Umgerechnet werden laut EU-Kommission rund fünf Millionen Waschmaschinen pro Jahr weggeworfen, obwohl sie noch zu reparieren wären. Bisher gäbe es für EU-Bürger:innen nicht genug Anreize, um Gegenstände wie Waschmaschinen oder Kühlschränke reparieren zu lassen, vor allem wenn die Garantie abgelaufen ist.
Das soll sich jetzt ändern. Die EU-Kommission hat einen Vorschlag für neue Regelungen zum Umgang mit Reparaturen gemacht. EU-Bürger:innen sollen demnach ein Recht zur Reparatur haben. Das Ziel der vorgeschlagenen Verordnung ist, die Abfallmenge von derzeit rund 35 Millionen Tonnen zu reduzieren und Verbraucher:innen Einsparungen zu ermöglichen.
Reparatur soll einfach und zugänglich werden
Staubsauger, Waschmaschinen, Kühlschränke und bald auch Smartphones – diese Gegenstände sollen in Zukunft einfacher zu reparieren sein. Das Recht auf Reparatur soll für kaputte Geräte gelten, die innerhalb der gesetzlichen Garantiezeit den Geist aufgegeben haben. Verkäufer:innen seien dann verpflichtet, eine Reparatur anzubieten. Zumindest, wenn diese nicht teurer ist, als ein Tausch des Gerätes.
Auch nach Ablauf der Garantie soll es Anreize geben, um mehr zu reparieren und weniger wegzuwerfen: Für Produkte, die laut EU-Recht technisch reparierbar sind, also Fernseher oder Waschmaschinen, sollen Konsument:innen eine Reparatur bei Hersteller:innen verlangen können. Eine Online-Vermittlungsplattform soll Verbraucher:innen mit Reparaturbetrieben und Verkäufer:innen von reparierten Produkten in der Nähe zusammenbringen.
Hersteller:innen sollen des Weiteren verpflichtet werden, Verbraucher:innen über Produkte zu informieren, die sie selbst reparieren müssen. Eine europäische Qualitätsnorm für Reparaturdienstleistungen soll erleichtern, Werkstätten zu erkennen, die sich zu hoher Qualität verpflichten. Außerdem soll in Zukunft ein Reparaturinformationsformular bei Werkstätten angefordert werden können, um Preise transparenter und vergleichbarer zu machen.
Das können wir uns sparen
Der Vorschlag soll zum Ziel der EU beitragen, bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu werden. Dafür brauche es nachhaltigeren Konsum und Produktion, von Unternehmen und Konsument:innen. Hersteller:innen sollen durch die Verordnung zu nachhaltigeren Geschäftsmodellen ermutigt werden.
Noch muss der Vorschlag der EU-Kommission vom Europäischen Parlament und dem Rat angenommen werden. Die Kommission hat berechnet, dass wir uns folgendes durch das Recht auf Reparatur einsparen könnten.
Refurbed: “Positives Signal, aber nicht ausreichend”
Mittlerweile gibt es auch schon erste Reaktionen auf den Vorschlag der EU-Kommission. Unter anderem meldete sich das Wiener Scaleup refurbed zu Wort, das einen Online-Marktplatz für generalüberholte Produkte betreibt. Grundsätzlich sei die gestrige Veröffentlichung des Gesetzesentwurfs zum “Recht auf Reparatur” ein positives Signal für die Entwicklung einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft.
Der Entwurf gehe zwar auf einige wichtige Aspekte ein, sei aber nicht ausreichend. “Wir brauchen langfristige, fast drastische Maßnahmen, um dem Klimawandel ausreichend entgegenzuwirken. Hier spielt die Wirtschaft eine riesige Rolle – ‘Business as usual‘ darf es nicht mehr geben”, so Refurbed Co-Gründer Kilian Kaminski.
Das Wiener Scaleup fordert deshalb folgende Aspekte zu berücksichtigen: Ein EU-Repair Score, könne Verbraucher:innen informieren, ob eine Reparatur möglich ist und welchen Preis diese hätte. Dadurch soll eine bewusstere Kaufentscheidung ermöglicht werden. Außerdem brauche es mehr finanzielle Anreize, um Reparatur erschwinglich zu machen.
Zusätzlich müsse der Grundsatz “Reparatur vor Ersatz” gesetzlich verankert werden. “Produkte müssen reparaturfähig konstruiert werden – solange Hersteller beschädigte Produkte ersetzen dürfen, wenn dies billiger als eine Reparatur ist, werden sie das Design ihrer Produkte nicht anpassen”, heißt in einer Aussendung des Unternehmens.
Tipp der Redaktion
Mit Anfang Jänner 2023 startete die brutkasten-Redaktion einen neuen thematischen Schwerpunkt zum Thema Kreislaufwirtschaft. Im Zentrum stehen Innovationen von Startups, Corporates und Mittelstand, die eine ressourceneffiziente und schadstoffarmen Produktion ermöglichen. Zudem berichten wir über aktuelle Entwicklungen und Hintergründe rund um eine kreislauforientierte Wirtschaft.
Fördern, finanzieren und feiern: Das braucht die Female-Startup-Szene für 2025
"Let us put our money where our mouth is". Mit klaren Worten erzählt Hannah Wundsam, Co-Managing Director von AustrianStartups, wie sich die Lage im Startup-Sektor für das neue Jahr aufheitern ließe.
Fördern, finanzieren und feiern: Das braucht die Female-Startup-Szene für 2025
"Let us put our money where our mouth is". Mit klaren Worten erzählt Hannah Wundsam, Co-Managing Director von AustrianStartups, wie sich die Lage im Startup-Sektor für das neue Jahr aufheitern ließe.
Die Fakten sind nichts gänzlich Neues. Und langweilen wollen wir unsere Leser:innen auch nicht. Man könnte also aufhören, darüber zu berichten. Oder eben genau das mit Nachdruck tun – und Lösungen aufzeigen, um doch Mini-Schritte in Richtung Besserung zu unterstützen.
Frauenquote sinkt, obwohl sie eigentlich steigt
Die Frauenquote in der österreichischen Startup-Szene sank im Vorjahr wieder. Im Jahr 2018 lag der Frauenanteil heimischer Gründer:innen bei 12 Prozent. Drei weitere Jahre stagnierte die Quote bei 17 Prozent (2019 bis 2021). 2022 waren 19 Prozent der heimischen Gründer:innen Frauen. 2023 ging es wieder bergab.
Das sagt die neueste Erhebung einer in Österreich und darüber hinaus angesehenen Quelle: Der Austrian Startup Monitor, herausgegeben vom AIT Austrian Institute of Technology in Zusammenarbeit mit AustrianStartups und dem Gründungszentrum der WU Wien.
Im jüngsten Report steht nun auf Seite acht in weißer Schrift: “Der Anteil von Frauen an allen Gründer:innen liegt bei 17 Prozent und ist im Vergleich zum Vorjahr gesunken.”
Auch der Anteil an Startups, bei denen zumindest eine Frau im Gründungsteam saß, lag im Jahr 2022 auf 39 Prozent. Ein Jahr später rutschten Gründungsteams mit mindestens einer Frau auf 33 Prozent zurück. Neuere Zahlen sind noch in Auswertung.
Noch nie so viele
Gesamtwirtschaftlich steigt die Frauenquote im Unternehmertum aber. Laut der Mitglieder- und Gründungsstatistik der WKÖ von Dezember 2023 wurde “mehr als jedes dritte Unternehmen in Österreich von einer Frau geleitet”. Der Frauenanteil an heimischen Unternehmer:innen liegt damit bei 39,3 Prozent.
Nach diesen Zahlen wurden “noch nie so viele Einzelunternehmen von Frauen gegründet” – nämlich knapp die Hälfte (44,5 Prozent) aller im Jahr 2023 gegründeten. Das passierte vor allem in den Bereichen Fußpflege, Kosmetik und Massage sowie Direktvertrieb und Mode. Wohlgemerkt handelt es sich dabei nicht um die Gründung und Führung von Startups – und damit auch nicht primär um den unternehmerischen Fokus auf Wachstum und Skalierung.
Der Wunsch nach Vereinbarkeit
“Tatsächlich sieht man in den Zahlen der WKO, dass die Unternehmen, die in Österreich von Frauen gegründet werden, hauptsächlich Ein-Personen-Unternehmen und Kleinstunternehmen sind.” Das sagt uns Hannah Wundsam, Co-Managing Director von AustrianStartups, im Interview. “Ein Großteil der Frauen gibt hier an, die Selbstständigkeit gewählt zu haben, um den Beruf besser mit der Familie vereinbaren zu können”, so Wundsam weiter.
Tatsächlich zeigt eine Motivumfrage der WKÖ aus 2023, dass die Selbstständigkeit für Frauen – konkret für 76,54 Prozent der Befragten – besonders aufgrund der flexiblen Zeit- und Lebensgestaltung sowie aufgrund ihres Wunsches nach Eigenverantwortung attraktiv ist. Dies gestaltet sich im Startup-Kosmos allerdings schwierig.
Startups und Stereotypen
Das begründet Hannah Wundsam einerseits durch gelebte Stereotypen in Berufsrollen: “Es ist eine gesamtgesellschaftliche Problematik, dass die Care-Arbeit vermehrt bei der Frau liegt. Zusätzlich ist vor allem im ländlichen Raum Kinderbetreuung, vor allem für Kleinkinder, viel zu wenig verfügbar.”
Das Problem hinter der sinkenden Frauen-Startup-Quote liegt jedoch nicht nur bei der Care-Arbeit: “Startups brauchen Kapital, um zu wachsen”, so Wundsam, “und wir sehen, dass immer noch ein negativer Bias gegenüber Frauen in Gründungsteams besteht. Laut dem State of European Tech Report von Atomico werden von jedem Euro, der in Europa von VCs in Startups investiert wird, 90 Cent in rein männliche, neun Cent in gemischte und ein Cent in rein weibliche Teams investiert.”
Hannah Wundsam spricht hier vom Gender Funding Gap der Startup-Szene. Auch der jüngste Funding Index der Wirtschaftsberatung EY zeigt: “Jede:r zehnte bei einer Finanzierungsrunde beteiligte Gründer:in ist weiblich”. Konkret erhielten 151 Männer und 18 Frauen im ersten Halbjahr 2024 frisches Kapital für ihr Startup.
Vier Frauenteams gegen 71 Männerteams
Laut brutkasten-Berichterstattung haben über das vergangene Jahr 2024 nur vier reine Frauenteams ein Investment erhalten. Dagegen floss Kapital in 26 gemischte Gründerteams und 71 Mal gab es eine Finanzspritze für reine Männerteams. Zu beachten ist hierbei, dass der Anteil an rein von Frauen gegründeten Startups bei 17 Prozent liegt. Gender Gaps kann man so gesehen weder aus der Founding- noch aus der Funding-Perspektive bestreiten.
Bias, Geld und Bildung
Ein Bias lässt sich Wundsam zufolge nicht nur in puncto Care-Arbeit und Finanzierung vernehmen. Sie sieht ein drittes und großes Problem der Gender-Imbalance in der geringen Förderung von MINT-Fächern und unternehmerischen Fähigkeiten von Mädchen in der Schulbildung.
“Wenn man Mädchen die Chance gibt, brillieren sie. Bei der Youth Entrepreneurship Week sehen wir, dass viele Mädchen innovative Ideen haben, diese großartig pitchen können und das Potenzial haben, impactvolle Führungspersönlichkeiten und Gründerinnen zu werden”, meint Wundsam.
“Over-mentored & under-funded”
Nur Fakten zu nennen, die zeigen, dass Vieles falsch läuft, bringt bekanntlich wenig. Es braucht konkrete Lösungen. Und Vorschläge, die Gleichberechtigung fördern und damit am besten auch Wirtschaft und Gesellschaft gut tun.
Hannah Wundsam hat davon ganz konkrete, nämlich den Ausbau der Kinderbetreuung österreichweit. Und überdies ein stärkeres Anreizsystem, um Karenz-Zeiten zwischen Männern und Frauen gleichmäßig aufzuteilen. Und: “Deutlich mehr Initiativen zur Förderung von Mädchen in Schulen - mit weiblichen Role Models aus der Startup-Szene.”
Außerdem zitiert sie Lisa Fassl, Gründerin von Female Founders: ”Lisa hat mal zu mir gesagt: 'Women are over-mentored and under-funded'. Um Investments in Frauen-geführte Teams zu stärken, sollte man Investor:innen in Bezug auf ihren Bias weiterbilden, weibliche VCs fördern und Investments in Frauen-geführte Unternehmen honorieren.”
Doch damit Frauenförderung im Startup- und VC-Sektor funktioniert, braucht es einen verbesserten Kapitalzugang, darunter “spezielle Venture-Capital-Fonds wie Fund F oder staatliche Matching-Funds für Investor:innen”, so Wundsam. Außerdem schlägt sie steuerliche Anreize für Investor:innen vor, die in “Female Startups” investieren.
Fördern, finanzieren und feiern
Kontextualisieren sollte man das Frauen-Startup-Thema auch. Angesichts der anhaltenden Rezession braucht es gerade jetzt ”skalierende Unternehmen, um in Österreich und Europa weiterhin wirtschaftlich kompetitiv zu sein und unseren Wohlstand zu erhalten”, so Wundsam.
“Aus sozialer und ökologischer Sicht braucht es die klügsten Köpfe, die mit neuen Ideen die Herausforderungen unserer Zeit angehen - von der Klimakrise über das veraltete Pensionssystem bis hin zu Gesundheitsrisiken”, sagt Wundsam weiter.
Dass es sich gerade angesichts einer derartigen Komplexität als logisch erweisen würde, Diversität in Unternehmen und damit eine Vielfalt an Wissen und Lösungskompetenzen zu fördern, sieht auch Hannah Wundsam als notwendigen Weg:
“Diverse Teams gestalten nachweislich nachhaltigere, profitablere und erfolgreiche Unternehmen. Daher sollte es im Sinne jedes Unternehmens und der Gesellschaft allgemein sein, Gründerinnen zu fördern, ihre Ideen zu finanzieren und ihre Erfolge zu feiern.”
Neujahrswunsch
Schließlich formuliert Wundsam ihren Neujahrswunsch mit den Worten: “Let us put our money where our mouth is. Wir sprechen schon so lange darüber, dass es gesellschaftlich wichtig und finanziell sinnvoll ist, Gründerinnen zu fördern. Trotzdem passiert, abgesehen von den großartigen Initiativen von Female Founders, noch relativ wenig.”
Um das zu ändern, bräuchte es als ersten Schritt “mehr weibliche Investorinnen in VCs“. Um das Problem allerdings an der Wurzel zu packen, wünscht sich Wundsam, “Mädchen schon in der Schule zu ermutigen, ihren Stärken nachzugehen und ihre Ideen umzusetzen. So, wie es die Youth Entrepreneurship Week macht.”
Lange Rede, langer Sinn
Einige Zeilen und Forderungen später wissen wir: Unser Gender Gap ist nicht ein-, sondern vielschichtig. Genauso wie dessen Lösungsansätze. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, wie Frauen gleichberechtigt in das Wirtschafts- und Sozialsystem integriert werden und dieses mit ihrer Leistung stärken können.
Dass sich eine Umstrukturierung und Re-Definition bisheriger Strukturen und Glaubenssätze nicht nur positiv auf unser Bildungs- und Sozialsystem, sondern auch positiv auf Wirtschaft und Umwelt auswirken könnte, sollte mittlerweile Grund genug sein, um den Ball der Gleichberechtigung ins Rollen zu bringen.
Sollte dieser im Rollen auch noch die gläserne Decke durchbrechen und sie zu einem Phänomen werden lassen, dass sich lediglich in Geschichtsbüchern lesen lässt, können wir uns im nächsten Jahresrückblick auf andere Zahlen und eine etwas bessere wirtschaftliche Großwetterlage freuen. Doch das bleibt eine Geschichte für 2025.
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