08.06.2021

Scalable Capital: Von Österreichern mitgegründetes Fintech erreicht Milliardenbewertung

Der digitale Vermögensverwalter Scalable Capital hat eine 180 Mio. Dollar schwere Finanzierungsrunde zu einer Bewertung von 1,4 Mrd. Dollar abgeschlossen. Damit ist das Unternehmen das fünfte Fintech-Unicorn aus Deutschland.
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Erik Podzuweit, Florian Prucker und Stefan Mittnik
Erik Podzuweit, Florian Prucker und Stefan Mittnik | Foto: Scalable Capital

Dieser Artikel wurde aktualisiert, nachdem das Unternehmen die Finanzierungsrunde bestätigt hatte.

Bisher gab es in Deutschland vier Fintechs mit Unicorn-Status – also einer Bewertung von über 1 Mrd. US-Dollar: Den Banking-Infrastrukturanbieter Mambu mit einer Bewertung von gut 2 Mrd. Dollar, das InsureTech WeFox mit 3 Mrd. Dollar, den Neobroker Trade Republic mit über 5 Mrd. Dollar und die Neobank N26, die bereits 2019 eine 3,5-Mrd.-Dollar-Bewertung erreichte. Letztere wurde bekanntlich von zwei Österreichern – Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal – in Berlin gegründet. Nun hat sich diese Runde um ein weiteres Fintech erweitert, bei dem ebenfalls Österreicher zu den Mitgründern zählten: Die Rede ist vom digitalen Vermögensverwalter Scalable Capital.

Zu den Gründern des Startups mit Sitz in München gehörten 2014 unter anderem die beiden Österreicher Florian Prucker und Patrick Pöschl. Prucker ist weiterhin einer der beiden CEOs. Pöschl ist dagegen nicht mehr operativ im Unternehmen tätig und heute unter anderem Obmann des Vereins Fintech Austria. Einem Bericht von deutsche-startups.de zufolge soll Scalable Capital nun eine 180 Mio. Dollar schwere Finanzierungsrunde abgeschlossen haben und dabei mit 1,4 Mrd. Dollar bewertet worden sein. Beteiligt an der Runde soll neben Bestandsinvestoren ein nicht näher genannter Geldgeber aus dem asiatischen Raum sein. Eine Quelle wurde im Bericht nicht genannt. Am Abend bestätigte das Unternehmen den Bericht jedoch gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Der asiatische Großinvestor ist demnach der chinesische Internetriese Tencent.

Das Unternehmen hatte zuletzt im Juli 2020 eine 50 Mio. Euro (58 Mio. Dollar) schwere Series-D-Runde zu einer Bewertung von 400 Mio. Euro (460 Mio. Dollar) abgeschlossen. Damals hatten unter anderem Hedosophia, BlackRock, HV Capital und Tengelmann Ventures investiert. Laut der FAZ hält BlockRock ein Drittel der Anteile, ein Drittel liegen bei Gründern sowie Mitarbeitern und ein Drittel bei unterschiedlichen Investoren wie eben nun auch Tencent.

Digitale Vermögensverwaltung und Neobroker

In der digitalen Vermögensverwaltung hat Scalable Capital den Anspruch, kostengünstige, ETF-basierte Lösungen anzubieten, über die Kunden ihr Geld automatisiert anlegen können. Seit dem Vorjahr ist das Unternehmen außerdem als Neobroker aktiv – für Kunden, die ihre eigenen Anlageentscheidungen treffen wollen.

Scalable Capital wurde 2014 gegründet, neben Prucker und Pöschl gehörten auch Erik Podzuweit, Adam French und Stefan Mittnik zu den Cofoundern. Prucker und Podzuweit führen das Unternehmen heute als Co-CEOs. Scalable Capital ist in Deutschland und Österreich aktiv, die Kundenanzahl lag nach eigenen Angaben im April 2021 bei 250.000. Das Unternehmen hat mehr als 200 Mitarbeiter und verwaltet rund 4 Mrd. Euro an Kundengeldern.

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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