09.05.2022

Spinoff: Wie Forschende den Mindset Shift zum Unternehmertum schaffen

Österreich ist ein starkes Forschungsland und Spinoffs eine der spannendsten Schnittstellen in die Wirtschaft. Der Weg von der Wissenschaft in die Startup-Welt ist nicht immer leicht, aber lohnend.
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Im Programm der LBG Innovator's Road © I.E.C.T Hermann Hauser
Im Programm der LBG Innovator's Road © I.E.C.T Hermann Hauser
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Österreich gehört zu den Spitzenreitern bei Investitionen in Forschung. Mehr als 14 Milliarden Euro sollen 2022 laut Prognosen wieder in F&E fließen – 3,2 Prozent des BIP. Damit landet Österreich auf Platz 3 innerhalb der EU. Entscheidend ist aber auch die Frage, wie diese Forschung auf den Markt gebracht werden kann, damit alle von innovativen Produkten profitieren. Ein wichtiger Hebel dafür sind Spinoffs – doch Forscher:innen, die Unternehmer:innen werden stehen vor großen Herausforderungen.

Markus Hochegger forscht an der Universität Graz und ist gerade auf dem Weg von der Wissenschaft ins Unternehmertum. “Für mich ist das ein Mindset Shift. Ich komme aus einer analytischen und technischen Welt und für mich waren Zahlen und harte Fakten immer sehr wichtig. Das war in der Wissenschaft viel leichter – es gibt Methoden und Formeln. Der Markt ist viel weniger berechenbar und wandelbar”, sagt Hochegger. “Ich kann schwer damit umgehen, dass ich keine Formel habe, in die ich eindeutige Daten einsetze und ein exaktes Marktpotenzial berechnen kann”.

Mit Mentor:innen aus der Forschung in die Praxis

Wie nicht selten beginnt die Reise für Hochegger mit einer Forschungsförderung. Gemeinsam mit der Professorin Katalin Barta-Weissert hat er sich eine Förderung aus dem EIC Transition Fund der EU-Kommission sichern können. Insgesamt 99 Millionen Euro nimmt die EU in die Hand, um “Bahnbrechende Technologien aus dem Labor” in die Praxis zu bringen. 2,47 Millionen Euro davon stehen nun Barta-Weissert und Hochegger zur Verfügung. Damit wollen die beiden Forschenden PureSurf aufbauen und dort ein von ihnen entwickeltes Verfahren zur Gewinnung “grüner” Tenside in die Marktreife führen. Sie nutzen ein Abfallprodukt aus der Papierindustrie, um einen wichtigen Bestandteil von Waschmitteln oder Shampoos nachhaltig herzustellen.

Noch stehen die beiden aber am Anfang und haben noch nicht gegründet. Um sich darauf gut vorzubereiten und die richtigen Themen am Radar zu haben sind für Hochegger Mentor:innen besonders wichtig, wie er erzählt: “Wir haben an Innovator’s Road teilgenommen und dort und an der Uni Graz viele wichtige Mentor:innen getroffen. Für mich ist der Schlagabtausch mit anderen sehr wichtig, weil ich nach wie vor vieles durch die wissenschaftliche Brille betrachte”.

Markus Hochegger ist Co-Founder von PureSurf © Hochegger
Markus Hochegger ist Co-Founder von PureSurf © Hochegger

Innovator’s Road ist ein vom Career Center der Ludwig Boltzmann Gesellschaft (LBG) initiiertes und finanziertes und von I.E.C.T – Hermann Hauser und New Venture Scouting (NVS) entwickeltes Programm, das sich an akademische Gründer:innen richtet. Dort geht es um die Entwicklung von Unternehmen, aber vor allem auch um das richtige Skillset für die Founder selbst. Und nicht zuletzt um den Austausch mit anderen Spinoffs, um voneinander und gemeinsam zu lernen. “Innerhalb des IECT-Ökosystems bauen wir die Entscheidung, wie wir Start-ups bewerten auf drei Säulen: Team, Markt und Technologie. Im Rahmen dieses Programms konzentrieren wir uns stark auf die Entwicklung des Gründenden, damit sie/er ein erfolgreiches Team leiten und ausbauen sowie A-Player anziehen kann. Darüber hinaus zielt das Programm darauf ab, starke Verbindungen zum Markt aufzubauen, um die zukünftigen Kunden zu verstehen und ein attraktives Wertversprechen aufbauen zu können. Es wird auch eine Brücke zu Investoren gelegt, welche die notwendigen Finanzierungen ermöglichen können. Schließlich fungieren alle Akteure des Programmes als Sparringspartner für die Gründenden – denn gerade im Deep-Tech-Bereich ist neben Leidenschaft Durchhaltevermögen gefragt”, sagt I.E.C.T.– Hermann Hauser-Chefin Klara Brandstätter.

Von der Pferdechirurgin zur Gründerin

Auch Julie Rosser haben die Mentorings und die Unterstützung dort geholfen. “Forschung und Entwicklung sind etwas ganz anderes als Produktmanagement. Als Startup-Team haben wir uns viel stärker auf Product to Market konzentriert und nicht mehr so sehr darauf, was wissenschaftlich sexy wäre”, erzählt die ehemalige Pferdechirurgin, die im Rahmen ihres PhDs an der Veterinärmedizinischen Universität Wien auf die Idee zu ihrem Spinoff Pregenerate kam. Gemeinsam mit Florien Renner hat sie dort eine Technologie zum Testen von maßgeschneiderten Therapien bei Osteoarthritis entwickelt.

Pregenerate entwickelt die Technologie über einen Lizenz-Deal mit Vetmed-Uni und TU Wien zur Verbesserung alternativer Behandlungen von Arthrose-Erkrankungen in den Markt. “Für Kunden muss ein neues Produkt intuitiv und praktisch sein. Für Wissenschaftler:innen ist es aber eine schwere Aufgabe, ihnen das Produkt auf diese Weise zu erklären – wir kennen den Nutzen unserer Technologie ja und verstehen nur schwer, wie das jemand nicht sofort sehen kann”.

Julie Rosser hat PreGenerate gegründet © Rosser
Julie Rosser hat PreGenerate gegründet © Rosser

Wissenschaftliche Durchbrüche der Gesellschaft zugänglich machen

Aus Innovator’s Road kennen Rosser und Hochegger auch Klemens Wassermann, der am AIT Center for Health & Bioresources ein Verfahren zur elektrodynamischen Zellmanipulation entwickelt hat. Was kompliziert klingt beschleunigt die Diagnose von Blutvergiftungen und verhindert damit potenziell viele Tode. Im Zuge seiner Dissertation hat sich Wassermann mit der Sepsisdiagnose auseinandergesetzt – wie viele Projekte und wissenschaftliche Papers vor ihm.

“Dann kam für mich die Frage: Warum ist etwas, das akademisch schon abgearbeitet ist, noch nicht am Markt? Das war der Beginn des Unternehmertums”, sagt Wassermann. Und dort tickt die Welt ein wenig anders, wie er feststellen musste: “Eine Lösung für den wirklichen Need zu entwickeln war wissenschaftlich betrachtet sehr unsexy. Damit schafft man kein Paper in Nature”. Gemeinsam mit seinem Kollegen Terje Wimberger hat er die wissenschaftliche Karriere aufgegeben, um das Startup CellEctric zu gründen. Das Spinoff nutzt das Patentportfolio, das das Team um Wassermann am AIT entwickelt hat, in einem exklusiven Lizenzvertrag.

Klemens Wassermann ist Co-Founder von CellEctric © Wassermann
Klemens Wassermann ist Co-Founder von CellEctric © Wassermann

Die härteste Aufgabe für Spinoffs

Eine der härtesten Aufgaben für Wissenschaftler:innen, die Unternehmen gründen, liegt in der richtigen Kommunikation. Fast zwei Jahre habe es gedauert, bis der Pitch vor Unternehmen gut funktioniert hat, erzählt Anna Pölzl, die gemeinsam mit Benjamin Mörzinger gnista.io gegründet hat. Die Basis für das Unternehmen legte Mörzinger im Rahmen seiner Dissertation an der Technischen Universität Wien. Darin ging es unter anderem um die Optimierung von Produktionsabläufen im Hinblick auf Energieeffizienz. Ein Thema, das jetzt gerade besonders aktuell ist, Industrieunternehmen aber auch in ihren grundsätzlichen Nachhaltigkeitsplänen unterstützt.

Für Mörzinger war es ein fließender Übergang von der Forschung ins Unternehmertum. “Ich war in der angewandten Forschung und es ging darum, in der Industrie Energieeffizienz-Projekte umzusetzen. Wir konnten viel überlegen, aber der tatsächliche Impact war sehr beschränkt. Ich dachte, man muss eigentlich nur die Sachen, die es eh schon gibt, schnell in die Industrie bringen. Dafür ist eine Firma der bessere Rahmen”.

Anna Pölzl und Benjamin Mörzinger haben gnista gegründet © gnista
Anna Pölzl und Benjamin Mörzinger haben gnista.io gegründet © gnista

Was Forschungsprojekte von Startups lernen können

Der Weg ist dem gnista.io-Co-Founder auch deshalb leicht gefallen, da er große Parallelen sieht: “Ich kenne keine zwei Welten, die für mich ähnlicher sind als Unternehmertum und Forschen. Es geht in beiden Fällen darum, dass man eigentlich nicht weiß, ob das was man tut das Richtige ist. Man stellt Thesen auf und versucht sie möglichst systematisch anhand von Daten zu validieren oder falsifizieren”. Er ist überzeugt, dass sich umgekehrt auch viele klassische Forschungsprojekte von Startups einiges abschauen sollten. “Dann wäre auch weniger Mindset-Shift notwendig, wenn man aus der Uni heraus ein Startup gründet”. Wassermann denkt, dass sich in diesem Punkt bereits ein Wandel abzeichnet – auch, weil Programme wie Innovator’s Road mehr Rolemodels und Best Practice schaffen und dort unter den Mentor:innen auch viele Vertreter aus Forschung und Lehre sind.

„Die größte Herausforderung ist immer der Shift vom sience-mindset zu unternehmerischen Denken. Das Nehmen von Risken und Entscheidungen unter Unsicherheit werden an Universitäten kaum gelehrt. Daher versuchen wir im Programm einen großen Schwerpunkt auf Leadership zu legen, d.h. was bringe ich mit, was muss ich auch persönlich bedenken, wenn ich ein Unternehmen gründen möchte”, sagt Werner Wutscher von New Venture Scouting, Umsetzungspartner der LBG Innovator’s Road. “Zudem ist auch das Teamspiel an Universitäten nicht sehr verbreitet und ein wichtiger Teil des Programminhalts. Das Lernen von Peers, also Gründern, die die gleiche Erfahrung schon gemacht haben, ist wichtiger als Aufritte von Elon Musk. Abschließend bin ich überzeugt, dass unternehmerisches Denken und die Innovationskraft der Forscherinnen einen maßgeblichen Beitrag zur Lösung unserer Zukunftsfragen leisten können.“

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Vor einem Jahr war man noch skeptisch: Nicht mal ein Viertel der heimischen Bevölkerung nutzte Generative KI rund um ChatGPT am Arbeitsplatz. Eine neue Studie von EY – namentlich die EY Work Reimagined Studie – zeigt nun, wie schnell sich das Blatt wenden kann.

Wie die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft am heutigen Montag vermeldet, sollen unter den von ihnen befragten Arbeitnehmer:innen mittlerweile drei Viertel – genau 75 Prozent – zu generativer KI am Arbeitsplatz greifen. Am häufigsten greift man zu KI-Tools im Technologiesektor. Dort liegt die Nutzungsrate schon bei 90 Prozent. Der öffentliche Sektor bildet mit einer Nutzungsrate von 60 Prozent das Schlusslicht.

EY: KI-Schulung sei “überdurchschnittlich” und “exzellent”

Von den drei Vierteln all jener, die KI regelmäßig am Arbeitsplatz nutzen, merkt ein Drittel bereits positive Auswirkungen durch den Einsatz von Generativer KI. Folgen genannt werden etwa gesteigerte Produktivität (37 Prozent) sowie die Möglichkeit, sich auf stärker wertschöpfende Aufgaben zu konzentrieren (36 Prozent).

Darüber hinaus beobachten KI-Nutzende einen starken Kompetenzaufbau: 58 Prozent der Befragten bewerten die themenbezogenen Entwicklungs- und Schulungsprogramme ihres Unternehmens als “überdurchschnittlich” oder “exzellent”.

Boomer hinken hinten nach

Wenig überraschend macht sich allerdings eine Alterskluft bei der Nutzung von KI am Arbeitsplatz bemerkbar: So nutzen 27 Prozent der befragten Millennials KI regelmäßig, während dies nur bei sieben Prozent der Babyboomer der Fall ist.

Dass die Einführung von KI im Unternemen auch einen wesentlichen Einfluss auf das Standing im Arbeitsmarkt und das Mithalten im Wettbewerb hat, weiß Regina Karner von EY Österreich. der EY-Partnerin zufolge habe GenAI “Wichtige Themen für die Belegschaft in den Fokus gerückt”. Darunter Technologie- und Kompetenzinvestitionen, Unternehmenskultur, Vertrauen und Mitarbeiterbindung.

GenAI sei überdies essenziell für die Talentestrategie von Arbeitgeber:innen – und beeinflusse damit deren Standing am Arbeitsmarkt.

KI beeinflusst Blick auf Karriere

Allerdings zeigt EY mit seiner neuen Studie auch, dass sich KI nicht nur auf die Arbeit selbst, sondern auch auf arbeitsbezogene Sichtweisen auswirkt. So vermeldet die Wirtschaftsprüfung das Stimmungsbild, dass sich Mitarbeitende zwar als “motivierte Unterstützung” ihres Arbeitgebers sehen, gleichzeitig dennoch “nach höheren Verdienstmöglichkeiten” Ausschau halten (81 Prozent der Befragten).

Zudem rückt KI und dessen Effizienzsteigerung die Themen “Work-Life-Balance” und “Karriereaussichten” (79 Prozent) sowie die Nachfrage nach einer “besseren Führungskultur” (76 Prozent) in den Vordergrund. Auch die Möglichkeit, remote arbeiten zu können, ist für drei Viertel der befragten Belegschaft ein essentielles Kriterium, das durch den Einsatz von GenAI stärker in das Rampenlicht gerückt ist.

Im Rennen um das Gewinnen und Halten von Talenten sind Unternehmen dazu angehalten, sich auf die eben genannten “Soft”-Aspekte zu bemühen. Allen voran: Unternehmenskultur, Anreizsysteme und Bildungsangebote, sagt Karner, “um so die gewünschten Geschäftsergebnisse zu erreichen”.

Lust zur Kündigung steigt – vor allem bei jungen Männern

Außerdem hebt EY die Haltung jüngerer Generationen – allen voran die GenZ (geboren 1996 und 2012) und Millennials (geboren zwischen 1980 und 1995). Die beiden Jung-Generationen am Arbeitsmarkt haben eine fast doppelt so hohe Kündigungsabsicht wie Babyboomer. Außerdem sind Männer im Vergleich zu Frauen um ein- bis zweimal eher bereit, ihren Job zu kündigen.

Diese Bereitschaft sei allerdings nicht schlichte Utopie, sondern ein konkreter Plan: Denn die jüngste EY-Studie verzeichnet, dass rund 38 Prozent der befragten Mitarbeitenden in “den nächsten zwölf Monaten kündigen wollen”. Von diesen planen 26 Prozent, so EY, “einen Wechsel in ihrer aktuellen Sparte”. Ein Viertel der Kündigungs-Sympathisanten plant allerdings den Wechsel in eine andere Branche.

Am ehesten stünden Millennials der Kündigung nahe – ganze 40 Prozent denken laut EY darüber nach. Unter Babyboomern sei es nur ein knappes Viertel – konkret 23 Prozent.

Die Kündigungsabsicht ist im Vergleich zum Vorjahr im Allgemeinen gestiegen – um ganze vier Prozent, heißt es von EY. Auch über einen Wechsel des primären Arbeitsortes wird immer mehr nachgedacht (37 Prozent).

Individualismus im Vordergrund

“Individuelle Erwartungen stehen immer mehr im Vordergrund, und traditionelle Ansätze zu Karriere, Belohnungen und Arbeitsort greifen nicht mehr”, stellt Karner in Bezug auf die Studienergebnisse klar. Ein häufiger Wechsel des Arbeitgebers bringe neue Erfahrungen, andere Fähigkeiten und zudem die Möglichkeit auf Flexibilität. Für Personalverantwortliche sei ein Fokus auf Werte und Erfahrungen indes ein Vorteil, so Karner.

Dass KI dezidiert zur Kündigungsbereitschaft von jungen Generationen beiträgt, wird so in der Studie nicht dargelegt. Dennoch könnte der technologische Fortschritt, flexibleres Arbeiten und das Schaffen neuer Geschäftsbereiche – in Kombination mit der immer größer werdenden Bedeutung von Individualismus und Selbstbestimmtheit – zur Wechselbereitschaft der Generation beitragen.

Talente-Management soll in den Fokus

Angesichts der präsentierten Studienergebnisse empfiehlt Karner, sich als Unternehmen einen Vorsprung im Talente-Management zu erarbeiten. Dafür sei ein Fokus auf folgende Bereiche notwendig: Gesundheit, Technologie und GenAI, faire Vergütung sowie Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten und Unternehmenskultur. Bei 70 Prozent der Befragten bleibt dahingehend allerdings noch Luft nach oben, heißt es.


*Im Rahmen der Studie befragte EY weltweit 17.350 Mitarbeitende und 1.595 Arbeitgeber:innen aus 23 Ländern und 27 Branchen.

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