START:IP: Ein “Dating-Portal” für Business und Forschung
An Österreichs Universitäten entsteht viel Spitzentechnologie. Doch nicht alles davon wird kommerziell verwertet. Die Initiative START:IP des universitären Gründerservice INiTS soll erfahrene Gründer mit disruptiver Technologie aus den Unis matchen. In der Pilotphase gab es bereits erste Erfolge.
Eine App, die über die Handy-Kamera Herzerkrankungen identifiziert, ein elektronischer Test, der die Bitterkeit von Nahrungsmitteln und Medikamenten messen kann und eine Substanz, die bakterielle Infektionen bei Bienenvölkern verhindert. Das sind drei Entwicklungen aus österreichischen Universitäten, die bislang nicht kommerziell genutzt werden. Das wird sich jedoch bald ändern. Denn, gemeinsam mit vielen anderen neuartigen Technologien, wurden sie bei der Initiative START:IP in die Auswahl genommen. Mit dem Programm zielt der universitäre Gründerservice INiTS darauf ab, Spitzentechnologie von den österreichischen Forschungseinrichtungen an erfahrene Gründer zu vermitteln. In weiterer Folge sollen über das Programm auch Investoren für die Neugründungen begeistert werden.
Die Pilotphase ist inzwischen abgeschlossen: “Sie war auf einige wenige Universitäten in Wien begrenzt und hat sofort zur Identifizierung zahlreicher Forschungsergebnisse geführt, die sich zur Kommerzialisierung im Rahmen eines Startups eignen. Für mehrere davon konnte das INiTS dabei bereits interessierte Gründerinnen und Gründer finden”, erzählt INiTS-Geschäftsführerin Irene Fialka. Auch die drei oben genannten Entwicklungen waren unter jenen, die bereits in dieser ersten Phase erfolgreich vermittelt wurden.
Wiener und Grazer Unis an Bord
Nun wird START:IP auf fast alle Wiener Universitäten, auf die Technische Universität Graz und die Karl-Franzens-Universität Graz ausgeweitet. Auch internationalen Forschungseinrichtungen und innovationsgetriebenen Unternehmen steht die Initiative ab sofort offen – sei es als Technologiegeber oder -verwerter oder als Investor. Auf dem Programm stehen nun auch Matching Days zum Finden des jeweils bestgeeignetsten Gründerteams. In der Folge erhalten diese Teams in einem mehrstufigen Prozess eine intensive Betreuung und Beratung von INiTS. Diese erfolgt bis zum “Showdown” am Pitching Day, an dem die Teams ihre dann ausgereifte Geschäftsidee potentiellen Investoren vorstellen können.
Technologie-Vorkaufsrecht für 300 Euro
Interessierte Gründer können für 60 Euro volle Einsicht in die Technologieangebote bekommen. Inkludiert sind hier auch Tickets für ein Teambuilding-Event im Oktober und die Abschlussveranstaltung des ersten START:IP-Durchgangs im Jänner 2018. Für weitere 300 Euro erhält man sogar das (bis kommenden März befristete) Vorkaufsrecht für eine Technologie. Bei diesem Paket kommen noch vier Stunden Mentoring pro Monat und ein umfassendes Coaching-Angebot dazu. Kommt es zu einem Abschluss, nimmt INiTS dafür ein “Erfolgshonorar” von den neu gegründeten Startups. Dieses beträgt 0,5 Prozent des jährlichen Nettoumsatzes bis zum Ende jenes Jahres, in dem insgesamt eine Summe von 10.000 Euro erreicht wurde.
Nachlese. Wo steht die österreichische Wirtschaft bei künstlicher Intelligenz zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT? Dies diskutieren Doris Lippert von Microsoft und Thomas Steirer von Nagarro in der ersten Folge der neuen brutkasten-Serie "No Hype KI".
Nachlese. Wo steht die österreichische Wirtschaft bei künstlicher Intelligenz zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT? Dies diskutieren Doris Lippert von Microsoft und Thomas Steirer von Nagarro in der ersten Folge der neuen brutkasten-Serie "No Hype KI".
Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.
„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.
Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.
Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen
Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“
Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft
Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.
Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.
Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.
Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“
Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit
Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.
“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.
Langfristiges Potenzial heben
Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“
Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“
Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?
Die Serie wird von brutkasten in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung unserer Partner:innen produziert.
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