12.12.2019

Expansion nach Deutschland: Darauf müssen Startups achten

Deutschland ist für heimische Startups oft der erste Expansionsmarkt. Die gemeinsame Sprache verbindet, doch trotzdem gibt es einige Besonderheiten zu bedenken. Zwei Founder erläutern, worauf es beim Gang in den Norden ankommt.
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Expansion nach Deutschland: Das müssen Startups beachten
(c) JFL Photography - fotolia.com

Die Expansion nach Deutschland scheint auf den ersten Blick verhältnismäßig einfach zu sein. Kurze Wege und die gleiche Sprache im Sinn, darf man dennoch einige Notwendigkeiten nicht außer Acht lassen, um beim nördlichen Nachbarn Fuß zu fassen.

Laut Schätzungen des AußenwirtschaftsCenter Berlin der WKÖ befanden sich im Vorjahr etwa 260.000  Österreicher dauerhaft in Deutschland. Rund 3000 Niederlassungen österreichischer Unternehmen komplettieren das Bild. Um sich dieser Riege anzuschließen, gilt es abzuwägen, welche Region die richtige für das eigene Unternehmen ist. Denn während sich Österreichs Startup-Szene stark auf Wien und die größeren Städte konzentriert, ist das Ökosystem in Deutschland viel diverser. Beim Markteintritt in Deutschland lohnt es sich, genau zu analysieren, wo potentielle Kunden und Partner sitzen und dies zur Grundlage der Standortwahl zu machen.

+++ NEOH: 3,5 Mio. Euro Marketing-Budget für Deutschland-Expansion +++

Kundenanalyse und Spezial-Angebote

Alpengummi: Claudia Bergero über die Expansion nach Deutschland
(c) Alpengummi: Claudia Bergero

Claudia Bergero, Co-Founderin des Green-Startups Alpengummi, kann die Notwendigkeit einer Voraus-Analyse aus eigener Erfahrung bestätigen. Sie sagt: “Es ist hilfreich zu wissen, wie viele potentielle Kunden man dort hat – zieht das Produkt dort wirklich? Wir hatten schon recht früh das Glück, vor Markteintritt einen Beitrag auf ARTE zu bekommen. Das war sicher auch ein Vorteil in punkto Marketing im deutschsprachigen Raum. Somit hatten wir schon recht viele Newsletter-Anmeldungen und Follower auf Facebook und Instagram, sodass bei uns von Anfang an großes Interesse von deutschen Kunden da war”.

Bergero mahnt zudem dazu, zuerst auch die rechtlichen Anforderungen und das breitere Umfeld zu verstehen: “Da Österreich und Deutschland in der EU sind, gibt es da zum Glück nicht mehr große Unterschiede. Man sollte sich alles gut durchrechnen und auch die Preise dementsprechend anpassen, etwa die Versandkosten. Wir haben erst relativ spät herausgefunden, dass die Post recht gute Deals für Großaufgaben nach Deutschland hat. Dass es solche Möglichkeiten gibt, muss man erst einmal herausfinden”, sagt sie.

Niederlassung oder eigenständige Gesellschaft

Bei der Expansion nach Deutschland kann zwischen zwei Möglichkeiten gewählt werden: Entweder die Eröffnung einer Niederlassung des österreichischen Unternehmens, oder die Gründung einer rechtlich eigenständigen Gesellschaft nach deutschem Recht.

Im ersten Fall kann man Niederlassungen aufgrund von EU-Grundfreiheiten ohne Kapitaleinlage grenzüberschreitend einrichten. Hierbei kann die Zweigniederlassung in Deutschland selbstständig geschäftstätig werden, bleibt aber juristisch Teil der österreichischen Firma, die somit auch Vertragspartner der deutschen Kunden und Mitarbeiter ist.

Wenn allerdings der deutsche Standort rechtlich und wirtschaftlich unabhängig am Markt auftreten soll, dann muss die Gründung einer Gesellschaft nach deutschem Recht in Betracht gezogen werden. Während für die GmbH ein Stammkapital von 25.000 Euro nötig ist, ist bei der sogenannten “Unternehmensgesellschaft” – auch bekannt als “Mini-GmbH” – die Gründung ab einem Euro durchführbar.

Das ist bei der Gründung rechtlich zu beachten

Es ist in Deutschland auch möglich, eine GmbH mit nur einem Gesellschafter zu gründen. Wer sich jedoch weitere Partner als Mitgesellschafter an Bord holt, sollte auf die Rechte und Pflichten im Gesellschaftsvertrag achten. Dieser muss den Anforderungen des deutschen GmbH-Gesetzes entsprechen.

Zudem besteht in Deutschland für jede GmbH-Gründung Notariatszwang. Für Notar, Gericht und einen einfachen Gesellschaftsvertrag sollten im Durchschnitt zwischen 500 und 2000 Euro eingeplant werden. Um aktiv am Geschäftsleben teilnehmen zu können, muss außerdem für die Gesellschaft beim zuständigen Gewerbeamt ein Gewerbe angemeldet werden. Wer sich bei der richtigen Zuordnung unsicher ist, kann sich an eines der zuständigen AussenwirtschaftsCenter für österreichische Unternehmen oder an die deutsche Handelskammer am jeweiligen Standort wenden.

Anyline CEO Lukas Kinigadner: “Flagge zeigen”

Anyline: Gründer Lukas Kinigadner über die Expansion nach Deutschland
(c) Anyline: Gründer Lukas Kinigadner

Abseits der Beherrschung rechtlicher Grundlagen sei die Schaffung von “Awareness” ein Muss, wie Lukas Kinigadner, CEO des KI-Startups Anyline, betont: “Dass wir uns mit unseren nördlichen Nachbarn die Sprache teilen, macht nicht automatisch erfolgreich. Anwesenheit ist Pflicht. Alle zwei Wochen ein paar Tage in Berlin, Düsseldorf oder Hamburg zu verbringen, um Kunden zu signalisieren, dass man jederzeit erreichbar ist, macht einiges einfacher”, sagt er: “Besser einmal zu viel, als zu wenig Flagge zeigen”.

Der Gründer warnt andere Startups davor, einem Trugschluss zu erliegen: “Man sollte nicht denken, dass der deutsche Markt ‘einfach’ zu knacken ist, weil wir die selbe Sprache sprechen. Deutschland ist ein sehr attraktiver Markt, der nicht halbherzig von Österreich aus bedient werden kann. Ein gutes Produkt und Anwesenheit sind Pflicht. Unternehmen treten dort selbstbewusst auf, und es wird auch von Anfang an erwartet, dass professionell gearbeitet wird. Im Technologie-Bereich ist es, im Gegensatz zu anderen Märkten, noch schwerer, Schwächen zu kaschieren. Die ersten Kunden zu gewinnen ist deshalb schwierig. Daher gilt: Kernmärkte, Messen und Veranstaltungen besuchen. Und Kenntnisse zum deutschen Fußball helfen auch”, so Kinigadner lächelnd.

Expansion nach Deutschland: “einfach loslegen!”

Bei allen Punkten, die es zu bedenken gibt, fasst Bergero schlussendlich zusammen, worauf es für sie bei der Expansion nach Deutschland wirklich ankommt: Sich nicht in einer Art “Über-Planung” zu verirren. Sie rät: “Nicht zu viel nachdenken – einfach loslegen. Aber sich im Klaren darüber sein, dass man, sobald man in Deutschland sichtbar wird und das Interesse der Kunden da ist, auch liefern können sollte. Unserer Erfahrung nach erleichtert einem hier ein eigener Onlineshop das Leben”.


Dieser Beitrag erschien in gedruckter Form im brutkasten Magazin #9 “Vom Startup zum Scaleup” ⇒ hier online Lesen!


⇒ Alpengummi

⇒ Anyline

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Lanbiotic, Neurodermitis
(c) Oliver Wolf - Patrick Hart und Katrin Susanna Wallner von Lanbiotic.

Das Grazer Startup Lanbiotic stellt medizinische Hautpflege-Produkte mit lebensfähigen Bakterien speziell für die von Neurodermitis geplagte Haut her. Dabei verwenden die beiden Gründer:innen Patrick Hart und Katrin Wallner den zum Patent angemeldeten Bakterienstamm “Lactococcus Lanbioticus“.

Lanbiotic: “Skalierung als neue Normalität”

“Mit unseren probiotischen Hautanwendungen bringen wir gesundheitsfördernde Bakterien direkt auf die Haut, um die natürliche Balance des Hautmikrobioms wiederherzustellen und Hautprobleme gezielt an der Ursache zu bekämpfen”, erklärt Wallner.

Das letzte Jahr fühlte sich für die Gründerin an, als sei ein Traum nicht nur wahr, sondern sogar übertroffen worden. Andererseits sei es eine “neue Normalität” an der Skalierung des Unternehmens zu arbeiten.

“Wir haben weitere Produkte mit unserem einzigartigen Bakterienstamm ‘Lactococcus Lanbioticus’ entwickelt, um umfassender auf die Bedürfnisse von Menschen mit zu Neurodermitis neigender Haut eingehen zu können. Neu hinzugekommen sind Flora Bath und Flora Sun”, erklärt Wallner.

Flora Bath ist ein spezieller Badezusatz, der für Menschen entwickelt wurde, die großflächig oder an der Kopfhaut von Ekzemen betroffen sind – ein Bereich, in dem Pflegecremen oft an die Grenzen ihrer Praktikabilität stoßen.

“Der Fokus liegt wie immer bei Lanbiotic auf der Ergänzung des Hautmikrobioms, also ‘der lebende Teil’ der natürlichen Schutzbarriere der Haut, die den gesamten Körper bedeckt, mit probiotischen Bakterien”, so Wallner weiter. “Eine Ausgewogenheit des Hautmikrobioms ist, wie auch im Darm, entscheidend, um die Gesundheit der Haut zu bewahren und Beschwerden zu lindern.”

Flora Sun hingegen ist ein weiteres Produkt, das auf die besonderen Herausforderungen empfindlicher Haut unter UV-Strahlung eingeht. Studien hätten gezeigt, dass das Hautmikrobiom die natürliche Fähigkeit der Haut verbessern kann, mit den Effekten – und häufig auch Schäden – durch Sonneneinstrahlung umzugehen.

EHI-Siegel für Onlineshop

“Parallel dazu haben wir auch international expandiert: Der Eintritt in den deutschen Markt war ein großer Schritt, der mit der Anpassung unserer Produktions- und Logistikkapazitäten verbunden war, um langfristig weitere internationale Märkte beliefern zu können. Unser Webshop wurde außerdem mit dem EHI-Siegel zertifiziert, um unseren Kund:innen einen sicheren und vertrauenswürdigen Einkauf zu ermöglichen.”

Auch das Team wuchs 2024, zudem konnte durch zahlreiche Medienauftritte und Messeteilnahmen Aufmerksamkeit für die eigenen Produkte und die Marke gewonnen werden.

“Als weiteres Highlight wurden wir von der Apothekerkammer mit unserer Fachfortbildung akkreditiert, was Apotheker dazu motiviert, unsere Fortbildungen zu besuchen und mehr über das noch recht ‘nischige’ Thema Hautmikrobiom zu erfahren”, sagt Wallner.

Neue Märkte im Fokus

Aktuell arbeitet das Startup intensiv daran, Lanbiotic als Unternehmen und Marke weiterzuentwickeln, strategisch zu positionieren und zu skalieren. Das oberste Ziel ist es, die Lebensqualität von Menschen mit Neurodermitis über ihre mikrobiombasierten Produkte zu verbessern.

“Wir möchten Lanbiotic in weiteren Märkten etablieren, insbesondere natürlich in Ländern, wo die Prävalenz für Neurodermitis hoch ist. Dafür arbeiten wir an effizienten Marketingprozessen, um unsere Markenbekanntheit zu steigern, und bauen unsere Vertriebsstrukturen aus”, erklärt die Founderin. “Um diesen Schritt bestmöglich zu unterstützen, suchen wir gezielt nach vertrauenswürdigen Partnern für den internationalen Vertrieb, die unsere Werte und Qualitätsansprüche teilen. Die Kooperationen sollen es uns ermöglichen, unsere Produkte nachhaltig in weiteren europäischen und außereuropäischen Ländern anzubieten und das Thema Hautmikrobiom international bekannter zu machen.”

Daneben optimiert das Team Produktionsprozesse, um der wachsenden Nachfrage nachkommen zu können. In der Produktentwicklung liegt dabei der Fokus auf der Entwicklung weiterer wissenschaftsbasierten probiotischen Pflegeprodukten, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Neurodermitis und empfindlicher Haut zugeschnitten sind. Dazu steht man intensiv mit Industrie und Spitzenforschung in Kontakt.

Lanbiotic: Strukturen und Prozesse schaffen

Intern sei man vor allem stark mit dem Aufbau der Organisation beschäftigt. Man arbeitet daran, Strukturen und Prozesse zu schaffen, die das Wachstum langfristig stützen können. Ziel sei es, eine gesunde Organisation aufzubauen, die den Expansions- und Innovationszielen gerecht werde und das Unternehmen flexibel in die nächsten Entwicklungsstufen führt.

Lanbiotic wurde in der Vergangenheit unter anderem auch von der Austria Wirtschaftsservice (aws) unterstützt. So absolvierte das Unternehmen den aws First Incubator und erhielt über aws Innovationsschutz eine Förderung, um sein geistiges Eigentum zu schützen. Später folgte eine Preseed- und Seed-Förderung über aws Innovative Solutions. Mit diesem Seed-Förderprogramm unterstützt die aws innovative Gründungsideen, die über die Unternehmensgrenzen hinaus einen positiven gesellschaftlichen Impact bewirken. Der Fokus liegt auf skalierbaren Geschäftsmodellen. Im Fall von Lanbiotic war die Förderung essentiell, um die Produktentwicklung und Markteinführung zu finanzieren und sich allgemein zu professionalisieren.

“Eine bessere Förderung als aws Seed Innovative Solutions könnte es derzeit, meiner Meinung nach, für uns nicht geben”, sagt sie. “Es handelt sich um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss von 400.000 Euro, der für unterschiedlichste Aktivitäten in der Markteinführung und Produkteinführung verwendet werden kann. Naturgemäß ist das Programm sehr kompetitiv, aber wenn man für die Finanzierung ausgewählt wird, hat man wirklich einen gewaltigen Booster, um ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen.”

Die weiteren Ziele von Lanbiotic

Im Allgemeinen habe ihnen das Programm bereits jetzt weit mehr gebracht als Geld. “Ich empfand den Bewerbungsprozess per se als wertvolle Erfahrung, um mir unser Business Model noch einmal ganz genau anzusehen und unsere Ziele zu definieren”, präzisiert die Grazerin. “Dass wir sie jetzt so scheinbar ‘locker’ übertreffen konnten, ist natürlich die Draufgabe.”

Durch die positive Resonanz der stetig wachsenden Stammkundenbasis sieht sich Wallner in ihrer Mission bestätigt. “Wir wissen aber auch, dass viele Menschen Lanbiotic noch nicht kennen und Neurodermitis in vielen Ländern nach wie vor ein großes Problem darstellt”, sagt sie. “Daher wollen wir gezielt skalieren, den Umsatz und Gewinn steigern, innerhalb und außerhalb Europas expandieren und unser Produktportfolio weiter diversifizieren.”

In Sachen Umsatzentwicklung wird Lanbiotic 2024 das gesetzte Umsatzziel voraussichtlich verdoppeln, wie Wallner erzählt. “Unser für 2025 gestecktes Ziel ist ambitioniert, aber wir sind zuversichtlich, dass wir hier wieder gute Arbeit leisten. Aktuell haben wir einen sechsstelligen Nettoumsatz erreicht, und dank der Unterstützung durch die aws Seed-Förderung werden wir auch heuer, wie jedes Jahr seit unserer Gründung, noch profitabler sein.”


* Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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