26.02.2018

Startup-Finanzierung – “Finnland ist uns Lichtjahre voraus”

Gastkommentar. Investor Berthold Baurek-Karlic (Venionaire Capital, ESAC, AVCO) über einen neuen von der finnischen Regierung initiierten Fonds und was sich Österreich in Punkto Startup-Finanzierung davon abschauen könnte.
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Startup-Finanzierung Venture Capital Finnland
(c) Venionaire Capital: Berthold Baurek-Karlic

Raine Tiessalo von Bloomberg berichtete am 15. Februar 2018 von einem neuen Digital Venture Fund der finnischen Regierung, welcher mit 3,6 Milliarden Euro ausgestattet werden soll. Die Regierung will aus einem Teil ihrer Beteiligungen Barmittel generieren, um Investitionen in Startups zu Finanzieren. Insbesondere Digital- und Plattformunternehmen stehen im Investmentfokus dieser beeindruckenden Initivative. Finnland zeigt im globalen Wettrüsten um die besten Talente und Digitalen Wettbewerb erstmals starke Muskeln. Was können wir uns für die Startup-Finanzierung in Österreich hiervon anschauen?

+++ Gastkommentar: Das Regierungsprogramm aus VC-Sicht +++

Die politische Ausgangslage

In Österreich haben wir zum ersten Mal in der Geschichte ein Digital-Ministerium, welches mit einer Top-Managerin aus der Telekommunikationsindustrie besetzt ist (BM Margarethe Schramböck. Mit Maria-Theresia Niss-Mitterbauer gibt es eine erfahrene Unternehmerin die sich innerhalb der ÖVP zusätzlich im Parlament als Bereichssprecherin für Innovation, Forschung und Digitalisierung sehr aktiv einbringt. In allen anderen Parteien finden sich ebenfalls vergleichbare Zuständigkeiten – Stefanie Cox (Liste Pilz), Claudia Gamon (NEOS), Philip Kucher (SPÖ), Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ). Das Thema ist also endgültig in der Politik angekommen und personell besetzt.

“Da spielt dieses (unsere) wahrscheinlich eher exotische Thema eine untergeordnete Rolle in der kurzfristigen Priorisierung.”

Das Regierungsprogramm der aktuellen österreichischen Bundesregierung liest sich zunächst sehr ambitioniert und lässt positiv sehr viele überfällige Akzente für die Bereiche Digitalisierung, Venture Capital / Private Equity und Technologietransfer erhoffen.

Leider gibt es aber auch Stimmen die bereits jetzt hinter den Kulissen Gerüchte in Umlauf bringen, dass das Budget wohl wenig Luft für Investitionen und Förderungen haben werde. Mit dem zweiten Halbjahr 2018 wird zudem die Aufmerksamkeit stark auf der EU-Präsidentschaft Österreichs liegen. Da spielt dieses (unsere) wahrscheinlich eher exotische Thema eine untergeordnete Rolle in der kurzfristigen Priorisierung.

Startup-Finanzierung: Ein Wunsch ans Christkind?

Aus meiner Rolle als Vorstand der AVCO (Austrian Private Equity and Venture Capital Organisation), aber auch als aktiver Marktteilnehmer, erlaube ich mir den persönlichen Wunsch zu platzieren, das Thema Startup-Finanzierung nicht beiseite zu legen – das sollte vielmehr als ein zentrales Thema für die Zukunft unseres Landes in den Fokus gerückt werden. Wir verlieren täglich Top-Talente, weil wir im internationalen Wettbewerb (insb. der Digitalisierung) unsere PS noch immer nicht ausreichend auf den Boden bekommen.

In den letzten Jahren ist im Bereich Startup-Finanzierung sehr viel passiert. Private und staatliche Initiativen haben Angel Investments und eine Vielzahl kleiner und einige wenige größere Venture Fonds hervorgebracht. Wir benötigen aber immer noch zehn Mal so viele Marktteilnehmer, stärkeren Technologietransfer aus der Grundlagenforschung in die Industrie und Wirtschaft und einen attraktiveren Kapitalmarkt (Stichwort: Öffnung des Dritten Marktes). Jetzt heißt es dran bleiben und ich hoffe das wir nicht bis Weihnachten warten müssen um etwas in dieser Sache zu hören!

Zurück zur finnischen Steilvorlage

Das neue Investmentvehikel Vake Oy wird laut Jyrki Knuutinen auf Vermögenswerte im Wert von rund 3 Milliarden Euro vorbereitet. Die ersten Investitionen sollen bereits zum Ende des zweiten Quartals dieses Jahres getätigt werden.

Die Regierung hat am Donnerstag einen Vorstand für Vake ernannt, der sich dem Vorsitzenden Reijo Karhinen anschloss. Maria Ritola, Paula Laine, Tuomas Syrjanen, Leena Morttinen und Jarmo Vaisanen wurden nach Angaben der mit dem Thema vertrauten Personen für eine einjährige Amtszeit ab dem 1. März ausgewählt.

Vake wird voraussichtlich versuchen, Investitionsziele vor allem in Finnland zu identifizieren. Vakes Mission ist es, “passives Eigentum in größeren Unternehmen in aktives Eigentum von kleineren Startup-Unternehmen umzuwandeln”, sagte Knuutinen am Donnerstag in einem Interview.

Die Regierung von Juha Sipila entschied vor zwei Jahren, dass einige oder alle der Aktien in Unternehmen wie Neste Oyj, Post Pos Group Oyj oder Eisbrecher Betreiber Arctia Oy Vake transferiert werden könnten. Die Dividenden sollen verwendet werden, um neue Unternehmungen zu finanzieren. Der Staat kann für dieses Vorhaben auch ganze Unternehmen veräußern, um Erträge zu erwirtschaften bzw. Gelder frei zu bekommen.

Eine Option, die die Regierung abwägt, ist ein erstes öffentliches Angebot des Alkoholproduzenten Altia Oyj, der als erster Mittel in Vake bringen könnte.

Die Regierung sagte im Dezember, dass eine endgültige Entscheidung über den Börsengang im ersten Quartal getroffen werden sollte. Es liegt an der Regierung, letztendlich zu entscheiden, sagte Knuutinen zu Bloomberg.

“Würde ein solcher “Staatsfonds” nicht etwa die Rolle der Staatsholding aufwerten und Österreich als Standort für Talente und Partner aus CEE attraktiver machen?”

Was würde das auf Österreich umgelegt bedeuten?

Wären wir bereit für einen radikalen Asset-Shift, wie er von den Finnen vorgemacht wird? Wieviel Geld könnten wir zweckgebunden freimachen, wenn wir Dividenden und Privatisierungen nutzen um Geld in aktive junge Beteiligungen durch einen Staatsfonds oder besser noch Dachfonds des Staates (nach u.a. Dänischem Vorbild) zu stecken? Würde ein solcher “Staatsfonds” nicht etwa die Rolle der Staatsholding aufwerten und Österreich als Standort für Talente und Partner aus CEE attraktiver machen?

Meiner persönlichen Meinung nach ist das alles mehr als eine Überlegung wert!

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(vlonru.) Everest Carbon, cortEXplore, My Esel und Simventure nutzten und nutzen die umfassenden Möglichkeiten an den TECH HARBOR-Standorten | (c) TECH HARBOR
(vlonru.) Everest Carbon, cortEXplore, My Esel und Simventure nutzten und nutzen die umfassenden Möglichkeiten an den TECH HARBOR-Standorten | (c) TECH HARBOR / tech2b / My Esel / Simventure

Der Begriff “Co-Working-Space” wäre bei TECH HARBOR in Linz eindeutig zu kurz gegriffen. Viel zu kurz gegriffen. Denn hochwertige Büroräume für Startups gibt es an den zwei Standorten TECHCENTER und NEUE WERFT zwar durchaus. In einem üblichen Co-Working-Space würde man aber wohl sehr schnell an die Grenze stoßen, wenn man dort eine Serienproduktion für Fahrräder oder eine Produktionsstätte für hochpräzise chirurgische Geräte aufbauen wollte.

Genau das und noch viel mehr passiert in den TECH HARBOR-Standorten. Sie bieten Hardware-Startups mit komplexen technischen Anforderungen und teilweise viel Platzbedarf eine Heimat. Große Werkstattbereiche, Techlabs für Forschung und Entwicklung und Lagermöglichkeiten machen dabei den entscheidenden Unterschied.

My Esel: Vom Prototypen bis zur Serienproduktion im TECHCENTER

Ein Unterschied, der etwa dem mittlerweile einer breiten Öffentlichkeit bekannten Holzfahrrad-Startup My Esel mehr als nur die ersten Schritte ermöglichte. “In der Zeit im TECHCENTER fand die Entwicklung von den ersten Prototypen hin zur Serienproduktion statt”, erzählt Gründer Christoph Fraundorfer. 2016 sei nach einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne von dort aus der Markstart erfolgt. “Parallel wurde an der Optimierung der Rahmenkonstruktion und an den My Esel E-Bikes gearbeitet. 2019 konnten noch aus dem TECHCENTER die ersten E-Bikes ausgeliefert werden.”

Im TECHCENTER kam Christoph Fraundorfer mit My Esel vom Prototypen bis zur Serienproduktion | (c) TECH HARBOR
Im TECHCENTER kam Christoph Fraundorfer mit My Esel vom Prototypen bis zur Serienproduktion | (c) My Esel

Ebenfalls im Jahr 2019 Jahr zog My Esel dann um. “In Traun fanden wir in den ehemaligen Produktionsstätten der Carrera-Brillen unseren neuen Standort. Inzwischen nutzen wir hier über 800 Quadratmeter und konnten 2023 mit etwas mehr als 1.000 Bikes zirka 2.7 Millionen Euro Umsatz erwirtschaften”, erzählt Fraundorfer.

Simventure: Im TECH HARBOR-Standort zum Wingsuit-Simulator

Die Räumlichkeiten im TECHCENTER blieben danach freilich nicht leer. Auch aktuell arbeiten viele spannende Startups im TECH HARBOR-Standort und schreiben die Erfolgsgeschichten der Zukunft. Einer der Mieter ist etwa Simventure. Das Startup baut Geräte, mit denen Extremsportarten vollimmersiv simuliert werden können. Das erste dieser Geräte – WingSim – simuliert den Flug in einem Wingsuit – in Realität bekanntlich ein hochriskantes Unterfangen.

“Seit dem Einzug im TECHCENTER Anfang 2023 haben wir die Hard- und Software für unseren Prototypen entwickelt. Wir haben diesen Prototypen im Techlab gebaut und umfangreich getestet. Nun können wir den Demonstrator Kunden und potentiellen Investoren vorführen. Wir haben den Firmenwert seit dem Einzug vervielfacht”, sagt Gründer Norman Eisenköck.

Das Simventure-Team baut im TECHCENTER seine Simulatoren | (c) Simventure

Das TECHCENTER biete die idealen Voraussetzungen für das Startup und seine Wachstumsherausforderungen, so der Simventure-Gründer. “Ein Startup ist während der Unternehmensgründung und dem Unternehmens-Aufbau Schwankungen im Bedarf an Büroflächen und – in unserem Fall – eines Mechatronik Labors unterworfen. Die Flexibilität des TECHCENTER hat uns geholfen, diese Schwankungen sehr gut zu berücksichtigen.” Und die Infrastruktur diene nicht nur dem Team zur Arbeit, sondern biete auch schöne Repräsentationsräume, um Partner und Kunden zu empfangen.

cortEXplore: Von der NEUEN WERFT zu Yale und MIT als Kunden

Absolute HighTech-Produkte sind auch aus dem Standort NEUE WERFT schon vielfach hervorgegangen. Bis 2024 hatte dort etwa das Startup cortEXplore seinen Sitz, das eine Technologie für Gehirn-OPs für Forschungszwecke entwickelt hat. “Wir verkaufen unsere Technologie international in die EU, die USA und China und haben Kunden wie die US-Unis Berkeley, Yale und MIT”, sagt Gründer Stefan Schaffelhofer. Diesen April wurde das Unternehmen mehrheitlich von einem internationalen Medizintechnikkonzern übernommen.

Den Grundstein dafür legte cortEXplore am TECH HARBOR-Standort. “Wir haben in der NEUEN WERFT gestartet. Wir hatten zunächst Platz für die Entwicklung, hatten aber auch später ein Lager dort und Platz für Assemblierungen unserer Produkte”, erinnert sich der Gründer. “Es ist die optimale Location in Linz. Sie ist gut für Anlieferungen und den Versand der Produkte. Und es gibt Räumlichkeiten für Veranstaltungen und die Einladung von Kunden.”

cortEXplore baute in der NEUEN WERFT seine Hightech-Produkte für Gehirn-OPs | (c) tech2b/Andreas Balon
cortEXplore baute in der NEUEN WERFT seine Hightech-Produkte für Gehirn-OPs | (c) tech2b/Andreas Balon

Everest Carbon: “Unser Fortschritt übertrifft unsere Erwartungen”

Und auch in der NEUEN WERFT kamen seitdem viele spannende Unternehmen nach, etwa Everest Carbon, das diesen Sommer eingezogen ist. “Momentan entwickeln wir unser erstes Produkt, einen digitalen Umweltsensor für die Bindung von CO2 in Projekten basierend auf dem Prozess des beschleunigten Verwitterns, und testen es in Feldern hier in der Umgebung”, erklärt Gründer Matthias Ginterseder.

In der NEUEN WERFT baue man seit dem Einzug den primären Forschungs- und Produktionsstandort auf. “Wir sind gerade dabei, unser Team in der NEUEN WERFT zu vervollständigen, um Anfang nächsten Jahres die Produktionszahlen unserer ersten Produktlinie bedeutend erhöhen zu können”, sagt der Everest Carbon-Gründer. “Unser Fortschritt dabei übertrifft unsere Erwartungen, nicht zuletzt wegen der proaktiven Unterstützung durch Georg Spiesberger und sein Team hier im TECH HARBOR.” Und auch die Location selbst sei “hervorragend” für das Startup: “Das flexible Platzangebot sowie die zahlreichen Events, helfen uns sehr dabei, unsere Bedürfnisse in verschiedenen Entwicklungsstadien zu decken”, so Ginterseder.

Everest Carbon baut in der NEUEN WERFT gerade seine Produktion auf | (c) TECH HARBOR

Große Zukunftspläne – vom TECH HARBOR in die ganze Welt

Die Voraussetzungen für große Zukunftspläne und weitere Erfolgsgeschichten, wie die oben genannten, sind damit also perfekt gegeben. Der Everest Carbon-Gründer gibt einen Einblick: “Wir wollen in naher Zukunft unser erstes Produkt am Markt etablieren und unsere Technologie als eine bahnbrechende Lösung für zukunftsträchtige Formen von negativen Emissionen etablieren.”

Auch Simventure will am TECH HARBOR-Standort noch viel erreichen, wie Gründer Norman Eisenköck erklärt: “Wir werden weiterhin sowohl die Büroflächen als auch das Techlab für die Entwicklung weiterer Bewegungsplattformen nutzen. Es ist geplant, das weitere Wachsen des Teams und der Produktlinien im TECHCENTER zu machen.” Der erste WingSim werde aber schon bald ins Ars Electronica Center übersiedelt, um dort – ganz in der Nähe – für Kundenvorführungen zur Verfügung zu stehen. “Im Techlab werden dann neue Produkte entwickelt”, so der Gründer.

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