31.03.2022

Share: Das Social-Impact-Startup, das einer Kant’schen Lebensweise folgt

"Hilfe erhalten, wenn es einem schlecht geht. Wenn nicht, selbst helfen" - eine Maxime, die Share-Gründer Sebastian Stricker bei seinen Kooperationspartnern ausmacht. Und allgemein im Steigen sieht.
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(c) Share - Sebastian Stricker, Gründer von Share.

Es hat sich etwas verändert. Das Wort “sozial” machte lange Zeit vielen Angst. Und wenn nicht Angst, dann rief es zumindest eine automatische Ablehnungshaltung hervor. Bei manchen Unternehmern, bei politischen Vertretern, bei Privatpersonen, die das Wort gehört oder gelesen haben und sofort eine Verbindung zu einem stalinistischen Kommunismus zogen. Gefühlt einigte man sich in diversen Kreisen schließlich darauf, dass “sozial” und Unternehmertum nicht zusammen passen. Zu einem Teil scheint solches Denken weiterhin dieser Einstellung zu folgen, sieht man sich zum Beispiel im TV an, wie Social-Startups teilweise behandelt werden. Man wirft ihnen Heuchelei vor, wenn sie (auch) Profit im “Mindset” haben oder man spricht ihnen ab, ein “echtes Unternehmen” zu sein und nennt sie Verein.

Doch längst ist in diesem Feld nicht mehr alles so düster, wie es lange gewirkt hat. Und ein großer Teil erkennt an, dass es für Unternehmen durchaus Sinn macht, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, die weit über das “nice to have” hinausgeht. Eine Beobachtung, die Share-Gründer Sebastian Stricker überzeugt teilt.

Mit jedem Share-Kauf Projekte unterstützen

“Der Trend hat vor fünf Jahren angefangen. In der Investorenszene ist es sogar ein Megatrend. Ich kenne keinen Investor, der nicht ‘Sustainability’ im Sinn hat”, sagt der gebürtige Österreicher. Die starke Entwicklung von Begriffen und Feldern wie “purpose impact”, Nachhaltigkeit, soziale Ökonomie und Ökologie stützen sein Argument. In diversen Kreisen scheint “teilen” und “spenden” tatsächlich zur Maxime zu werden.

Sein eigenes Unternehmen, mit Sitz in Berlin, spendet für jedes seiner verkauften Produkte ein zweites an einen Menschen, der Hilfe benötigt. Darunter: Trinkwasser, Ernährung, Hygiene und Bildung. User:innen können per Tracking-Code nachverfolgen, welches Projekt sie mit ihrem Kauf unterstützten. Zu finden sind Share-Erzeugnisse bei: DM, REWE, Rossmann, Müller und Decathlon.

Von “Supersize Me” zu Share

Stricker selbst hat beim “United Nations World Food Programme” gearbeitet und dort gelernt, dass es 50 Cent kostet eine Person einen Tag lang zu ernähren. Weitere Karriereschritte, wie die Arbeit bei der “Clinton Foundation” als “Program Manager Malaria” und Konsultant bei der “Boston Consulting Group” komplettieren das sozial-nachhaltige Weltbild, das der Founder vertritt.

Die Idee zu Share fußt auf die TV-Dokumentation “Supersize Me”, in der sich Regisseur Morgan Spurlock einen Monat lang nur noch von McDonald’s-Produkten ernährte und jedes Mal “Ja” sagen musste, wurde er nach “Supersize?” gefragt.

“Ich hatte in diesem Zuge die Idee zu ‘sharemymeal”, erinnert sich Stricker. “Ich konnte aber McDonald’s nicht überzeugen.”

Also hat er schlicht die “United Nations World Food Programm”-App “ShareTheMeal” gebaut, bei der man per Smartphone Beträge ab 0,80 US-Dollar spenden kann, um Kinder zu ernähren. 2017 folgte sein heutiges Startup, das seit rund zwei Jahren auch in Österreich aktiv ist und Sozialhilfe fördert.

In der Zeit seines Bestehens konnte Share insgesamt 23 Millionen Mahlzeiten, 38 Millionen Tage Zugang zu sauberem Trinkwasser oder auch zwei Millionen Unterrichtsstunden durch den Verkauf seiner Produkte ermöglichen. Der Umsatz liegt im guten zweistelligen Millionenbereich, man hat 1,5 Millionen Menschen erreicht.

“Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde”

“Und jedes Jahr wollen uns mehr Kunden haben”, so Stricker weiter. Der ehemalige UN-Mitarbeiter erwähnt in diesem Diskurs von “Sozialverhalten im Unternehmertum” die Moralphilosophie sowie Kant und dessen “Kategorischen Imperativ”. Und formuliert für sich die Idee dahinter derart: “Wenn es mir schlecht geht, dann möchte ich, dass mir wer hilft. Aber mir geht es nicht schlecht. Also helfe ich.”

Für den Gründer ist soziales Verhalten, moralisches Verhalten, das immer mehr Einzug in Köpfe hält. Sei es, dass Konzerne wöchentlich nach Kooperationen mit Share streben, Mitarbeiter Druck erzeugen und “Purpose im Job” suchen oder gänzlich andere Motivationen – des Founders Weg, “das Spenden in die Alltagsnormalität” zu führen, wächst.

Mitten im Lockdown nach Österreich

Stricker, der 2019 vom “Business Punk Magazin” auf Platz eins der “100 Gründer, Macher, Kreative” gewählt wurde, betrat im Zuge seiner Expansion mit Share im ersten Lockdown 2020 den österreichischen Markt. Er nennt es heute eine “schwierige” Zeit, in der seinem Unternehmen ein breites Portfolio zugutegekommen ist. Vor allem Hygiene-Artikel hätten dem Startup geholfen.

“Die ‘supply-chain’ war ein Horror, doch REWE und DM haben uns in dieser Zeit wahnsinnig geholfen”, charakterisiert er die vergangene Zeit. Die Zukunft von Share indes besteht aus drei großen Projekten, die sich alle noch in Entwicklung befinden und über die Stricker noch den “Nebel des Schweigens” ausbreitet. Aber dann doch erzählt, dass noch heuer neben den bisherigen Bereichen, in denen Kund:innen “Gutes” tun können, ein weiterer dazukommen soll. Er trägt den Namen “Banking”. Näheres dazu im Sommer.

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Das Gründerteam von Kern Tec | (c) Kern Tec
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Der Marketed Innovation Prize, verliehen von EIT Food, wählt Startups aus der Lebensmittelbranche aus, die „den Übergang zu einem gesünderen und nachhaltigeren Lebensmittelsystem unterstützen“. Insgesamt wurden Preisgelder in Höhe von 55.000 Euro vergeben. EIT Food wird vom Europäischen Innovations- und Technologieinstitut (EIT) gefördert, einer Einrichtung der Europäischen Union.

Eines der ausgezeichneten Startups ist das niederösterreichische Unternehmen Kern Tec. Es verwandelt Obstkerne, die normalerweise als Abfall gelten, in hochwertige Zutaten für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie. Diese finden zudem auch Anwendung in kosmetischen und industriellen Produkten.

Kern Tec: “Die Anerkennung bestärkt uns in unserer Mission”

Luca Fichtinger, Co-Gründer von Kern Tec, freut sich gemeinsam mit seinem Team über den Marketed Innovation Prize. Er sagt: „Die Anerkennung bestärkt uns in unserer Mission, Lebensmittelabfälle in wertvolle, nachhaltige Produkte umzuwandeln. Indem wir Aprikosenkerne zu nahrhaften Snacks aufwerten, wollen wir Abfälle reduzieren und gleichzeitig ein zirkuläreres und nachhaltigeres Lebensmittelsystem fördern. Dieser Preis bestätigt nicht nur unsere Bemühungen, sondern inspiriert uns auch, weiterhin innovative und skalierbare Lösungen zu entwickeln, die zu einem besseren Lebensmittelsystem für alle beitragen“.

Preise für “innovative Lebensmittel-Startups”

Insgesamt vergab EIT Food acht Preise an europäische Startups im Bereich Lebensmittelinnovationen. Mit dem Preis sollen „innovative und einflussreiche Agrar- und Lebensmittel-Startups“ ausgezeichnet werden, die „wirkungsvolle Produkte oder Dienstleistungen auf den Markt” brachten, wie die Organisation erklärt.

„Diese Gewinner des Marketed Innovation Prize führen den Wandel in unserem gesamten Lebensmittelsystem an, von der Förderung der Proteindiversifizierung bis hin zur Entwicklung KI-gestützter landwirtschaftlicher Lösungen. Sie bieten den Verbrauchern spannende, gesündere Alternativen und geben Lebensmittelproduzenten innovative und nachhaltige Techniken an die Hand, um Effizienz und Produktivität zu steigern“, betont Richard Zaltzman, CEO von EIT Food.

2023: Kern Tec erhielt Investment von 12 Mio. Euro

Kern Tec rund um Gründer-Team Michael Beitl, Luca Fichtinger, Sebastian Jeschko und Fabian Wagesreither startete 2019 mit einer Technologie, um Öle und Proteine aus Obstkernen zu gewinnen. Dabei verwendete man Obstkerne von Marillen, Kirschen und Zwetschken – typische Abfallprodukte der heimischen Obstindustrie. Inzwischen brachte das Startup pflanzliche Alternativen von Milch, Joghurt, Eis und Käse auf Basis von Obstkernen auf den Markt.

Im vergangenen Jahr sicherte sich Kern Tec in einer Series-A-Finanzierungsrunde ein Investment von 12 Millionen Euro – brutkasten berichtete. Die Finanzierungsrunde wurde von Telos Impact angeführt, mit Beteiligung des PeakBridge Growth 2 Fonds und des European Innovation Council (EIC) Fonds. Mit diesem Kapital plante das Unternehmen, international zu expandieren und seine Produktpalette weiter auszubauen.

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