19.03.2019

Startup Report Austria 2018: Die Ergebnisse im Überblick

Heute präsentierte Florian Kandler seinen Startup Report Austria 2018. Die Ergebnisse der aktuellen Auflage des jährlich erscheinenden Reports sind durchwegs positiv. Kandler hat für uns im Gastbeitrag einige Highlights herausgegriffen.
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Startup Report Austria 2018
(c) Valerie Voithofer: Startup Report Austria Mastermind Florian Kandler

Das Lamento über die schlechte Anschlussfinanzierungs-Situation für österreichische Startups ist inzwischen zur Gewohnheit geworden. Dabei ist auch in diesem Bereich eine konstante Steigerung zu verzeichnen, wie aus dem heute veröffentlichten Startup Report Austria 2018 hervorgeht. Generell gibt es einen klaren Aufwärtstrend bei Startup-Investments in Österreich. Report-Mastermind Florian Kandler hat die wichtigsten Ergebnisse für uns zusammengestellt. Den gesamten Report kann man gratis auf startupreport.at downloaden.

+++ Die größten Investments in österreichische Startups im Jahr 2018 +++


Mehr Fundings von über 5 Millionen Euro

Elf heimische Startups schafften es im Jahr 2018, fünf Millionen Euro oder mehr von Investoren zu gewinnen. In Summe erhielten diese elf Unternehmen etwa 145 Millionen Euro von den Geldgebern. Das ist mehr, als im Jahr davor alle 63 im Startup Report Austria gelisteten Unternehmen gemein­sam erhielten, nämlich 133 Millionen Euro. 99 Startups sind dieses Jahr im Startup Report Austria angeführt. In Summe sammelten diese rund 236 Millionen Euro an Investorengeldern ein.

Mehr Deals in allen Größenordnungen

In Summe konnten wir mithilfe der Community 101 Investments finden, die offiziell oder im direkten Kontakt mit dem Projektteam des Startup Reports Austria bestätigt wurden. In allen erfassten Kategorien gab es mehr Deals als im Vorjahr. Auch die Anzahl an Deals zwischen einer und zwei Millionen Euro ist wieder gestiegen. Diese gelten als besonders schwierig, weil sie für Business Angels meist zu groß sind, für Venture Capital Firmen aber oft noch zu klein. Hier springt häufig der aws Gründerfonds ein und hilft Startups dabei, auf das nächste Level zu kommen.

Österreichs Startups reifen heran

Wenngleich die Anzahl an Deals quer durch die Bank steigt, zeigt ein Blick auf die investierten Summen einen interessanten Trend:
Die Gesamtsumme der Investments ist von 2017 auf 2018 mit 63 Prozent zwar stark gestiegen; schon im Vergleich von 2017 zu 2016 war hier ein starker Anstieg zu verzeichnen. Investitionsrunden über zwei Millionen Euro sind jedoch signifikant stärker gewachsen als kleinere Finanzierungsrunden von unter zwei Millionen Euro. Heimische Startups sind in den vergangenen Jahren herangereift und können nun erfolgreich größere Fundings abschließen. Die Gesamtsumme dieser großen Investments stieg 2018 um 66 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Die Verfolger Wiens

In Kärnten gab es zwei große Deals: bitmovin und Symvaro (jeweils auch schon in den Startup Reports der Vorjahre vertreten). Damit wurde Kärn­ten 2018 zum Bundesland mit den zweithöchs­ten Investitionssummen hinter Wien (höchstes Investment: TourRadar). Bei der Anzahl an Deals hat die Steiermark im Jahr 2018 Oberösterreich den zweiten Rang abgelaufen. Noch spannender wird der Blick auf die Investitionssummen der beiden Bundesländer: Während in der Steiermark Millioneninvestments zu Buche stehen – allen voran USound in der Kategorie über fünf Millionen Euro, gefolgt von sendhybrid, Stirtec und eyeson -, wurden in Oberösterreich in diesem Jahr, abgesehen von Tractive und View Elevator, vor allem zahlreiche kleinere Investments getätigt. Auch in Tirol tut sich viel: Das Bundesland verzei­chnete im Jahr 2018 die viertmeisten Deals. Vorarlberg lässt aufhorchen: Platz 4 bei den Investitionssummen – crate.io konnte dort ein Investment von über neun Millionen Euro gewinnen.

Investoren finden geht jetzt schneller

Die durchschnittliche Investorensuche dauerte 2018 für heimische Startups etwa sechs Monate, so wie schon im Vorjahr. Jedoch schafften es mehr Gründer, in weniger als sechs Monaten Geldgeber zu finden (was allgemein als Benchmark betrachtet wird). Gleichzeitig gibt es mehr Gründer, die neun Monate oder länger suchten (13 Prozent im Vergleich zu 7 Prozent im Vorjahr). Beides sind Indizien dafür, dass mehr Geld verfügbar ist. Denn, so die These: Startups, die einen klassischen Investment-Case für Risikokapital darstellen, finden schneller Geld, weil mehr Angebot zur Verfügung steht. Zugleich finden Nischen-Startups ebenfalls Geld, auch wenn sie länger suchen müssen, weil es für mehr und unterschiedlichere Startups passende Investoren gibt.

Viele Gespräche auf dem Weg zum Funding

Im Durchschnitt kontaktierten die erfolgreichen Gründer 34 Investoren und trafen durchschnittlich 13 davon zu persönlichen Gesprächen, ehe sie ihre Finanzierung erfolgreich abschließen konnten. Aus den Daten ist aber auch klar zu erkennen, dass Gründer, die das erste Mal auf Investorensuche gehen, bis zum erfolgreichen Abschluss eines Investments mehr Investoren kontaktieren und treffen müssen als erfahrenere Gründer, die auf ein bestehendes Netzwerk aufbauen können.

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Das Gründerteam Christian Hill und Gerhard Prossliner © BRAVE Analytics, Leljak

Das Grazer Spin-off BRAVE Analytics wurde von Christian Hill und Gerhard Prossliner im Jahr 2020 gegründet. Den Gedanken an ein gemeinsames Unternehmen gab es schon einige Zeit davor an der MedUni Graz. Nach erfolgreicher Dissertation und dem FFG Spin-off Fellowship kam es zur Ausgründung, zu ersten Kund:innen und einem Standortwechsel. Und schließlich zur erfolgreichen Einbindung in den Life Science Cluster Human.technology Styria unterstützt von der Steirischen Wirtschaftsförderung SFG.

Mittlerweile zählt BRAVE Analytics ein 14-köpfiges Team und sitzt im ZWT Accelerator in Graz, einem Kooperationsprojekt zwischen SFG und Medizinischen Universität Graz.

Das Team von BRAVE Analytics (c) © BRAVE Analytics, Leljak

Mut in der Geschäftsphilosophie

BRAVE Analytics steht für Mut in der Geschäftsphilosophie der beiden Gründer und des gesamten Teams: Christian Hill und Gerhard Prossliner fühlen sich “zu Entdeckungen hingezogen und lieben es, die Dinge aus einem völlig neuen Blickwinkel zu betrachten. Und genau diesen Spirit leben wir auch im Team.”

Wahrlich hat das Gründerduo mit seinem Spin-off das Forschungsgebiet Life Science in ein neues Licht gerückt: Denn BRAVE Analytics beschäftigt sich mit der automatisierten Qualitätssicherung für Pharma-, BioTech-Produkte, Wasser, Mineralien und Chemikalien. “Und das auf Partikel-Ebene. Das Ganze nennt sich Partikel-Charakterisierung und -Analytik”, erklärt Co-Founder Hill im Gespräch mit brutkasten.

Neu ist die Technologie insofern, als dass die Partikel-Analyse direkt im Herstellungsprozess von Pharmaprodukten passiert. Also integriert, das heißt weder vor- noch nachgelagert, und damit effizient und kostensparend. “Damit machen wir eine sogenannte Prozessanalytik im Nano-Bereich”, erklärt Co-Founder Hill.

Die Lösung für ein Bottleneck

Damit haben die beiden Gründer zusammen mit ihrem Team eine Lösung für ein bis dato bestehendes “Bottleneck in der Industrie” geschaffen. Mit den modularen Messgeräten von BRAVE Analytics kann die Qualität von Produkten im Pharma- und BioTech-Sektor nämlich in Echtzeit gemessen werden. Das Kernstück der Lösung bildet die vom Spin-off eigens entwickelte, mehrfach patentierte OF2i Technologie.

Doch bekannterweise benötigen Life-Science-Lösungen wie diese einen breiten Umfang an Forschungsinfrastruktur, der sich gerade für frisch gegründete Spin-offs schwer stemmen lässt. Und: Es braucht die richtigen Verträge, das richtige Kapital und das richtige Team. Auf der Suche danach gab es für BRAVE Analytics einige Schlüsselmomente, wie Co-Founder Hill im Gespräch mit brutkasten erzählt.

Der Standort für Life Science Startups

Die ersten Hardware-Aufbauten und Experimente fanden an der Medizinischen Universität Graz statt, die von den Anfängen mit Infrastruktur und Forschungspersonal unterstützte, die Universität Graz deckte die Bereiche Theorie und physikalisches Modelling und in Kooperation mit dem FELMI/ZFE der Technischen Universität Graz wird seit 2022 ein Zusatzmodul entwickelt.

Beim Schutz des geistigen Eigentums standen die Medizinische Universität Graz, die Steirische Wirtschaftsförderung SFG und die Forschungsförderungsgesellschaft FFG als helfende Hände zur Seite. Konkret mit Unterstützung für die Erarbeitung von Exklusiv-Lizenzen, Agreements und generell mit dem Know-how, wie man eine Firma aufbaut. Hier waren uns auch das Unicorn der Universität Graz, die Gründungsgarage und der Science Park Graz eine große Hilfe”, so Prossliner.

“Wir sind klassische Science-Preneure”

Die fachspezifische Unterstützung kam im richtigen Moment: “Wir sind die klassischen Science-Preneure. Unser Background ist das Universitäts- und Ingenieurswesen. Für uns war es wichtig zu lernen, wie man in das Unternehmertum reinkommt und den Produkt-Market-Fit findet. Man muss diese Produktverliebtheit, die man als Erfinder meistens hat, loswerden. Und das passiert ganz viel durch Learning by Doing.”

Besonders hilfreich habe sich vor allem das Bootcamp des FFG-Spin-off-Fellowship und das LBG Innovator’s Road Programme erwiesen, welche “eine schrittweise Einführung für den Weg von der Wissenschaft in Richtung Unternehmung” geboten haben, so Hill. Förderungen erhielt das Spin-off außerdem von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG, der Austria Wirtschaftsservice aws, der Steirischen Wirtschaftsförderung SFG und auf EU-Ebene.

Die Szene, die “Gold wert” ist

Nicht nur “by doing”, sondern vor allem auch “von anderen, die die gleichen Themen, Probleme und Potenziale haben”, hat das Startup im Aufbau sehr viel an Know-how und Erfahrung gewonnen. “Das Peer-Learning ist für uns einer der wichtigsten Wissensfonds”, so Co-Founder Prossliner im Interview.

Ein dafür zugeschnittenes Netzwerk gibt es in der Grazer Life Science Szene: “Auch abseits institutioneller Veranstaltungen befinden wir uns hier in einem sehr lebendigen Startup-Umfeld. Vieles passiert auf Eigeninitiative von Gründer:innen. Das Startup-Leben hier ist wirklich Gold wert.”

Global Player nur “fünf Rad-Minuten entfernt”

“Wir sind Hardware-Hersteller, wir brauchen Hochpräzisionsfertiger für unsere Prozesstechnologie. Die Steiermark und insbesondere Graz haben sich zu einem Stakeholder-Nest der besonderen Vielfalt entwickelt. Kooperationspartner aus Industrie, Wirtschaft und Forschung sitzen hier in unmittelbarer Nähe. Wir finden Experten, Lieferanten und Fertiger mit extremer Präzision und einer super Verlässlichkeit”, erzählt Prossliner und meint weiter: “Wir arbeiten hier in einem sehr engen Umfeld mit einer sehr schnellen Dynamik. Das ist unglaublich wertvoll.”

Ein ganzes Stakeholder-Feld mit internationaler Spitzenstellung findet sich also im Grazer Becken. Oder, wie es Gründer Prossliner erneut unterstreicht: “Da sind Global Player dabei, die wir in wenigen Rad-Minuten erreichen. Man muss also nicht gleich nach Asien oder in die USA, das Netzwerk gibt es hier auch.” Nicht umsonst spricht man seit geraumer Zeit von der “Medical Science City Graz” – mit Playern wie der Medizinischen Universität und dem Zentrum für Wissens- und Technologietransfer ZWT im Netzwerk.

Gerhard Prossliner (links) und Christian Hill (rechts) mit der Geschäftsführung des ZWT – Anke Dettelbacher (Mitte rechts) und Thomas Mrak (Mitte links) ©ZWT/Lunghammer.

Besenrein eingemietet

Grund genug auch für BRAVE Analytics, sich hier als aufstrebendes Life-Science-Startup niederzulassen. Nach seinen Anfängen in den Räumlichkeiten der MedUni Graz hat sich BRAVE Analytics nämlich im ZWT Accelerator einquartiert: “Wir waren unter den Ersten, die hier eingezogen sind. Als alles noch ziemlich besenrein war.”

Mittlerweile wird auch mit anderen dort sitzenden Startups stockwerkübergreifend genetzwerkt. Sei es im Stiegenhaus, bei Weihnachtsfeiern oder informellen ZWT-Treffen. Manchmal wird auch gemeinsam gefrühstückt und in den Abendstunden philosophiert. Daneben gibt es regelmäßige Get-Together-Formate wie das ZWT-Frühstück. Im Zuge der Startupmark finden auch themenspezifische Kooperationsformate wie der Life Science Pitch Day, ein exklusives Pitchingevent für Startups und Investor:innen aus dem Life Science-Bereich, statt.

Fußläufig flexibel

Thomas Mrak, Geschäftsführer des ZWT, erzählt dazu: “Vernetzung steht bei uns an erster Stelle. Und zwar nicht nur unter Foundern, sondern auch zwischen bereits etablierten Firmen, Unis, Instituten, Professor:innen und Ärzt:innen, die alle flexibel und fast fußläufig zu erreichen sind. Ich würde sagen, das ist die Essenz der Medical Science City Graz und bildet das optimale Umfeld, um als Spin-off Fuß zu fassen.”

Unterstützung gibt es im Grazer ZWT auch mit einer optimalen Infrastruktur und “startup freundlichen” Mietverträgen und Mietkonditionen: “Wir bieten Startups, die bei uns einziehen, ein einzigartiges Preis-Leistungsverhältnis, eine perfekte Ausstattung und sehr flexible Bedingungen. Vor allem hohe Investitionskosten und lange Bindungszeiten sind für Startups schon aufgrund ihrer dynamischen und teils volatilen Entwicklungen sehr kritisch, dabei helfen wir. Je nach Möglichkeit stellen wir nicht nur Büros und Laborinfrastruktur, sondern auch Seminar- und Besprechungsräume zur Verfügung.”

“Wir verstehen uns hier einfach sehr gut”

Unverkennbar gestaltet sich der Life Science Bereich in Graz als multidimensionaler Hub für Startups und Spin-offs – und das nicht nur auf akademischer Ebene: “Wir verstehen uns hier alle untereinander sehr gut. Es gibt kurze Wege, kurze Kommunikationswege und wir arbeiten zusammen auf Augenhöhe. Es klappt einfach zwischenmenschlich”, so Mrak.

BRAVE Analytics-Co-Founder Prossliner empfiehlt dahingehend: “Nutzt das tolle österreichische Förderungssystem. Wir haben hier vonseiten der Forschungsförderungsgesellschaft FFG, des Austria Wirtschaftsservice aws und der Steirischen Wirtschaftsförderung SFG tolle Unterstützung erhalten. Vom ZWT, der MedUni Graz, der Uni Graz und der TU Graz ganz zu schweigen.”

Und: “Bindet schon frühzeitig Kund:innen ein. Nur so ermittelt man die real-life Kundenbedürfnisse potentieller Märkte, und man kann vielleicht auch erste Umsätze generieren, die man wiederum mit Förderungen hebeln kann. Man muss sich schließlich auch finanziell stabilisieren, um für Investor:innen attraktiv zu sein.”

Der Asia Pull für Life Science

Aktuell erarbeitet BRAVE Analytics eine Investitionsrunde. Mittlerweile hält das Spin-off unterschiedliche Produkte und Kunden am Markt. Auch Industriepartner sind vorhanden. Aktuell befinde man sich in der Prescaling-Phase – mit einem starken “Asia Pull”. Interesse kommt nämlich zunehmend von Abnehmern aus Asien, wie Christian Hill erzählt:

“Unsere Technologie eignet sich nicht nur für die Pharmaindustrie, sondern auch für Wasser, Kläranlagen und Mikroplastik – und sogar für die Halbleiterindustrie. Wir bewegen uns hier in einem multidimensionalen Anwendungsfeld, gerade für das Umwelt- und Wassermonitoring. Das zieht viele Kunden aus Übersee an. Jetzt heißt es: die richtigen Schritte setzen und klug skalieren.”

Damit Christian Hill und Gerhard Prossliner ihre Ziele auch weiter verfolgen können, braucht es Menschen, die in den Life Science Sektor investieren: “Life Science ist ein Technologie- und Wissenschaftsfeld, das uns in Zukunft noch viel intensiver begleiten wird. Und auf das wir angewiesen sind”, so Thomas Mrak. Der ZWT-Geschäftsführer appelliert indes: “Es arbeiten so viele tolle Menschen mit persönlicher Motivation in diesem Feld. Diese haben das Potenzial, die Zukunft maßgeblich zu verändern. Doch dafür braucht es finanzielle Unterstützung, fundierte Netzwerke und noch mehr Aufmerksamkeit.”

Mehr Informationen zum steirischen Startup-Ökosystem und der Startupmark sind hier zu finden.

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