12.01.2022

Startup-Investor Hansmann: “Das private Kapital modert vor sich hin”

Für österreichische Startups war 2021 ein Rekordjahr. Die Politik habe aber keinen Grund, sich dafür auf die Schulter zu klopfen, sagt Hansi Hansmann im Interview.
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Hansi Hansmann © Maximilian Rosenberger
Hansi Hansmann | © Maximilian Rosenberger

Johann “Hansi” Hansmann ist Österreichs bekanntester und aktivster Business Angel. Er steht als Investor hinter Erfolgsgeschichten wie Runtastic, MySugr, Shpock, Busuu oder durchblicker und ist bekannt für einen besonders guten Riecher für die Startup-Stars der Zukunft. Im großen Interview mit dem brutkasten spricht er nicht nur darüber, dass er 2021 wieder aktiv zu investieren begonnen hat. Er geht mit der Politik hart ins Gericht und erklärt die wichtigsten Themen, die sich ändern müssen, damit die Bedingungen für Startups in Österreich besser werden.

2021 war was Investments angeht ein Rekordjahr für österreichische Startups. Wie ist das Jahr für dich gelaufen? Wieviel hast du investiert und ich glaub einige Exits waren auch dabei?

Hansi Hansmann: 2021 war ein großartiges Jahr für mich. Als Business Angel war es sogar mit Abstand mein bestes Jahr bisher. Ich habe insgesamt 6 Exits gemacht, davon mit Busuu und Durchblicker zwei sehr große. Ich habe zwei große Series-B-Finanzierungsrunden in meinem Portfolio gehabt, das sich insgesamt sehr gut weiterentwickelt hat. Hätte ich Anfang des Jahres eine Wunschliste geschrieben, wäre eigentlich alles davon aufgegangen.

Wieviel ist die Hansmen Group mittlerweile wert – ist sie als Gruppe bereits ein Unicorn?

Hansmann: Bei der Hansmen Group muss man unterscheiden. Die aktiven Portfolio Companies und die Alumni, also jene, die bereits einen Exit gemacht haben. Alle zusammen sind weit mehr als ein Unicorn. Mittlerweile habe ich aber mehr nicht aktive Companies in der Gruppe.

Du bist einer der aktivsten Investoren in Österreich, dabei sagst du seit Jahren, dass du nicht mehr investierst. In welchen Fällen brichst du mit diesem Vorsatz?

Hansmann: Dass ich nicht mehr investiere muss ich tatsächlich relativieren. Ich habe Anfang 2017 aufgehört Neuinvestments zu machen. Ich habe aber nicht aufgehört, in mein bestehendes Portfolio zu investieren und ich habe sie auch bei Series-A und Series-B-Runden begleitet. 2021 habe ich nun wieder begonnen, neu zu investieren. Ich habe in diesem Jahr acht neue Investments gemacht. Aber ich habe meine Strategie geändert. Ich mache keine Lead-Investments mehr, sondern Co-Investments und zwar dort, wo ich den Lead-Investor gut kenne.

2021 gab es in deinem Portfolio 6 Exits, darunter sehr frühe Investments von dir. Busuu und Playbrush wurden von österreichischen Gründern im Ausland aufgebaut. Haben sich die Rahmenbedingungen in Österreich seither gebessert – denkst du, würden sie jetzt in Österreich bleiben?

Hansmann: Playbrush ist in Österreich und England parallel aufgebaut worden, weil einer der Gründer nur in London eine Arbeitserlaubnis hatte und in Österreich keine bekam. Und Busuu wurde in Spanien gegründet, nicht weil Österreich nicht zur Debatte stand, sondern weil die beiden Gründer damals in Spanien gelebt hatten. Allerdings, als sie 2012 von Spanien nach London übersiedelt sind, ist auch Wien zur Debatte gestanden. Nach Abwägung aller Chancen und Möglichkeiten und Vergleich der Ökosysteme war die Entscheidung aber sehr eindeutig für London. Ich glaube, dass die Entscheidung auch heute noch für London fallen würde und nicht für Wien.

Was spricht gegen Wien als Standort?

Hansmann: Er ist zu klein. Er ist ein Zehntel von dem was er sein könnte.

Dennoch klopfen sich viele Player aus dem Startup-Ökosystem und auch Politiker gerne auf die Schultern für den guten Startup-Standort Österreich. Sind wir aus deiner Sicht zu wenig ehrlich mit uns selbst und reden uns die Startup-Welt schön?

Hansmann: Ja, da sind wir unehrlich. Die Politik hat am allerwenigsten Grund, sich auf die Schulter zu klopfen. Dass in Österreich sehr viel Positives passiert ist, liegt an vielen Faktoren aber vor allem auch an der Leistung einzelner, herausragender Unternehmer-Persönlichkeiten. Die wird es immer geben, trotz der Politik. Es wird auch in Zukunft noch viel mehr herausragende Startups in Österreich geben. Das ist aber leider nicht das Resultat einer systematischen Förderung der Startup-Szene.

Das Interview mit Hansi Hansmann als Podcast

Im aktuellen Regierungsprogramm ist viel Startup enthalten. 3 von 18 Punkten wurden laut Austrian Startups umgesetzt – die Entrepreneurship Week, Gründung per Videokonferenz und FinTech-Sandbox. Was wären deiner Meinung nach die wichtigsten drei Punkte gewesen?

Hansmann: Da kann ich jetzt meine Schallplatte aus der Tasche holen, die ich seit ungefähr zehn Jahren abspiele. Doch zunächst muss ich sagen, dass ich die Entrepreneurship Week für enorm wichtig halte. Die kann mittel- und langfristig wirklich etwas bewirken. Das hat einen Multiplikations- und Lawinen-Effekt, weil es wirklich bewirken kann, dass Unternehmertum einen besseren Stellenwert bekommt.

Aber bei den Dingen, die wirklich wichtig wären, haben wir leider keinen Fortschritt erzielt. Auf meiner Schallplatte finde ich nach wie vor, dass wir eine Rot-Weiss-Rot-Karte haben, mit der wir ausländisches Talent nach Österreich bringen können sollten. Die Rot-Weiß-Rot-Karte funktioniert nicht. Sie dauert zu lange, ist mit zu vielen administrativen Hürden verbunden. Es kann ja nicht sein, dass das vier bis sechs Monate dauert, wenn ich als Startup mit einem wirklichen Spezialisten einen Deal habe. Der muss binnen zwei Wochen da sein und arbeiten dürfen. Nur dann funktioniert diese Karte.

Der zweite wichtige Punkt ist die Rechtsform. Die GmbH ist wirklich ungeeignet für Startups. Sie ist für Familienunternehmen gedacht, bei denen es einmal im Jahr eine Generalversammlung gibt und die Dividenden beschlossen werden und sich im Prinzip nicht viel an der Firma ändert. In einem Startup gibt es jährlich mitunter mehrere Kapitalerhöhungen. Das Startup muss agil agieren können. Das geht mit der GmbH nicht. Das beginnt damit, dass ein Umlaufbeschluss nur dann wirklich funktioniert, wenn alle Gesellschafter einverstanden sind. Das ist bei Startups oft nicht so einfach, wenn Gesellschafter in Australien sitzen.

Damit einher geht auch das Thema der Mitarbeiterbeteiligung, die in der GmbH nicht geregelt ist. Die GmbH kann keine eigenen Anteile halten und hat nicht die Möglichkeit, stimmrechtslose Anteile für Mitarbeiter herzugeben. Das Thema Mitrabeiterbeteiligung ist aber für ein funktionierendes Startup-Ökosystem ungemein wichtig. Wir wissen, dass ein Startup in der frühen Phase nicht die Möglichkeit hat, Marktgehälter zu bezahlen und gleicht das durch Anteile an der Firma aus. Das geht derzeit nur über Systeme wie die Phantom Stocks, die aber nicht die gleiche Motivation bei Mitarbeitern auslösen, weil man ja nicht wirklich Anteile hat. Ein Phantom Stock ist eigentlich nichts anderes als ein Bonus, den man einem Mitarbeiter im Fall eines Exits ausbezahlt.

Das ist unpraktikabel…

Hansmann: Steuerlich macht das auch einen großen Unterschied. Bei echten Anteilen bezahlt man im Exitfall 27,5 Prozent KeSt. und bei Phantom Stocks oder einem Bonus wird die volle Lohnsteuer fällig. Die wirklich guten Mitarbeiter, die man aus dem Ausland holt – da geht es ja um Key Positions – bekommen das am Anfang vielleicht gar nicht mit und sind dann sehr verärgert.

Über eine neue Gesellschaftsform gibt es sehr konkrete politische Diskussionen.

Hansmann: Ja, da war ich auch zum Teil eingebunden. Meine Erfahrung mit österreichischer Politik lehrt mich aber, dass am Schluss wahrscheinlich wieder nur eine second best solution dabei herauskommt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es eine ideale Lösung wird.

Der dritte Bereich, den ich für sehr wichtig halte: Österreich ist ein enorm reiches Land. Wir haben sehr viel privates Kapital. Das private Kapital modert vor sich hin. Um dieses Kapital der Innovation zuzuführen müsste man steuerliche Anreize setzen. Man könnte auch einen großen Fund of Funds machen. Damit könnte man Startups wirklich zu einem wesentlichen Bereich der Wirtschaft machen, den die so oder so in Zukunft einnehmen werden, aber halt in anderen Ländern. Wir müssten in Österreich kein neues System für eine steuerliche Incentivierung erfinden. Es gibt ein paar Länder, die uns das seit vielen Jahren vormachen.

In UK kann man als gut verdienender Angestellter 50.000 bis 100.000 Pfund pro Jahr in Startups investieren und direkt von der Steuer absetzen. Das hat dazu geführt, dass, obwohl in UK das meiste VC-Geld in Europa investiert worden ist, das privat investierte Geld noch immer mehr war. So sind jedes Jahr Milliarden Pfund in die Startup-Szene geflossen. Das hat dazu geführt, dass in den letzten Jahren auch sehr viele Startups in UK entstanden sind. Ich denke, dass vielleicht die durchschnittliche Qualität dieser Startups vielleicht nicht so gut ist wie in Österreich. Wenn bei 50.000 Startups nur 500 oder 1000 wirklich erfolgreich werden, also ein sehr kleiner Prozentsatz, sind die Chancen dennoch besser als wenn es nur 500 Startups gibt und 5 davon erfolgreich sind. In London gab es in den letzten Jahren so auch den größten Zuwachs an neuen Arbeitsplätzen. Das ist also volkswirtschaftlich wirklich bedeutend.

Die Punkte, die du genannt hast, sind alles Dinge, über die wir seit zehn oder mehr Jahren reden – warum denkst du passiert da nichts? Überschätzen wir die volkswirtschaftliche Bedeutung von Startups in Österreich?

Hansmann: Das glaube ich nicht. Ich bin überzeugt, dass die Wirtschaft von morgen, die erfolgreichen Startups von heute sind. Durch die Digitalisierung werden früher oder später alle bestehenden Geschäftsmodelle erneuert müssen. Überall, wo man durch den Einsatz von Software oder intelligenter Hardware Prozesse schneller, einfacher oder effizienter machen kann, wird das auch passieren. Und das ist überall. Die großen Konzerne von heute werden sich umstellen müssen oder sie werden irgendwann nicht mehr da sein. Die Innovation passiert in den Startups. Startups werden eine immer wichtigere Rolle spielen, weil die Innovation dort passiert. Das wäre großartig, wenn wir das in Österreich erkennen würden. Einige haben das bereits erkannt und ich kann mir auch vorstellen, dass das der eine oder andere Politiker bereits erkannt hat. Wir sollten sehr viele Ressourcen in diese Innovation fließen lassen, damit wir zumindest in Europa ein wenig weiter vorne mitspielen können. Derzeit schaut es für mich so aus, als würden wir von der zweiten Liga in die dritte Liga absteigen.

Das heißt, es müsste jemand auf höchster politischer Ebene sein.

Hansmann: Und es müsste mehr Zusammenarbeit zwischen politischen Parteien geben. Die Startup-Szene ist im Mainstream angekommen. Deshalb muss auch in der Startup-Szene etwas passieren. Die Startup-Szene müsste ein wenig seriöser werden. Wir sind nicht mehr in den Anfängen, wo man bullshitten kann und die Dinge größer Aufblasen kann als sie sind. Das war am Anfang okay und ist jetzt nicht mehr seriös. Ein Beispiel: Wenn ein Startup die erste Seed-Runde publiziert, glauben viele, dass es wichtig ist, dass diese Runde über einer Million Euro liegt. Also lässt man es mit allen Mitteln so aussehen. Man sollte aber dazu sagen, ob Förderungen oder Double Equity hinzugerechnet wurden. Das wird sehr oft so gemacht. Das ist ja okay, wenn man es dazu sagt: die 1,5 Millionen Euro sind Equity, Förderungen und Double Equity. Aber es ist nicht okay, wenn man 1,5 Millionen Euro publiziert und nichts dazu sagt. Das sollten Gründer nicht mehr tun, obwohl ich bei Gründern vielleicht sogar noch etwas mehr Verständnis dafür habe.

Weniger Verständnis habe ich, wenn das von Investoren ausgeht. Im brutkasten-Jahresrückblick mit einigen wichtigen Investoren gibt es zum Teil seriöse Antworten. Seriöse VCs können gar nicht anders als die richtigen Zahlen zu präsentieren. Dann gibt es solche, die sagen, man habe „gemeinsam mit Co-Investoren“ 20, 50 oder 100 Millionen Euro investiert. Das ist wirklich Bullshit. Wenn man 100.000 Euro bei einer 10-Millionen-Euro-Runde investiert und dann sagt, man habe zusammen mit Co-Investoren 10 Millionen Euro investiert, ist das nicht seriös.

Ähnlich ist es bei der Kommunikation von Exits. Da werden oft keine Summen genannt. Das kann daran liegen, dass der Käufer das nicht will. Sehr oft ist es aber, glaube ich, deshalb, weil es der Verkäufer nicht will. Der denkt sich vielleicht, dass die Exit-Zahl nicht so gut klingt und sagt dann lieber, dass es confidential ist, aber ein sehr großer Exit. Wenn die Exit-Summe genannt wird, muss man das auch oft hinterfragen. Das wäre eine Aufgabe der Medien. Ein echter Exit ist in meinen Augen nur ein Cash-Exit. Alles andere ist kein richtiger Exit. Ein Exit, bei dem man Shares bekommt verlagert ja nur die Hoffnung auf den Erfolg des einen Unternehmens auf das andere Unternehmen. Das ist eigentlich eher ein Merger oder bestenfalls ein Teil-Exit.

Wie wird Österreich international als Standort wahrgenommen und haben die Unicorns die Sichtbarkeit Österreichs erhöht?

Hansmann: Die zwei Unicorns sind großartig und geben uns sicher mehr Sichtbarkeit international. Diese Unicorns sind aber die Konsequenz von zwei großartigen unternehmerischen Leistungen und den Gründern dieser Unternehmen. Das liegt nicht an dem österreichischen Ökosystem. Die hätten diese Leistung überall anders auch erbracht, vielleicht sogar schneller. Es ist gut, dass wir sie haben, aber ich glaube nicht, dass es dazu führt, dass Gründer aus dem Ausland jetzt sagen, sie wollen unbedingt nach Wien, weil man dort Unicorns machen kann.

Aber Investoren werfen vielleicht eher einen Blick nach Österreich.

Hansmann: So ist es. Aber internationale Investoren tun das ohnehin. Inzwischen screenen auch US-Investoren jedes gute Startup in Europa. Die finden ein potenzielles Unicorn sogar in Wien oder irgendwo in Österreich. Kein Startup arbeitet so still und leise vor sich hin. Wenn man ein Pitch Deck wohin schickt und das ist interessant, dann ist das ein, zwei Wochen später in der Hand von hundert Leuten. Wenn die KPIs gut genug sind, gibt es momentan jede Menge Geld. Die Kriegskassen der VCs sind sehr gut gefüllt. Da gibt es einen Investitionsdruck. Die großen US-VCs, die Milliarden geraised haben, müssen das ja in ein bis zwei Jahren deployen. Wenn sie es in den USA nicht mehr können, schauen sie verstärkt nach Europa. Die gehen jetzt auch stark nach Osteuropa. Zum Teil sind die Ökosysteme dort jetzt schon größer als das österreichische. Es gibt Länder wie Kroatien, die mehr Unicorns haben als wir.

Was sich in den nächsten Jahren noch ändern könnte.

Hansmann: Ich bin ganz sicher. Und ich hoffe auch, dass das in meinem Portfolio der Fall sein wird. Der Trend geht dorthin, es kann aber auch sein, dass durch hohe Inflation und die Geldpolitik der FED und EZB noch einen Krach gibt. Ich glaube aber nicht, dass das langfristig die Tendenz stören wird. Das Geld ist ja da.

Es gibt noch ein Thema über das wir seit Jahren reden, ohne dass sich wirklich etwas tut: Es gibt recht wenige Gründerinnen, aber noch viel weniger Investorinnen. Wir wissen aber, dass wir weibliches Risikokapital brauchen, um Innovationen zu fördern, die auch für Frauen gemacht sind. Ich denke kaum jemand liebt das Business Angel Dasein so sehr wie du. Wie können wir mehr Menschen und auch mehr Frauen motivieren, in Startups zu investieren?

Hansmann: Es gibt die Austrian Angel Investors Association, wo ich mich als Präsident zwar zurückgezogen habe, die ich aber noch immer unterstütze. Ich weiß, dass einer der Schwerpunkte des neuen Managements dort ist, mehr Frauen dazu zu motivieren, als Business Angel aktiv zu werden. Grundsätzlich sprichst du da ein großes Problem an, dessen ich mir bewusst bin. Ich unterstütze auch Organisationen wie die Female Founders, die auch einen Fonds aufsetzen. Ich glaube, wenn wir Gründerinnen nicht stark genug unterstützen, berauben wir uns als Gesamtwirtschaft eines großen Teils dessen, was möglich ist. Auf Investorenseite gilt das auch.

Ich setze auch da Taten. Ich habe seit 1. Jänner mit Lisa Pallweber eine Investmentmanagerin, die Fulltime für mich arbeitet. Ich sehr gute junge Frau, die viel Investmenterfahrung mitbringt. Ich habe bewusst eine Frau gesucht, weil ich davon ausgehe, dass sie, weil sie ja auch die Neuinvestitionen betreut, ein gutes Auge für Gründerinnen haben wird. Da muss viel getan werden und es gibt auch viele Bestrebungen – etwa auch von Speedinvest. Es ist auch eine Chance für Österreich und für Wien im Speziellen, sich in einem guten Thema zu positionieren. Wir haben schon sehr viele Chancen im Startupbereich verpasst. Das Thema Female Founders ist eine neue Chance, um in Wien eine Power aufzubauen. Wien könnte ein europäischer Hotspot für Gründerinnen werden.

Du schreibst auf Facebook, dass du dich etwas mehr zurückziehen willst und in Zukunft eine neue Investmentstrategie verfolgst. Wie sieht die Zukunft der Hansmen Group aus?

Hansmann: Ich habe seit 1. Jänner Lisa Pallweber bei mir. Sie wird ein paar meiner bestehenden Startups betreuen. Und sie wird sich vor allem um die Neuinvestments kümmern. Ich werde wieder aktiv stärker investieren. Ich habe auch relativ viel Spielgeld jetzt. Zum Glück. Ich habe mir irgendwann gedacht, ich höre damit auf. Auf der anderen Seite ist das, was da gerade im Startup-Bereich passiert so unglaublich spannend und ich glaube, dass wir erst ganz am Anfang der goldenen Ära der Startups stehen. Die Hansmen Group wird also wieder wachsen, auch, was aktive Member angeht.

Hansi Hansmann im Video-Interview

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vlonru.: Andreas Nemeth, Doris Agneter, Berthold Baurek-Karlic, Christiane Holzinger, Franz Zöchbauer, Hansi Hansmann und Laura Raggl | © UNIQA Ventures / tecnet / Foto Wilke / 360 Business Planer / VERBUND / Studio KoeKart / Fabianklima.at
vlonru.: Andreas Nemeth, Doris Agneter, Berthold Baurek-Karlic, Christiane Holzinger, Franz Zöchbauer, Hansi Hansmann und Laura Raggl | © UNIQA Ventures / tecnet / Foto Wilke / 360 Business Planer / VERBUND / Studio KoeKart / Fabianklima.at

Dass es für Startups auch im Jahr 2024 vergleichsweise schwierig war, an Risikokapital zu kommen, zeigen entsprechende Statistiken. Der EY Startup Barometer wies für das erste Halbjahr einen weiteren Rückgang bei der Anzahl der Finanzierungsrunden und beim Gesamtvolumen in Österreich aus. Die Zahlen aus dem zweiten Halbjahr stehen noch aus. Fest steht: Die seit Mitte 2022 anhaltende Risikokapitalkrise bleibt weiterhin spürbar – vor allem wenn man die Situation mit der Boom-Phase von Ende 2020 bis Anfang 2022 vergleicht.

Doch wie sieht es auf der Seite der Business Angels und VCs aus? Tatsächlich waren keineswegs alle so investmentscheu. Ein brutkasten-Rundruf zum Jahresende ergibt ein differenziertes Bild, das von “sehr zurückhaltend” bis “zweitbestes Jahr unseres Bestehens” reicht.


Hansmann: 5 Mio. Euro in “Ösiland” investiert – “wohl manchmal mehr als vernünftig wäre”

Hansi Hansmann
Hansi Hansmann | (c) Studio KoeKart

Einer jener Investoren, die sich durch den Krisenzustand nicht allzu sehr bremsen ließen, ist Österreichs bekanntester Business Angel Hansi Hansmann. “Wir haben mit der Hans(wo)mengroup 2024 wieder viel Geld in die Hand genommen, ein paar Neuinvestments getätigt und bei etlichen Follow-on- oder Bridge-Runden den Lead übernommen oder uns beteiligt”, sagt er auf brutkasten-Anfrage. Ob man bei letzteren dabei sei, mache den Unterschied für später und als privater Investor mit “just Hansi-Money” sei man zum Glück sehr flexibel.

Insgesamt fünf Millionen Euro habe man allein in “Ösiland” investiert. Dazu komme noch Geld, das die Hans(wo)mengroup in heimische VCs wie Speedinvest, Push Ventures, Calm/Storm und Fund F steckte. “Da uns Österreich sehr am Herzen liegt und wir die hiesige Szene befeuern wollen, machen wir – relativ gesehen – wohl manchmal mehr, als vernünftig wäre. Andere Länder haben ja auch schöne Töchter”, so Hansmann. Die Neuinvestments waren Fynk, Propcorn, Quantum Industries “und noch andere, die noch nicht publik sind”.

tecnet: 1,9 Millionen Euro und mehr Zurückhaltung

Doris Agneter ist Geschäftsführerin von tecnet equity © tecnet
Doris Agneter | (c) tecnet

Bei der besagten Finanzierungsrunde für das niederösterreichische Startup Propcorn war auch der niederösterreichische Landes-VC tecnet equity dabei. Für diesen war es jedoch das einzige Neuinvestment im Jahr 2024. Man habe “in einem schwierigen Umfeld erneut Stärke bewiesen” und 1,9 Millionen Euro investiert, heißt es von tecnet auf brutkasten-Anfrage. Neben dem Neuinvestment floss das Geld in sieben Folgefinanzierungen. Mit Sheepblue gab es auch einen Exit im Portfolio.

“Natürlich spüren auch wir die Vorsicht im Markt, doch genau jetzt ist es wichtig, unseren Unternehmen verlässlich zur Seite zu stehen. Unsere Überzeugung: In turbulenten Zeiten entstehen die stärksten Innovationen. Deshalb setzen wir weiterhin auf Deep Tech, Software und Life Science”, kommentiert Geschäftsführerin Doris Agneter. Für das kommende Jahr stehe weiterhin die Stärkung des bestehenden Portfolios im Fokus, zugleich wolle tecnet aber auch neue Chancen nutzen.

VERBUND X Ventures: Rund 9 Millionen Euro für sechs Startups

Franz Zöchbauer leitet Verbund X Ventures
Franz Zöchbauer | (c) Verbund

Während die eingangs erwähnte Zurückhaltung – zumindest bei Neuinvestments – also bei einigen heimischen VCs durchaus ein Thema ist, startete ein Corporate VC dieses Jahr mit einem gewissen Tempo in den Aufbau seines Portfolios: Verbund X Ventures.

Nachdem die Organisation davor aufgebaut worden war, schloss der Investment-Arm von Österreichs größtem Energieanbieter dieses Jahr gleich mit sechs Startups Kapitalrunden ab, darunter Necture, eologix-ping und Easelink aus Österreich (ein Investments für e.friends wurde zudem bereits vergangenes Jahr abgeschlossen, aber Anfang des Jahres kommuniziert), sowie Reduxi aus Slowenien, das seinen Hauptsitz nach Wien verlegt hat. Bei den meisten dieser Investments wurde die Summe konkret mit 1,5 Millionen Euro beziffert. Davon ausgehend, das die Höhe der weiteren Investments ähnlich war, ergeben sich geschätzt rund 9 Millionen Euro im Jahr 2024.

Und es dürfte so weiter gehen. “Wir haben darüber hinaus bereits zwei Investitionsentscheidungen getroffen, die wir im ersten Quartal 2025 bekanntgeben werden”, sagt Verbund X Ventures Managing Director Franz Zöchbauer auf brutkasten-Anfrage. “Unser Ziel ist der Aufbau eines Beteiligungsportfolios von 15 Startup-Investments bis 2026. Hierfür hat Verbund 30 Millionen Euro vorgesehen, die zur Verfügung stehen”, so Zöchbauer. “Gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten sind Investitionen in Innovation von hoher Bedeutung. Wichtig dabei ist, dass ein klare Perspektive für einen Wertbeitrag durch das Startup-Investment gegeben ist.” Neben weiteren Investments wolle man aber natürlich auch die Portfolio-Startups bei der Skalierung unterstützen.

ROI Ventures: 750.000 Euro investiert – alles außerhalb Österreichs

Laura Raggl (c) Fabianklima.at

Nicht allzu zurückhaltend war auch ROI Ventures dieses Jahr. “2024 war unser zweites vollständiges Investmentjahr. Unser Portfolio umfasst nun insgesamt 24 Unternehmen: drei Investments aus 2022, zwölf aus 2023 und neun aus diesem Jahr”, sagt Gründerin und Managing Partner Laura Raggl auf brutkasten-Anfrage.

Das Kapital floss dabei zur Gänze ins Ausland, wie Raggl beschreibt: “Insgesamt haben wir 2024 750.000 Euro investiert, allerdings ohne ein Investment in Österreich. Die neun Neuzugänge verteilen sich auf zwei in der Schweiz, zwei in Großbritannien, drei in den USA und zwei in Deutschland.” Aus den Portfolio-Unternehmen der Jahre 2022 und 2023 hätten zudem acht erfolgreiche Anschlussfinanzierungsrunden abgeschlossen werden können. Auch strategisch entwickelte sich ROI Ventures weiter. “Unser Investmentfokus hat sich weiter spezifiziert. Wir konzentrieren uns nun auf Software-Infrastruktur, etwa DevTools, Data und AI, auf DeepTech, PropTech und FinTech”, so Raggl.

Uniqa Ventures: 12,5 Mio. Euro Investment und ein prominenter Exit

Andreas Nemeth | (c) UNIQA Ventures
Andreas Nemeth | (c) UNIQA Ventures

Ebenfalls einen starken Auslandsfokus hat Österreichs größter Corporate-VC Uniqa Ventures, der aktuell 42 aufrechte Beteiligungen mit einem Marktwert von rund 140 Millionen Euro hat und bereits auf 16 Exits verweisen kann. CEO Andreas Nemeth gibt sich mit dem ablaufenden Jahr auf brutkasten-Anfrage sehr zufrieden: “2024 war für Uniqa Ventures das zweitbeste Jahr unseres Bestehens. Nur übertroffen durch das Ausnahmejahr 2021. Wir haben dieses Jahr erneut eine mehr als zweistellige Rendite für unsere Investoren und Gewinn in zweistelliger Millionenhöhe erwirtschaftet.” Konkret habe man 17 Transaktionen abgewickelt und 12,5 Millionen Euro investiert. Aktuell arbeite man an einem Investment in ein FemTech-Unternehmen, über das man im Jänner mehr sagen könne.

Highlights seien zudem unter anderem der Einstieg von Uber beim Portfolio-Unternehmen Moove im Rahmen einer 100 Millionen US-Dollar-Kapitalrunde und der Exit des Wiener Portfolio-Startups Eversports an Verdane gewesen. Doch auch externe Entwicklungen sieht Nemeth positiv: “Der Ausgang der US-Wahlen und der Höhenflug des Bitcoin sowie die Zinswende der US-Fed und EZB waren weitere wichtige Meilensteine, die wir als positive Signale für die Startup Community werten. Wir sind zuversichtlich das sich 2025 oder spätestens 2026 auch das IPO-Fenster wieder öffnen könnte, was für das gesamte Ökosystem von elementarer Bedeutung wäre.”

Er blicke also positiv ins Jahr 2025, meint Nemeth. Doch er betont auch: “Im Hinblick auf die Politik und die neue Bundesregierung bleibt es spannend. Themen wie der Dachfonds und die Förderung von Corporate-Venture-Capital waren wichtige Anliegen der Community. Zweifelsohne braucht es mehr Kapital für Startups – gerade in der Later Stage – und es braucht meiner Meinung nach auch potente neue Venture-Capital-Unternehmen, um diese Lücke zu schließen.”

Christiane Holzinger: Drei Neu-Investments und Stärkung bestehender Beteiligungen

Christiane Holzinger | (c) 360 Business Planner

Für Business Angel Christiane Holzinger war 2024 “geprägt von Herausforderungen”. “Als Angel-Investor habe ich mich in diesem Jahr auf drei neue Startups fokussiert, die nachhaltige Geschäftsmodelle und innovative Technologien in den Vordergrund stellen. Gleichzeitig lag mein Augenmerk darauf, bestehende Beteiligungen zu stärken” – etwa durch zusätzliche Kapitalaufstockungen oder intensive strategische Unterstützung. Bridgerunden und schwierige Finanzierungsphasen im Portfolio seien “anspruchsvoll” gewesen.

Die anhaltende wirtschaftliche Unsicherheit habe sie auch dazu gebracht, Entscheidungen noch bewusster und datengetriebener zu treffen, sagt Holzinger. “Besonders wichtig waren dabei die Themen Team & Leadership sowie die langfristige Stabilität der Geschäftsmodelle. Manchmal bedeutete dies auch, Entscheidungen aufzuschieben, um alle relevanten Faktoren umfassend zu prüfen.”

2025 wolle sie ihren Fokus weiter schärfen, sagt die Investorin: “Frühphasen-Investitionen werden eine noch zentralere Rolle spielen. Ich sehe enorme Potenziale in Co-Investments mit anderen Angels und institutionellen Investoren, besonders in der heimischen VC-Szene.” Auch Holzinger mahnt politische Maßnahmen ein: “Es braucht bessere steuerliche Anreize, einfachere Zugänge zu Kapital und mehr Bildung rund um das Thema Unternehmertum, damit Investieren als ganzheitliches Konzept in der Bevölkerung ankommt.”

Venionaire Capital: “sehr zurückhaltend bei neuen Investments”

Berthold Baurek-Karlic © Foto Wilke
Berthold Baurek-Karlic | (c) Foto Wilke

Wiederum auf der vorsichtigen Seite war dieses Jahr Venionaire Capital, wie Gründer und CEO Berthold Baurek-Karlic auf brutkasten Anfrage ausführt. “Das Jahr 2025 war sicherlich kein einfaches. Wir haben das schwache Sentiment (Anm. Baurek-Karlic verweist auf den von Venionaire erstellten “Venture Sentiment Index”) gespürt. Investoren waren sehr zurückhaltend bei neuen Investments, wir waren da keine Ausnahme.” Man habe sich auf die Restrukturierung bzw. den Turnaround bei den zuvor insolventen Portfolio-Startups Eloop, Fretello und Cybertrap, sowie auf die Stärkung der starken Portfoliofirmen, darunter etwa Blockpit, konzentriert. In das letztgenannte Scaleup habe man in Summe rund eine Million über das Jahr hinweg investiert. Mit dem Schweizer Unternehmen Flovtec gelang zudem ein Exit.

Doch Baurek-Karlic bleibt optimistisch: “Im Venture-Capital-Portfolio erwarten wir nächstes Jahr mehr Momentum für größere Exits und sehen auch, dass sich bis 2026 sogar ein IPO-Fenster öffnen könnte.” Der Investor betont jedoch auch die Wichtigkeit eines anderen Geschäftszweigs für Venionaire: “Neben den klassischen Ventures haben wir unser Engagement im Web3 in unserem Fonds Venionaire Web3 – Österreichs erster Krypto-AIF – verstärkt, indem wir einen Gründungsgesellschafter herausgekauft haben.” Zum Jahresende zeige der Web3-Fonds wieder eine sehr starke Performance “und sollte auch im Jahr 2025 gut laufen”, so Baurek-Karlic.

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