22.06.2020

Kostete eine Social Media-Sabotage Trump den Wahlkampfauftakt?

Donald Trumps Auftakt des US-Wahlkampfes verlief nicht wie geplant. Die Uneinigkeit über die Ursachen ist symptomatisch für den Status von Journalismus, Social Media und Meinung weltweit.
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Donald Trump und sein Wahlkampfauftakt: Welche Rolle spielte Social Media?
Donald Trump und sein Wahlkampfauftakt: Welche Rolle spielte Social Media? (c) Adobe Stock /ifeelstock / beigestellt

Glaubt man honorigen Zeitungen wie der Washington Post, der New York Times oder Forbes, hat der US Präsident das Lügen geradezu verinnerlicht. David Markovits untersuchte für Forbes, wie oft Trump log und kam auf die Zahl 18.000. Häufig nutzte Trump dabei selbst „Fake News“ oder „Alternative Fakten“.  Wohl mit keinem anderen Politiker wird der Begriff “Fake News” so stark in Verbindung gebracht wie mit Donald Trump.

+++Deine Welt: Das Ende der Globalisierung, wie wir sie kannten+++

Zurecht schreibt die Presse darüber und kritisiert hart, wenn Fakten verdreht, ausgelassen oder gar frei erfunden werden. Doch, dass wahrscheinlich eine Social Media Aktion seinen Wahlkampfstart sabotierte und das kaum ein Medium zu stören schien, verwundert den interessierten Beobachter dann doch. Ist hier der so wichtige, kritische Journalismus auf einem Auge blind geworden?

Auch schlampig recherchierte oder ausgelassene News wirken wie „Fake News“

Trumps Kampagnen-Leiter Brad Parscale twitterte wenige Tage vor der Wahl-Auftaktveranstaltung in Tulsa (Oklahoma), man habe bereits für über 800.000 Menschen Tickets reserviert und dies werde somit der erfolgreichste Kampagnenstart überhaupt. Doch es kam anders.
Am Event-Tag selbst titelte dann die ehrwürdige NZZ dazu: „Sogar Trumps Anhänger lassen ihn im Stich“. Der Versuch, einen massenhaften Ansturm zu organisieren, sei für Trump gescheitert. Die Halle, die Platz für 19.000 bot, war gerade Mal zur Hälfte gefüllt.

Am Sonntag früh berichteten Nachrichtensender und -agenturen über das Debakel. Die ARD Tagesschau etwa formulierte: „Eine Million Menschen hatte die Kampagne (für Trump, Anm.) zur ersten Rallye seit Anfang März erwartet. Doch es kamen nicht mal genug, um die 19.000 Plätze in der Sportarena zu füllen.“

Koreaner meldeten sich mit Fake-Daten für Trump-Event an

Ein Bericht der New York Times schilderte eine völlig andere Erklärung, wonach koreanische TikTok-Fans die Trump Kampagne massiv getäuscht und den Auftakt damit sabotiert hätten. Die User hätten auf die Einladung der Republikanischen Partei reagiert, sich für den Event zu registrieren und daraufhin hunderttausende Anmeldungen getätigt, mit Fake-Telefonnummern, Fake-Emails und Fake-Namen. Millionenfach seien die Aufforderungen dazu auf Social Media geteilt worden.  Öffentlich gemacht haben das User, die auf Twitter „den Sieg über Trump“ feierten. „Actually you just got ROCKED by teens on TikTok”, kommentierte das Geschehen etwa der demokratische Shooting-Star Alexandria Ocasio-Cortez aus New York süffisant.

Schließlich berichtete noch der ORF in wieder anderer Art und Weise. Die Wahlveranstaltung in Tulsa stünde unter dem Eindruck von Corona, da 6 Mitlieder aus dem Trump-Team positiv getestet wurden. Tulsa sei ein schlecht gewählter Ort, da einst Schauplatz rassistischer Vorkommnisse und nur wenige Menschen seien zu Trump gekommen. Die Wiederwahl im Herbst wackle, so neue Analysen.

+++EU-Politikerin Eva Kaili über Startups und Digitalisierung: „Aggressive Politik der Ökosysteme“+++

Kein einziges Medium diskutierte bis Sonntagabend die Möglichkeit einer derart umfangreichen Sabotage beim Start einer demokratischen Wahl in entsprechender Tiefe oder Gründlichkeit, obwohl die Beweise dafür schon beachtlich waren. Dass einem der Kandidat womöglich selbst unsympathisch sei, darf Medien nicht davor abhalten, dies ernst zu nehmen und zu versuchen, die Wahrheit ans Licht zu bringen.

Auch andere Begebenheiten erwähnte man nicht oder ließ sie bewusst aus: Auf Twitter freuten sich hunderttausende User darüber, dass Trumps Wähler so dumm seien, sogar mit ihrem Präsidenten zu feiern, dass dieser ein Glas Wasser mit nur einer Hand trinken könne. Führende Journalisten und Politiker spielten mit, bedienten zum x-ten Mal das Klischee des völlig stupiden Amis. Dass dies allein dem Umstand geschuldet war, dass man ihm eine schwere Nervenerkrankung nachsagte, weshalb er eine zweite Hand zum Trinken brauchte und er damit ebendieses Gerücht vertreiben wollte, blieb unerwähnt. Wenige Zeitungen, wie „Die Zeit“, erwähnten es dann doch, als Randnotiz, aber immerhin. Die Mutmaßung jedoch, er würde womöglich an einem schweren Nervenleiden oder Demenz leiden, wurde davor von unzähligen Qualitätsmedien verbreitet und in Foren sowie Social Media bis zum Abwinken verspottet.

Corona oder “gewalttätige Demonstranten”?

Für den Start eines Wahlkampfes ist es von erheblicher Bedeutung, wie erfolgreich er besucht und von den Wählern unterstützt wird. Es ist daher relevant, ob Menschen beispielsweise aus Angst vor einer Pandemie fernblieben, wie manche Medien mutmaßten. Wenn offensichtlich mehrere Mitglieder der Event-Organisation angesteckt wurden, erscheint es einleuchtend, dass man das Geschehen mied. Ob deshalb die Anhänger Trump gleich „im Stich lassen“ und das ein Debakel für ihn im Herbst bedeute, niemand weiß, worauf diese Analysen basieren.

Trump selbst meinte, die Ränge seien leer wegen gewalttätiger Demonstranten, welche die Anhänger am Zugang hinderten.  Einige wenige Medien übernahmen sogar diese absurde Erklärung. Nur: Es gab keine Bilder, die das bestätigten. Je nach Sender wurden verschieden große Gruppen gezeigt. Bei ORF, MSNBC, CNN und Co gewann man den Eindruck, die friedlichen Gegendemonstranten seien zahlreicher und dichter gedrängt gewesen als die Anhänger. Auf Dutzenden anderen Kanälen und Plattformen war davon überhaupt keine Rede.

Und dann noch die Recherche sehr bedeutender Zeitungen wie der NYT über die oben erwähnte  Sabotage im Vorfeld des Events, eingefädelt von Usern der Social Media App TikTok. Doch so ganz genau schien das niemanden zu interessieren. Erst sehr spät wurden diese Vorkommnisse in die Berichterstattung mancher Nachrichten aufgenommen. Kritisch hinterfragt hatte es bis Sonntag, auch 20 Stunden nach dem Event, niemand.

Was bleibt, sind Verwirrung und viele Fragezeichen, durch viel zu wenig echte Recherchen und gute Analysen. Alles in allem hat man bei den Berichten über den „Fake News“-Präsidenten den Eindruck, Medien tun sich ausgerechnet bei ihm schwer, nicht selbst in die Falle der eigenen Gesinnung zu tappen und damit die News zu „verfälschen“. Diese Zeilen schreibt im Übrigen kein Trump-Fan, aber ein Anhänger des guten Journalismus.  Journalisten, die sich innerlich regelrecht zu freuen scheinen, wenn Trump mit Sprüchen provoziert und offen lügt, weil man dann in Berichten dazu punkten kann, machen es sich zu leicht. Hätte eine Social Media Kampagne den Wahlkampfauftakt eines demokratischen Kandidaten derart sabotiert, es wäre ein Aufschrei durch alle Medien gegangen und viele hätten Russland dahinter vermutet.

Fazit: Journalismus und Meinung in Zeiten des US-Wahlkampfes

Noch nie hatten wir Zugriff auf so viele Medien und Meinungen. Dennoch ist es für interessierte Menschen schwierig und ziemlich aufwendig, die Wahrheit über Dinge zu erfahren und sich rational und auf Fakten basierend, ein Urteil zu bilden.

Gerade dann, wenn wir so stark dazu provoziert werden, bestätigte Annahmen oder Urteile über jemanden wiederzugeben, müssen wir umso sorgfältiger recherchieren, das Geschriebene nochmal hinterfragen und neue Details sachlich miteinbeziehen. Denn subjektiver, vorurteilsbehafteter oder „geframter“ Journalismus hilft in einer Demokratie garantiert immer den Falschen.+


Über den Autor

Mic Hirschbrich ist CEO des KI-Unternehmens Apollo.AI, beriet führende Politiker in digitalen Fragen und leitete den digitalen Think-Tank von Sebastian Kurz. Seine beruflichen Aufenthalte in Südostasien, Indien und den USA haben ihn nachhaltig geprägt und dazu gebracht, die eigene Sichtweise stets erweitern zu wollen. Im Jahr 2018 veröffentlichte Hirschbrich das Buch „Schöne Neue Welt 4.0 – Chancen und Risiken der Vierten Industriellen Revolution“, in dem er sich unter anderem mit den gesellschaftspolitischen Implikationen durch künstliche Intelligenz auseinandersetzt.

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17.03.2025

Alexander Glätzle: “Quantencomputer zu bauen, ist eine Mission to Mars”

Schon in der Schulzeit entfachten Bücher von Stephen Hawking Alexander Glätzles Leidenschaft für die Physik. 2022 gründete er gemeinsam mit Johannes Zeiher und Sebastian Blatt das Quantencomputer-Startup planqc. Kurz nach Gründung erhielt das Unternehmen bereits einen 30-Millionen-Auftrag.
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Alexander Glätzle | (c) planqc

Dieser Text ist zuerst im brutkasten-Printmagazin von März 2025 “Hoch hinaus” erschienen. Eine Download-Möglichkeit des gesamten Magazins findet sich am Ende dieses Artikels.

Ein neues Kapitel der Computertechnologie wird aufgeschlagen – mit einer Entwicklung, die das Potenzia hat, klassische Rechenmethoden grundlegend zu verändern. Die Rede ist von Quantencomputern: Sie basieren auf winzigen Teilchen wie Atomen oder Elektronen, die zeitgleich den Zustand „0“ und „1“ annehmen können – ein Phänomen, das uns an die Grenzen des menschlichen Vorstellungsvermögens führt. Nach rund hundert Jahren intensiver Grundlagenforschung rückt nun die Kommerzialisierung dieser atemberaubenden Technologie in Reichweite. Dies eröffnet Potenziale für hochkomplexe Berechnungen, etwa in der Entwicklung neuer Materialien, bei der Wirkstoffsuche für Medikamente oder in der Klimaforschung. Neben Tech-Giganten wie Microsoft, IBM und Google treten auch junge Unternehmen aus Europa ins Rampenlicht – dazu gehört das in Garching bei München angesiedelte Startup planqc. Das Unternehmen wurde 2022 vom Tiroler Physiker Alexander Glätzle mitgegründet. Im Sommer 2024 gab planqc den Abschluss einer Finanzierungsrunde in Höhe von 50 Millionen Euro bekannt und sorgte damit international für Aufsehen.

Von Idolen der Kindheit zur Startup-Gründung

Die Leidenschaft für Physik entwickelte Glätzle schon während seiner Schulzeit. “Ich hatte einen sehr guten Physiklehrer in der Schule und habe mir damals die ersten Bücher von Stephen Hawking gekauft. Da war mir klar: Ich möchte Physik studieren.“ Diesen Wunsch setzte er in die Tat um und begann ein Studium der theoretischen Physik an der Universität Innsbruck. “Die Universität Innsbruck war damals wie heute eines der Mekkas für Quantencomputing”, so Glätzle im Gespräch mit brutkasten.

An der Universität Innsbruck forschen unter anderem die beiden weltweit führenden Quantenphysiker Rainer Blatt und Peter Zoller. Während seiner Studienzeit spezialisierte sich Glätzle auf die Themengebiete Quantenoptik und Quantensimulation und promovierte 2014. Zudem absolvierte er – ebenfalls an der Universität Innsbruck – einen Master im Fach Angewandte Ökonomie sowie die I.E.C.T Summer School von Hermann Hauser. Das Programm unterstützt angehende Unternehmer:innen darin, ihre technologiebasierten Geschäftsideen weiterzuentwickeln.

Alexander Glätzle (planqc Co-Founder und CEO), Johannes Zeiher (planqc Co-Founder und Principal Scientist), Sebastian Blatt (planqc Co-Founder und CTO | Foto: Dirk Bruniecki / planqc GmbH

Besonders prägend für die Gründung eines eigenen Unternehmens war für den heute 40-Jährigen jedoch ein Forschungsaufenthalt in Stanford – mitten im Startup-Ökosystem Kaliforniens – ließ Glätzle schnell erkennen, dass er nicht nur akademische Neugier, sondern auch Unternehmergeist in sich trägt: „Praktisch bei jedem Bier am Abend ging es um Geschäftsideen und darum, wie man sie kommerzialisieren kann.“ Zurück in Europa war der unternehmerische Funke gezündet. Er wollte die Ergebnisse der Quantenforschung in kommerziell nutzbare Lösungen überführen. „Mir war es nie genug, rein Publikationen zu schreiben oder wissenschaftlich zu arbeiten; ich wollte immer auch den Kundennutzen in den Vordergrund stellen“, so Glätzle.

Die Ausgründung und der 30-Mil­lionen-Auftrag

2022 sollte es schließlich so weit sein: Gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut für Quantenoptik und seinen beiden Mitgründern Johannes Zeiher und Sebastian Blatt gründete er in Garching bei München das Unternehmen planqc. In Garching liegt einer der zentralen ­ Knotenpunkte im sogenannten Munich Quantum Valley, einer Initiative des Freistaats Bayern und der Bundesrepublik Deutschland zur großflächigen Förderung von Quantentechnologien. „Das Max-Planck-Institut erhielt Anteile bei planqc; wir können dafür die gesamte IP, das gesamte Know-how exklusiv kommerzialisieren“, erläutert Glätzle.

Gleich im Gründungsjahr 2022 schaffte planqc das, wovon andere Deep-Tech-Startups nur träumen können: einen 30-Millionen-Euro-Auftrag. Er kam vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) – für Glätzle ein Meilenstein, denn der Staat tritt hier als erster Kunde und wichtiger Partner auf: “Quantencomputer zu bauen, ist eine Mission to Mars. Das braucht einen langen Atem von zehn Jahren oder mehr. Der Staat als erster Auftraggeber ist hier extrem wichtig.” Im Auftrag des DLR baut planqc einen Quantencomputer mit 100 Qubits der am Innovationzentrum in Ulm aufgestellt und die DLR-Infrastruktur angebunden werden soll. Das Ziel: Anwendungen in der Material- und Aerodynamikforschung, die das DLR mithilfe quantenmechanischer Rechenpower effizienter lösen will. Diese Referenz hilft planqc auch beim Fundraising: Wer solch einen Staatsauftrag erhält, überzeugt erfahrungsgemäß auch Geldgeber, wie Glätzle anmerkt.

Warum es neben privaten Investoren den Staat braucht

Die Geldgeber für eine Finanzierungsrunde im zweistelligen Millionenbereich sollten nicht lange auf sich warten lassen. „Es war wie Weihnachten und Ostern zusammen“, kommentiert Glätzle die große Series-A-Finanzierungsrunde über 50 Millionen Euro, die planqc im Sommer 2024 kommunizierte. Die Runde wurde vom Wiener Family Office Catron Holding angeführt. Zudem zogen auch Bestandsinvestoren wie APEX Ventures, Speedinvest, der österreichische Business Angel Markus Wagner sowie Hermann Hauser mit. „Das Family Office hat mich telefonisch kontaktiert. Es hat sich mehrere Wettbewerber von uns angeschaut und gesagt: ‘Wir wollen in planqc investieren!‘“, so Glätzle. Mit dem DeepTech & Climate Fonds (einer Initiative der deutschen Bundes­regierung) und Bayern Kapital sicherte sich planqc zudem die Unterstützung staatlicher Co-Investoren, die das private Kapital hebelten.

Derartige Fonds seien laut Glätzle essenziell, um Europas Technologiesouveränität zu sichern. “In den USA investieren Konzerne wie Google und IBM seit Jahren massiv in supraleitende Qubits und Quantenchips. Dass Europa mit Unternehmen wie planqc, AQT oder IQM ernst zu nehmende Player hervorbringt, liegt maßgeblich an diesen kombinierten Finanzierungsinstrumenten.”

USP: Quantencomputer bei Raumtemperatur

Doch worin genau liegt der besondere USP der planqc-Technologie, die renommierte Investoren anzieht? Während andere Unternehmen auf supraleitende Qubits (wie Google oder IBM) oder auf Ionenfallen (wie das österreichische Spin-off AQT) setzen, nutzt planqc „gasförmige“ oder „neutrale“ Atome als Quantenbits. Im Gegensatz zu supraleitenden Qubits benötigen neutrale Atome keine extreme Kühlung nahe dem absoluten Nullpunkt. Ein planqc-Quantencomputer könnte perspektivisch in einem kompakten Gehäuse bei Raumtemperatur arbeiten. Das ist nicht nur energieeffizienter, sondern laut Glätzle auch deutlich alltagstauglicher.

Im Labor sieht das noch recht komplex aus: Besucher:innen fällt oft als Erstes eine kleine Glaszelle auf, die von einem „Labyrinth“ aus Lasern, Spiegeln, Vakuumpumpen und Kühltechnik umgeben ist. Doch der Plan ist klar: Er lautet, die gesamte Apparatur in standardisierte Racks zu verpacken, wie man es von Server-Schaltschränken kennt. Ein solches Gerät könnte dann künftig in Hochleistungsrechenzentren integriert werden, zum Beispiel, um strömungsmechanische Simulationen für Flugzeug- und Windturbinen-Design zu beschleunigen.

Wie planqc Geld verdient

Planqc verfolgt mehrere Geschäftsmodelle. Zum einen sollen ganze Quantencomputer staatliche und akademische Einrichtungen verkauft werden. Das ist aktuell der Markt, in dem sich erste Projekte realisieren lassen und nennenswerte Budgets bereitgestellt werden. Zum anderen lockt perspektivisch der Verkauf von Rechenzeit (Quantum-as-a-Service): Anstatt Dutzende Millionen Euro in eine eigene Quanteninfrastruktur zu investieren, könnten Industriekunden stunden oder tageweise Kapazitäten mieten. Drittes Standbein: Consulting – viele Firmen wollen wissen, welche Anwendungsfälle sich für Quantencomputing lohnen und welche nicht.

“Nicht alle Probleme werden auf dem Quantencomputer besser gelöst werden“, räumt Glätzle ein. Doch überall dort, wo Quanteneffekte eine Rolle spielen – etwa in der Materialforschung oder beim Design von Medikamenten –, könnte ein riesiges Potenzial schlummern. „Man muss sich nur Richard Feynmans berühmten Satz in Erinnerung rufen: ,Wenn du Quantenprozesse berechnen willst, dann mach das auf einem Quantencomputer.”

Von Medikamenten bis zum Militär

Derzeit beschäftigt planqc rund 50 Mitarbeiter:innen – Tendenz steigend. Das Kapital aus der Series A soll bis 2026 reichen. „Wir sind offen für weitere Finanzierungsrunden, wenn das Momentum stimmt“, so Glätzle. Aktuell arbeitet das Team an Quantenalgorithmen, die speziell die Vorteile neutraler Atome nutzen sollen. So forscht man an Verfahren in der Fluiddynamik, um komplexe Strömungen zu berechnen (etwa für Flugzeugbau oder Windräder). Auch Simulationen molekularer Prozesse für die Medikamentenentwicklung sind ein vielversprechender Pfad.

Während planqc in zivilen Anwendungsfeldern vielversprechende Potenziale sieht, rückt gleichzeitig auch das Thema Dual Use in den Fokus – ein Aspekt, der zahlreiche regulatorische Herausforderungen für ein junges Startup mit sich bringt. Dual Use bezeichnet Güter, Technologien oder Wissen, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke verwendet werden können. “Natürlich kann so ein Quantencomputer auch militärisch eingesetzt werden.

Das ist klar. Seit Kurzem brauchen wir für den Export Exportkontrollgenehmigungen“, sagt Glätzle. Tatsächlich gelten Quantencomputer seit einiger Zeit offiziell als Dual-Use-Technologie, was bürokratische Hürden mit sich bringt. Für ein junges Unternehmen wie planqc bedeutet dies zusätzlichen Aufwand, um sicherzustellen, dass die Technologie künftig nicht unerlaubt in Konfliktregionen exportiert wird.

Die Achse Innsbruck-München

Mit seinen rund 50 Mitarbeitenden befindet sich planqc schon in beachtlicher Größe – Tendenz steigend. Mittlerweile verfügt planqc auch über eine Niederlassung in Innsbruck, um nicht zuletzt den Recruiting-Pool der dort an der Universität ausgebildeten Quantenphysiker:innen zu nutzen. Zudem bietet der Standort auch einen entscheidenden wirtschaftlichen Vorteil im Recruiting: niedrigere Mietpreise im Vergleich zu München, wie Glätzle anmerkt.

Das Kapital aus der Series A soll bis 2026 reichen, trotzdem befindet sich Glätzle gemeinsam mit seinem Team permanent im Austausch mit interessierten Investoren. Denn Quantencomputer zu bauen erfordert viel Geld, Geduld und einen langen Atem. „Ich sehe schon ein Problem in ein paar Jahren bei größeren Runden, wenn mal 200 oder 300 Millionen Euro geraist werden müssen“, so Glätzle. Er ist aber zuversichtlich, dass Europa diese Chance nutzen kann und nicht wie bei der künstlichen Intelligenz von US-Big-Tech-Unternehmen abgehängt wird. “Ich glaube, wenn wir uns auf das berufen, was Europa wirklich kann – exzellente Forschung und exzellente Ingenieurarbeit –, und wenn wir alle zusammenhalten, dann kriegen wir das hin“, so Glätzle.


17.03.2025

Alexander Glätzle: “Quantencomputer zu bauen, ist eine Mission to Mars”

Schon in der Schulzeit entfachten Bücher von Stephen Hawking Alexander Glätzles Leidenschaft für die Physik. 2022 gründete er gemeinsam mit Johannes Zeiher und Sebastian Blatt das Quantencomputer-Startup planqc. Kurz nach Gründung erhielt das Unternehmen bereits einen 30-Millionen-Auftrag.
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Schon in der Schulzeit entfachten Bücher von Stephen Hawking Alexander Glätzles Leidenschaft für die Physik. 2022 gründete er gemeinsam mit Johannes Zeiher und Sebastian Blatt das Quantencomputer-Startup planqc. Kurz nach Gründung erhielt das Unternehmen bereits einen 30-Millionen-Auftrag.
Alexander Glätzle | (c) planqc

Dieser Text ist zuerst im brutkasten-Printmagazin von März 2025 “Hoch hinaus” erschienen. Eine Download-Möglichkeit des gesamten Magazins findet sich am Ende dieses Artikels.

Ein neues Kapitel der Computertechnologie wird aufgeschlagen – mit einer Entwicklung, die das Potenzia hat, klassische Rechenmethoden grundlegend zu verändern. Die Rede ist von Quantencomputern: Sie basieren auf winzigen Teilchen wie Atomen oder Elektronen, die zeitgleich den Zustand „0“ und „1“ annehmen können – ein Phänomen, das uns an die Grenzen des menschlichen Vorstellungsvermögens führt. Nach rund hundert Jahren intensiver Grundlagenforschung rückt nun die Kommerzialisierung dieser atemberaubenden Technologie in Reichweite. Dies eröffnet Potenziale für hochkomplexe Berechnungen, etwa in der Entwicklung neuer Materialien, bei der Wirkstoffsuche für Medikamente oder in der Klimaforschung. Neben Tech-Giganten wie Microsoft, IBM und Google treten auch junge Unternehmen aus Europa ins Rampenlicht – dazu gehört das in Garching bei München angesiedelte Startup planqc. Das Unternehmen wurde 2022 vom Tiroler Physiker Alexander Glätzle mitgegründet. Im Sommer 2024 gab planqc den Abschluss einer Finanzierungsrunde in Höhe von 50 Millionen Euro bekannt und sorgte damit international für Aufsehen.

Von Idolen der Kindheit zur Startup-Gründung

Die Leidenschaft für Physik entwickelte Glätzle schon während seiner Schulzeit. “Ich hatte einen sehr guten Physiklehrer in der Schule und habe mir damals die ersten Bücher von Stephen Hawking gekauft. Da war mir klar: Ich möchte Physik studieren.“ Diesen Wunsch setzte er in die Tat um und begann ein Studium der theoretischen Physik an der Universität Innsbruck. “Die Universität Innsbruck war damals wie heute eines der Mekkas für Quantencomputing”, so Glätzle im Gespräch mit brutkasten.

An der Universität Innsbruck forschen unter anderem die beiden weltweit führenden Quantenphysiker Rainer Blatt und Peter Zoller. Während seiner Studienzeit spezialisierte sich Glätzle auf die Themengebiete Quantenoptik und Quantensimulation und promovierte 2014. Zudem absolvierte er – ebenfalls an der Universität Innsbruck – einen Master im Fach Angewandte Ökonomie sowie die I.E.C.T Summer School von Hermann Hauser. Das Programm unterstützt angehende Unternehmer:innen darin, ihre technologiebasierten Geschäftsideen weiterzuentwickeln.

Alexander Glätzle (planqc Co-Founder und CEO), Johannes Zeiher (planqc Co-Founder und Principal Scientist), Sebastian Blatt (planqc Co-Founder und CTO | Foto: Dirk Bruniecki / planqc GmbH

Besonders prägend für die Gründung eines eigenen Unternehmens war für den heute 40-Jährigen jedoch ein Forschungsaufenthalt in Stanford – mitten im Startup-Ökosystem Kaliforniens – ließ Glätzle schnell erkennen, dass er nicht nur akademische Neugier, sondern auch Unternehmergeist in sich trägt: „Praktisch bei jedem Bier am Abend ging es um Geschäftsideen und darum, wie man sie kommerzialisieren kann.“ Zurück in Europa war der unternehmerische Funke gezündet. Er wollte die Ergebnisse der Quantenforschung in kommerziell nutzbare Lösungen überführen. „Mir war es nie genug, rein Publikationen zu schreiben oder wissenschaftlich zu arbeiten; ich wollte immer auch den Kundennutzen in den Vordergrund stellen“, so Glätzle.

Die Ausgründung und der 30-Mil­lionen-Auftrag

2022 sollte es schließlich so weit sein: Gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut für Quantenoptik und seinen beiden Mitgründern Johannes Zeiher und Sebastian Blatt gründete er in Garching bei München das Unternehmen planqc. In Garching liegt einer der zentralen ­ Knotenpunkte im sogenannten Munich Quantum Valley, einer Initiative des Freistaats Bayern und der Bundesrepublik Deutschland zur großflächigen Förderung von Quantentechnologien. „Das Max-Planck-Institut erhielt Anteile bei planqc; wir können dafür die gesamte IP, das gesamte Know-how exklusiv kommerzialisieren“, erläutert Glätzle.

Gleich im Gründungsjahr 2022 schaffte planqc das, wovon andere Deep-Tech-Startups nur träumen können: einen 30-Millionen-Euro-Auftrag. Er kam vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) – für Glätzle ein Meilenstein, denn der Staat tritt hier als erster Kunde und wichtiger Partner auf: “Quantencomputer zu bauen, ist eine Mission to Mars. Das braucht einen langen Atem von zehn Jahren oder mehr. Der Staat als erster Auftraggeber ist hier extrem wichtig.” Im Auftrag des DLR baut planqc einen Quantencomputer mit 100 Qubits der am Innovationzentrum in Ulm aufgestellt und die DLR-Infrastruktur angebunden werden soll. Das Ziel: Anwendungen in der Material- und Aerodynamikforschung, die das DLR mithilfe quantenmechanischer Rechenpower effizienter lösen will. Diese Referenz hilft planqc auch beim Fundraising: Wer solch einen Staatsauftrag erhält, überzeugt erfahrungsgemäß auch Geldgeber, wie Glätzle anmerkt.

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Derartige Fonds seien laut Glätzle essenziell, um Europas Technologiesouveränität zu sichern. “In den USA investieren Konzerne wie Google und IBM seit Jahren massiv in supraleitende Qubits und Quantenchips. Dass Europa mit Unternehmen wie planqc, AQT oder IQM ernst zu nehmende Player hervorbringt, liegt maßgeblich an diesen kombinierten Finanzierungsinstrumenten.”

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Doch worin genau liegt der besondere USP der planqc-Technologie, die renommierte Investoren anzieht? Während andere Unternehmen auf supraleitende Qubits (wie Google oder IBM) oder auf Ionenfallen (wie das österreichische Spin-off AQT) setzen, nutzt planqc „gasförmige“ oder „neutrale“ Atome als Quantenbits. Im Gegensatz zu supraleitenden Qubits benötigen neutrale Atome keine extreme Kühlung nahe dem absoluten Nullpunkt. Ein planqc-Quantencomputer könnte perspektivisch in einem kompakten Gehäuse bei Raumtemperatur arbeiten. Das ist nicht nur energieeffizienter, sondern laut Glätzle auch deutlich alltagstauglicher.

Im Labor sieht das noch recht komplex aus: Besucher:innen fällt oft als Erstes eine kleine Glaszelle auf, die von einem „Labyrinth“ aus Lasern, Spiegeln, Vakuumpumpen und Kühltechnik umgeben ist. Doch der Plan ist klar: Er lautet, die gesamte Apparatur in standardisierte Racks zu verpacken, wie man es von Server-Schaltschränken kennt. Ein solches Gerät könnte dann künftig in Hochleistungsrechenzentren integriert werden, zum Beispiel, um strömungsmechanische Simulationen für Flugzeug- und Windturbinen-Design zu beschleunigen.

Wie planqc Geld verdient

Planqc verfolgt mehrere Geschäftsmodelle. Zum einen sollen ganze Quantencomputer staatliche und akademische Einrichtungen verkauft werden. Das ist aktuell der Markt, in dem sich erste Projekte realisieren lassen und nennenswerte Budgets bereitgestellt werden. Zum anderen lockt perspektivisch der Verkauf von Rechenzeit (Quantum-as-a-Service): Anstatt Dutzende Millionen Euro in eine eigene Quanteninfrastruktur zu investieren, könnten Industriekunden stunden oder tageweise Kapazitäten mieten. Drittes Standbein: Consulting – viele Firmen wollen wissen, welche Anwendungsfälle sich für Quantencomputing lohnen und welche nicht.

“Nicht alle Probleme werden auf dem Quantencomputer besser gelöst werden“, räumt Glätzle ein. Doch überall dort, wo Quanteneffekte eine Rolle spielen – etwa in der Materialforschung oder beim Design von Medikamenten –, könnte ein riesiges Potenzial schlummern. „Man muss sich nur Richard Feynmans berühmten Satz in Erinnerung rufen: ,Wenn du Quantenprozesse berechnen willst, dann mach das auf einem Quantencomputer.”

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