26.08.2021

90 Prozent des Startup-Kapitals aus dem Ausland: Investment-Boom als Ausverkauf

Der Ergebnisse des aktuellen EY Startup-Investment-Barometer für das vergangene Rekord-Halbjahr sorgen bei aaia und AVCO eher für Besorgnis.
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Laura Egg (aaia) und Nina Wöss (AVCO) sehen die Entwicklung beim Startup-Kapital in Österreich nicht nur positiv - äußern sich zur Steuerreform
Laura Egg (aaia) und Nina Wöss (AVCO) | (c) aaia / AVCO

Mit insgesamt stolzen 518 Millionen Euro investiertem Startup-Kapital wurde bereits in den ersten sechs Monaten des Jahres das bislang höchste Investment-Volumen in Österreich erzielt. Das und noch weitere Details dazu erfasste EY nun in seinem halbjährlichen Startup-Investment-Barometer.

Auf den ersten Blick zeigt sich ein sehr positives Bild für den Standort. Demnach waren an 71 Prozent der Finanzierungsrunden im Rekord-Halbjahr heimische Investoren beteiligt. 44 Prozent wurden sogar komplett von österreichischen Kapitalgebern getragen. Doch der Schein trügt. Denn ein Blick auf die Verteilung des Gesamtvolumens zeigt: 90 Prozent des Kapitals kommen aus dem Ausland. Wie schon vor dem aktuellen Boom kann das Land zwar mittlerweile auf eine gute Versorgung mit Startup-Kapital im Pre-Seed- und Seed-Bereich verweisen. Höhere Runden können bzw. wollen die heimischen Investoren aber nicht stemmen.

Startup-Kapital: Keine heimischen Investoren in den größten sechs Finanzierungsrunden

Konkret lag der Anteil österreichischer Investoren in den von EY erfassten Pre-Seed-Runden bei 70 Prozent und in den Seed-Runden bei 56 Prozent. Schon bei den Series-A-Finanzierungsrunden lag er nur mehr bei 31 Prozent, in den Series-B- und Series-C-Runden war kein einziger Inlandsinvestor beteiligt. Von den insgesamt 15 daran beteiligten Investorengruppen haben sieben ihren Hauptsitz in den USA und vier ihren Hauptsitz in Großbritannien. Weitere kamen aus dem asiatischen Raum. Nur ein Kapitalgeber bei den Top 5 Investments kam aus der EU. Einen heimischen Investor findet man erst in der siebthöchsten Runde.

Für aaia (Austrian Angel Investors Association)-Chefin Laura Egg und AVCO (Austrian Private Equity and Venture Capital Organisation)-Chefin Nina Wöss ist das bedenklich. “Solange die Wachstumsfinanzierung fast ausschließlich über ausländische Investoren abgedeckt wird, fließen auch bei einem Exit der Großteil der Gewinne nicht zurück nach Österreich und können nicht hier reinvestiert werden”, kommentiert Egg. “Wollen wir die heimischen Leitbetriebe von morgen aufbauen und nachhaltig Arbeitsplätze in Österreich sichern, so ist eine Stärkung des vorbörslichen Kapitalmarkts essentiell”, sagt Wöss.

Wöss und Egg sehen institutionelle Investoren in der Pflicht

Institutionelle Investoren wie Pensionskassen, Versicherungen und Banken würden hier eine tragende Rolle spielen. Die Vorstandsvorsitzende wiederholt die bekannte AVCO-Forderung: “Was es dafür braucht ist ein Dachfonds, sowie die Schaffung von attraktiven rechtlichen Rahmenbedingungen für Fonds-Manager:innen”. Laura Egg schlägt in die gleiche Kerbe: “Das notwendige Kapital wäre reichlich vorhanden und wird aktuell von österreichischen Kleinanlegern und institutionellen Investoren wie Banken, Versicherungen, Stiftungen, und Pensionskassen gebunkert. Zusätzlich zu notwendigen Anreizen ist ein gesellschaftliches Umdenken notwendig, um Investments in Innovation und somit Österreichs Zukunft einen höheren Stellenwert zuzuschreiben”.

Gleichzeitig betont die aaia-Geschäftsführerin die Fortschritte in der heimischen Frühphasenfinanzierung in den vergangenen Jahren. Zu diesem Bereich liefert der EY Startup-Investment-Barometer noch einige Detail-Statistiken. Demnach waren die aktivsten Invetoren im ersten Halbjahr der auf akademische Ausgründungen spezialisierte Venture Capital Fonds IST cube mit vier Runden gefolgt vom aws Gründerfonds mit drei. Einige weitere Investorengruppen beteiligten sich an zwei Finanzierungsrunden. Am größten war der Anteil an heimischen Investorengruppen bei Finanzierungsrunden im Bereich E-Commerce, wo 45 Prozent der hier bei den fünf Finanzierungsrunden beteiligten namentlich bekannten Investoren aus Österreich stammen. Im Bereich Mobility liegt der Anteil der Inlandsinvestoren bei 40 Prozent. Am niedrigsten ist er im Bildungsbereich: Hier hat nur knapp jeder vierte beteiligte Investor (23,8 Prozent) den Firmensitz in Österreich.

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ready2order, Schweiz
(c) ready2order - Markus Bernhart und Arnold Blüml von ready2order.

Das Wiener Fintech ready2order hat sich seit 2015 auf die Entwicklung modularer Point-of-Sale- und Payment-Anwendungen für kleine Unternehmen spezialisiert und zählte im Vorjahr bereits über 10.000 Firmen in Deutschland und Österreich zu seinen Kunden. Nun aber wird die Kassensoftware des Fintechs auch gezielt in der Schweiz angeboten, um den Bedürfnissen von kleinen Unternehmen in Gastronomie, Einzelhandel und Dienstleistungssektor gerecht zu werden, wie es heißt.

ready2order: Schweiz als Ausgangspunkt

“Die Schweiz war für uns immer ein interessanter Markt”, erklärt ready2order CEO Markus Bernhart. “Trotz fehlendem Marketing haben wir bereits eine dreistellige Zahl an Kunden gewinnen können. Dies zeigt klar, dass es den Bedarf gibt und es ist für uns auch der richtige Zeitpunkt, unsere Präsenz im Markt auszubauen und unsere Kassenlösung offiziell anzubieten. Zudem sehen wir die Schweiz durch ihre Mehrsprachigkeit als perfekten Ausgangspunkt für eine Expansion in weitere europäische Länder.”

Zuchetti-Exit 2023

Eine wichtige Rolle bei der Expansion spielt die Unterstützung durch die Zucchetti-Gruppe, zu der ready2order seit Juli 2023 gehört – brutkasten berichete.

“Zucchetti ist bereits seit vielen Jahren mit der Kassensoftware TCPOS in der Schweiz vertreten und kennt den Markt sehr gut. Diese Erfahrung und das starke Partnernetzwerk vor Ort sind für uns von großem Vorteil”, so Bernhart weiter. Zudem würden sich durch die Synergien innerhalb der Gruppe zusätzliche Möglichkeiten eröffnen: „Als Zucchetti-Gruppe können wir verschiedene Kassensysteme für unterschiedliche Kundensegmente anbieten, was uns hilft, neue Marktchancen gemeinsam zu nutzen.”

ready2order: Zunächst nur Deutsch und Englisch

Zu Beginn wird sich ready2order auf die deutschsprachige Schweiz konzentrieren. “Unser Kassensystem unterstützt mehrere Sprachen, aber um den Markteintritt zu vereinfachen, setzen wir zunächst auf Deutsch und Englisch. Diese Region bietet uns operative Synergien, die den Start erleichtern”, erklärt Chief Growth Officer Arnold Blüml.

Die langfristigen Ziele von ready2order in der Schweiz sind für Blüml klar: “Als Innovationsführer möchten wir in den nächsten Jahren einen signifikanten Marktanteil erreichen”, sagt er. “Dabei spielt neben der Kundenzahl vor allem die Kundenzufriedenheit eine zentrale Rolle, die wir kontinuierlich messen werden.”

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