21.12.2017

SpaceTech – eine große Chance für Österreichs Startups

Bei SpaceTech geht es nicht nur um Raketen und Satelliten. Die Weltraumforschung eröffnet viele Usecases für den Alltag. Wir haben dazu mit den Siegern der diesjährigen NASA Space Apps Challenge gesprochen.
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Auch Kinder können sich schon an der SpaceTech-Entwicklung beteiligen.
(c) NASA Space Apps Challenge: Auch Kinder können sich schon an der SpaceTech-Entwicklung beteiligen.

Weihnachten und das Jahresende sind eine Zeit, in der wir vermehrt zu den Sternen schauen. Und die sind nicht nur optisch faszinierend. Vom Weltraum kann man sich auch Inspiration für neue Geschäftsideen holen – Stichwort: SpaceTech. Das zeigt auch die NASA Space Apps Challenge. Zum Ende des Jahres haben wir uns mit den diesjährigen Siegern der NASA Space Apps Challenge Vienna – Ales Nohel, Thomas Haschka und Andreas Trawöger – unterhalten. Vielleicht inspirieren sie euch zu ein paar Neujahrsvorsätzen.

+++ NASA Space Apps Challenge: Die Suche nach der Entstehung des Lebens +++

Challenge-Sieg mit “magischem Teppich”

Das Techniker-Team konnte im April die Challenge mit der Entwicklung von “360 Flight Explorer”, einer VR/AR-App für Edutainment im Flug, für sich entscheiden. Das Konzept: Andere Passagiere sollen gleichsam “verschwinden”, während man die 3D Earth Simulation genießt. “Es soll sich anfühlen, als ob man auf einem magischen Teppich fliegt”, sagt Andreas Trawöger, der sich als Full Stack Developer, OpenData-Hacker und System-Administrator bezeichnet. “Wir haben mehrere interessante Layer wie historische Karten und das Gravitationsfeld eingefügt. Dazu haben wir es mit relevanten Live-Daten aus dem WolframAlpha Program kombiniert, die je nach Interesse und aktuellen Flugdaten genutzt werden”, erklärt der Challenge-Sieger.

Raketen, Hydroponik und Bakterien

Jedes der drei Team-Mitglieder hat einen interessanten Background. Ales Nohel kommt aus Bratislava. Er ist bei der slowakischen Organisation für Weltraumaktivitäten aktiv, wo derzeit an der Entwicklung der suborbitalen Rakete ARDEA (Amateur Rocket Development Adventure) gearbeitet wird. Zusätzlich wird dort momentan eine GrowBox (Hydroponik für die Raumfahrt) entwickelt. Daneben arbeitet er an einem SpaceSuite. Thomas Haschka ist ein multidisziplinärer Wissenschaftler mit einem Doktortitel in molekularer Biophysik. Zusammen mit Pia Mathis ist er Mitbegründer von xylinum-fabrics (xylinum-fabrics.com), einem Hersteller von qualitativ hochwertigen Stoffen aus Bakterien. Ihre potenziellen Kunden sind neben der Modebranche die Automobil- und die Luftfahrtindustrie.

“Warum Weltraum?”

“Warum Weltraum?”, haben wir gefragt. “Ich liebe Science-Fiction. Ich habe über Star Trek sogar Deutsch gelernt, da es in der Jugend für uns nur im ORF zugänglich war. Als ich dann im Gymnasium war, habe ich bereits einen geeigneten Platz für meine Stadt auf dem Mars ausgesucht. Darüber habe ich auch meine Abschlussarbeit in Englisch geschrieben. Mein Schicksal war besiegelt, als ich ein Stipendium der NASA erhielt, um die Internationale Weltraumuniversität zu besuchen.” erzählt SpaceTech-Enthusiast Nohel.

“Der Weltraum erlaubt uns, die Grenzen unserer Heimat Erde zu sehen. Er erinnert uns daran, dass wir mit endlichen Ressourcen leben müssen. Die harten Bedingungen des Weltraums zeigen uns, wie sich der Planet Erde um uns kümmert.” sagt Haschka. Alle drei sind sich einig, dass der Weltraum notwendig für das Verständnis der menschlichen Natur und der Erde im Allgemeinen ist.

spacetech - gewinner der challenge
(c) NASA Space Apps Challenge: Urska Starc-Peceny vergibt Andreas Trawöger, Ales Nohel und Thomas Haschka, den Gewinnern der NASA Space Apps Challenge Vienna 2017 den Preis.

Aus dem Weltraum auf den Küchenherd

Raketen und Satelliten: Dinge, die irgendwo ganz weit weg fliegen und mit uns nicht wirklich was zu tun haben? Das Gegenteil ist der Fall. Doch wie profitieren wir auf der Erde von Entwicklungen der Weltraumindustrie und im SpaceTech-Bereich? Da geht es natürlich zunächst um das zuvor erwähnte Umweltbewusstsein. Aber dazu kommen noch eine Reihe von Erfindungen, die wir auch im Alltag nutzen. Wir profitieren bereits von Spin-Off-Technologien wie Antihaft-Pfannen, MRT-Scans, und GPS. Und wir werden weiter eine Zunahme von Weltraumtechnologien sehen, die echten Nutzen für die Massen bringen. “Dazu könnten geschlossene Lebenserhaltungssysteme, Notunterkünfte, sauberes Wasser und resistente Feldfrüchte gehören, während wir Kolonien jenseits der Erde etablieren”, meint Nohel.

Was können wir von SpaceTech in den kommenden Jahren erwarten?

“Die Wiederverwertbarkeit von Raketen, wo SpaceX momentan führend ist, wird durch einstufige Orbitsysteme wie Skylon erweitert. Das wird weiter die Kosten für den Weltraumeinsatz verringern. Wir werden sehen, dass Menschen eine permanente Präsenz auf dem Mond sowie private Raumstationen aufbauen werden. Das wird Weltraumtourismus in die Reichweite der Mittelklasse bringen. Interessant werden auch die orbitalen Aufräumarbeiten, die Orbitalherstellung, das Bergbauwasser auf dem Mond und Asteroiden, die Orbitalfarmen und der daraus resultierende Boom im Weltraumtourismus sein” erklärt Nohel.

“Raum und Datascience können einen enormen Einfluss auf unser Leben auf der Erde haben. Ich stelle mir beispielsweise die automatische Erkennung von Buschbränden aus Satellitenbildern vor. Gleiches gilt für Erdbeben, Wettervorhersagen, Katastrophenvorhersage und -prävention. Weiters könnte Biofabrikation mit Schwerelosigkeit ein heißes Thema sein. Heute werden Textilien bei Xylinum Fabrics biofabriziert. Mehrere Startups produzieren neue Materialien mit biologischen Verfahren wie Fermentation. Die Schwerelosigkeit hat einen großen Einfluss darauf, was und wie wir Objekte anbauen können,” sagt Haschka. Er arbeitet daran, Biofabrikation in den Weltraum zu bringen.

Unterstützung für gute Ideen ist da

Die NASA Space Apps Challenge will innovative Menschen inspirieren, sich in den Bereich SpaceTech zu trauen. Immer mehr offene Daten stehen kostenlos zur Verfügung, um neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln zu können. Im Moment sind etwa die Daten des Copernicus-Satelliten frei zugänglich (http://www.copernicus.eu/) – eine riesige Chance.

Da ergibt sich natürlich die Herausforderung, dass besonders bei Big Data und Simulationen die Leistungskapazität von üblichen Computern zu knapp wird. Es herrscht die Ansicht, dass sich nur große Unternehmen teure Supercomputer-Kapazität leisten können. Zumindest im SpaceTech-Bereich stimmt das nicht. Innovative HPC (High Performance Computer)-Anbieter wollen an der Entwicklung teilhaben und kooperieren auch mit Startups und KMUs.

Offener Call mit 350.000 Euro in HPC-Ressourcen

Arctur, Lead-Unternehmen des auf KMUs fokussierten EU-Netzwerks von HPC-Anbietern, hat gerade einen offenen Call. Den Top 30 Ideen bzw. Projekten aller Art werden HPC-Ressourcen in der Höhe von insgesamt 350.000 Euro gewährt. Die Gewinner erhalten einen subventionierten Zugang zu hochmodernen HPC- und Cloud-Infrastrukturen, um bereits vorhandene Simulations- und Modellierungsworkflows ausführen und verarbeiten zu können. Ideen kann man bis 12.1. 2018 unter https://arctur.si/hpc-and-cloud/hpc-challenge/#application-form einbringen. “Auch sonst sind wir für alle Fragen offen und haben schon einige Startups erfolgreich unterstützt,” sagt Tomi Ilijas, Geschäftsführer von Arctur.

ESA-Incubator in Graz

Und das ist bei Weitem nicht alles. Als grenzüberschreitendes europäisches Startup Support System stellt seit einem guten Jahr das Business Incubation Programm der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA) eine wertvolle Ergänzung für den österreichischen Startup-Markt dar. “Es ist klares Ziel des mit dem ESA BIC Management betrauten Science Park Graz, im Verbund mit der Europäischen Raumfahrtagentur, den stärksten Hightech Inkubator des CEE-Raums zu entwickeln”, sagt Science Park Graz-Leiter und ESA IAP Botschafter, Martin Mössler. ESA BIC Austria hat einen Permanent Open Call platziert, der unter esa-bic.at abgerufen werden kann.

Space Apps Challenge: Vom Kind bis zur Raketenwissenschaftlerin

Und für Anfänger, die das Thema einfach gerne nur mal kennen lernen wollen? Bei der NASA Space Apps Challenge in Wien kann jeder mitmachen, auch Kinder. Dazu werden immer neue Formate eingeführt. Und bei diesem weltweit grössten Kollaborationsprojekt wird es auch beim nächsten Event im April 2018 wieder einiges Neues geben. Wenn ihr also das nächste mal zu den Sternen schaut, sehen sie vielleicht ganz anders aus.

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brutkasten-Gründer und CEO Dejan Jovicevic beim 10-jährigen Jubiläum im Dezember. (c) brutkasten/Marko Kovic

Dieses Interview ist im brutkasten-Printmagazin von Dezember 2024 erschienen. Eine Download-Möglichkeit des gesamten Magazins findet sich am Ende dieses Artikels.


brutkasten: Wie kam es 2014 zur Gründung von brutkasten?

Dejan Jovicevic: Ich war im Styria-Konzern bei „Presse“ und „Wirtschaftsblatt“ und habe dort die Rechts- und Personalabteilung geleitet. Da kam einmal Christoph Hantschk, der Gründer des Startups goodbag, auf mich zu. Er wollte eine klassische Medienkooperation mit mir vereinbaren, bei der wir 20 Abos verlost hätten. Im Zuge unserer Gespräche dazu hat mich dieser Startup-Spirit fasziniert, den ich so bisher nicht kannte.

Meine ursprüngliche Idee war, dass wir mit „Presse“ und „Wirtschaftsblatt“ für Startups Leistungen erbringen könnten, z.B. das Controlling oder Legal-Themen. Ich wollte einfach irgendwie dabei sein. Ich habe dann gesehen, dass die Styria an einem Startup von Lorenz Edtmayer und Maximilian Nimmervoll beteiligt war, das App-Entwicklung angeboten hat. Die Leistung wollte ich ebenfalls dabei haben und habe dann Kontakt zu Lorenz aufgenommen.

Da hat sich dann herausgestellt, dass er gerade eine Job-Plattform für Startups plant. Für die Job-Plattform hat es Content gebraucht. So haben wir dann gemeinsam brutkasten konzipiert.

Wie ging es in die Umsetzung?

Ich habe von „Presse“ und „WirtschaftsBlatt“ dann die Zusage bekommen, dass wir das umsetzen können. Wir haben eine Website gestartet, mit internen Ressourcen der Styria. Die Styria hat parallel auch einen internen Inkubator für Innovation ausgeschrieben. Dort habe ich brutkasten als Projekt eingereicht. Es wurde als eines der fünf Siegerprojekte von rund 100 Einreichungen ausgewählt. In weiterer Folge konnten wir dann auch die ersten Leute einstellen. Unsere erste Redakteurin war Theresa Breitsching, die ab Ende 2014 Vollzeit für brutkasten gearbeitet hat.

Du selbst hast aber noch nicht Vollzeit an brutkasten arbeiten können?

Nein, ich habe das alles neben der Leitung der Rechts- und Personalabteilung gemacht. Ich war aber noch weit entfernt von dem Unternehmer, der ich heute bin; der weiß, wie man eine Firma aufbaut. Damals war es mehr Enthusiasmus und weniger Wissen. Wir haben dann unsere ersten internen Business Angels gewonnen, „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak und WirtschaftsBlatt-Chefredakteurin Eva Komarek.

Wir hatten damals zwei Seiten pro Woche in der „Presse“-Printausgabe vom Samstag, und zusätzlich haben wir brutkasten eben online bespielt. Das hat damals Theresa Breitsching weitgehend alleine gemacht. Ich habe meinen Hauptjob gehabt und immer wieder daneben was für brutkasten gemacht. Ich konnte aber aus dieser Management-Rolle nicht ganz raus, und das hat dann 2017 zum Buyout geführt. Den haben Lorenz Edtmayer, Maximilian Nimmervoll, Michael Tillian und ich dann gemacht. So wurde brutkasten ein eigenständiges Unternehmen.

Dejan Jovicevic machte 2017 den Management-Buy-out gemeinsam mit Lorenz Edtmayer, Michael Tillian und Maximilian Nimmervoll (v.l.n.r).

Hattest du früher schon die Vorstellung, dass du eines Tages Unternehmer werden möchtest, oder ist das durch deine Beschäftigung mit der Startup-Szene entstanden?

Weder noch. Wir sind gemeinsam mit „Presse“ und „WirtschaftsBlatt“ zu dem Entschluss gekommen, dass brutkasten als eigenes Unternehmen bessere Chancen hätte. Aber ich bin nicht einmal durch meine Beschäftigung mit der Startup-Szene auf die Idee gekommen, zu gründen: Ich war eigentlich an einem Karriereweg im Konzern interessiert. Und dann ist mir das passiert.

Als ich es meinem Mentor Michael Tillian erzählt habe, hat er mir gesagt: Dejan, das musst du machen – denn so eine Opportunity kriegst du nicht wieder.

Wie lange hat es gedauert, bis es dann Realität wurde?

Die Verhandlungen liefen noch acht Monate. Parallel dazu habe ich meinen ersten Sohn bekommen, im Dezember 2016. Im Mai 2017 waren die Verhandlungen abgeschlossen. Die Zeit bis dahin war eine brutale Phase, mit wenigen Stunden Schlaf pro Nacht. Ich habe ja noch immer meinen Hauptjob in der Styria gehabt und das parallel verhandelt. Die Verhandlungen waren sehr fair und ich bin der Styria dankbar, dass sie mir diese Möglichkeit gegeben hat.

Wie lief dann der Start als eigenes Unternehmen?

Der Deal war, dass wir den gesamten Betrieb übernehmen. Das waren damals fünf Leute und wir hatten keine Investoren, die uns finanziert haben. Wir hatten damals kein Geld. Die ersten Gehälter habe ich aus dem Stammkapital bezahlt. Mir selbst habe ich nichts ausbezahlt. Für die zweiten Gehälter haben wir dann schon Geld verdienen müssen. Das war eine brutale Phase. Wir waren 24/7 im Einsatz.

Du hast erzählt, dass du in der Anfangszeit von brutkasten gar nicht so stark ins Daily Business involviert warst. Wann hast du begonnen, selbst Content zu produzieren?

Das ist mit den Facebook-Livestreams gekommen. Das wollte ich unbedingt als First Mover machen. Diese Facebook-Livevideos haben uns dann auch den größten Boost gegeben – wir haben überallhin das Handy mitgenommen, Stative aufgebaut und von überall gestreamt. Das war damals neu und ist super angekommen. In dieser Phase hatten unsere Videos oft 10.000 Views und viele Kommentare.

Wie ging es für das Unternehmen brutkasten wirtschaftlich weiter? Wie kam es zur ersten Finanzierungsrunde im Jahr 2018?

Wir sind nach dem Buyout weiter gewachsen. Die ersten beiden Jahre haben wir operativ positiv abgeschlossen. Wir haben eine ordentliche Sogwirkung gespürt. Das hat dazu geführt, dass uns die ersten Investoren angesprochen haben. Wir hatten einfach Buzz erzeugt, weil ständig Gründer bei uns in den Livestreams waren.

Und dann hat mich einmal Runtastic-Co-Founder Florian Gschwandtner bei einem Drink angesprochen, dass wir uns bei ihm melden sollten, wenn wir mal Investoren suchen sollten. Unsere Eigentümerstruktur hatte sich da schon etwas verändert: Michael Tillian ist zur Russmedia gewechselt und hat, um Interessenskonflikte zu vermeiden, dort seinen 15-Prozent-Anteil eingebracht. Von Russmedia gab es dann ebenfalls die Bereitschaft, in brutkasten zu investieren, um eine Expansion auf den deutschen Markt zu finanzieren.

Über Kontakte und WhatsApp-Nachrichten hatten wir plötzlich eine 1,25-Mio.-Euro-Finanzierungsrunde aufgestellt. Andreas Bierwirth und die mySugr-Gründer waren auch mit dabei. Dann hatten wir noch ein brutkasten-Interview mit den Bitpanda-Gründern Eric Demuth und Paul Klanschek. Nach dem Interview hatte ich einen Notartermin, und als sie erfahren haben, warum, wollten sie ebenfalls einsteigen.

Du hast eindrücklich geschildert, wie wenig Geld am Anfang da war. Dann hast du plötzlich 1,25 Mio. Euro am Konto gehabt. Wie war das für dich in dem Moment?

Da konnte ich zum ersten Mal ein bisschen durchatmen. Gleichzeitig ist es jedoch so, dass so ein Betrag zwar nach einer hohen Summe klingt, aber 500.000 davon haben wir dann für die Akquisition von StartingUp verwendet – einiges für den Kaufpreis, aber da kommen ja noch eine ganze Reihe anderer Kosten, etwa für Anwälte, dazu. Beim Rest hast du dann monatlich gesehen, wie es weniger wird. Wir haben ja auch ins Team investiert.

Gleichzeitig haben wir aber unseren Umsatz gesteigert. Es war keine zweite Finanzierungsrunde nötig, weiteres Wachstum haben wir dann über Fremdkapital finanziert.

In der Coronapandemie entstand dann mit den digitalen Events ein neuer Geschäftsbereich …

Das hat uns einen Boost gegeben, das war ein wichtiger Meilenstein mit wirklich coolem Wachstum. Wir waren lange Zeit ganz klar als Medium positioniert; auf einmal war das Agentur-Business megaerfolgreich. Das war aber eine opportunistische Situation, kein Ergebnis eines langen Strategieprozesses. Es war im ersten Corona-Lockdown einfach überlebensnotwendig, sich etwas anderes zu überlegen.

Manche haben mir zu Kurzarbeit geraten, ich habe mich aber für „Langarbeit“ entschieden. Ich habe gewusst, es wird uns etwas einfallen – und das waren die digitalen Events. Wir waren dann sehr gefragt, weil wir ein Must-have-Produkt hatten. Wir haben diese Dinge eben auch viel schneller gelernt als Agenturen, die auf Kurzarbeit waren. Das digitale Event-Business hat uns viele Aufträge gebracht und für Wachstum gesorgt.

Manche haben mir zu Kurzarbeit geraten, ich habe mich aber für „Langarbeit“ entschieden.

Aber wir haben schon auch gelernt, dass unsere mediale Tätigkeit darunter leidet. 2021 war ein starkes Wachstumsjahr für uns: Wir haben in diesem Jahr über 20 Personen eingestellt und das „Venture Capital Magazin“ in Deutschland gekauft. Damit haben wir den Sprung auf rund 50 Mitarbeiter:innen gemacht.

Aus damaliger Sicht war das nachvollziehbar, weil die Prognosen auf starkes Wirtschaftswachstum hindeuteten. Man hat auf den Aufbruch nach der Pandemie gewartet, und dafür haben wir uns aufgestellt. Ich wollte vorne dabei sein, wenn der Aufschwung kommt. Dann ist es aber anders gekommen – mit dem Ukraine-Krieg, der am 24. Februar 2022 begonnen hat.

Wie hat sich das ausgewirkt?

Im Jänner und Februar war die Wirtschaft noch total im Aufbruch und wir hatten Aufträge, bei denen es um größere Summen ging als jemals zuvor. Dann kamen die Wirtschaftskrise, Inflation, die Venture-Capital-Krise und die ersten großen Layoffs in der Startup-Szene. Das hat uns auch vom Werbemarkt her getroffen. Das Geschäft mit den digitalen Events ist dann gravierend eingebrochen. Die Rezessionsangst in der Wirtschaft war sehr hoch. Eine Firma unserer Größe ohne Cashreserven konnte in so einem Umfeld nicht mehr überleben, auch wenn wir zwischenzeitlich eine Erholung geschafft haben. Das hat dann in einer Notoperation zum Verkauf an die VGN-Gruppe geführt.

Mit dem Deal wurde die VGN neue Mehrheitseigentümerin, du selbst hast die Mehrheit abgegeben. Wie war das für dich?

Es ging alles sehr schnell. Plötzlich standen wir vor dem Aus. Ich habe über tausend unterschiedliche Optionen nachgedacht. Das war eine Phase, in der ich jede Nacht um vier Uhr aufgewacht bin. Für mich persönlich war es die transformativste Phase meines Lebens, im Nachhinein auch im positiven Sinn.

Es hat sich schnell herausgestellt, dass die VGN die einzige Möglichkeit in der notwendigen Geschwindigkeit war. Gemeinsam mit Horst Pirker haben wir mit den Altinvestoren eine für alle gangbare Lösung gefunden. Für mich war es essenziell, auch mir selbst die Frage zu beantworten: Habe ich noch die Kraft, das die nächsten zehn Jahre weiterzumachen? Will ich das? Sehe ich noch die Vision? Und ich bin zum Schluss gekommen: Ja, das möchte ich. Ich habe tatsächlich in meine Kraft zurückgefunden, durch den radikalen Fokus auf die einzige Aufgabe: den Fortbestand von brutkasten zu sichern.

Wir konnten die Restrukturierung dann sehr gut bewältigen. Über den Sommer haben wir strategisch gearbeitet und Klarheit gewonnen. Dann sind wir mit gutem Elan und vielen Hausaufgaben in den Herbst hineingegangen, und wir haben die folgenden 18 Monate bravourös gemeistert; das gesamte Team. Heute stehen wir nach all diesen Erfahrungen mit einer strategischen Klarheit da, die wir nie hatten, mit einem starken kaufmännischen Fundament und mit einem Team, das besser als je zuvor zusammenarbeitet.

Wir feiern jetzt zehn Jahre brutkasten. Wie siehst du den Beitrag, den brutkasten zum Innovations-Ecosystem leistet?

Wir haben Brücken zwischen Startups, Investoren und Corporates gebaut, Innovationen sichtbar gemacht und dem österreichischen Innovations-Ecosystem eine Stimme gegeben. Ohne uns wären viele Erfolgsgeschichten vielleicht unbemerkt geblieben.

Birthday Bash zum zehnjährigen Jubiläum von brutkasten.

Unsere Plattform hat dabei geholfen, die inspirierendsten Köpfe des Landes miteinander zu verbinden und Mut zu machen, neue Wege zu gehen. Mit unseren unterschiedlichen Formaten wie Studiotalks, dem Printmagazin oder unseren Events haben wir dafür gesorgt, dass die Innovationskraft unseres Landes die Aufmerksamkeit bekommt, die sie verdient.

Du sprichst jetzt auch die Brückerbauer-Funktion zwischen Startups und Corporates an. brutkasten ist aus der Startup-Szene heraus entstanden, hat sich aber verbreitert und deckt mittlerweile das komplette Innovations-Ecosystem ab. Wie siehst du heute das Verhältnis zwischen brutkasten und der Startup-Szene?

Mich haben die Gründerinnen und Gründer fasziniert. Deshalb habe ich ein Medium für sie gebaut, mit allen Leuten, die den Weg seit Tag eins mitgehen. Aber schon ganz zu Beginn war unser Claim „Bridging the new and the old economy“. Das hatten wir auf der allerersten Website. Ich war von Anfang an überzeugt, dass, wenn man diese beiden Welten zusammenbringt, Startups stärker werden, weil sie Kunden, Partner und Projekte brauchen; und Corporates werden stärker, weil sie Innovation brauchen, die sie alleine nicht schaffen.

Dieser Teil des Brückenbauens hat für mich immer eine große Rolle gespielt, weil ich für die Corporate-Welt große Wertschätzung habe. Das ist letztlich die tragende Säule der Wirtschaft, und wenn man diese durch die Innovationskraft der Startups stärkt, stärkt man beide Seiten.

Ich sehe Startups auch nicht als isoliertes Phänomen – sie sind als Teil der Wirtschaft auch Garant für Wohlstand und das Sozialsystem. Dass alle zusammenarbeiten, ist mir wirklich ein Anliegen – heute mehr denn je, denn Europa muss selbstbewusster werden und die eigene Wettbewerbsfähigkeit stärken.

In diesem Kontext ist ja auch die neue brutkasten-Initiative Austrian Innovators zu sehen, die 2025 starten wird. Was steckt dahinter?

Wir brauchen die Innovationskraft, die Geschwindigkeit und den Mut von Gründerinnen und Gründern. Aber alleine werden sie die Welt nicht umkrempeln können. Da braucht es Corporates, die bereit sind, Geld zu investieren und Infrastruktur zu teilen. Es braucht Investoren und den Kapitalmarkt, der die Transformation finanziert. Und es braucht Policymaker und die Wissenschaft. Alle diese Stakeholder wollen wir zusammenbringen, aus der Überzeugung, dass wirklich große Dinge möglich werden, wenn die richtigen Leute an einem Strang ziehen.

Viele dieser Communitys, die ich jetzt genannt habe, sind untereinander halbwegs gut vernetzt, aber über den Tellerrand noch nicht so wirklich. Hier kann brutkasten als Ecosystem-Player einen Beitrag leisten, diese Akteure an einen Tisch zu bringen; in einem monatlichen Format mit digitalen Komponenten.

Wir feiern jetzt zehn Jahre brutkasten. Wo könnte brutkasten in weiteren zehn Jahren stehen?

Ich sehe brutkasten als Unternehmen, das weiter Pionierarbeit leistet und neue Standards setzt. Wir wollen nicht nur Trends folgen, sondern sie gestalten; sowohl in der Medienwelt als auch im Innovations-Ecosystem. Unsere Vision ist es, die erste Anlaufstelle für alle zu sein, die Innovation in Europa vorantreiben wollen. Mit einem starken Team, einer klaren Strategie und der Bereitschaft, uns immer wieder neu zu erfinden, sind wir bestens gerüstet, um die nächsten zehn Jahre erfolgreich zu gestalten.

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