24.02.2022

Russland-Ukraine: “Westen würde sich bei Swift-Ausschluss in den Fuß schießen”

Stefan Schneider, Chief German Economist der Deutschen Bank und Gerald Resch, Generalsekretär des Bankenverbandes Österreich teilen ihre Ansichten über die Folgen des Russland-Ukraine-Krieges.
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brutkasten-CEO Dejan Jovicevic im Gespräch mit Stefan Schneider, Chief German Economist der Deutschen Bank und Gerald Resch, Generalsekretär des Bankenverbandes Österreich © brutkasten Media
brutkasten-CEO Dejan Jovicevic im Gespräch mit Stefan Schneider, Chief German Economist der Deutschen Bank und Gerald Resch, Generalsekretär des Bankenverbandes Österreich © brutkasten Media

Der Angriff Russlands auf die Ukraine und der Beginn eines Krieges in Europa hat die Welt in Aufruhr versetzt. Während die westliche Politik über Maßnahmen und Sanktionen berät, stellen sich viele die Frage, welche Auswirkungen der Einmarsch russischer Truppen in den Osten des Nachbarstaates für Europa und Österreich haben könnte.

Der brutkasten hat mit Experten die Lage analysiert: Stefan Schneider, Chief German Economist der Deutschen Bank und Gerald Resch, Generalsekretär des Bankenverbandes Österreich, sprechen im Studiotalk über die Effekte des Krieges und den möglichen Ausschluss Russlands aus dem Swift-System.

Österreich drittgrößter Investor auf Bankenseite

Laut Schneider sind die ökonomischen Verflechtungen zwischen Russland und der EU bzw. dem Rest der Welt nicht überzuberwerten – abgesehen vom Gas. “Eine Eskalation würde man hauptsächlich bei Preisen und durch höhere Inflationsraten spüren. Was für einzelne Unternehmen natürlich relevant ist, aber volkswirtschaftlich keine Größe”, sagt er.

Im Gegensatz dazu sieht Resch für Österreichs Banken einen höheren Grad an Auswirkung, da das österreichische Bankensystem sehr eng mit Russland verflochten ist. “Wir sind in Europa die drittgrößten Investoren auf Bankenseite und müssen die nächsten Wochen abwarten und genau beobachten”, so der Bankenverband-Generalsekretär.

Über den stark diskutierten Ausschluss Russlands aus dem Swift-System zeigen beide Experten Einigkeit. Schneider sehe in diesem Fall hohe Kosten für den Westen, wenn man davon ausgehe, dass weiterhin Gas geliefert werde und das auch bezahlt werden müsse. “Und dafür ist Swift das Vehikel”, sagt er. “Von daher würde sich der Westen in den eigenen Fuß schießen.”

Russland: Alle Brücken abreißen?

Resch nennt so eine Sanktion eine “Ultima Ratio” und glaubt nicht, dass dieser Schritt tatsächlich gesetzt werden wird, auch wenn in Zeiten wie diesen alles möglich sei. Er sieht keinen Sinn darin alle Brücken zu Russland abzureißen. “Wir sollten eher danach trachten, dass Gespräche im Vordergrund bleiben. Auch wenn sich das aktuell als schwierig erweist, da erste Waffen bereits gezogen wurden”, sagt er.

Schneider verortet in diesem Zusammenhang bei Nahrungsmittelpreisen einen Aufwärtsdruck – der Ölpreis sei aktuell auf über 100 US-Dollar gestiegen, auch Gas und Getreide (Ukraine ist einer der größten Getreideproduzenten weltweit) müssten als Faktoren mit einbezogen werden, spricht man über Folgen des Angriffs.

„Letzte Welle hat wirtschaftlich nicht so tiefe Spuren hinterlassen“

In einem anderen Bereich sehen Resch und Schneider eine gewisse positive Richtung. Der Chief German Economist sieht die Spitze der Pandemie erreicht.

Er sagt: „Im Herbst wird es wieder eine Welle geben, aber wir sind medizinisch weiter und haben gemerkt, dass die aktuelle Welle wirtschaftlich nicht so tiefe Spuren hinterlassen hat, wie noch vor einem Jahr.“ Dies nimmt er als Anlass zu Optimismus, spricht von Regierungen, die rasch dagegengehalten haben – Fiskalimpulse, Unterstützungspakete – von einem robusten Arbeitsmarkt mit einer Arbeitslosenquote auf dem Niveau vor der Pandemie und berichtet von einem Rekord an offenen Stellen in Deutschland.

„Die Frage ist nur, wie wir wieder PS auf die Straße bekommen“, sagt er, wirft aber auch zugleich in den Raum, dass aktuelle geopolitische Unsicherheiten eine Unbekannte sind, was Lieferketten betrifft. Man wisse nicht, wie sich Risiko-Aversionen weiter entwickeln würden. „Es gab ja fast einen globalen Stillstand der Lieferketten und keine Modelle dazu, das Ganze aufzulösen.“

Resch hingegen attestiert dem heimischen Bankensystem eine tendenziell positive Grundstimmung. „Es ist aufgrund der politischen Entwicklungen ein wenig schwierig, aber generell ist Europa die letzten zwei Jahre gut durch die schwere Zeit der Pandemie gekommen“, sagt er. „Es hat geholfen, dass wir ein stabiles Bankensystem haben. Regierungen haben mit Hilfspaketen schnell reagiert, Banken die Transformation in die Realwirtschaft gut umgesetzt.“

Resilienz und Puffer

Als Learning der letzten zwei Jahre mahnt Schneider dazu, als Quintessenz die Resilienz der Wirtschaft zu erhöhen und größere Puffer im System einzubauen. Damit das System nicht zu einem Halt kommt, sobald ein „Staubkörnchen“ hineinrutscht.

Allerdings habe dies auch eine Gegenseite, die es zu bedenken gebe. Höhere Resilienz und größere Puffer hieße auch weniger Produktivitätsgewinne. Schneider nennt es einen „Trade off“, den er für die weitere Zukunft als problematisch ansieht. „Die Bereitschaft des Staates, das Füllhorn zu öffnen und auch die Bereitschaft der Bürger und Unternehmen zu sagen, ‚an mich‘, ist ein wenig riskant. Eigentlich haben wir eine Arbeitsteilung“, sagt er. „Die Sorge ist, dass der Staatseinfluss in die Wirtschaft zu groß wird und jene sich kaum wehrt.“

Eine Dynamik, in der zukünftig Viele nach Hilfe des Staates schreien, weil auch anderen geholfen wurde, sei auf Dauer nicht leistbar. Zudem gebe es andere Problemfelder, auf die man den Fokus legen müsse: Demografische Entwicklungen, Fachkräftemangel, der einen Lohndruck erzeuge, sowie sinkende Wachstumsraten und schwächere Steuereinnahmen, die zu erwarten sind.

Transformation braucht Kapital

In weiterer Folge betonen Resch und Schneider im Sinne des Klimawandels, dass man sich bewusst machen müsste, dass eine ökologische Transformation Geld brauche und dass, wenn man die Umweltkosten in wirtschaftliche Entscheidungen mit einbeziehe, der Anstieg von Wachstum und Wohlstand geringer werde. „Es ist eine politische Entscheidung, die aber auch gerechtfertigt ist“, so Schneider.

Auch das Thema Inflation, geprägt von Tendenzen wie De-Globalisierung, ansteigende Energiepreise, Konsolidierung der Staatsfinanzen und oben erwähnten Argumenten, werde eines, dass uns mittelfristig ein höheres Inflationsregime bringen werde. „Aber wir reden hier eher über zwei Prozent plus, statt zwei Prozent Minus“, betont Schneider.

Der Shift hin zur Financial Literacy

Neben weiteren Themen wie NFT, die Amazonisierung innerhalb der Digitalisierung, höheren Gehaltsforderungen seitens Gewerkschaften und der Beruhigung der Märkte nach dem geopolitischen Schock von heute, gibt es eine positive Beobachtung und Meinung, die beide Experten vertreten: Steigende „Financial Literacy“.

Resch dazu: „Menschen beschäftigen sich durch die hohe Inflation mehr damit, wie sie Vermögen aufbauen. Finanzbildung ist eine große Chance aus der Krise heraus.“

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Alexander Schmitz | (c) XELA

Japan gilt seit Jahrzehnten als Vorreiter in der Robotik und Automatisierung, ein Land, in dem Roboter nicht nur in der Industrie, sondern zunehmend auch im Alltag eine zentrale Rolle spielen. Inmitten dieser technologischen Hochburg hat sich der österreichische Gründer Alexander Schmitz mit seinem Unternehmen XELA Robotics erfolgreich etabliert. Seit mittlerweile mehr als einem Jahrzehnt entwickelt und erforscht der Österreicher taktile Sensoren für menschlich-kollaborative Roboter. Vor der Unternehmensgründung im August 2018 war Schmitz auch als Associate Professor an der Waseda University in Japan tätig, bevor er sich vollständig auf sein Unternehmen konzentrierte.

Technologie ermöglicht menschenähnlichen Tastsinn

XELA Robotics setzt auf eine KI-Technologie, die taktile Sensoren integriert und damit neue Möglichkeiten für personalisierte Servicerobotik, Montage, Verpackung und Landwirtschaft schafft. Die Sensor- und Software-as-a-Service (SaaS)-Lösungen von XELA unterstützen Unternehmen weltweit bei der Digitalisierung und Automatisierung.

XELA Robotics hat uSkin entwickelt, einen Drei-Achsen-Tastsensor, der in einem weichen, langlebigen Gehäuse untergebracht ist und sich nahtlos in neue und bestehende Roboter integrieren lässt. uSkin verleiht Robotern einen menschenähnlichen Tastsinn und verbessert ihre Fähigkeit, Objekte präzise zu manipulieren. Jeder Sensorstreifen enthält mehrere Sensoren, und jeder Sensor misst 3-Achsen-Kräfte , die an spezifische Anwendungen angepasst werden können. Zu den Kunden von XELA zählen internationale Konzerne wie Honda, Hitachi oder Samsung.

Millionen-Investment und Expansion nach Europa

Wie XELA nun bekanntgab, konnte man für das weitere Wachstum ein Millionen-Investment an Land ziehen. Investor ist die Investoren-Gruppe FSR mit Sitz in Tokio.

„Die Partnerschaft mit unserem neuen Investor wird unsere Fähigkeit beschleunigen, sowohl unsere Sensortechnologie als auch unsere KI- Software zu skalieren. Dadurch können wir komplette Lösungen anbieten und die Produktion ausweiten, um der wachsenden globalen Nachfrage gerecht zu werden”, so Schmitz.

In Europa bedient XELA ebenfalls namhafte Kunden. Zudem hat XELA die Möglichkeit genutzt, sich über das Global Incubator Network (GIN) strategisch in Europa zu positionieren. “Durch das erstklassige Programm des Global Incubator Networks konnten wir unsere Marktchancen in Europa evaluieren, einen klaren Go-to-Europe-Plan mit Österreich als Basis entwickeln und einen erfahrenen Mentor gewinnen. Dieser Mentor hat uns nicht nur in der Umsetzung unserer Europastrategie begleitet, sondern auch wesentlich zur Finanzierungssicherung in Japan beigetragen“, sagt Schmitz.


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