22.04.2015

“Startup ist kein Kinderspiel” – Ein Wiener Gründer im Silicon Valley

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© journi: Das Team hinter der Reisetagebuch-App

Reisen ist das Entdecken, dass alle Unrecht haben mit dem, was sie über andere Länder denken, dies stellte schon der britische Schriftsteller Aldous Huxley fest.

Damit Reisende ihre neuen Eindrücke und Erfahrungen direkt mit ihren Freunden und Familienmitgliedern teilen können, hat Andreas Röttl zusammen mit Bianca Busetti das virtuelle Reisetagebuch “Journi” gegründet. Die Idee: Über App und Website können Reisende ihre Eindrücke, ob per Foto oder als Notiz, in einem virtuellen Tagebuch posten und teilen. Der Name leitet sich aus der Kombination der Wörter „journey“, also Reise, und „journal“, Tagebuch, ab. Über 20.000 User teilen ihre Schnappschüsse und Notizen auf Journi bereits. Dass sich viele Amerikaner darunter befinden, hat damit zu tun, dass das Team dank eines Wirtschaftskammer-Stipendium ihr virtuelles Reisetagebuch letzten Sommer im Silicon Valley vorstellen durften.

In den USA herrschen andere Verhältnisse als in Europa. Journi-CEO Andreas Röttl erzählt, dass dort auf den ersten Blick nichts unmöglich zu sein scheint. Unglaublich lehrreich und aufregend soll die Zeit gewesen sein.

Die meisten Gründer eines Web- oder Tech Unternehmens träumen vom Silicon Valley – wie waren Ihre ersten Eindrücke?

Da die Startup Szene vermehrt in San Francisco anzutreffen ist und immer mehr in die Stadt drängen, haben wir uns entschieden hinzuziehen. Wichtige Branchevertreter, wie zum Beispiel die Zimmervermittlungsplattform Airbnb sind vor Ort. Außerdem finden in der Region San Francisco für uns relevante Konferenzen und Treffen statt.

Welche Erfahrungen konnten Sie in den drei Monaten sammeln?

Einige. Ein Startup zu gründen und aufzubauen ist kein Kinderspiel. Zu hören, dass es anderen gleich geht, ist gut zu wissen. Auch sehr erfolgreiche Unternehmen haben Jahre gebraucht, um sich durchzusetzen. Die ersten 1000 Anwender, die dein Produkt regelmäßig nutzen, kommen nicht von selbst. Wachstum ist zwar keine Raketenwissenschaft, aber nicht weniger anstrengend. Das Stichwort heißt „Trial and Error“. Man vergleicht sich an sogenannten Benchmarks und analysiert welche Maßnahme für das eigene Produkt funktioniert. Im besten Fall so schnell wie möglich und bevor das Geld ausgeht.

Die ersten 1000 Anwender, die dein Produkt regelmäßig nutzen, kommen nicht von selbst.

Das gilt aber für jeden Standort. Wo liegen die Unterschiede zwischen dem Silicon Valley und Wien?

Im Netzwerk, der Einstellung und beim Investitionskapital. Jede namhafte Firma hat dort einen Standort und die besten Leute kommen so zusammen. Es scheint auf den ersten Blick nichts unmöglich zu sein. Jeder bekommt seine Chance aber auch beinhartes, ehrliches Feedback. Neben dem Gewinnen, ist in den Staaten auch das Scheitern in der Gesellschaft verankert und anerkannt. Ein Netzwerk wie im Valley ist schwer aufzubauen aber mit der richtigen Kultur könnte man auch in Österreich schon mal einen Schritt in die richtige Richtung gehen. In Wien hat man einen höheren Lebensstandard, bekommt leichter gut ausgebildete Mitarbeiter und hat eine gut vernetzte Szene. Gesellschaft und Behörden sind aber noch lange nicht da, wo sie sein sollten. Es gibt einige ungelöste Probleme. So bekommt man Investitionskapital nur zu schlechten Konditionen. In den USA sind Unternehmen wie wir dreimal so hoch bewertet und tun sich viel leichter Kapital aufzustellen. Das ist ein klarer Wettbewerbsvorteil, weil sie mehr Geld haben und nicht schon nach der Investitionsrunde wieder nach Geld suchen müssen. Unser System stellt Startups nach wie vor Steine in den Weg.

In Österreich bekommt man Investitionskapital nur zu schlechten Konditionen. In den USA sind Unternehmen wie wir dreimal so hoch bewertet.

Und die Unterschiede im Arbeitsleben: Wie muss man es sich im Silicon Valley vorstellen?

Um es ganz einfach auf den Punkt zu bringen: Schneller, mehr Arbeit, viel teurer, weniger Komfort, aber auch unglaublich aufregend und lehrreich. Meistens sind wir sehr früh aufgestanden und nach dem gemeinsamen Frühstück starteten wir in konzentriertes Arbeiten. Mindestens einmal in der Woche gab es Teambesprechungen. Es ging immer darum, das weitere Vorgehen, Ziele und die Strategie abzustimmen und alle auf den neuesten Stand zu bringen. Am Abend gab es Meetings. Am Wochenende versuchten wir dann Energie zu tanken und die Freizeit zu genießen. Was für das Einhalten von Deadlines nicht immer möglich war.

Nun sind Sie wieder zurück in Österreich. Hat der Aufenthalt für die Weiterentwicklung des Start-ups etwas gebracht?

Abgesehen von den Erfahrungen und der eigenen Weiterentwicklung, konnten wir vor allem das Produkt vorantreiben und unsere Anwenderzahl auf 20.000 Nutzer erhöhen. Darüber hinaus konnten wir Journi vor Ort vielen Investoren näher bringen. Es hat durchaus zu großem Interesse bei internationalen Risikokapitalgebern geführt, zum Beispiel für ein Follow-on Funding. Das Highlight unseres Aufenthaltes war sicher die direkte Kontaktaufnahme von “A-Grade Investment” – dem Fonds von Ashton Kutcher und Guy Oseary – die an uns herangetreten sind.

Wie wird es mit Journi weitergehen, welche Ziele verfolgt ihr für das kommende Jahr?

Der Fokus für uns liegt klar auf einem ersten Seed Investment. Noch dieses Jahr müssen geeignete Investitionspartner gefunden werden. Wir sind sehr stark gewachsen und wollen genau da weitermachen.

Wie sah die Finanzierung bisher aus? Gab es Förderungen oder andere Formen der Fremdfinanzierung?

Das erste Jahr finanzierten wir aus eigener Tasche. Förderungen gab es nur für unseren Auslandsaufenthalt im Rahmen des Export-Schecks. Anfangs hat uns wohl niemand bei den Stellen in Wien zugetraut, dass wir das Projekt umsetzen und dann auch noch ein solches Wachstum vorzulegen. In der ersten Jahreshälfte sind wir in Bezug auf Förderungen überall abgelehnt worden. Dass wir auf Wachstum gesetzt haben, anstatt von Beginn an ein Geschäftsmodell zu verfolgen entspricht nicht den Vorstellungen der Fördereinrichtungen. Man benötigt meist einen Businessplan sowie eine Projektplanung für drei Jahre. Nur so läuft es nicht.

Danke. 

Quelle: Wirtschaftsblatt

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Storebox-CEO und Cofounder Johannes Braith
Storebox-CEO und Cofounder Johannes Braith | Foto: brutkasten

Die neue EU-Kommission steht. Hierzulande laufen dagegen nach wie vor die Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS mit ungewissem Ausgang. Währenddessen kommt nicht nur Österreich nicht aus der Rezession heraus und auch die Prognosen bleiben tendenziell negativ. Begleitet wird das Szenario von einer Häufung an dramatischen Appellen und Forderungen nach umfassenden Änderungen in der Wirtschaftspolitik.

Wie steht es wirklich um Österreich und die EU? Was sind nun die drängendsten Maßnahmen? brutkasten geht diesen Fragen gemeinsam mit führenden Köpfen der heimischen Innovationsszene nach.

Storebox-Co-Founder und -CEO Johannes Braith sieht im brutkasten-Interview auch Chancen, die die Krise biete, formuliert aber konkrete Maßnahmen, die dazu nun auf politischer Seite ergriffen werden müssten.


brutkasten: Düstere Prognosen und drastische Appelle stehen aktuell in der Wirtschaftsberichterstattung an der Tagesordnung. Wie beurteilst Du die Situation? Ist sie wirklich so dramatisch?

Johannes Braith: Ich beobachte die Großwetterlage natürlich laufend. Allerdings halte ich es für gut, wenn man sich in seinen daily Operations als Founder nicht zwangsläufig beunruhigen lässt. Gerade Startups sind es gewohnt Krisen zu managen bzw. mit ihnen umzugehen. In manchen Fällen kann dadurch sogar etwas Positives entstehen. Denn Krisen erzwingen oft Veränderungen, welche wiederum oft Chancen beinhalten.

Aber natürlich finde ich es beunruhigend, dass wir, was unsere Wettbewerbsfähigkeit in Europa angeht, so dramatisch den Anschluss verlieren. Ich hoffe, dass der steigende Schmerz dazu führt Regulierungen abzubauen und ein neues Selbstverständnis hinsichtlich Wirtschaft, Startups und Technologie einkehrt.

Welche gesamtwirtschaftlichen Maßnahmen sollten in Österreich möglichst schnell umgesetzt werden? Was muss unbedingt ins Regierungsprogramm?

Das Thema ist leider ziemlich mühsam, da sehr, sehr gute Vorschläge seit langer Zeit am Tisch liegen, die allerdings nicht umgesetzt wurden. Ein wichtiger Punkt ist es bestimmt, Risikokapitalgeber zu incentivieren – Stichwort Beteiligungsfreibetrag.

Noch wichtiger wäre es allerdings die Steuern auf Arbeit deutlich zu reduzieren. Wir sind in einer Zeit, in der wir die Extrameile gehen müssen. Das sollte auch belohnt werden. Man könnte z.B. Überstunden steuerlich freistellen, Pensionisten incentivieren, wenn sie in der Rente arbeiten möchten – eventuell gänzlich steuerfrei, oder man kann über Modelle nachdenken, mit denen man Vollzeitarbeit nicht nur ermöglicht (Kinderbetreuung) sondern eventuell auch belohnt.

Generell stelle ich mir die Frage, wie Menschen den Sinn in ihrer beruflichen Tätigkeit wieder zurückerlangen können. In vielen Gesprächen und Beobachtungen sehe ich, dass die Leistungebereitschaft extrem abgenommen hat. Ob das immer durch politische Maßnahmen geheilt werden kann, bezweifle ich. Ich halte viel von Selbstbestimmung und Eigenverantwortung.

Und was sollte die neue EU-Kommission unbedingt sofort angehen?

Regulierung massiv abbauen. Ich bin mit Storebox mittlerweile in sechs Ländern und mehr als 200 Städten operativ tätig. Es kann ja nicht sein, dass wir gefühlt hunderte unterschiedliche Regulierungen vorfinden, die das Prosperieren von Unternhemen extrem erschweren.

Was wären konkret für euch als Scaleup die wichtigsten Schritte auf nationaler und EU-Ebene?

Die Lohnkosten senken, Regulierungen massiv reduzieren und die Zuwanderung hochqualifizierter Personen massiv erleichtern.

Was bräuchte es, damit die Wiener Börse bzw. zumindest eine europäische Börse für einen IPO eines Scaleups wie Storebox attraktiv ist?

Große Anschlussfinanzierungen müssen in Europa mit europäischem Kapital getätigt werden, um ab einer gewissen Stage als logischen Schritt einen IPO auch in einem europäischen Heimatmarkt zu forcieren.

Aktuell wird nicht nur im Zusammenhang mit Börsengängen die Standortattraktivität stark diskutiert. War Abwanderung aus Europa für euch jemals ein Thema?

Aktuell noch nicht. Ich lebe sehr gerne in Österreich und sehe nicht alles nur negativ. Wir leben in einem tollen Land mit vielen Möglichkeiten, toller Infrastruktur und einigermaßen stabilen Verhältnissen. Die Verwaltung dieses Zustands wird allerdings nicht ausreichen. Es muss gestaltet werden, um den Standort attraktiv zu halten.

Bitte eine Prognose: Abhängig von den Entscheidungen, die in nächster Zeit getroffen werden – was ist das Worst- und was das Best-Case-Szenario für Europa?

Das Worst-Case-Szenario: Die EU zerfällt in unterschiedliche Lager, weil es nicht möglich war, Interessen zu alignen und die großen Hebel zu betätigen. Geopolitisch wäre das eine absolute Katastrophe!

Das Best-Case-Szenario: Die Wettbewerbsfähigkeit wird durch radikale Maßnahmen wieder hergestellt. Die Menschen spüren eine deutliche Entlastung, haben Perspektiven und glauben an eine bessere Zukunft. Europa wächst weiter zusammen und bleibt ein starker und wichtiger globaler Player.

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