oder eine zu lange Cliff-Periode sittenwidrig und damit ebenfalls unzulässig sein können.
Vor dem Hintergrund der angeführten Problemstellungen empfiehlt es sich, derartige Klauseln vor deren Implementierung rechtlich prüfen zu lassen.
Über den Autor
Andrei Demian ist Rechtsanwalt bei LeitnerLaw Rechtsanwälte in Wien und auf Corporate/M&A, Venture Capital und Start-ups spezialisiert.