23.06.2023

So funktioniert das KI-Zertifikat von TÜV Austria

Ein TÜV-Zertifikat soll die Zuverlässigkeit von KI-Anwendungen beweisen und abdecken, was im AI Act (noch) fehlt.
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Foto: Unsplahs/Alex Knight

Wie stellt man sicher, dass Künstliche Intelligenz das tut, was sie soll? Sei es im Auto, im Krankenhaus, in der eigenen Wohnung oder in der Fabrik – KI-Anwendungen, die aus sicherheits- oder finanzkritischen Gründen Verlässlichkeit nachweisen müssen, brauchen ein entsprechend stichfestes Gütesiegel. Dieser Aufgabe widmet sich der TÜV Austria seit 2021.

Unter dem Namen “Trusted AI” hat man in Kooperation mit der Johannes Kepler Universität Linz (JKU) und dem Software Competence Center Hagenberg (SCCH) ein Machine-Learning-Zertifizierungsschema entwickelt. Dieses beurteilt KI-Anwendungen und im Gegensatz zu anderen Prüfungsinstituten nicht lediglich die Entwicklungsprozesse. Das Schema beschränkt sich aktuell auf Supervised-Learning-Modelle. Weitere sollen nach und nach folgen.

Die richtige Prüfung für das Zertifikat

Doch wie prüft man? “Es ist wichtig, dass man KI-Anwendungen so trainiert, dass sie zu einem statistischen Maß dort funktionieren, wo man möchte”, erklärt Bernhard Nessler, Research Manager für Deep Learning und Certification beim Software Competence Center Hagenberg, im Gespräch mit brutkasten. Seit vier Jahren ist er an der Konzipierung des Zertifizierungsprozesses beteiligt.

In einem Entwurf eines Positionspapier von Nessler, Sepp Hochreiter (JKU) und Thomas Doms, Sicherheits- und KI-Experte des TÜV Austria, betonen diese die Notwendigkeit der statistischen Prüfung. Man stelle sich ein neues Küchenmesser vor. Wie beim Machine Learning wird es trainiert: An reifen Wassermelonen, Äpfeln, grünem Brokkoli und anderem Gemüse. Ist das Training abgeschlossen, versucht man es zu nutzen. Zwar klappe es bei den genannten Objekten, bei anderen tauchen aber Probleme auf: Es schneidet bei Äpfel der Boskop-Sorte nicht durch, Gurken werden zerquetscht, auch die Anwendung bei unreifen Melonen oder außerhalb der Küche ist nicht einwandfrei möglich.

“Wenn ich die Anwendung trainiert habe, mit etwas zu funktionieren, dann ist sie dafür optimiert”, erklärt Nessler. Wichtig sei zu wissen, wie gut sie bei anderen Fällen arbeitet, die wir erwarten würden. Daher sei die Definition entscheidend für die Beurteilung der Funktionalität, die auch Risiken bzw. Aspekte wie Sicherheit und Fairness umfasst.

Anwendungsweck genau definieren

“Wir können nicht sagen: Das Messer ist zum Gemüse schneiden.” Das wäre laut Nessler zu vage und daraus würden “schlechte und unzuverlässige Modelle” werden, die unvorhersehbar sind. Besser wäre beispielsweise zu fragen, wie zuverlässig funktioniert das Messer, wenn ich in einer europäischen Haushaltsküche Gemüse schneide, das zur Zubereitung einer Mahlzeit vorgesehen und im Supermarkt erhältlich ist.

Alle möglichen Fälle wären unmöglich zu prüfen. Man müsse etwas definieren, wo einzelne Samples gezogen werden können. Also in diesem Fall zufällige Testobjekte in Haushaltsküchen in Europa. “Das macht man dann 10.000 Mal – dann kann ich eine Prozentzahl ermitteln und ein statistisches Maß definieren.” Alle anderen Messmethoden seien eine “Illusion”. Bei Anwendungen wie einem KI-Bildgenerator sei das nicht so tragisch. “Jetzt stelle man sich statt dem Messer aber einen Küchenroboter vor, der den Nutzer:innen schaden kann”, sagt Nessler.

Abgesehen von der Funktionalität, müsse man Nessler nach auch die Definition selbst prüfen. Dabei beachtet man unter anderem auch den ethischen Aspekt. “Wenn eine Anwendung bis auf 2 Prozent bei allen Menschen in Europa funktioniert, aber jene 2 Prozent eine bestimmte Ethnie betreffen, dann haben wir ein Problem mit der Gleichbehandlung.”

Lücke im AI Act

Der AI Act ist das weltweit erste Gesetz für KI-Regulierung. Nessler sieht das Gesetzespaket kritisch: “Es fehlt die echte Prüfung der Funktion nach mathematischen Machine-Learning-Methoden, die seit 40 Jahren wohlbekannt sind.” Den verantwortlichen EU-Beamt:innen mangle es an Verständnis. Zwar habe man Expert:innen zugezogen, allerdings sei es laut Nessler schon allein nicht einfach zu bestimmen, wer tatsächlich die entsprechende Expertise aufweist. Von jenen “absolut höchst gefragten” Wissenschafter:innen gäbe es auch “ganz Wenige”.

Gut abgedeckt sei hingegen die Dokumentation und transparente Einsicht. Nessler befürchtet allerdings, dass dafür von kleineren Startups viel Arbeitszeit und Arbeitskraft gefordert wird, die wiederum beim Nachweis der funktionalen Vertrauenswürdigkeit fehlen könnte.

Langwierige Verbesserungen

Nach dem sich das EU-Parlament am 14. Juni über seine Verhandlungsposition entschieden hat, hat der Trilog unmittelbar begonnen. “Die Grundrichtung und die Grundprinzipien des AI Acts, nämlich der risikobasierte Ansatz, die Anknüpfung an eine KI-Definition und die Ausrichtung auf Elemente von vertrauenswürdige KI werden bleiben. Im Detail können und werden sich sehr wahrscheinlich noch Aspekte und Weichenstellungen im AI Act ändern”, erklärt Jeannette Gorzala, Rechtsanwältin und Vizepräsidentin des Europäischen KI-Forums.

Laut Gorzala wird erwartet, dass der AI Act Ende des Jahres beschlossen wird und etwa 2025 voll anwendbar ist. Danach dürfte es dauern bis etwaige Verbesserungen vorgenommen werden. “Die Effekte und die Umsetzung des AI Acts wird von den europäischen Gesetzgebern für einen Zeitraum von rund 5 Jahren beobachtet, damit wären wir ab Inkrafttreten schon bei 2030.” Wie schnell Anpassungen hänge aber von den angedachten Änderungen ab. “Je umstrittener, desto länger wird der Prozess dauern”, sagt Gorzala.

Große Nachfrage, aber noch keine Zertifikate

Laut Nessler stehen für das TÜV-Austria-Zertifikat schon einige Klienten in der Pipeline. Von Startups oder Produktentwickler:innen, die vor der Gründung stehen bis hin zu größeren Unternehmen aus dem Medizin- und Automobilbereich sowie anderen größeren Industrien. Namen dürfe er noch nicht nennen.

Im TÜV-Austria-Prüfkatalog werden unterschiedliche Ebenen behandelt von der Datenquelle, Zuverlässigkeit bis hin zu ethischen Fragen. Pilotprojekte werden aktuell schon untersucht. Zertifikate wurden bis jetzt noch nicht erteilt. Laut Nessler seien auch viele Anwendungen noch nicht soweit, um ein Zertifikat zu erhalten.

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Erst letzte Woche kündigte neoom-Gründer Walter Kreisel im brutkasten-Talk an, dass sich sein Energy-Scaleup trotz der wirtschaftlich angespannten Lage in der Solarbranche auf Wachstumskurs befindet. So würde das Unternehmen wieder neue Leute einstellen und bringt sich aktuell für die weitere Expansion in Deutschland und der Schweiz in Stellung. Zudem hat das Unternehmen aktuell 58.000 Geräte – darunter etwas Stromspeicher und Solaranlagen – in der Cloud vernetzt (brutkasten berichtete).

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Der Wachstumskurs soll nun mit einer neuen Kooperation zusätzlich Rückwind bekommen. Wie neoom am Mittwoch bekannt gab, ging das Unternehmen eine strategische Partnerschaft mit der Energie AG Oberösterreich ein. Durch die Bündelung von Kompetenzen und Produkten sollen die beiden Partner künftig neue Produkte vorantreiben. “Gemeinsam können wir neue Lösungen gestalten, die sowohl den Bedürfnissen unserer Kundinnen und Kunden als auch den Anforderungen des Marktes gerecht werden”, so Leonhard Schitter, CEO der Energie AG.

Im Mittelpunkt der Kooperation sollen nicht nur gesamtheitliche Solarspeicherkraftwerke, sondern auch vor allem digitale Lösungen und Energiemanagementsysteme stehen. Diese sollen künftig Privatkund:innen als auch Unternehmen ermöglichen, ihre Energieflüsse effizienter und nachhaltiger zu steuern. “Mit unserer Expertise im Bereich Digitalisierung und erneuerbare Energien und der Marktstärke der Energie AG schaffen wir eine solide Basis, um zukunftsweisende Lösungen zu entwickeln”, so neoom-Gründer Walter Kreisel.

neoom stellte neue Produkte vor

Erst Anfang September stellte neoom neue Produkte im digitalen Bereich vor. Dazu zählt unter anderem die Energiemanagementsoftware Connect AI. Dieses System ermöglicht es, durch die intelligente Analyse von Daten automatisch die bessere Entscheidungen für den Energieverbrauch zu treffen.

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Videotipp der Redaktion

Inflation, hohe Zinsen und Preisdruck setzen der Solarbranche zu. Doch neoom-Gründer Walter Kreisel bleibt dennoch optimistisch. Im brutkasten-Talk Mitte September sprach er darüber, wie er das Unternehmen auf Wachstumskurs halten möchte. Zudem ging er auf die politischen Rahmenbedingungen für die Energiewende ein.

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Als Investor:in ist es wichtig, KI-Anwendungen zu unterstützen, die über ein zuverlässiges Gütesiegel verfügen. Der TÜV Austria hat in Zusammenarbeit mit der Johannes Kepler Universität Linz und dem Software Competence Center Hagenberg ein Machine-Learning-Zertifizierungsschema namens “Trusted AI” entwickelt, das eine statistische Prüfung der Funktionalität und Definition von KI-Anwendungen beinhaltet. Dies kann dazu beitragen, das Risiko unvorhersehbarer Probleme und ethischer Fragen bei der Verwendung von KI zu minimieren, was für Investitionen in diesem Bereich von Bedeutung sein kann.

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Was könnte das Bigger Picture von den Inhalten dieses Artikels sein?

Der Artikel behandelt die Entwicklung eines Machine-Learning-Zertifizierungsschemas namens Trusted AI durch den TÜV Austria in Kooperation mit der Johannes Kepler Universität Linz und dem Software Competence Center Hagenberg. Die Zertifizierung beurteilt KI-Anwendungen auf ihre Funktionalität, Sicherheit und Fairness. Eine korrekte Definition des Anwendungswecks und die statistische Prüfung sind von wesentlicher Bedeutung. Experten äußern auch Bedenken hinsichtlich des AI Acts, des weltweit ersten Gesetzes für KI-Regulierung, aufgrund von fehlenden Prüfungsmethoden und möglichen Auswirkungen auf kleinere Start-ups. Das TÜV-Austria-Zertifikat stößt laut Experten auf eine hohe Nachfrage, aber es wurden noch keine Zertifikate erteilt.

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Wer sind die relevantesten Personen in diesem Artikel?

  • Bernhard Nessler
  • Jeannette Gorzala
  • Sepp Hochreiter
  • Thomas Doms

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Wer sind die relevantesten Organisationen in diesem Artikel?

  • TÜV Austria
  • Johannes Kepler Universität Linz (JKU)
  • Software Competence Center Hagenberg (SCCH)

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