11.11.2022

“Ich habe jede Möglichkeit genutzt, Quotenfrau zu sein” – Selma Prodanovic über Diskriminierung

Im brutkasten-Interview spricht Startup-Grand-Dame und Keynote-Speakerin, Selma Prodanovic, über ihre Erfahrungen mit Diskriminierung und sexueller Belästigung in ihrer bisherigen Karrierelaufbahn.
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Selma Prodanovic spricht im brutkasten-Interview über ihre Erfahrungen mit Diskriminierung und sexueller Belästigung. (c) brutkasten
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Startup-Grand-Dame Selma Prodanovic über ihre Erfahrungen mit Diskriminierung und sexueller Belästigung in ihrer Karrierelaufbahn.

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Selma Prodanovic wurde vor einigen Wochen als Vizepräsidentin des European Business Angel Networks (EBAN) wiedergewählt. Als einflussreichste Frau in der gesamten europäischen Business-Angel-Szene führte sie nach ihrer Wiederwahl ein Manifesto for a Gender Balanced Angel Investing Ecosystem ein, welches folgende drei Ziele bis 2030 definiert:

  • Erhöhung der Anzahl an weiblichen Angel-Investorinnen in Europa von zehn auf 30 Prozent
  • Ein Drittel der Investment-Portfolios sollten in frauengeführte Start-ups fließen
  • Mehr Frauen in Aufsichtsräte von Netzwerken und Portfoliounternehmen aufnehmen

“Female-Empowerment ist mir ein Herzensanliegen”, sagt Prodanovic und erklärt im brutkasten-Interview, welche Herausforderungen sie in ihrer bisherigen Karrierelaufbahn als weibliche Business-Angel der ersten Stunde überstehen musste. 

Du hast dich als weibliche Investorin in einer sehr männerdominierten Szene, wo es nur fünf Prozent weibliche Business Angels in Österreich gibt, durchgesetzt. Wie hast du das geschafft?

Selma Prodanovic: Das war eine sehr spannende Erfahrung. Man muss klar sagen, dass das Thema Mann vs. Frau mit einem Machtspiel zu tun hat. Dadurch, dass ich teilweise die ganze Startup- und Business-Angels-Szene in Österreich geshaped habe, war ich selbst in dieser Machtposition – und das von Anfang an. Daher habe ich mich mit der Zeit daran gewöhnt, die einzige Frau im Raum zu sein. Ich habe jede Möglichkeit genutzt, die Quotenfrau zu sein.

Wenn ich die Möglichkeit hatte, bei einem Panel dabei zu sein, habe ich gewusst, dass ich gerufen wurde, weil ich eine Frau bin. Meine Aufgabe war es dann, dort aufzutreten und zu zeigen, dass ich die Qualität auch dazu habe. Das ist mir sehr wichtig. Oft, wenn wir über Quoten und Zahlen sprechen, wird immer wieder behauptet, dass das etwas Schlechtes wäre. Ehrlich gesagt kotzt mich das an, weil ich das als einen absolut falschen Zugang empfinde.

Es geht nur darum, die Möglichkeit und die Gelegenheit zu haben, sein Wissen zu zeigen. Es gibt so viele großartige Expertinnen da draußen, die so vieles machen können. Zu behaupten, dass eine Quote bedeutet, dass man sich für etwas Schlechteres einlässt – sei es die Führungskraft oder ein Startup Investment – ist ein Blödsinn. Es geht nur darum, die Möglichkeit zu haben. Darum bestehen Quoten. Da sist auch der Grund, wieso ich absolut dafür bin, so wie ich das nun mit dem Manifesto erreichen möchte. Natürlich bedeutet das, dass wir ein bisschen mehr daran arbeiten müssen.

Viele Frauen in der Szene wagen den Schritt in die Welt der Business Angels nicht. Mit welchen Herausforderungen werden sie sowohl in dieser Szene als auch generell in der Arbeitswelt, konfrontiert? 

Wenn wir über die Investment-Szene und die Business-Welt sprechen, ist es immer ein Thema der Macht. Insbesondere ältere Männer, die in einer Machtposition sind und Frauen, die eventuell noch nicht so weit sind. Da gibt es sehr viele Situationen, die passieren und nicht sehr angenehm sind. Vor allem sind es immer wieder diese Kleinigkeiten, die passieren. So oft wurde ich in Meetings als diejenige wahrgenommen, die Kaffee bringen oder Notizen machen sollte, nur weil ich eine Frau bin. Niemand wusste, wer ich war oder welche Rolle ich hatte. Es wurde automatisch so angenommen.  

Das war damals so und das ändert sich jetzt. Das tut etwas mit einem. Das tut etwas mit mir, weil ich jedes Mal irgendwie darauf entweder reagiere oder nicht reagiere. Aber ich muss darüber nachdenken und mich meinen Kolleg:innen gegenüber behaupten. Das sind Kleinigkeiten, aber sie wirken etwas aus. Selbstverständlich gibt es aber noch viel Schlimmeres. 

Sexismus-Erfahrungen prägen ja den Alltag von vielen Frauen in der Arbeitswelt. Gibt es Fälle, an die du zurückdenkst und dir bewusst wird, da hätte ich eventuell besser handeln können?

Es gibt immer wieder interessante Situationen, die passieren. Ich hätte mal mit einem Mann arbeiten sollen. Eines Tages kam er zu mir und sagte, dass er nicht mit mir arbeiten kann, weil seine Frau eifersüchtig ist. Eines Tages kam er zu mir und sagte, dass er nicht mit mir arbeiten kann, weil seine Frau eifersüchtig ist. Ich dachte mir, ich möchte doch nicht mit dir schlafen, sondern arbeiten. Das war ein prägender Moment, wo ich mich gefragt habe, was er denkt, was ein Arbeitsverhältnis mit einer Frau bedeutet. Ist das nur eine Ausrede, die er benutzt hat, weil er dachte, dass das akzeptiert wird? Oder ist es tatsächlich so, dass seine Frau ein Problem daraus macht, wenn er mit anderen Frauen zusammenarbeitet? Wo sind wir hier gesellschaftlich? Das löst schon etwas aus in einem aus. Tatsächlich habe ich einen großen Auftrag damit verloren, weil ich eine Frau war und wir andere Geschlechter hatten. Aber ich habe auch Sachen erlebt, insbesondere als ich jünger war. Das ist tatsächlich noch immer das Problem von vielen jungen Frauen, die in ihren 20ern oder 30ern sind und somit am Anfang ihrer Karriere stehen und nicht wissen, wie die Arbeitswelt funktioniert. Sie akzeptieren viel mehr am Anfang. Ich finde das beginnt bei Kommentaren darüber, wie man aussieht, bis hin zu Aussagen, dass man schön ruhig sitzen und Notizen machen soll, bis der Termin fertig ist. Das muss nicht sein und ich hoffe, dass es jüngeren Frauen heute leichter geht. 

Was würdest du Frauen empfehlen, wie sie auf Belästigungs- und Diskriminierungsfälle reagieren sollten? 

Wenn du auf diesen Job angewiesen bist, ist es natürlich schwer, mutig zu sein. Ich denke, dass viele in der Gesellschaft – vor allem viele Männer aber auch Frauen – wissen nicht, dass das nicht okay ist. So wie ich zum Beispiel heute bestimmte Sachen sehe oder lese, weiß ich, dass das zu meiner Zeit normal war oder akzeptiert wurde. Heute ist das nicht mehr der Fall. So sehe ich, dass bestimmte Sachen einfach nicht mehr normal und üblich sind. Ich glaube, dass es Teil unserer Aufgabe ist, zu eduzieren, zu zeigen und das Problem offen anzusprechen, ohne zu sagen. Ich glaube, dass es viele machen, ohne dass es ihnen bewusst ist, was da passiert. Es gibt abhängig davon, welche Kultur du aufgewachsen bist, wer um dich herum ist, wie du dein Leben lebst und welche Position du hast. Die meisten Männer sind nicht so und ich will nicht, dass wir da in einer Situation landen, wo es darum geht, dass jeder Mann böse ist. Manchmal machen wir alle Fehler, so wie Frauen und Männer. Es findet ein Wertewandel statt und es ist wichtig zu wissen, wie wir diesen unterstützen können, die Mehrheit der Männer und Frauen auf einen gemeinsamen Nenner bringen und uns bemühen, den Anteil der Belästigenden zu reduzieren um zu zeigen, dass das nicht okay ist. 

Wie stehst du zu Meinungen von anderen Frauen, die behaupten, dass diese Probleme in der Arbeitswelt nicht existieren oder nur diesen Frauen passiert, die sich potentiell auch flirtend verhalten?

Damit habe ich ein Problem, denn ich glaube, dass sie das teilweise nicht sehen wollen.Ich kann sagen, dass es mir heute kaum mehr passiert, dass ich belästigt werde. Das ist mir in meinen jüngeren Jahren passiert. Aber das bedeutet nicht, dass ich das nicht sehe, wenn das passiert. Es muss mir nicht passieren. Es geht nur darum, was ich da draußen sehe. Und zu behaupten, das passiert mir nicht, ich sehe es nicht bei den anderen und das ist kein Thema, das verstehe ich nicht.  

Ich habe das vor kurzem bei einem großen Kongress erlebt. Ich stand auf der Bühne, als eine der Speaker:innen – ich war die einzige Frau, die auf der Bühne war. Ein anderer Speaker kam auf die Bühne und begrüßte alle Männer und mich nicht. Er hat offensichtlich gar nicht daran gedacht, dass ich jemand war, die auf diese Bühne gehört. In seinem Kopf dachte er wahrscheinlich, dass ich jemand war, die ausgeholfen hat.  Früher hätte ich mich in dieser Situation zurückgezogen und hätte mir gedacht, dass ich etwas falsch gemacht habe. Heute gehe ich dann auf die Person zu, begrüße ihn und stelle mich vor. Damit war sofort klar, dass er das nicht böse gemeint oder nicht absichtlich gemacht hat. Aber das sind die Biases, die wir im Kopf haben. Wenn wir schon darüber reden, darf man nicht die Situation, die Ursula von der Leyen in der Türkei hatte, vergessen. Sie hat keinen Sitzplatz bekommen. Das passiert also auch den bekannteren Frauen. Es ist nicht so, dass das nicht passiert.  

Damit sind wir bei einem anderen Problem angelangt. Es gibt auch Menschen, die so etwas betrachten, aber still bleiben. Was würdest du diesen Menschen raten, die sich nicht sicher sind, ob sie etwas sagen oder tun sollen, da die betroffene Person sich nicht diskriminiert oder belästigt fühlen könnte

Das kann durchaus sein und ist abhängig davon, aus welcher Kultur du kommst und wie du aufgewachsen bist. Aber es kann auch durchaus sein, dass man in den eigenen Gefühlen so stark getroffen wird, dass man nicht die Kraft, darauf zu reagieren. Natürlich kann es auch sein, dass sich bestimmte Menschen nicht dazu äußern möchten, weil sie es nicht als ihr Problem oder ihre Aufgabe verstehen. Das passiert bei Männern genauso wie bei Frauen.  

Wie ist das Verhältnis zwischen Business Angels und weibliche Founder? Hast du mitbekommen, dass da Diskriminierungen und Belästigungen stattfinden?

Genauso wie in jeder anderen Branche. Das ist nicht etwas, was nur der Startup-Welt zuzuschreiben ist. Aber es ist durchaus eine sehr männlich geprägte Welt. Insbesondere, wenn es um das einfache Verhältnis geht – du willst Geld und ich gebe dir Geld, aber wir schauen mal, was wir dafür bekommen. Das kann durchaus vorkommen. Ich weiß von einem konkreten Fall , der vor einigen Jahren passiert ist und wo diese Person tatsächlich aus der gesamten europäischen Szene ausgeschlossen wurde, nachdem es bekannt wurde. Er hatte gesagt “Investment gegen Sex”. Daraufhin hat sich die Frau gewehrt und ihre Erfahrung publik gemacht. Er bestätigte den Fall und entschuldigte sich, aber der Schaden war schon getan. Ich denke nicht, dass es in der Investoren-Szene viel mehr passiert als in anderen Branchen. Ich glaube sogar, dass es vielleicht weniger ist, weil die Grundaufgabe von einem Business Angel ist zu supporten. Und das ist ein bisschen anders. Wenn ich ein Chef bin und eine Angestellte habe, ist da das Verhältnis möglicherweise ein bisschen anders. Aber das, was wir in unserer Szene sehen, ist ein Caring-Prinzip. Andererseits ist es mein Ziel, dass wir mehr Frauen in die Szene bekommen, denn mit mehr Frauen werden sich die Regeln dementsprechend verändern. Das bedeutet nicht, dass nur Frauen in Frauen investieren. Es geht einfach um die Sprache und darum, das Ganze ein bisschen anders zu machen. Letztendlich ist die Szene noch immer sehr männlich dominiert. Ich war letztens in Brüssel, wo über 30 Prozent der Teilnehmerinnen Frauen waren. Das macht schon einen Unterschied und schafft eine andere Atmosphäre.  

Welche Tipps möchtest du abschließend anderen Frauen mitgeben? 

Unsere erste Aufgabe ist Awareness-Building. Wenn wir sowohl über die schlechten, als auch über die guten Erfahrungen sprechen, können wir Menschen diese Themen näher bringen. Unabhängig davon, ob es ein Mann oder eine Frau ist. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Das zweite ist Capacity Building, wie in diesem Beispiel mit unserem Manifesto. Wie können wir den Gender-Investment-Bias überwinden? Letztendlich ist auch das Thema “Money Talks” wichtig. Wir brauchen mehr Investorinnen und Role-Models. Es hat sich in den letzten Jahren einiges ins Positive verändert. Wir wünschen uns alle, dass das noch schneller geht, aber möglicherweise müssen wir ein wenig Geduld mit uns selbst und mit unseren Mitmenschen haben. Am Ende des Tages sollen alle ihrem Bauchgefühl vertrauen.  

Oft wird genau das benutzt, um dich klein zu machen und klein zu halten. Es geht gar nicht darum, was getan oder gesagt wird, sondern wie. Dieses Gefühl kann man nicht beschreiben. Wenn jemand die Wahl hat, sollte die Person das Unternehmen verlassen und nach Gerechtigkeit suchen. Niemand möchte in einem Unternehmen arbeiten, das so ein Verhalten begrüßt. Aber wie gesagt, nur wenn das möglich ist. Geht es um einen Business Angel, der nicht der Kultur entspricht, gibt es tausende andere Business Angels.

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Fallen für Scaleups
(c) Canva/Ferry Fischer - Wirtschafts-Coach und Sport-Mentaltrainer.

Scale-Ups sind in einem permanenten Change. Mehr Mitarbeiter:innen, immer wieder Sturkturanpassungen, laufend neue Produkte, bzw. Produktanpassungen und vieles mehr. Wenn aus dem Startup ein Scale-Up wird, sind die Founder meist (zu Recht) glücklich, denn die Idee hat gegriffen, die Investoren sind überzeugt und spendabel. Und doch ist es eine Krise, die es jetzt zu bewältigen gilt. Denn, wenn hier in zu viele Fallen getappt wird, scheitert das Unternehmen oder findet sich in unangenehmen Diskussionen mit den Investoren wieder.

In den letzten Jahren habe ich einige Scale-Ups begleitet und mit dem Thema „Change von und in Unternehmen“ beschäftige ich mich als Coach und Unternehmensberater seit 30 Jahren. Aus all den Erfahrungen habe ich die 5 Fallen des Changes für Scale-Ups definiert und gebe Tipps, wie sie vermieden bzw. bewältigt werden können.

Falle Nr. 1: Ein unpräzises unemotionales Zielbild

Motivation entsteht aus dem persönlichen Entdecken meines Lustgewinns oder meiner Schmerzvermeidung beim Erreichen des Zielbildes. Kenne oder verstehe ich das unternehmerische Zielbild des nächsten Jahres nicht, dann kann ich auch keine Motivation daraus entwickeln.

Der zählbare Erfolg des Unternehmens wird über die Mitarbeiter:innen an der Basis vorangetrieben, nicht vom C-Level. Wenn also diejenigen, die mit den Kunden Kontakt haben oder die, die Apps für die Kunden programmieren, nicht emotional vom Zielbild begeistert sind, arbeiten sie mehr für Geld (denn dort finden sie dann ihren minimalen Lustgewinn) und nicht, um das junge Unternehmen zu leuchtenden Höhen zu führen.

Lösung: Entwickle ein Zielbild für die Situation in einem, max. in zwei Jahren, das die Menschen im Unternehmen berührt und wo möglichst alle ihren Lustgewinn/ihre Begeisterung dafür finden können! Die Formulierung muss dabei nicht präzise und vollständig sein.

Das ist der Fehler, den die meisten machen. Sie formulieren ganze Absätze mit möglichst jeder Kleinigkeit, die zu erreichen ist und quetschen dadurch jede Fantasie und Emotion aus dem Bild. Es geht hier um ein klares Bild, das von allen im Unternehmen als Bild verstanden werden soll. Denn: Unser Gehirn denkt in Bildern und nicht in Worten.

Praxistipp: Entwerft euer Zukunftsszenario und lasst es von einigen ausgewählten Mitarbeit:innen challengen (ob es für sie klar ist und ob es für sie erstrebenswert erscheint). Wenn das Bild fertig ist, wird es von allen Führungskräften persönlich deren Teams präsentiert und mit ihnen besprochen. Die Führungskräfte sollten auch helfen, dass jede/r im Team den persönlichen Nutzen beim Erreichen des Bildes findet. (Frei nach Viktor Frankl: „In allem ist stets ein Sinn vorhanden, er muss jedoch von jedem Menschen selbst entdeckt werden“)

Falle Nr. 2: Zu wenig Präzision im Tracking der täglichen Fortschritte (nach dem Motto: „passt schon“)

Gerade im permanenten Krisenmanagement eines Scale-Ups hat das laufende Tagesgeschäft Vorrang. Ups – und wieder in die Falle getappt, diesmal massiv. Der Teufelskreis beginnt: Ich weiß nicht, was ich zum Erreichen des gemeinsamen Ziels beitragen kann. Ich bin aber begeistert und würde gerne was beitragen. Also mache ich mir Gedanken. Nein geht jetzt nicht, es gibt eine Anfrage. Ich sollte aber was beitragen, aber was? Ui eine neue Anfrage einer Kollegin. Usw.

Am Abend geht jede/r unbefriedigt aus dem Unternehmen, weil soviel zu tun war und mir im Stress nichts Konkretes eingefallen ist, was ich zum Ziel beitragen kann oder, weil ich nicht weiß, ob das, was ich beigetragen habe auch das ist, was hilft. Die meisten Scale-Ups haben ein OKR (Objectives and Key Results) System eingeführt, das dafür ideal wäre, aber aus meiner Sicht nicht sauber angewandt wird. Meist ist es mehr ein KPI (Key Performance Indicator – Zielerreichungs)-System als ein strategisches Umsetzungs-Tool.

Lösung: Jeder im Unternehmen hat eine tägliche(!) ToDo-Liste, wo der eigene Beitrag zum gemeinsamen Ziel definiert ist und wo sichergestellt ist, dass das der bestmögliche Beitrag innerhalb des Teams ist.

Wenn Stress da ist – und der ist ja immer da – und wenn im Change sich ständig was verändert, dann ist es wichtig, dass ich eine simplifizierte Klarheit meines Beitrags habe. Den arbeite ich zügig ab und voila, jetzt habe ich nicht nur ein gutes Gefühl, meinen Beitrag für heute schon geleistet zu haben, sondern auch noch viel Zeit für Kunden, Kolleg:innen und Unerwartetes.

Klingt simpel, ist es auch. Es braucht nur die Bereitschaft von allen im Team, dieses (saubere OKR) System aufzusetzen und die Einhaltung, bzw. notwendigen Anpassungen auch laufend vorzunehmen.

Praxistipp: Frage deine Mitarbeiter:innen, ob sie genau wissen, was sie zur Zielerreichung heute beitragen können. Wenn Unsicherheit besteht, legt die Tätigkeiten gemeinsam so präzise fest, dass ihr sie wie in einer Checkliste abhaken könnt. Merke: Ich kann heute nur erledigen, was ich mir heute vorgenommen habe, daher braucht eine Strategie Aktionen, die auch heute erledigt werden können, sonst wird die Strategie nie umgesetzt werden.

Falle Nr. 3: Es gibt aktuell gerade Wichtigeres oder Dringenderes zu tun

Das Unternehmen ist nun klar ausgerichtet mit einem emotionalen Bild, die täglichen Tätigkeiten sind festgelegt und jedem/r klar. Alle sind motiviert. Aber gerade jetzt ist was ganz Wichtiges reingekommen und die Geschäftsführung muss sich fokussiert darum kümmern. Rummms – die nächste Falle hat zugeschlagen.

80% der Changes gehen schief oder verlaufen im Sand, weil die Priorität bis zum Erreichen des Ziels nicht gnadenlos bei allen auf 1 gestanden ist. Meist beginnt das im C-Level („Der Change läuft ja eh recht gut, da können wir uns anderem widmen“).

Lösung: Der Change muss die oberste Priorität haben. Bevor andere Aufgaben erledigt werden, müssen die täglichen To-Dos im Change-Prozess bearbeitet sein. Das gilt auf allen Ebenen, vom CEO bis zu den einzelnen Teammitgliedern. Wenn der Wandel auf der Prioritätenliste nicht an erster Stelle steht, wird er im Alltag untergehen.

Meine Erfahrung dabei: wenn nur ein Teil im Unternehmen die Priorität nicht auf 1 hat, ist der Change nach recht kurzer Zeit im ganzen Unternehmen zu Ende. (ist wie ein Schimmel, der sich rasant ausbreitet. Je prominenter und höher in der Hierarchie der Schimmel startet, umso rascher die Ausbreitung).

Praxistipp: Einfordern der Prio 1 von sich selbst und allen anderen. Nach dem Motto: „heimgegangen oder Bildschirm im Homeoffice abgedreht wird erst, wenn die tägliche ToDo-Liste abgearbeitet wurde“. Disziplin ist aus meiner Erfahrung essentieller Baustein des Erfolges (siehe auch Jim Collins „From Good to Great“). Ich stelle Disziplin sicher, indem ich konsequent auf die Prio 1 aufmerksam mache und darauf bestehe. Das löst dann die Motivation „Schmerzvermeidung“ aus: Ich habe zwar heute keine Lust auf meine To-Dos, aber bevor ich mir die Diskussion mit meinem Vorgesetzten oder Kolleg:innen antue, mache ich es dann doch.

Falle Nr. 4: Mangelndes Ressourcen-Bewusstsein

„Den Willen hätt ich schon, allein mir fehlt der Glaube.“ Mephistopheles in Goethes Faust bringt’s auf den Punkt, wo es nach der Vermeidung der ersten drei Fallen dann doch noch scheitern kann.

Jetzt kommen wir zum Bereich „mentale Stärke“. Wir können nur das nutzen, was uns bewusst ist. Unsere selektive Wahrnehmung ist hier oft das Problem. Wir glauben, die (neue) Situation nicht meistern zu können, weil wir ja hier kaum eine oder gar keine Kompetenz haben. Und deshalb geben wir auf. Die gute Nachricht hier ist: Es ist (nur) eine Falle und kein echter Show-Stopper.

Lösung: Wir müssen uns unsere zur Verfügung stehenden Ressourcen bewusst machen. Sie miteinander teilen, aufschreiben, clustern und dann auswählen und anwenden. Je mehr wir für eine bestimmte Aufgabe finden, umso besser. Dazu haben wir: innere Ressourcen (das eigene Wissen, die Erfahrungen, die Talente, Glaubenssätze, Fähigkeiten etc.), interne Ressourcen (die inneren Ressourcen der Kolleg:innen im Team oder Unternehmen) und externe Ressourcen (Berater, Bench-Marks von anderen Unternehmen, Cloud Wissen, AI, etc.).

Praxistipp: Jede/r im Team schreibt für ein zu lösendes Thema die inneren Ressourcen auf. Dann tauschen alle deren Findings aus und überlegen noch welche externen Ressourcen hilfreich wären. Wieder möglichst viele finden! Danach wählen alle gemeinsam die besten Ressourcen aus und beschließen wie sie angewandt werden sollen. Hat in all meinen Projekten IMMER funktioniert, um den Change sehr gut weiter voranzutreiben!

Falle Nr. 5: Das Mindset als Killer

Was immer je von Menschenhand entstanden ist, war zu aller erst ein Mindset. Wenn also das Mindset von jemanden im Change z.B. lautet: „das wird eh nix“ oder „das schaffen wir nie“, dann stoppt dort der Change und schimmelt sich voran.

Lösung: Ein auf den Change ausgerichtetes Mindset soll formuliert werden. Ein kurzer Satz, den jede/r im Change täglich oftmals anwendet, um sich selbst und andere immer wieder auf das Ziel und den Glauben daran auszurichten. Es werden so unterstützende Glaubenssätze wie „Wir schaffen das gemeinsam“, „Jeder Schritt zählt“ oder „Wir lernen aus jedem Fehler“ geformt und gefestigt, die die neue Wirklichkeit erschaffen.

Praxistipp: Beginnend beim C-Level wird ein Master-Mindset festgelegt, das dann als Unternehmens-„Mantra“ für den Change angewandt wird. Parallel dazu ist es Aufgabe aller Führungskräfte, mit deren Mitarbeiter:innen in persönlichen Gesprächen zu helfen, deren Zugang zum Master-Mindset zu finden, bzw. eigene individuelle Mindsets zu finden, die helfen, im Change dranzubleiben.

Fazit: Die 5 Fallen sind in jedem Change aufgestellt und schnappen öfter zu, als man sich eingestehen möchte. Sie können mit den Tipps in diesem Artikel vermieden werden, bzw. kann man mit ihnen aus der Falle herauskommen. Diese Tipps anzuwenden, benötigt Zeit. Die dafür aufgewandte Zeit kommt x-fach wieder rein.

Jetzt gibt es noch zwei zusätzliche Fallen für jeden Change: 1: Ich habe keine Zeit („Ausrede, um die Bequemlichkeitszone nicht verlassen zu müssen“) oder 2: Da fang ich erst an, wenn ich es genau geplant habe (auch eine Ausrede – kein Change kann ausreichend genau geplant werden. Einfach loslegen und darauf vertrauen, dass jeder Prozess ein progressives Learning auslöst – siehe Mindset!)


Mit dem folgenden Download findest du eine Checkliste zu den 5 Fallen. Diese Change-Fallen-Vermeidungs-Checkliste sollte in allen 5 Punkten mit einem eindeutigen JA von JEDEM/R Mitarbeiter:in (inkl. Führungkräften) beantwortet werden, sonst startet dort der Change-Stopper. Dieses Vorgehen ist kein hoher Anspruch, sondern eine Notwendigkeit.

Hier ist dein ToDo für heute: Starte bei deinem Team und gehe mit jedem Teammitglied die Checkliste durch. Ist nur ein Checkpunkt kein JA, dann weißt du ja jetzt, was zu tun ist…

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