20.04.2022

Startup-Professor Franke: Das müssen wir für mehr Unicorns tun

Interview: Nikolaus Franke hat sich an der renommierten Sloan School am MIT inspirieren lassen und leitet seit 20 Jahren das Institut für Entrepreneurship an der WU Wien.
/artikel/startup-professor-nikolaus-franke-interview-2022
Nikolaus Franke ist Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien © WU Wien
Nikolaus Franke ist Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien © WU Wien

Nikolaus Franke hat sich an der Sloan School am MIT in den USA angesehen, wie man unternehmerisches Denken an Universitäten fördert. Dort treffen eine renommierte Business School auf eine naturwissenschaftlich-technische Fakultät – MIT-Alumni sollen insgesamt mehr als 30.000 Unternehmen gegründet haben, darunter Erfolgsgeschichten wie Intel, BlackRock, Dropbox, LinkedIn oder HubSpot. Franke hat dort gelernt, worauf es ankommt, um aus Forschern und Studierenden Entrepreneure zu machen.

Danach ist er an die Wirtschaftsuniverstät Wien gewechselt, um dort die Spezialisierung Entrepreneurship & Innovation und das zugehörige Institut aufzubauen. Im Interview mit dem brutkasten spricht er über Innovationsprojekte, die seine Studierenden gemeinsam mit Unternehmen, Startups und Forschungseinrichtungen umsetzen, über Spinoffs und den Wandel der Wahrnehmung des Themas Entrepreneurship an der WU.

Die WU Wien hat seit mehr als 20 Jahren ein Institut für Entrepreneurship und Innovation – was passiert dort?

Nikolaus Franke: Neben der akademischen Forschung legen wir viel Wert auf eine anwendungsbezogene Lehre. Die bedeutet, dass wir auf der einen Seite das Handwerkszeug vermitteln, also Methoden und Theorien. Gerade bei Entrepreneurship und Innovation ist aber wichtig, dass man diese Tools auch praktisch anwendet. In der Hälfte der Kurse arbeiten unsere Studierenden also in konkreten Projekten mit Externen wie Startups, KMU, multinationale Konzerne oder auch NPOs. Sie setzen das Gelernte ein, um damit reale Innovationsprobleme zu lösen.

Haben Sie ein Beispiel für ein solches Projekt?

Wir haben nun bald 1000 Projekte durchgeführt, die Themen sind sehr vielfältig. Sie umfassen innerbetriebliche Prozessoptimierungen, Businesspläne für Startups oder strategische Fragestellungen. Gemeinsam haben sie nur: Es sind keine Routineprojekte. Ein willkürlich herausgegriffener Projekttyp ist die Identifikation von innovativen Anwendungsbereichen von neu entwickelten Technologien. Forschungsinstitutionen wie das CERN oder Fraunhofer oder auch Unternehmen entwickeln oft neue Technologien für die interne Nutzung oder für einen bestimmten Kunden und sind dann auf der Suche nach weiteren Einsatzfeldern. Unsere Studierenden beginnen damit, die Technologie sozusagen „zu übersetzen“. Entwickelnde Ingenieure verwenden meist eine sehr technische Sprache und unsere Studierenden arbeiten entsprechend durch Interviews heraus, was sie eigentlich für die Kunden leistet. Das Ergebnis sind die Keypoints, die die Technologie wertvoll machen. Im nächsten Schritt werden breit gestreute Interviews mit Leuten aus anderen Branchen geführt, um herauszufinden, wo die Technologie hilfreich wäre. Wir haben bei einer Technologie mal 30 neue Märkte identifiziert und in ein Ranking gebracht – die erfolgversprechendsten zehn waren den Ingenieuren völlig unbekannt.

Dieses Angebot ist für Unternehmen kostenlos?

Nein, aber auch nicht kommerziell. Zu Beginn war es kostenlos und es gab dann oft Missverständnisse. Deshalb gibt es nun einen Unkostenbeitrag, mit dem wir Formate wie den E&I Touchdown finanzieren, auf dem die Projekte präsentiert werden. Wir verdienen aber nicht daran. Das wichtige ist, dass unsere Studierenden gute Problemlöser werden und dafür braucht es die Praxis. Gleichzeitig schaffen diese Projekte auch die Möglichkeit, Kontakte in die Wirtschaft aufzubauen und die Luft dort zu schnuppern. Umgekehrt hilft es den Unternehmen auch im Recruiting guter Mitarbeiter:innen.

Was machen Absolvent:innen solcher Projekte später nach dem Studium typischerweise? Sind das Startup-Gründer:innen oder eher Business Developer?

Das ist ganz unterschiedlich, da sich die Ausbildung mit vielem gut kombinieren lässt. Wir haben auch Kurse wie E&I Garage, in denen Teams mit Studierenden anderer Unis gebildet werden, um Geschäftsideen zu entwickeln. Manche fangen dabei Feuer und werden tatsächlich Gründer:innen. So ist zum Beispiel hokify entstanden. Wir sind zwar kein Inkubator, aber Aufbereiter von Möglichkeiten.

Haben Sie den Eindruck, dass der Startup-Boom auch an der WU spürbar ist?

Als ich vor 20 Jahren hierher kam, ging die Stimmung noch nicht in diese Richtung. Früher war man der Meinung, dass der pragmatisierte Beamte der Berufstraum von 99 Prozent der Studierenden an der WU ist.

Das hat sich geändert, nehme ich an?

Das hat, glaube ich, schon damals nicht gestimmt. Wir waren vom ersten Semester an überbucht und hatten immer schon sehr gute Studierende. 2001 bin ich gekommen und hatte erste Lehrveranstaltungen und im Sommersemester 2002 ging die Spezialisierung los.

Davor wurde an der Wirtschaftsuniversität kein unternehmerisches Denken gelehrt?

Es gab nichts Institutionalisiertes, aber ein paar Kollegen hatten das Thema in einzelnen Lehrveranstaltungen. Die WU war zwar die größte Business-Universität Europas, aber eben mit viel Marketing und Rechnungswesen und praktisch null Entrepreneurship und Innovation. Universitäten sind sehr stabile Gebilde mit einem starken konservativen Element – das sage ich sehr wohlwollend, denn das macht sie überlebensfähig. Die Grundthese an der WU war immer, dass wir „Employability“ sicherstellen müssen. Das ist zwar praktisch gedacht, unterstellt aber von vornherein Angestelltenkarrieren. Es ging also auch um eine Veränderung in der DNA der WU. Heute ist Entrepreneurship & Innovation sicher eine der begehrtesten der gut 30 Spezialisierungen an der WU. Das Thema Entrepreneurship ist definitiv „in“. Dazu trägt an der WU auch das Gründungszentrum bei, das wir 2015 gegründet haben.

Sie sind sehr früh an jenen Persönlichkeiten dran, die später erfolgreiche Startups gründen – was macht diese Persönlichkeiten aus Ihrer Sicht aus?

Es sind Menschen mit einer hohen Kreativität, denen man eine hohe schöpferische Energie anmerkt, und die etwas leisten wollen. Sie suchen häufig noch nach ihrem Feld und genau deshalb sind auch unsere Kooperationen so wichtig. Dieses Kombinieren von kaufmännischem Wissen mit Menschen, die neue Technologien entwickeln – da entsteht Innovation.

Da schlummert sicher viel Potenzial an technischen und naturwissenschaftlichen Universitäten – Österreich gelingt es noch viel zu wenig, daraus Spinoffs zu generieren. Wie könnte man das effizienter angehen?

Dafür braucht es mehr Kooperation. Es reicht nicht, nur Technologietransferstellen einzurichten. Auch ein Inkubator, der bei einigen wenigen Projekten weiterhilft, reicht nicht. Das sind natürlich wichtige Elemente, aber es mangelt ja eher am Intake – alle diese Programme hätten gerne mehr richtig gute Kandidaten. Ich habe eine Zeit lang in den USA geforscht und dabei analysiert, wie die Sloan School am MIT Innovation macht. Dort gibt es einen technisch-naturwissenschaftlichen Bereich und eine Business School, und es ist sehr interessant, wie diese zwei Welten dort systematisch zusammengebracht werden. Die Techniker öffnen sich der Kommerzialisierung und Umsetzung und umgekehrt verlieren Business-Studierende ihre Berührungsängste. Das gelingt über Zusammenarbeit. Wir haben entsprechend ebenfalls eine Initiative ins Leben gerufen, das „Entrepreneurship Center Network“, die an der Vernetzung der österreichischen Unis arbeitet.

Spinoffs haben wir trotzdem nur sehr wenige…

Meiner Meinung nach müssten wir zwei Dinge tun. Erstens mehr auf Kooperation setzen, vor allem zwischen Technologie und Business. Und zweitens müssen wir in die Breite gehen. Wer Spitzensportler will, muss auch zunächst den Breitensport fördern. Genauso ist es mit Entrepreneurship. Wenn wir mehr Unicorns wollen, müssen wir dafür sorgen, dass sehr viele innovative Projekte gestartet werden. Jedes Startup ist ein Experiment.

Und es ist auch eine Frage des Geldes.

Ja, das ist richtig. Das Problem ist nicht der Wille der handelnden Personen, sondern das Fehlen von Ressourcen. Man braucht Personal, Strukturen und einen langen Atem. Für private Investoren sind diese ganz frühen Phasen nicht interessant, die Streuverluste sind zu hoch. Wir haben also einen klassischen Fall von Marktversagen, obwohl der Hebel für gesellschaftlichen Nutzen herausragend gut ist. Das bedeutet: der Staat muss ran. Leider gibt es im Bildungssystem aber einen starken finanziellen Druck. Man muss aber gar nicht so weit schauen, um zu sehen, wie man es besser machen kann. Die TU München gehört zu den Top-Unis in Sachen Spinoffs und die haben ganz andere finanzielle Möglichkeiten in diesem Bereich. Alleine die BMW Stiftung bringt dort viele Millionen Euro ein. Ideen und Pläne genügen nicht, man braucht auch die notwendigen Mittel.

Deine ungelesenen Artikel:
14.11.2024

“Analyser”: Konsortium entwickelt Tool, das bei CSRD und EU-Taxonomie helfen soll

In einem von der FFG geförderten Projekt unter der Leitung von Fraunhofer Austria wird ein Tool entwickelt, das Unternehmen beim Erfüllen der CSRD-Anforderungen unterstützen soll.
/artikel/analyser-konsortium-entwickelt-tool-das-bei-csrd-und-eu-taxonomie-helfen-soll
14.11.2024

“Analyser”: Konsortium entwickelt Tool, das bei CSRD und EU-Taxonomie helfen soll

In einem von der FFG geförderten Projekt unter der Leitung von Fraunhofer Austria wird ein Tool entwickelt, das Unternehmen beim Erfüllen der CSRD-Anforderungen unterstützen soll.
/artikel/analyser-konsortium-entwickelt-tool-das-bei-csrd-und-eu-taxonomie-helfen-soll
Analyser, CSRD, EU-Taxonomie
(c) - PwC Österreich -Das Konsortium des Projekts "Analyser" beim Kick-Off.

Die Regeln der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die in den kommenden Jahren sukzessive schlagend werden, bedeuten für zahlreiche österreichische Unternehmen eine Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Bei vielen von diesen – auch jene, die freiwillig schon früher als erforderlich mit der Umsetzung starten – werden Schwierigkeiten erwartet, die Anforderungen zu erfüllen, da insbesondere KMU nicht über ausreichend Kapazitäten für interne Nachhaltigkeitsabteilungen verfügen würden.

CSRD und Taxonomie

Dies gilt im Besonderen für die EU-Taxonomie, die ergänzend zur CSRD anzuwenden ist. Gemäß ihr müssen die wirtschaftlichen Aktivitäten eines Unternehmens als nachhaltig oder nicht-nachhaltig deklariert werden.

Die Verordnung umfasst umfangreiche und detaillierte Kriterien, die für Ungeübte nicht leicht zu verstehen sind. Deshalb will in einem kürzlich gestarteten Forschungsprojekt namens “AI Enabled Sustainability Jurisdiction Demonstrator” (Analyser) ein Forschungskonsortium KI-basierte Module entwickeln. Die sollen es auch ungeschulten Anwenderinnen und Anwendern ermöglichen, die gesetzlichen Meldepflichten zu erfüllen. So soll eine Erleichterung für Unternehmen erzielt werden.

“Das oberste Ziel unseres Projekts ist es, die Zahl der KMU zu erhöhen, die selbstständig in der Lage sind, die EU-Taxonomie in guter Qualität zu berichten”, erklärt Maximilian Nowak, der das Projekt bei Fraunhofer Austria leitet.

Das Konsortium

Das Konsortium, bestehend aus Fraunhofer Austria, Universität Innsbruck, Technischer Universität (TU) Wien, Leiwand AI, PwC Wirtschaftsprüfgesellschaft, der Wirtschaftsagentur Niederösterreich ecoplus, Murexin und Lithoz wird dafür Teile des Prozesses mithilfe von Künstlicher Intelligenz automatisieren. Ein Chatbot, der auf einem eigens kreierten Sprachmodell beruht, soll mit den Anwenderinnen und Anwendern im Dialog stehen und sicherstellen, dass alle benötigten Dokumente vorliegen.

Es sind nämlich viele Fragen im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu klären: Welche wirtschaftlichen Aktivitäten gibt es im Unternehmen? Wie umfangreich sind diese? Welche davon sind taxonomiefähig, können also überhaupt nach den Kriterien bewertet werden?

Josef Baumüller, der von Seiten der TU Wien an dem Projekt beteiligt ist, sagt: “Es ist vielen noch nicht bewusst, wie komplex die Anforderungen zunächst an die Datenerhebung und anschließend an die Klassifizierung sind. Die Prozesslandschaft im Unternehmen muss erfasst und auf die Vorgaben der EU-Taxonomie übergeleitet werden, darüber hinaus gilt es, relevante Datenbedarfe zu identifizieren und im Sinne der Effizienz v.a. bereits vorhandene Datenbestände zu nützen.”

CSRD-Berichterstattung eine Herausforderung

Dass eine Unterstützung der Unternehmen unumgänglich ist, sagt auch Stefan Merl von der PwC Österreich GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft: “Wir spüren bereits jetzt eine massive Zunahme in den Anfragen von Unternehmen, insbesondere von KMU, die sehen, dass die Erfüllung der CSRD-Berichterstattungspflichten eine große Herausforderung ist. Es führt kein Weg daran vorbei, eine automatisierte Lösung zu entwickeln, die weit über den Automatisierungsgrad bestehender Tools hinausgeht. Genau das wollen wir im Projekt ‘Analyser’ verwirklichen.”

Dabei ist essenziell, dass die im Tool eingesetzte KI fair, nachvollziehbar und korrekt arbeitet. Dafür soll Leiwand AI GmbH die nötige Expertise in das Projekt einbringen.

“In einer so kritischen Angelegenheit wie der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist es besonders wichtig, dass auch Maßnahmen hinsichtlich einer zuverlässigen und fairen KI-Lösung getroffen werden. Durch den Einsatz verschiedener Methoden rund um nachhaltige und vertrauenswürdige KI werden wir dazu beitragen, dass der ‘Analyser’ gesicherte Informationen liefert, fair in Bezug auf Bias und Diskriminierung ist und im Einklang mit dem EU AI Act steht”, sagt Mira Reisinger, Data Scientist bei Leiwand AI.

Das Projekt ist im Herbst 2024 gestartet, läuft über drei Jahre und wird durch die FFG aus Mitteln des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie gefördert.

Toll dass du so interessiert bist!
Hinterlasse uns bitte ein Feedback über den Button am linken Bildschirmrand.
Und klicke hier um die ganze Welt von der brutkasten zu entdecken.

brutkasten Newsletter

Aktuelle Nachrichten zu Startups, den neuesten Innovationen und politischen Entscheidungen zur Digitalisierung direkt in dein Postfach. Wähle aus unserer breiten Palette an Newslettern den passenden für dich.

Montag, Mittwoch und Freitag

AI Summaries

Startup-Professor Franke: Das müssen wir für mehr Unicorns tun

AI Kontextualisierung

Welche gesellschaftspolitischen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Startup-Professor Franke: Das müssen wir für mehr Unicorns tun

AI Kontextualisierung

Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Startup-Professor Franke: Das müssen wir für mehr Unicorns tun

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Innovationsmanager:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Startup-Professor Franke: Das müssen wir für mehr Unicorns tun

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Investor:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Startup-Professor Franke: Das müssen wir für mehr Unicorns tun

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Politiker:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Startup-Professor Franke: Das müssen wir für mehr Unicorns tun

AI Kontextualisierung

Was könnte das Bigger Picture von den Inhalten dieses Artikels sein?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Startup-Professor Franke: Das müssen wir für mehr Unicorns tun

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Personen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Startup-Professor Franke: Das müssen wir für mehr Unicorns tun

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Organisationen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Startup-Professor Franke: Das müssen wir für mehr Unicorns tun