06.07.2016

Das bedeutet das Startup-Paket der Regierung im Detail

Die gestrige Nachricht über das Startup-Paket der Bundesregierung hat für ordentlich Wirbel gesorgt. 185 Millionen Euro sollen Österreich nun tatsächlich zum Gründerland Nummer 1 machen. Aber was bedeutet das Programm im Detail? 
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(c) fotolia-Rawpixel.com: Das neue Startup-Paket soll junge Unternehmer fördern und Österreich als Unternehmer-Land voran treiben.

Lange hat die Startup-Community darauf gewartet, dass sich auf dem politischen Parkett etwas bewegt. Zuletzt wurden die Forderungen nach dem Business-Angel-Freibetrag, sowie nach einer Entlastung bei den Lohnnebenkosten immer lauter. Staatssekretär Harald Mahrer wurde in den letzten Monaten nicht müde zu betonen, dass es es zwar noch ein harter Weg sei, bis Österreich sich zur Gruppe der “Innovation Leader” zählen dürfe, aber, “wer sich mit dem Durchschnitt zufrieden gibt, wird es nie in die Champions League schaffen.”

Die Gründerlandstrategie, die vor über einem Jahr vorgestellt wurde, umfasste 40 Maßnahmen, die Österreich “Startup-fit” machen sollten und war ein erstes wichtiges Zeichen. Im Herbst zeichnete Mahrer im Interview ein zunächst vorsichtig-positives Resümee: So sei etwa kurz vor dem Gespräch das viel gewünschte Crowdfunding-Gesetz in Kraft getreten. Mahrer meinte damals allerdings auch: “Ich mache keinen Hehl daraus, dass mir manches noch zu langsam geht. Gute Ideen politisch umzusetzen, positive Veränderung herbeizuführen ist in Österreich noch schwieriger als ich angenommen hatte.”

Gründerlandstrategie und Startup-Paket

Nun bekam Mahrer in Neu-Kanzler Christian Kern einen Unterstützer auf der Startup-Front. Kern war der erste Kanzler, der dem Pioneers Festival einen Besuch abstattete und dort betonte, wie wichtig Startups für Österreich seien. Bereits da wurde angekündigt, dass Gründungen und die Finanzierung der jungen Unternehmen erleichtert werden würden.

Das Startup-Paket, das gestern im Ministerrat vorgestellt wurde, umfasst drei Jahre und ein Volumen von rund 185 Millionen Euro. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, auf dessen und Mahrers Initiative hin die Bundesregierung das Maßnahmen-Paket ausgearbeitet hat, betonte, “Menschen mit Mut, Innovationskraft und Unternehmergeist” stärker unterstützen zu wollen, um Österreich zum “Vorzeige-Gründerland” zu machen.

Das soll auch die Wirtschaft hierzulande ankurbeln. Das Startup-Paket sei der “Turbo für die heimische Startup-Szene” (O-Ton Harald Mahrer) Das frische Geld werde neue Jobs und bis 2020 50.000 neue Gründungen auslösen.

“Wir heben damit die Gründerland-Strategie ins ‚Next Level’“, Staatssekretär Harald Mahrer zum Startup-Paket.

Im Detail angeschaut

Dem Brutkasten liegt der detaillierte Vortrag im Ministerrat vor. Zentrale Frage: Was genau bedeutet das Startup-Paket, das in mehrere Themen-Gruppen unterteilt wurde, nun tatsächlich?

Förderungen

  • Uni-Spin-Offs. Spezielle Gründungs-Fellowships sollen Wissenschaftlern, aber auch Studenten mit innovativen Ideen die Gründung aus Universitäten und anderen Einrichtungen erleichtern. Mit dem Programm sollen einerseits Gehaltskosten finanziert, andererseits der Zugang zu akademischen Infrastrukturen gewährleistet werden. Damit soll sich der Forscher auf die Umsetzung seiner Idee konzentrieren können und das Institut dadurch keinen Nachteil davon tragen. Die Vergabe des Förderprogramms soll durch ein Board mit Wirtschaftsvertretern aus dem Risikokapitalbereich erfolgen. 5 Mio. € pro Jahr für eine Laufzeit von drei Jahren sollen aus dem Bund in das Programm fließen. Rund 50 Forscher können so ihre Projekte Wirklichkeit werden lassen.
  • Förderpilot. Die gemeinsame FFG-aws-Plattform www.foerderpilot.at soll gebündelt Information zu geeigneten bundesweiten Förderangeboten aufzeigen.
  • 24h-Quickcheck. Wartezeiten bei FFG und aws sollen durch diese Maßnahme reduziert werden. Vor allem Erstantragstellern soll damit geholfen werden. Antragsteller erhalten innerhalb von 24 Stunden eine verlässliche Rückmeldung in Form einer Vorab-Einschätzung zu ihrer Anfrage auf Basis der angeführten Informationen.
  • Neu-Dotierung des aws Business Angel Fonds. Jener im Jahr 2013 gegründete Fonds, der Investments ausgewählter Business Angels in Technologieunternehmen verdoppelt, und mit 22,5 Millionen Euro dotiert war, ist bereits erschöpft. Nun soll eine Aufstockung um 5 Millionen Euro für 2016 und 2017 aus frischen Bundesmitteln den Fonds neu aufleben lassen. Zusammen mit den Co-Investments durch die Business Angels stehen so weitere 20 Millionen Euro zur Verfügung.
  • Seed-Finanzierung. Die aws-PreSeed und aws-Seed Finanzierungen sind seit vielen Jahren eine große Unterstützung für heimische Startup-Gründer. Von 2016 bis 2018 sollen zusätzlich 20 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden.
  • aws-Garantien. Die Stärkung des aws-Garantieangebotes soll insbesondere jenen zugute kommen, die aufgrund steigender Sicherheiten-Anforderungen von einer Ablehnung oder Kürzung des Kreditwunsches durch Banken betroffen waren, und dadurch Innovations- und Wachstumsprojekte nicht umsetzen konnten. Derzeit übernimmt die Förderbank des Bundes (aws), pro Jahr Garantien im Ausmaß von rund 200 Millionen Euro. Dieses Volumen soll um 100 Millionen Euro erhöht werden. Dadurch werden Unternehmen zusätzliche Investitionen in Innovations- und Wachstumsprojekte in der Höhe von 350 Millionen Euro ermöglicht. Rund 9.000 neue bzw. gesicherte Arbeitsplätze sollen dadurch geschaffen werden. Die Stärkung soll ab 1. Jänner 2017 in Kraft treten.

+++ Auch interessant: Förderungsbericht 2016: Soviel investiert Österreich in Startups +++

Geistiges Eigentum

  • Patentscheck für Startups. Auf verstärkten Schutz sollen Startups bzw. Gründer in Österreich mit ihren Ideen, Technologien, Marken und Produkten setzen können. Startups bekommen dazu eine Gutschrift von 10.000 Euro für Leistungen der Patentämter. Die Gutschrift entspricht dabei rund 80 Prozent der Leistung. Für die übrigen rund 2.500 Euro muss das Startup selbst aufkommen. Mit dem Gutschein sollen innerhalb von zwei Jahren Leistungen bezahlt werden, wie etwa eine rasche Abklärung, ob Patentschutz überhaupt möglich ist, oder eine Beratung zur besten Schutzstrategie.
  • “Provisional Application” nach US-Vorbild. Startups sollen mit Startschuss 2016 beim Patentamt Ideen vorbringen können, auch wenn diese noch im frühen Entwicklungsstadium sind und nicht den formellen Kriterien für ein Patent genügen. Dabei wird die Idee beim Patentamt „hinterlegt“, wodurch sich das Startup auf die weitere Entwicklung und die Vermarktungsmöglichkeiten konzentrieren kann. Eine Entscheidung über die Weiterverfolgung des Patents soll erst dann erfolgen, wenn die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Idee erkennbar ist.

+++ Auch interessant: Ein Patent anmelden: Wie eine Kärntnerin die Rolling Stones begeisterte +++

Risikokapital 

Klein und Mittelunternehmen: 

  • Die Finanz-und Wirtschaftskrise hat vor allem bei kleineren und mittleren Unternehmen zu einer Verschärfung der Vergabebedingungen für Bankkredite geführt. Ein KMU-Finanzierungspaket soll Abhilfe schaffen: Finanzierungsgesellschaften für Klein-und Mittelbetriebe sollen Gelder von Investoren bündeln und sich damit in Unternehmen einkaufen. Das KMU-Finanzierungspaket soll einen modernen und flexiblen steuerlichen Rahmen für KMU-Finanzierungsgesellschaften und deren Investoren schaffen. Die maximale Beteiligungshöhe wird von 1,5 auf 15 Millionen Euro pro Zielgesellschaft und Beteiligungszeitraum erhöht.
  • Steuerneutralität von Veräußerungsgewinnen und -verlusten für den Finanzierungsbereich sowie eine Gebührenbefreiung wurden festgelegt. Für Investoren in die KMU-Finanzierungsgesellschaft wird eine Steuerbefreiung von 15.000 Euro für Ausschüttungen vorgesehen. Diese Maßnahme soll vorhandenes, aber noch nicht investiertes privates Kapital mobilisieren und jene Unternehmen erreichen, die wachsen und Arbeitsplätze schaffen wollen.

Innovative Startups:

  • Mit der Risikokapitalprämie und dem Programm zur Förderung von Lohnnebenkosten für innovative Startups sollen Unternehmen gefördert werden, die
    • jung sind und
    • mit ihrer Technologie oder ihrem Geschäftsmodell innovativ sind und
    • ein signifikantes Mitarbeiter- oder Umsatzwachstum aufweisen.
  • Alternativ liegt ein innovatives Start-up auch dann vor, wenn das Start-up,
    • jung ist und
    • in den 2 Jahren vor Antragstellung eine öffentliche Förderung für ein Forschungs- oder Innovationsprojekt der aws/FFG in Anspruch genommen hat.
  • Dies trifft derzeit auf rund 1000 Neugründungen pro Jahr zu.
  • Die genaue Ausgestaltung der Definition und der Förderkriterien wird zwischen BMWFW, BMVIT und BMF vereinbart.

Risikokapitalprämie – Förderung von Beteiligungen an innovativen Start-ups

Es ist kein Geheimnis: Im europäischen Vergleich hinkt der österreichische Risikokapitalmarkt hinterher. Somit gibt es hierzulande oftmals zu wenig Risikokapital für Startups.

Dies soll das neue Förderungsprogramm „Zuschuss Risikokapitalprämie“ zumindest verbessern. Das Förderprogramm, das rund 15 Millionen Euro kosten wird und durch die aws abgewickelt wird, fördert Beteiligungen durch Investoren, die Geschäftsanteile an jungen, innovativen Start-ups erwerben.

Voraussetzungen:

  • Unterstützt werden kumulierte Investitionsbeträge bis max. € 250.000 pro Jahr, wobei max. 20% des Beteiligungsbetrags an Investoren rückerstattet werden.
  • Die Einreichung erfolgt online über den aws-Fördermanager.
  • Bezugsfähig sind natürliche und juristische Personen, ausgenommen Fonds.
  • Als Beteiligungen gelten hierbei Investitionen in das Eigenkapital.
  • Das investierte Kapital muss nicht zweckgebunden sein.

+++ Auch interessant: Studie unter heimischen Startups: Wie steht es um das Risikokapital? +++ 

Förderung von Lohnnebenkosten

Schon lange wurde dieser Wunsch von der hiesigen Startup-Community geäußert. Diese Maßnahme soll nicht nur den Gründern zugute kommen, sondern auch einen Meilenstein für Österreich als attraktiven Start-up-Standort darstellen. Startups schaffen bereits im ersten Jahr ihrer Gründung mehr als zwei Jobs und sind damit deutlich beschäftigungsintensiver als die Masse der Neugründungen. In Zukunft werden Lohnnebenkosten (Dienstgeberbeiträge) für 3 Mitarbeiter für 3 Jahre  mit einem Gesamtvolumen in Höhe von rund 100 Millionen Euro gefördert. Die Förderung verringert sich dabei jährlich um ein Drittel. 100 Prozent sind es nur im ersten Jahr. In Kraft tritt diese Maßnahme mit 1. Jänner 2017.

One-Stop-Shop Gründungsprozess 

Acht Tage dauert in Österreich die Gründung einer GmbH (laut EU-Kommission) und das Land liegt damit im EU-Vergleich auf den hinteren Plätzen (3,4 Tage dauert es in der EU im Durchschnitt). Um Bürokratie abzubauen und Verfahren zu beschleunigen, soll ein One-Stop Shop mit sämtlichen Behörden-Interaktionen im Gründungsprozess sowie einer Verlinkung von Behörden und Registern geschaffen werden. Ziel ist, dass Gründer nicht mehr mehrere Behördengänge erledigen müssen, sondern nötige Daten und Formulare über ein einheitliches Unternehmensserviceportal eingeben können. Dafür wurde eine eigene “Taskforce” eingerichtet, die auch beispielsweise Erleichterungen für Gründer in Bezug auf Formerfordernisse (Identifikation und Beglaubigung, Firmenbuch, Erlangung der UID-Nummer,etc.) erarbeiten soll.

 Start-up-Visum/Rot-Weiß-Rot-Karte

Die bereits bestehende Regelung für Selbständige soll nun auch für Startups gelten: Dabei erhalten Antragsteller eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung (= RWR-Karte) für selbständige Tätigkeit in Österreich für ein Jahr, mit Verlängerungs-Option unter bestimmten Voraussetzungen.

Außerdem im Startup-Paket enthalten, ist eine flexible Zulassung qualifizierter Fachkräfte aus Drittstaaten im Rahmen des Rot-Weiß-Rot-Karten-Systems. Hier wird nun auch der Bedarf an Programmierern in die Mangelberufsliste aufgenommen.

Fazit

Es tut sich etwas! Wenngleich die Startup-Community auf das Startup-Paket lange warten musste und es an der ein- oder anderen Stelle wohl noch Verbesserungen und Nachschärfungen wird geben müssen – ein großer Meilenstein in Richtung “Gründerland” ist gesetzt worden. Interessant wird es, wenn es um die konkreten Ausformulierungen der einzelnen Maßnahmen geht. Denn wenn es beispielsweise darum geht, der Bürokratie den Garaus zu machen, ist dies zwar wünschenswert und bereits seit langer Zeit überfällig – einfach wird es aber nicht.

Der Brutkasten bleibt natürlich am Ball. Bei Fragen, Tipps, Feedback oder Anmerkungen schickt uns doch eine E-Mail an [email protected].

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Rituale, Rituale der Startup-Welt, Ritual, Howard, Factinsect, Hadia, Storebox, Instahelp, monkee, Dental Armor, Coinpanion
(c) Hello Again/zVg/Hadia/Die Abbilderei/Storebox/schon nice gmbh/Victor Malyshev - (o.v.l.) Franz Tretter von Hello Again, Romana Dorfer von Factinsect, Anna Lauda von Hadia, Bernadette Frech von Instahelp/ Johannes Braith von Storebox, Saad Wohlgennannt von Dental Armor und Martin Granig von monkee.

Dieser Artikel ist im brutkasten-Printmagazin von Dezember 2024 erschienen. Eine Download-Möglichkeit des gesamten Magazins findet sich am Ende dieses Artikels.


Ein Pythonkopf aus Stein ragt aus der Dunkelheit hervor. In Kreisen angeordnete, farbenfrohe Speerspitzen verzieren den kalten Höhlenboden; manche davon stammen aus Hunderte Kilometer entfernten Gegenden. Am Ende der Höhle erstreckt sich ein kleiner, versteckter Raum, der Platz für eine Person bietet; üblicherweise versteckt sich ein Schamane darin und spricht zu seinem Stamm, sodass es scheint, die steinerne Schlange selbst lasse donnernde Worte erklingen.

Diese Verehrung des majestätischen Reptils fand vor rund 70.000 Jahren in der Kalahari-Wüste am Fuße der Tsodilo Hills im heutigen Botswana statt. Dies hat im Jahr 2012 die Archäologin Sheila Coulson herausgearbeitet und, so heißt es, damit das älteste wissenschaftlich belegte Ritual der Welt entdeckt.

Seitdem haben sich Rituale in Gesellschaften im Großen und Kleinen gehalten und weiterentwickelt – von religiösen Gepflogenheiten über politisches Zeremoniell bis hin zu privaten, sich wiederholenden Gewohnheiten sind sie in tausendfacher Weise etabliert. Das Küssen des Balls im Sport, das Aufstehen mit dem „richtigen Fuß“, Salz über die Schulter werfen, auf Holz klopfen, Dinge nicht verschreien, Braut und Bräutigam nicht vor der Hochzeit sehen, zu bestimmten Jahreszeiten fasten, den Jahreswechsel laut feiern oder die zum Ritual gewordene Morgen-Rou­tine wiederholen.

Spiritualität und Ordnung

All dies lässt sich komprimiert und per Definition in zwei Bedeutungen unterteilen: in eine spirituelle Handlung und in ein „wiederholtes, immer gleichbleibendes, regelmäßiges Vorgehen nach einer festgelegten Ordnung“. Exakt diese Ordnung (also die zweite Definition) ist es, die auch manchen Startup-Gründer:innen dabei hilft, den stressigen Joballtag zu bewältigen, Klarheit zu schaffen und Erfolge zu erreichen.

Sohlen und Poster

So zeigt sich etwa Johannes Braith vom österreichischen Scaleup Storebox als großer Anhänger davon, sich klare Ziele zu setzen und diese zu visualisieren.

„Dabei halte ich es für wichtig, einerseits eine große Vision zu definieren und diese in kleinere Meilensteine herunterzubrechen“, sagt er. „Diese verhältnismäßig kleinen Meilensteine sind leichter zu erreichen, greifbarer und man kann entsprechend auch früher Erfolge verbuchen. Das Wichtigste ist, konstant dranzubleiben. Erfolg ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“

Das Visualisieren definierter Ziele wurde bereits früh als Ritual bei Storebox eingeführt: Im Office des Logistikunternehmens prangen Vision und Werte als Poster an der Wand und OKRs (Objectives and Key Results) werden in Echtzeit mittels Soll/Ist-Vergleich auf Bildschirmen angezeigt.

Zudem gibt Braith noch eine weitere Besonderheit aus seiner Ritualwelt preis: „Habe ich ein Etappenziel für mich definiert, schreibe ich es mir auf die Sohlen meiner Schuhe“, sagt er. „Das hilft mir, mich daran zu erinnern, dass jeder kleine Schritt zählt.“

Der Knopf des Erfolgs

Franz Tretter, Gründer des Kundenbindungs-Startups Hello Again, nutzt Rituale dazu, um Ziele und Kultur in seinem Team zu verankern. Dazu gehört ein „Global Success Button“, der bei jedem neuen Kunden gedrückt wird, mit anschließender Feier im Büro. Mitarbeiter:innen, die remote arbeiten oder unterwegs sind, werden per Mail oder Smartphone ebenso informiert; „einfach, damit man Bescheid weiß“, sagt Tretter.

Auch etwas namens „Howard 1000“ gehört zum regelmäßigen Ritual des Linzer Teams dazu. Dabei handelt es sich um eine Wand bestehend aus 1.000 Kästchen mit einer besonderen Bedeutung. „Wir haben diese aufgebaut, als wir 120 Kunden hatten. Mit jedem Kunden, den wir gewonnen haben, haben wir ein Logo hinzugefügt und haben nun knapp 900 Kästchen voll“, erklärt Tretter.

Und zu guter Letzt sind bei Hello Again die „Compliment Cards“ ein weiteres internes Ritual: „Wertschätzung ist total wichtig bei uns“, erklärt Tretter. „Wir haben eigene Kärtchen beim Eingang, da schreibt man gelegentlich etwas Nettes drauf und legt es am Abend Kollegen auf den Tisch. Die freuen sich am nächsten Morgen.“

An diesen beiden Beispielen bemerkt man bereits eine kleine Gemeinsamkeit, die zwischen den Zeilen mitschwingt: Wiederkehrendes, etwas Konstantes ist nicht bloß eine Orientierungshilfe für Startup-Gründer:innen, sondern kann als einer von mehreren Bausteinen eines spezifischen Mindsets gesehen werden; eines Mindsets, das von einem ruhigen Leadership-Skill zeugt und deutlich zeigt, dass manchmal das wilde Gefüge in einem selbst sowie auch das Äußere, das sich unter Mitarbeitenden am Arbeitsplatz entwickelt, gepflegt werden muss.

Gemeinschaft fördern

Das weiß auch Anna Maria Lauda von Hadia, einem Wiener Verein, der weibliches Unternehmertum in Afghanistan fördert. Ihr hilft eine tägliche zehnminütige Meditation, den Tag entschleunigt, entspannt und fokussiert zu beginnen.

„Dadurch kann ich klarere Prioritäten setzen und produktiver arbeiten“, sagt sie. „Früher lag mein Schwerpunkt vor allem auf individuellen Praktiken wie dem Selbstmanagement und der strikten Zeitplanung durch To- do-Listen. Doch im Laufe meiner Reise als Gründerin habe ich erkannt, dass Flexibilität und der wertvolle Austausch mit dem Team genauso entscheidend sind. Heute schätze ich Rituale, die nicht nur den persönlichen Fokus stärken, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl fördern.“

Daher veranstaltet Lauda wiederkehrende Onlinemeetings mit ihren Weberinnen in Afghanistan. „Regelmäßige Check-ins mit den Frauen sind inspirierend und motivierend. Allzu leicht verliert man in der Hektik des Alltags den Bezug zu den Menschen, für die man arbeitet. Und diese Gespräche erinnern mich daran, was unser gemeinsames Ziel ist und wie viel wir schon erreicht haben“, sagt sie.

Saad Wohlgenannt, Gründer und CEO des Zahn-Startups Dental Armor und der Kryptobörse Coinpanion, hatte im Lauf der Zeit verschiedene Rituale, die er jedoch mittlerweile fast alle ab- gelegt hat; darunter eine wöchentliche „Rückschau“, um zu überlegen, was er besser machen könnte, oder Journaling (Anm.: Blick nach innen mit schriftlicher Aufzeichnung, was in einem vorgeht).

Heute plant er an jedem Geburtstag, was er im kommenden Jahr erreichen möchte. Meistens setzt sich der Founder dabei ein monetäres Ziel für sein Business sowie ein paar persönliche Ziele, wie etwa einen neuen Sport zu erlernen, ein Land zu bereisen oder ein bestimmtes Problem zu lösen.

„Die wichtigsten Rituale, die mir langfristig helfen, meine Ziele zu erreichen, haben meistens den Effekt, mich kurzfristig vom Arbeiten abzuhalten“, sagt er. „Zum Beispiel beginne ich meinen Tag mit ein paar Mobility-Übungen, Liegestützen, Klimmzügen und einer kalten Dusche – erst danach schaue ich in meine E-Mails und starte richtig durch. Ab 20.30 Uhr ist mein Handy auf ‚Nicht stören‘, und dann bin ich nur noch schwer erreichbar.“

Drei und nicht mehr

Romana Dorfer beschäftigt sich mit ihrem Startup Factinsect damit, die Fülle an Fake News im Netz aufzulösen und User:innen gesicherte Informationen zur Verfügung zu stellen. Sie selbst hat sich früher oft viele, unspezifische und große Ziele vorgenommen, die jedoch innerhalb eines Tages kaum zu erreichen waren. Dabei waren Fortschritte nur schwer messbar und am Ende des Tages wurde kein Ziel erledigt, wie sie gesteht. Dadurch ist oft das Gefühl entstanden, wenig erreicht zu haben.

Heute greift sie maximal auf drei Vorhaben pro Tag zurück. „Der Vorteil ist, dass ich fast immer alle Ziele für den Tag erreiche und dadurch meine Motivation steigt. Meistens arbeite ich dann noch an weiteren Themen“, sagt Dorfer.

Bei Martin Granig, Gründer der Spar-App monkee und Vater einer siebenjährigen Tochter, sehen die Morgen oftmals chaotisch aus. Um dem entgegenzuwirken, hat er eine Morgenroutine entwickelt: „Ich stehe meist 30 Minuten früher auf. Das gibt mir die Gelegenheit, mich in Ruhe im Bad fertig zu machen“, sagt er. „Während des Zähneputzens mache ich ein paar Übungen, um den Kreislauf in Schwung zu bringen, bevor ich Frühstück für meine Tochter und Kaffee für meine Frau und mich zubereite. So habe ich noch ein paar ruhige Momente für mich, bevor der Trubel beginnt.“

Am Ende seines Arbeitstags führt der Gründer einen kurzen Check-in durch und klärt für sich, was er heute schaffen möchte, was er tatsächlich geschafft hat und was er noch anpassen muss.

„Das hilft mir, mein Time-Boxing im Kalender zu optimieren, gerade für die Aufgaben, die zwar wichtig sind, aber erst in der Zukunft anstehen“, erklärt er. „Ich habe gelernt, dass es notwendig ist, solche Dinge bewusst zu planen, bevor sie von den dringenden, aber weniger wichtigen Aufgaben verdrängt werden.“

Raus aus der Bubble

Für Granig gibt es zudem noch ein persönliches Highlight der Woche: Freitagabend-Basketball. „Das mag zwar kein typisches Gründer-Ritual sein, aber für mich ist es essenziell. Es hilft mir, Stress abzubauen, den Kopf frei zu bekommen und in einer entspannten Atmosphäre mit Freunden zu lachen. Danach starte ich erfrischt ins Wochenende – und am Montag wieder voller Energie in die neue Woche“, so der Tiroler, der früher oft von „dringenden Dingen“ stark getrieben war, die dazu führten, dass wichtige strategische Aufgaben oftmals zu kurz kamen.

„Man arbeitet in so einem Fall zu viel ‚in the business‘ statt ‚on the business‘“, sagt er. „Heute habe ich meine Timeboxing-Routine deutlich verbessert, damit genau diese wichtigen Dinge nicht untergehen. Früher musste ich auch keine Rücksicht auf Familie und Kind nehmen. Das hat sich natürlich geändert, und ich musste Wege finden, trotz all der Verantwortung auch noch Zeit für mich zu schaffen. Daher meine Morgenroutine und mein Freitagabend-Basketball. Dort geht es einfach nur ums Spielen und um entspannte Gespräche über deutlich unkompliziertere Dinge als Startups, Karriere oder Business. Das tut gut und gibt mir Energie.“

Ankerpunkte fürs Wesentliche

Ähnlich ergeht es Instahelp-Founderin Bernadette Frech. Für die Gründerin des Grazer Health-Startups sind Rituale bewusste Ankerpunkte, um den Fokus auf dem Wesentlichen zu halten – im Beruf wie im Privatleben.

„Eines der wichtigsten Rituale habe ich mit meinen Kindern: Jeden Morgen beginnen wir den Tag mit einer vollen Minute Umarmung, ohne Worte, nur Nähe. Das stärkt unsere Bindung und gibt uns einen liebevollen Start in den Tag“, sagt Frech. „Abends reflektieren wir gemeinsam: Beim Rückenkraulen sprechen wir über Belastendes, bei der kitzligen Fußmassage teilen wir schöne oder lustige Momente und bei der Kopfmassage besprechen wir, wofür wir dankbar sind und was uns gut gelungen ist.“

Ambition vs. Balance

Auch bei ihr haben sich Rituale über die Jahre verändert und sich immer wieder ihren Lebensumständen angepasst. Früher, als berufliche Ambitionen im Vordergrund standen, hatten Frechs Rituale viel mit persönlicher Effizienz und beruflicher Zielerreichung zu tun. Heute, als dreifache Mama und Unternehmerin, haben sich die Prioritäten verschoben.

„Es geht mir jetzt viel stärker darum, eine Balance zwischen Karriere und Familie zu finden, ohne den Fokus auf meine eigene mentale Gesundheit zu verlieren“, erklärt sie. Das Ritual mit ihren Kindern sei ein Beispiel dafür, wie sich Rituale an neue Lebensphasen anpassen.

„Früher hätte ich vielleicht nicht gedacht, dass eine Umarmung am Morgen oder ein Ritual vor dem Schlafengehen so kraftvoll sein könnten. Heute sind es genau diese Momente, die mich erden und mir und meinen Kindern Energie geben“, erzählt sie. „Was sich jedoch nie geändert hat, ist meine wöchentliche psychologische Beratung. Sie ist seit Jahren eine Konstante, die mich sowohl beruflich als auch persönlich auf Kurs hält, auch wenn sich die Themen im Laufe der Zeit wandeln.“

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