04.03.2021

SPACs: Jetzt geraten europäische Tech-Unicorns ins Visier

Eine in New York notierte leere Börsenhülle (SPAC) sucht ein Tech-Unicorn aus Europa zur Fusion. Und auch in Frankfurt gab einen Blanko-Börsengang mit dem selben Zweck.
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Tailwind International will ein europäisches Tech-Unicorn an die Wall Street holen.
Tailwind International will ein europäisches Tech-Unicorn an die Wall Street holen. | Foto: George Hodan

Der Boom von “Blanko-Börsengängen” über sogenannte Special Purpose Acquisition Companies (SPACs) hält in den USA unvermindert an – und schwappt auch zunehmend über den Atlantik. So will mit Tailwind International nun eine seit Februar in New York börsennotierte SPAC explizit ein europäisches Tech-Unicorn mittels einer Fusion an die Wall Street bringen. In Frankfurt notiert seit kurzem eine SPAC des deutschen Investors Klaus Hommels, die ein ähnliches Ziel hat.

Tailwind International hat für das Vorhaben bei seinem eigenen Börsengang im Februar 345 Mio. US-Dollar eingesammelt. “Wir wollen eines der ikonischen Technologieunternehmen Europas an die US-Aktienmärkte bringen”, wird Tommy Stadlen in der “Financial Times” (FT) zitiert. Der Cofounder des VCs Giant Ventures ist Chairman bei Tailwind International.

SPACs-Boom in den USA…

SPACs sind Unternehmen ohne operatives Geschäft, die nur zu einem Zweck an die Börse gehen: Um später durch eine Fusion mit einem anderen Unternehmen dieses ebenfalls an die Börse zu bringen – ohne den herkömmlichen IPO-Prozess durchlaufen zu müssen.

Obwohl kein neues Instrument, kam es im Vorjahr in den USA zu einem regelrechten SPACs-Boom, der sich im noch jungen Jahr 2021 weiter intensivierte. In Zahlen heißt das: 2020 sind knapp 250 SPACs an die Börse gegangen – was der höchste Wert seit fünf Jahren war. Im Jänner und Februar 2021 waren es nun schon über 180. Alleine im Februar wurden dabei 56 Mrd. Dollar eingenommen, zitiert die FT Zahlen von FactSet.

…und bald auch im DACH-Raum?

Und langsam geht es nun auch im deutschen Sprachraum los: Ende Februar gab es in Deutschland den ersten SPAC-Börsengang seit mehr als zehn Jahren. Klaus Hommels, Gründer der Investmentgesellschaft Lakestar mit Sitz in Zürich, brachte die “Lakestar SPAC 1” erfolgreich an die Börse und sammelte dabei 275 Mio. Euro ein. Nun hat er zwei Jahre Zeit, mit dem Geld ein passendes fusionswilliges Tech-Unternehmen zu finden.

Gegenüber der Wirtschaftswoche führte Hommels aus, welche Kriterien ein solches Unternehmen erfüllen muss: Die Bewertung sollte beim 3,5- bis 4-fachen der eingenommenen Summe liegen, also bei bis zu 1,2 Mrd. Euro. Außerdem sollte das gewünschte Unternehmen mindestens um 30 Prozent pro Jahr wachsen – und das Geschäftsmodell soll “einzigartig und skalierbar” sein. Hommels ist seit vielen Jahren im Venture-Capital-Geschäft und hat unter anderem bei Facebook, Spotify und Skype investiert.

Hommels und Tailwind International müssen sich bei ihrer Suche nach europäischen Tech-Unicorns nicht unbedingt in die Quere kommen: Nach aktuellen Zahlen von CB Insights gibt es derzeit 68 Jungunternehmen mit einer Bewertung von über 1 Mrd. US-Dollar, die nicht börsennotiert sind. Die größte Anzahl an Unicorns – nämlich 26 – weist demnach Großbritannien auf. In der EU ist Deutschland mit 14 Unicorns führend, darunter etwa N26, Celonis oder Flixbus.

Möglicherweise bekommen aber Hommels und Tailwind International bald weitere Konkurrenz. Auch andere Investoren aus Deutschland wollen mit SPACs aktiv werden: Rocket-Internet-Chef Oliver Samwer soll einen 200 bis 300 Mio. Dollar schweren Börsengang in New York anpeilen, berichtete Reuters. Der frühere Commerzbank-Chef Martin Blessing wiederum dürfte einen SPAC-IPO in Amsterdam planen, beim 300 Mio. Euro aufgenommen werden solllen.

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(c) Liquid AI - (v.l.) Mathias Ledhner, Eva Rus, Alexander Amini und Ramin Hasani von Liquid AI.

Liquid AI CEO Ramin Hasani war von 2016 bis 2020 “Machine Learning Researcher” an der TU Wien; sein CTO Mathias Lechner machte von 2018 bis 2022 am “Institute of Science and Technology Austria (ISTA) seinen PhD – davor in der österreichischen Hauptstadt seinen Master, ebenfalls an der Technischen Universität.

Liquid AI: Weniger Daten und Rechenleistung nötig

Nun vermelden beide ein 250 Millionen US-Dollar Investment für ihr Bostoner MIT-Spin-off (Liquid AI hat im Vorjahr bereits rund 46,6 Millionen US-Dollar an Startkapital erhalten): “Diese Finanzierung wird uns dabei helfen, die Entwicklung, Skalierung und Bereitstellung von ‘Liquid Foundation Models’ (LFMs: Allzweck-KI-Modelle, die weniger Daten und Rechenleistung benötigen) zu beschleunigen, unseren leichtgewichtigen, universell einsetzbaren KI-Modellen, die private, effiziente und zuverlässige KI auf Unternehmensniveau für alle ermöglichen”, teilen sie per Blogeintrag mit.

Das Ziel von Liquid AI, dessen Bewertung nun laut Bloomberg bei über zwei Milliarden US-Dollar liegt, ist es, das leistungsfähigste und effizienteste “KI-System in jeder Größenordnung” zu entwickeln.

“Wir sind stolz darauf, dass unsere neuen, branchenführenden Partner unserer Mission vertrauen; gemeinsam wollen wir souveräne KI-Erfahrungen für Unternehmen und Nutzer freisetzen”, sagt Hasani.

Skalierbarkeit

Seit der Gründung des KI-Startups hat das Duo daran gearbeitet, zu beweisen, dass ihre Wissenschaft und Technologie skalierbar sei: “Wir haben unsere textbasierten Modelle veröffentlicht, multimodale LFMs angekündigt und begonnen, unsere KI-Produkte mit wichtigen Partnern auf dem Markt zu testen, um ihre Wirkung in der Praxis zu demonstrieren”, heißt es weiter.

In der nächsten Phase möchte Liquid AI die Series-A nutzen, um ihre Recheninfrastruktur zu skalieren, die Produktbereitstellung im Edge- und On-Premise-Bereich zu beschleunigen, z. B. LFM-Inferenz- und Feinabstimmungs-Stacks, und um ihre KI-Angebote über Partnerschaften einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

Liquid AI: Vorteile ausdehnen

“Wir werden unsere KI-Produkte in geschäftskritische Workflows in vielen Bereichen wie Unterhaltungselektronik, Telekommunikation, Finanzdienstleistungen, E-Commerce und Biotechnologie integrieren”, so das Team weiter. “Die Finanzierung wird auch die wissenschaftliche und technologische Entwicklung von Liquid AI beschleunigen und die Vorteile von LFMs auf mehr Modellgrößen und Datenmodalitäten ausdehnen.”

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