24.11.2021

Tiroler Startup Single Use Support: Neunstelliger Umsatz nach 5 Jahren

Die Mitbewerber von Single Use Support aus Kufstein sind Milliardenkonzerne. Co-Founder Thomas Wurm erklärte uns, wie sein Startup als Newcomer in der Biopharma-Branche reüssiert.
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Single Use Support Co-Founder Thomas Wurm
Single Use Support Co-Founder Thomas Wurm | (c) EY

“Die Produkte anderer Startups kann man in zwei Sätzen erklären. Bei uns braucht es schon ein paar Minuten”, sagt Thomas Wurm, Co-Founder des Tiroler Startups Single Use Support. Einfachheit ist gewiss nicht die hervorstechende Eigenschaft der Produkte des 2016 gegründeten Unternehmens. Doch das ist auch nicht notwendig: Die Kunden sind die großen Player der Biopharma-Industrie.

“Man kann sich sich den Weg von einem biologischen Prozess bis zu einer fertigen Spritze in einhundert Schritten vorstellen. Wir sind derzeit zwischen Schritt 80 und 90 tätig. Hier gibt es sehr viele Marktlücken, die wir identifizieren und Lösungen in unserer Plattform erarbeiten”, erklärt Wurm. “Es gibt im Produktionsprozess für moderne Krebstherapien oder auch Covid-Impfstoffe etwa sterile Beutel mit zehn Litern Antikörper, die Millionen Euros wert sein können. In den Schritten von dort zu den fertigen Injektionen sind wir Zulieferer für große Pharma-Konzerne”, erklärt der Gründer.

Dieses Jahr 130 bis 150 Millionen Euro Umsatz für Single Use Support

Das Startup baut und vertreibt nicht nur hochpreisige Maschinen für diese Prozesse. “Wir haben ein ‘Nespresso-Kapsel-Geschäftsmodell’ mit hochwertige Einwegprodukten, die für wiederkehrende Umsätze sorgen. Der Markt bei den Anlagen ist aber auch noch lange nicht gesättigt”, sagt Wurm. Die Zahlen dazu lassen sich sehen. 2019 machte das Unternehmen rund drei Millionen Euro Umsatz, 2020 waren es 50 Millionen, dieses Jahr erwartet der Gründer zwischen 130 und 150 Millionen. 2025 wolle man bei einer halben Milliarde stehen “wohl wissend, dass wir uns die Latte sehr hoch legen und eigentlich nur scheitern können, aber sonst macht es keinen Spaß”. Die Wachstumszahlen bewogen kürzlich auch die Jury des EY Entrepreneur of the Year dazu, Wurm und Co-Founder Johannes Kirchmair auszuzeichnen.

Mit AB Sciex hat Single Use Support einen Großkonzern aus der Branche als strategischen Investor an Bord, der laut Firmenbuch-Angaben 40 Prozent des Unternehmens hält. Investitionen – wie etwa zuletzt verkündete 20 Millionen Euro für neue Produkte – bestreite man aber aus dem Cashflow, sagt Wurm. Und Bedarf für weitere Investments gebe es keinen. Ob nicht ein möglicher Unicorn-Status reizvoll wäre? “Nein”, winkt Wurm ab, “nachdem es auch so geht wäre das ein reiner Ego-Trip”. Ebenso wie ein Börsengang.

“Man muss es einfach tun”

Bei den Mitbewerbern des Startups steht die Milliardenbewertung außer Frage. Der größte davon mache jährlich drei Miliarden Euro Umsatz, mehrere Hundert Millionen davon im Überlappungsbereich mit Single Use Suppport, erzählt Wurm. Wie kommt man als Newcomer gegen solche Kaliber an? “Man muss es einfach tun. Dabei zählt die Geschwindigkeit”, sagt der Gründer. Während die Konkurrenz in ihren Konzernstrukturen mitunter sehr langsam sei, könne man sehr schnell Produkte entwickeln und diese den großen Playern anbieten. Dabei binde man die Kunden direkt ein und entwickle nicht “im stillen Kämmerlein”, wie oftmals in der Branche üblich. Beim Einstieg in den Markt habe das Netzwerk von Co-Founder Kirchmair sehr geholfen, der zuvor Jahre lang in der Pharma-Branche im Sales-Bereich tätig gewesen war.

Auf dem Weg zum End-to-End-Provider und zu personalisierter Medizin

Nun stehen für Single Use Support mehrere große Schritte an, um die ambitionierten Umsatzziele zu erreichen. Erstens sei dies die Entwicklung von Lösungen für weitere Schritte im Biopharma-Produktionsprozess. Die langfristige Vision ist dabei, mit der eigenen Plattform irgendwann als End-to-End-Provider alle Schritte abdecken zu können. Der mehrere Milliarden Euro große Markt hatte zuletzt jährliche Wachstumsraten im zweistelligen Prozentbereich.

Die kürzlich verkündete 20 Millionen Euro-Investition fließt in die Entwicklung von Lösungen für die personalisierte Medizin. “Hier geht es etwa um ein Medikament, dass extra für einen Krebs von einem Menschen zu einem Zeitpunkt hergestellt wird und diesen dann aber sogar im Endstadium heilen kann. Darauf adaptieren wir unsere Anlagen. Derzeit sind tausende solcher Ansätze in der Entwicklung. Wir wollen hier mitmischen und führend sein”, sagt Wurm. Dieser Wachstumskurs drückt sich auch bei Standorten und Mitarbeiter:innen des Kufsteiner Unternehmens aus. Kürzlich wurde ein neuer Standort in Hall in Tirol eröffnet und die Produktionsfläche damit auf 6000 Quadratmeter versechsfacht. “Wir schauen auch schon mit einem Auge in die USA und haben noch weitere Optionen im Köcher”, verrät der Gründer.

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CEO Michaela Herzog und CTO Christian Herzog (c) Wissen2Share

Spätestens seit der COVID-19-Pandemie ist klar geworden: Der heimische Pflegesektor stößt seit Jahren an seine Belastungsgrenzen. Ein zentrales Problem ist der bekannte Personalmangel. Pflegekräfte sind oft überarbeitet, erhalten zu wenig Unterstützung und verlassen den Beruf daher häufig frühzeitig.

Ein niederösterreichisches Familien-Startup möchte mit seiner App „Wissen2Share“ genau hier ansetzen. Gründerin und CEO Michaela Herzog erklärt im Gespräch mit brutkasten, wie die App zur Bewältigung der Pflegekrise beitragen will und welche Projekte im nächsten Jahr anstehen.

Wissen2Share unterstützt Pflegekräfte mit Wissensvideos

Die digitale App „Wissen2Share“ unterstützt Pflegekräfte mit praxisnahen Wissensvideos, die mithilfe von erfahrenen Fachexpert:innen erstellt werden. Die Videos sind mit Untertiteln in bis zu 20 Sprachen verfügbar – ein großer Vorteil, da viele Pflegekräfte kein Deutsch als Muttersprache sprechen. So können sie den Inhalt leichter verstehen und gleichzeitig ihre Sprachkenntnisse verbessern. Aktuell bietet die Plattform 133 Videos zu elf verschiedenen Themen an, darunter Notfallmanagement, Pflegerecht, Herzerkrankungen, Demenz und onkologische Pflege. Die Erklärungen stammen von insgesamt zwölf Expert:innen, die alle über langjährige praktische Erfahrung in ihrem jeweiligen Fachbereich verfügen.

Zusätzlich stellt Wissen2Share ein Q&A-Tool mit Fachleuten sowie den persönlichen Assistenten W2S2 bereit. Dieser KI-gestützte Assistent fungiert als Suchmaschine und liefert auf Anfrage die passenden Videos. In Zukunft soll der Chatbot zu einem umfassenden Fachassistenten weiterentwickelt werden, der auch Spracheingaben unterstützt.

Neu im Angebot ist der Podcast „Fachexpert:innen im Talk“, mit dem das Startup einerseits eine positive Perspektive auf die Pflege zeigen und andererseits die hohe fachliche Kompetenz in diesem Bereich verdeutlichen möchte.

App soll bei Überforderung und Frustration in der Pflege helfen

Gründerin und CEO Michaela Herzog arbeitet selbst seit über 20 Jahren in der Pflege. Im Interview mit brutkasten beschreibt sie, wie dringend die Fachkenntnisse von Pflegekräften rund um die Uhr benötigt werden. Doch der ständige Zeitdruck und die hohen Anforderungen führen oft zu Frustration und Überforderung, was wiederum den akuten Personalmangel in Pflegeeinrichtungen verstärken kann.

Während der Corona-Pandemie spitzte sich die Belastungssituation weiter zu. Dadurch entstand bei Herzog der Gedanke, Fachwissen rund um die Uhr digital zugänglich zu machen. So wurde „Wissen2Share“ ins Leben gerufen – eine App, die Wissensvermittlung auf moderne Weise gestalten und einen niederschwelligen Zugang zu Expert:innenwissen ermöglichen möchte.

Die Plattform soll vor allem praktische Lösungen für die täglichen Herausforderungen im Berufsalltag der Pflegekräfte bieten. Außerdem unterstützt die App dabei, Fachkompetenz zu erweitern und dadurch mehr “Selbstvertrauen und Sicherheit in der pflegerischen Arbeit” zu gewinnen. Herzog sei es darüber hinaus ein besonderes Anliegen, die Professionalität in der Pflege zu stärken und die “Expertise der Pflegefachkräfte stärker in den Fokus” zu rücken.

Pilotprojekt bei Caritas Socialis und Haus der Barmherzigkeit

Die App „Wissen2Share“ richtet sich an Pflegekräfte, Auszubildende und Institutionen. Die Nutzung der Services erfolgt über ein Jahresabonnement. Das Startup aus Ebreichsdorf hebt hervor, wie wichtig es sei, dass Institutionen in die Weiterbildung ihres Pflegepersonals investieren, um die Qualität ihrer Einrichtungen zu steigern.

Inzwischen erkannten einige Institutionen das Potenzial von Wissen2Share: Im ersten Quartal wurde die App bei der Caritas Socialis am Standort Pramergasse in Wien sowie im Haus der Barmherzigkeit in Kirchstetten pilotiert und zusätzlich wissenschaftlich begleitet. Die Rückmeldungen waren laut Herzog positiv – die Art der Wissensvermittlung, die Usability und die Sprachenvielfalt wurden hervorgehoben. Zu den bestehenden Partnerschaften von „Wissen2Share“ gehören Fachverbände aus der Pflege, wie das Forum Gesundheitsrecht, oder auch der österreichische Berufsverband ÖGKV und die Fachhochschule Wiener Neustadt.

Das selbstfinanzierte Startup wurde im Juni 2023 von CEO Michaela Herzog und ihrem Ehemann Christian Herzog gegründet. CTO Christian Herzog, der langjährige Erfahrung im IT-Bereich mitbringt, ist für die technische Optimierung der App zuständig. Sein Antrieb sei es, „durch digitale Lösungen und innovative Ideen einen nachhaltigen Mehrwert für die Gesellschaft zu schaffen”.

Wissen2Share etabliert sich als “Community-Plattform für Gesundheitsberufe”

Derzeit arbeitet Wissen2Share an der Entwicklung einer zusätzlichen Funktion für die App. Im kommenden Jahr wird das Startup eine Buchungsplattform einführen, die als Netzwerk für Fachkräfte und Institutionen im Gesundheitsbereich dienen soll. Über diese Plattform können künftig Dienstleistungen angeboten werden, wie etwa Online-Sprechstunden, Workshops oder Bed-Side-Teachings.

Ziel ist es, den fachlichen Austausch zu fördern und Kolleg:innen
in der Praxis zu unterstützen. Mit diesem Schritt möchte Herzog ihrer Vision näherkommen, Wissen2Share als “Community-Plattform für Gesundheitsberufe” zu etablieren. Gegenüber brutkasten äußert Herzog zudem das Ziel, dass sich Wissen2Share in den kommenden Jahren „definitiv im deutschsprachigen Raum fest etablieren“ wird.

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