08.07.2020

Shermin Voshmgir: WU entzieht Blockchain-Instituts-Direktorin den Doktortitel

Shermin Voshmgir, Direktorin des interdisziplinären Forschungsinstituts für Kryptoökonomie an der WU Wien, wurde nach einem Plagiatsvorwurf durch die Plattform VroniPlag bereits im Jänner dienstfrei gestellt.
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(c) Hutan Vahdani: Shermin Voshmgir
(c) Hutan Vahdani: Shermin Voshmgir

Die Wiener Wirtschaftsuniversität (WU) war 2018 eine der ersten in Europa, die ein eigenes Blockchain-Institut (“Institut für Kryptoökonomie”) eröffnete. Treibende Kraft war dabei neben Institutsvorstand Alfred Taudes auch Direktorin Shermin Voshmgir, die sich zuvor als Gründerin des Blockchain Hubs in Berlin einen Namen in der Szene gemacht hatte. Auch mit dem brutkasten drehte die Expertin eine Erklär-Video-Reihe.

Voshmgir seit Jänner dienstfrei gestellt, Doktortitel soll aberkannt werden

Doch seit Jänner ist Voshmgir von der WU dienstfrei gestellt. Grund dafür ist ein Plagiatsvorwurf durch die Online-Plattform VroniPlag Wiki, die unter anderem durch die Prüfung der Dissertationen der nunmehrigen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Jahr 2015 und der deutschen Familienministerin Franziska Giffey im Jahr 2019 bekannt wurde. VroniPlag prüfte die Dissertation der Blockchain-Expertin und attestierte einen sehr umfassenden Plagiatsverdacht (Details siehe unten).

Die WU will zudem, wie auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete, Voshmgir den Doktortitel aberkennen. Sie bestätigt dies auch selbst gegenüber dem brutkasten (⇒ hier geht es zum umfassenden Exklusiv-Interview zu den Vorgängen) und stellt klar, dass sie gegen diese Entscheidung vorgehen wird.

+++ Großes Exklusiv-Interview zu den Vorwürfen +++

In dem Fall hat es bereits zwei von der WU in Auftrag gegebene Gutachten gegeben. Von der WU-Pressesprecherin Cornelia Moll heißt es dazu auf Anfrage des brutkasten: “Ich kann Ihnen mitteilen, dass es an der WU einen Plagiatsfall gab und es aufgrund der Ergebnisse der Gutachten zum Widerruf eines akademischen Grades gekommen ist. Diese Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Bitte um Verständnis, dass wir aufgrund von Verschwiegenheitspflichten grundsätzlich keine näheren Auskünfte geben und auch keine Namen bestätigen dürfen”.

Die WU würde derartige Vorwürfe immer sehr genau prüfen und sofort reagiert, sobald diese an sie herangetragen werden, so Moll weiter: “Gemäß den hohen internen Standards wird stets die Österreichische Agentur für wissenschaftliche Integrität eingeschalten. Diese übermittelt eine Liste an möglichen GutachterInnen”. In weiterer Folge würden unabhängige Gutachten in Auftrag gegeben. Solche Verfahren würden meist mehrere Monate dauern. “Liegen aufgrund der Ergebnisse der Gutachten die Voraussetzungen für einen Widerruf eines akademischen Grades vor, erfolgt dieser auch. Sind von solchen Verfahren Mitarbeitende betroffen, werden diese bis zum Abschluss grundsätzlich dienstfrei gestellt”.

VroniPlag: “45 Prozent problematische Passagen im Hauptteil”

Konkret urteilt VroniPlag unter anderem: “Es wurden Textparallelen, die als Plagiat angesehen werden könnten, auf mindestens 100 von 111 Seiten dieser wissenschaftlichen Arbeit festgestellt. Das reicht von der Einleitung bis zur Conclusio. In vielen Fragmenten wurde der Text etwas umgeschrieben, doch die Ähnlichkeit mit gefundenen Quellen ist weiterhin hoch. Viele Seiten bestehen aus einzelnen Sätzen, die verschiedenen Quellen entnommen und zusammengefügt wurden, um den Anschein einer eigenen wissenschaftlichen Leistung zu erwecken.”

Dazu liefert VroniPlag noch eine genauere quantitative Analyse: “Bislang wurden Textparallelen auf 100 von 111 untersuchten Seiten festgestellt. Das bedeutet einen Anteil von 90,1 Prozent aller Seiten. Von diesen enthalten 23 Seiten 50 bis 75 Prozent Textparallelen, 43 Seiten enthalten mehr als 75 Prozent Textparallelen”. Daraus könne man “konservativ” einen Anteil von 45 Prozent “problematischen Passagen” im Hauptteil der Arbeit ableiten, so VroniPlag im “Befund”. 29 von 75 identifizierten Quellen seien in der Arbeit gar nicht angeführt. Die wichtigste, nicht angeführte Quelle sei eine schwedische Master-Arbeit aus 1999.

+++ Alles zum Thema Blockchain +++

Auf der Plattform wird zudem zwischen drei Arten des Plagiats unterschieden und eine entsprechende Aufschlüsselung in bildlicher Form dazugeliefert (siehe unten):

  • “Komplettplagiat”: Wörtliche Übernahme von Passagen ohne Nennung der Quelle (grau markiert)
  • “Verschleierung”: Ein abgeänderter Text ohne entsprechender Quellenangabe (rot markiert)
  • “Bauernopfer”: Die Quelle der Textparallele wird genannt, doch der Umfang bzw. die Nähe der Passage zur genannten Quelle wird nicht kenntlich gemacht [Anm.: typische Zitierfehler; etwa direkte Zitate, die nicht durch Anführungszeichen kenntlich gemacht werden] (gelb markiert)
VroniPlag: Darstellung der untersuchten Seiten der Dissertation von Shermin Voshmgir
(c) VroniPlag: Darstellung der untersuchten Seiten der Dissertation von Shermin Voshmgir

Voshmgir dementiert Vorsatz und bekommt Schützenhilfe von Taudes

Voshmgir beurteilt ihre Dissertation, wie sie im Exklusiv-Interview ausführlich darlegt, anders. So argumentiert sie unter anderem, sie sei zwar “vielleicht schlampig” gewesen und habe Zitierfehler gemacht, jedenfalls aber nicht vorsätzlich plagiiert. Dass sie die Dissertation damals freiwillig online gestellt habe, sei auch ein klares Zeichen dafür, dass sie nichts verstecken habe wollen. Zudem sei der Kern ihrer Arbeit, ein von ihr erstelltes Modell, überhaupt nicht von der Vorwürfen betroffen. Ähnlich argumentiert auch ihr bisheriger Vorgesetzter Alfred Taudes, damals übrigens zweiter Betreuer ihrer Dissertation, auf Twitter:

VroniPlag: Anonymität in der Kritik

VroniPlag hat bereits mehr als 200 wissenschaftliche Arbeiten – zum Großteil Dissertationen, aber auch Habilitationen – überprüft. Das erfolgt unentgeltlich und vorwiegend durch anonyme Nutzer, wofür die Plattform auch häufig kritisiert wurde. So ist etwa auch im Fall der Dissertation Voshmgirs nur eine Prüferin von vier anhand ihres Profils auf der Plattform namentlich rückverfolgbar. Sie ist eine von wenigen Personen aus dem wissenschaftlichen Umfeld, die auch medial als an VroniPlag Beteiligte aufscheinen. Auch wer den ersten Hinweis auf mögliche Plagiate gegeben hat, wird nicht kenntlich gemacht. Zudem wurde die Rechtssicherheit der durch die Plattform erhobenen Vorwürfe mehrfach von Kritikern infrage gestellt.

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Die Verwendung von Kohlefaser in der Industrie hat in den letzten Jahren stark zugenommen – insbesondere in Bereichen wie der Luft- und Raumfahrt, dem Automobilbau und der Windenergie. Kohlefaser überzeugt durch ihre hohe Festigkeit bei geringem Gewicht, doch ihre Herstellung ist ressourcenintensiv und teuer. Ein großes Problem stellt der hohe Verschnitt bei der Produktion dar: In der Industrie landen im Durschnitt bis zu 30 Prozent der Rohstoffe im Abfall. Diese Materialverluste sind nicht nur ökonomisch ineffizient, sondern auch aus ökologischer Sicht problematisch, da Kohlefaser biologisch nur schwer abbaubar ist.

Carbon Cleanup setzt auf KI

Das 2020 gegründete Linzer Startup Carbon Cleanup rund um Gründer Jörg Radanitsch hat sich diesem Problem angenommen und zum Ziel gesetzt, Kohlenstofffasern aus Industrieabfällen aufzubereiten und wiederverwendbar zu machen. Konkret hat das Startup eine mobile Aufbereitungsanlage entwickelt, um Carbonfasern direkt vor Ort beim Kunden aufzubereiten. 

Zum Herzstück der Anlage gehört nicht nur die mechanische Aufbereitung der Kohlenstofffasern. Im Hintergrund läuft auch eine Software, die eine KI-gestützte visuelle Erkennung der zugeführten Rohstoffe ermöglicht.

“Wir haben ein KI-generiertes Datenblatt entwickelt, das automatisch die Charakteristika von eingehendem Material erkennt und den Wert des Rezyklats bestimmt“, so Radanitsch. “Bevor das Material in unsere Anlage kommt, wissen wir schon, welche mechanischen Eigenschaften es haben wird. Das ist entscheidend für die Qualität und den Marktwert des Endprodukts.”

Gründer Jörg Radanitsch | (c) Carbon Cleanup

Entwicklung der zweiten Generation an Anlagen

Während die erste Anlage des Unternehmens für R&D-Zwecke dient und über eine Kapazität von 30 Tonnen pro Jahr verfügt, konnte das Unternehmen über den Sommer eine zweite Anlage in Betrieb nehmen. „Unsere zweite Anlagengeneration ist im August fertiggestellt worden. Die Produktionskapazität ist dreimal so hoch wie bei unserer ersten Anlage. Damit sind wir jetzt in der Lage, deutlich mehr und auch verschiedene Kompositabfälle zu verarbeiten.“

Besonders stolz ist Radanitsch auf die gestiegene Materialqualität: „Das neue Aggregat ist viel stärker, was uns mehr Flexibilität bei der Verarbeitung der Materialien gibt. Wir können jetzt eine Vielzahl an Abfällen effizienter recyceln, was die Qualität der Produkte erheblich verbessert.“

Ein wichtiger Baustein für den Erfolg von Carbon Cleanup war die Unterstützung durch die Austria Wirtschaftsservice (aws). “Das Seed-Financing der Austria Wirtschaftsservice hat uns erlaubt, nicht nur unsere Forschung und Entwicklung voranzutreiben, sondern auch in Marketingaktivitäten zu investieren, die für uns als Hardware-Startup besonders wichtig sind“, erklärt Radanitsch.

Luftfahrtindustrie und Kooperation mit KTM Technologies

Eine der spannendsten Entwicklungen bei Carbon Cleanup ist der Einsatz ihrer recycelten Materialien im 3D-Druck, besonders in der Luftfahrtindustrie. “Wir liefern im Tonnenmaßstab Kunststoffgranulate, die mit unserer Rezyklatfaser verstärkt sind. Diese werden in großen 3D-Druckern verwendet, um Formen zu bauen, die dann für die Produktion von Flugzeugteilen genutzt werden”, so der Gründer.

Zudem arbeitet Carbon Cleanup mit dem österreichischen Motorradhersteller KTM zusammen. Gemeinsam arbeiten beide Unternehmen an einem geschlossenen Materialkreislauf, bei dem Post-Consumer- und Post-Industrial-Abfälle von KTM Technologies recycelt und für die Herstellung neuer Bauteile genutzt werden. Spezifisch handelt es sich um das Recycling der Teile des Rennmodells “X-Bow GT2”, dessen Rahmen zu 100 % aus Carbonfasern besteht. Durch Unfälle entsteht eine große Menge an beschädigtem Material, das normalerweise als Abfall betrachtet wird. Mit der Partnerschaft von KTM und Carbon Cleanup wird dieses Material zurück in den Kreislauf gebracht. 

(c) Carbon Cleanup

“KTM Technologies war von Anfang an ein Vorreiter. Sie testen unsere recycelten Materialien bereits erfolgreich in ihren Motorrädern“, betont Radanitsch.

Das Besondere an dieser Kooperation ist das sogenannte Closed-Loop-Material, das zu 100 Prozent aus dem Abfallstrom von KTM Technologies besteht. „Die Herausforderung ist, die Materialien zirkulär zu sammeln und in die Produktion zurückzuführen. Das Sammeln und die Qualität sind dabei entscheidend. Aber wir haben gezeigt, dass wir sogar leistungsfähigere Materialien aus Abfall herstellen können”, so der Gründer.

(c) Carbon Cleanup

Die nächsten Schritte von Carbon Cleanup

Das Geschäftsmodell von Carbon Cleanup basiert derzeit auf zwei Einnahmequellen: Zum einen bietet das Unternehmen Kunden einen Recycling-Service an, bei dem diese für die umweltgerechte Entsorgung des Materials bezahlen. Dafür wurde eine eigene Logistikstruktur aufgebaut. Zum anderen werden die Faserverbundkunststoffe an weitere Abnehmer verkauft. Derzeit liefert das Startup 98 Prozent der aufbereiteten Granulate ins Ausland. “Für eingehendes Material sind die Hauptmärkte neben Österreich vor allem Deutschland und Italien. Der Materialzufluss ist für uns derzeit jedoch kein Engpass, sodass wir gezielt das für uns passende Material auswählen können”, so der Gründer abschließend.


*Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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AI Summaries

Shermin Voshmgir: WU entzieht Blockchain-Instituts-Direktorin den Doktortitel

  • WU Kryptoökonomie-Institutsdirektorin Shermin Voshmgir ist seit Jänner dienstfrei gestellt und ihr Doktortitel soll aberkannt werden.
  • Grund dafür ist ein Plagiatsvorwurf durch die Online-Plattform VroniPlag Wiki, die unter anderem durch die Prüfung der Dissertationen der nunmehrigen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Jahr 2015 und der deutschen Familienministerin Franziska Giffey im Jahr 2019 bekannt wurde.
  • VroniPlag prüfte die Dissertation der Blockchain-Expertin und attestierte einen sehr umfassenden Plagiatsverdacht.
  • Voshmgir bestätigt das Vorgehen der WU gegenüber dem brutkasten und stellt klar, dass sie gegen diese Entscheidung vorgehen wird.
  • Voshmgir beurteilt ihre Dissertation, wie sie im Exklusiv-Interview ausführlich darlegt, anders.
  • So argumentiert sie unter anderem, sie sei zwar “vielleicht schlampig” gewesen und habe Zitierfehler gemacht, jedenfalls aber nicht vorsätzlich plagiiert.

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