22.08.2017

Saphium: Bio-Plastik-Startup finanziert Forschung mit Bakterien-Verkauf

Hinter dem steirischen Startup Saphium stehen fünf Jungforscher. Ihre Mikroorganismen sollen Bio-Plastik herstellen. Um ihre Forschung zu finanzieren, verkauft das Unternehmen Knöllchenbakterien, die das Wachstum von Soja und Co anregen.
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(c) Saphium: Das Team - Christof Winkler-Hermaden, Katharina Ettl, Josef Tauchner, Bernhard Brauner-Runge und Sanel Durakovic

Welche Probleme gibt’s, die man biotechnologisch lösen könnte? – Das fragten sich zwei Mikrobiologen und drei Pflanzenwissenschaftler, allesamt Absolventen der TU Graz. Sie suchten nach einer Idee, um bei einem Bio-Inkubator in Irland mitzumachen und kamen so auf Biokunststoff. Bei Saphium sind Bakterien die Produzenten. Sie stellen abbaubares Plastik her: eine ungiftige Alternative, umweltfreundlich und zu 100 Prozent kompostierbar. Ein weiterer Vorteil: “Unser Material ist wasserfest. Nicht wie bei anderen kompostierbaren Bioplastik-Säcken, die irgendwann doch durchlässig werden. Das kann bei unserem Material nicht passieren”, sagt Christof Winkler-Hermaden aus dem Team der jungen Entwickler. Das Saphium-Bioplastik ist zudem abbaubar: In etwa drei Monaten zersetzen die Mikroorganismen im Boden das Material.

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Bakterien wachsen mit CO2 und Wasserstoff

Konventionelles Plastik hingegen basiert auf Erdöl. Es dauert hunderte Jahre bis, es abgebaut ist und es beinhaltet giftige Zusatzstoffe, die der Mensch auch aufnimmt. Ganz zu schweigen von Umweltverschmutzung im Meer und am Land sowie der globalen Erwärmung. “Unsere erste Idee war aus Algen, CO2 und Sonne Bioplastik zu machen”, erzählt Winkler-Hermaden. Da braucht man auch keine Ackerflächen für den Anbau. “Dann sind wir aber draufgekommen, dass das mit Algen nicht funktioniert und haben umgeschwenkt auf Bakterien, also Mikroorganismen”. Die können auf CO2 und Wasserstoff wachsen. Es gebe zwar auch andernorts Versuche dazu, aber weltweit mache das bisher niemand ernsthaft.

Wie kommt der Kunststoff aus den Zellen?

Bei diesen biotechnologischen Mikroorganismen handelt es sich um natürlich vorkommende Polyester, die von den Bakterien gebildet werden. In der Natur passiert das durch Fermentation von Zucker oder Fetten. Deswegen füttert man in der herkömmlichen Industrie die Bakterien mit Lebensmittelabfallstoffen oder Rapsöl. Das sei sehr teuer und für die Massenproduktion ungeeignet. Das Saphium-Team hat festgestellt, dass das Herauslösen des Kunststoffes aus den Zellen, der Kostentreiber ist und arbeitet an einem physikalischen Verfahren.

+++ Fokus: Energie und Umwelt +++

Irischer Bio-Inkubator als Starthilfe

Da kommen so ein Erstinvestment und eine Laborzeit im irischen Cork schon ganz recht. RebelBio ist ein Inkubator für Biotechnologie. Pro Jahr werden etwa zehn Startups aus der ganzen Welt aufgenommen. Dafür will sich SOS Ventures, die Firma hinter RebelBio, aber mit acht Prozent am Unternehmen beteiligen. Neben 50.000 Euro bekommen Startups noch einmal so viel in Sachleistungen. Das heißt im Fall von Saphium: Laborflächen für drei Monate, davor ein Monat Vorbereitungszeit und Businessmodelentwicklung. “Wir waren damals in unterschiedlicher Besetzung im Labor in Cork”, berichtet Winkler-Hermaden, “manchmal zu fünft, dann doch wieder zu dritt. Es empfiehlt sich zu zweit und zu dritt nach Cork zu gehen”, ergänzt er. Mittlerweile haben schon drei österreichische Startups bei RebelBio mitgemacht: Valanx Biotech entwickeln ein Protein-Anker-System für synthetische Biologie, Kilobaser machen ein “Nespresso-System” für DNA-Synthese.

“Biotechnologie early stage”

Im Anschluss, es war im Herbst 2015, ging für Saphium die Forschung im Science Park Graz weiter. “Wir machen noch Biotechnologie early stage. So ist es schwierig ein Investment zu bekommen und schon gewinnbringend zu sein”, sagt Winkler-Hermaden. Schließlich sind die Produktionskosten stark vom Maßstab abhängig: Mit einem 500.000 Liter-Bioreaktor enstehen für Saphium für die gleiche Menge an Bio-Plastik rund ein Hundertstel der Kosten, die mit einem 300 Liter-Reaktor zu zahlen sind.

Win-win mit Knöllchenbakterien: Boost für das Startup und die Käferbohne

Um erste Umsätze zu generieren, Investoren zu locken und die Reaktoren an der Produktionsstätte anders zu verwenden, startete das Startup nun ein zweites großes Projekt: In den Tanks – produziert wird übrigens am Gelände des südsteirischen Weinguts der Familie Winkler-Hermaden – wachsen auch sogenannte Rhizobien. Diese Knöllchenbakterien bewohnen Ackerböden. Sie können Stickstoff aus der Luft fixieren und Pflanzen, zum Beispiel Hülsenfrüchte wie die Mungo- oder Käferbohne und Soja mit Stickstoff versorgen. Das unterstützt ihr Wachstum. Laut Winkler-Hermaden steigern die Rhizobien den Ertrag von fünf bis zu 30 Prozent. “Die Pflanzen wachsen mehr, der Humusaufbau wird unterstützt, die Bodenqualität ist besser”, schwärmt der Biologe. Zusätzlich zum Stickstoff werden nämlich Pflanzenhormone ausgeschüttet. Sie signalisieren der Pflanze, dass sie loswachsen soll. Und noch eine dritte Funktion erwähnt er: “Die Leguminosen, also Hülsenfrüchtler, können aus dem Boden Nährstoffe aufbereiten und Phosphat freisetzen.”

+++ Wasser aus der Kugel statt Plastik im Meer +++


Link: saphium.eu

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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