13.05.2020

Wie viel ist dein Startup wert?

Spätestens wenn neues Kapital benötigt wird, stellt sich jeder Selbständige die Frage, wie viel das eigene Unternehmen aktuell wert ist. Denn dieser Wert bestimmt unter anderem auch, wie viele Anteile man für frisches Kapital an einen Investor abgeben muss.
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(c) envato

Es gibt viele Gründe, warum es für Gründer im Vergleich zu etablierten Firmen besonders schwer ist, den genauen Unternehmenswert ihres Start-ups zu ermitteln. Umso wichtiger ist es für sie, zumindest eine realistische Vorstellung vom eigenen Unternehmenswert zu haben. Denn jedes Prozent, das Gründer in Frühphasen ihrer Entwicklung zu viel abgeben, kann einmal Hunderttausende oder gar Millionen Euro wert sein. Wir zeigen, wie du dir einen realistischen Überblick über den Wert deines Start-ups verschaffst.

Bei etablierten Unternehmen werden in der Praxis meist sog. Ertragswert- oder Discounted-Cash-Flow-Methoden zur Ermittlung des Unternehmenswertes verwendet. Diese beruhen auf der intuitiven Logik, wonach jeder Investor für das Bereitstellen von Kapital eine entsprechende Rendite erwartet. Die Renditeerwartung richtet sich dabei nach dem Risiko, das er mit seinem Investment eingeht. Bei einem Investment in ein Start-up erwarten Investoren somit eine deutlich höhere Rendite als bei einem bereits etablierten, weniger risikoreichen Unternehmen.

Zur Bestimmung des Unternehmenswertes werden zukünftige Cash Flows, also Auszahlungen an den Investor, auf den heutigen Zeitpunkt abgezinst. Diese Cash Flows können beispielsweise durch laufende Gewinnausschüttungen, den Verkauf von Unternehmensanteilen oder einen Börsengang generiert werden. Durch das Abzinsen oder Diskontieren wird der heutige Wert dieser zukünftigen Cash Flows bestimmt. Dies erlaubt es also, den Wert zukünftiger Auszahlungen auf den heutigen Tag umzurechnen und damit vergleichbar zu machen. Somit bestimmen die prognostizierten Cash Flows und die erwartete Rendite, wie viel das Unternehmen heute wert ist.

Keine zwei Start-ups sind gleich

Je nach Art des Start-ups spielen ganz unterschiedliche Aspekte bei der Wertermittlung eine Rolle. Dies beginnt schon bei der Frage, welches die Werttreiber des Start-ups sind. Bei einem klassischen Retailprodukt, wie einem neuen Smoothie, sind dies sicherlich auch klassische Werttreiber wie Umsatzwachstum, Margen etc.

Der Wert einer neuen Gaming-App wird hingegen eher von Download- und Nutzerzahlen abhängen. Bei einem Biotech-Start-up kann der wesentliche Werttreiber wiederum in den vorhandenen Patenten oder Technologien liegen. Dies alles sind zwar sehr unterschiedliche Werttreiber, letztlich münden sie aber alle in der gleichen Frage: Wie viel Geld lässt sich mit dem Smoothie, mit der Gaming App, mit der neuen Technologie oder mit den Patenten verdienen?

Natürlich verschafft eine innovative, im besten Fall geschützte Technologie einem Start-up einen Wettbewerbsvorsprung. Und natürlich sind Skalierbarkeit, Disruption, Netzwerkeffekte, Internationalisierbarkeit und nicht zuletzt das Gründerteam entscheidend für die Unternehmensbewertung eines Start-ups. Dennoch sind dies alles Bedingungen und Eigenschaften, welche sicherstellen sollen, dass ein Unternehmen langfristig möglichst hohe Gewinne generiert.

So wird’s gemacht!

Wo liegt der Mehrwert für den Kunden? Warum und wie viel ist der Kunde bereit für das neue Produkt zu zahlen? Wie kann das Start-up möglichst schnell wachsen? Was ist der USP des Start-ups? Wer sind die Wettbewerber? Wie groß ist der Vorsprung vor den Wettbewerbern und wie kann dieser ausgebaut werden? All diese Fragen müssen Gründer beantworten können. Diese Antworten müssen sich auch im Businessplan wiederfinden, welcher die Basis einer fundierten Unternehmensbewertung bildet.

Discounted-Cash-Flow-Verfahren

Die methodische Grundlage der Start-up-Bewertung liegt im bewährten Discounted-Cash-Flow-Verfahren. Dabei ist es entscheidend, systematisch durch den Bewertungsprozess zu gehen und in jedem Schritt die Besonderheiten des Start-ups zu berücksichtigen. Die zwei tragenden Säulen einer systematischen Unternehmensbewertung stellen die prognostizierten zukünftigen Cash Flows und der unternehmensspezifische Abzinsungssatz dar, mit welchem die Cash Flows auf den heutigen Tag diskontiert werden.

Bei der Prognose zukünftiger Cash Flows ist es wichtig, nicht allein Umsatz und Gewinn zu schätzen, sondern auch die dazwischenliegenden Kennzahlen, wie operative Kosten, Investitionskosten, Steuern etc. zu bestimmen. Nur so können Gründer eine für den Investor nachvollziehbare Gewinnableitung sicherstellen. Gerade für Start-ups ist es dabei wichtig, einen ausreichend langen Planungshorizont zu haben. Auch wenn es deutlich schwerer fällt, den Umsatz in fünf Jahren zu schätzen als für das nächste Jahr, ist eine gewisse Unsicherheit einem zu kurzen Planungshorizont immer vorzuziehen.

Orientierungshilfen für die einzelnen Kennzahlen lassen sich dabei häufig in branchenspezifischen Marktstudien und bei anderen Unternehmen finden. Grundsätzlich gibt es zwei Vorgehensweisen, die der Prognose der Geschäftszahlen dienen.

Top-down-Ansatz und Bottom-up-Ansatz

Beim Top-Down-Ansatz werden Umsatzzahlen über Marktgröße, Marktwachstum und den angestrebten Marktanteil abgeleitet. Dieser Ansatz ist vor allem für Start-ups wie beispielsweise Software-Unternehmen geeignet, die keinen wesentlichen Kapital- oder Produktionsbeschränkungen unterliegen. Beim Bottom-up-Ansatz starten Gründer mit einer Schätzung, wie viel produziert bzw. verkauft werden kann und leiten hiervon Umsatz, operative Kosten, Investitionskosten etc. ab.

Dieser Ansatz ist für Start-ups geeignet, die etwa durch Produktions- oder Kapitalbeschränkungen restringiert sind. Im Allgemeinen führt der Top-down-Ansatz zu höheren prognostizierten Umsätzen und Cash Flows als der Bottom-up-Ansatz.

Abzinsungssatz

Da der Abzinsungssatz zur Diskontierung der Cash Flows die Renditeerwartung von Investoren widerspiegelt, wird dieser über die Risikokosten der Kapitalgeber ermittelt. Hat ein Start-up bereits Fremdkapital in Form von Krediten aufgenommen, muss dies durch den Einbezug der Fremdkapitalkosten berücksichtigt werden. Viele Start-ups sind naturgemäß allerdings rein durch Eigenkapital finanziert.

Die Risikokosten hierfür werden über den sog. Betafaktor ermittelt, welcher im Falle von Start-ups sowohl das markt- wie auch das unternehmensspezifische Risiko widerspiegelt. Dieser Betafaktor wird in der Praxis durch die Analyse historischer Volatilitäten von Vergleichsunternehmen ermittelt. Grundsätzlich sollte bei der Bestimmung des Abzinsungssatzes eine Adjustierung im Zeitverlauf stattfinden. Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass das Investitionsrisiko eines Start-ups über seinen Lebenszyklus abnimmt.

Terminal Value

Neben den prognostizierten Cash Flows und dem Abzinsungssatz gibt es einige weitere Faktoren bei der Bewertung zu berücksichtigen. Zum einen muss festgelegt werden, was am Ende des Prognosezeitraums mit dem Unternehmen passiert. Dies wird durch den sog. Terminal Value abgebildet, der den Unternehmenswert am Ende des Prognosenzeitraumes darstellt. Normalerweise wird hierbei von einer Going-concern-Prämisse ausgegangen, was bedeutet, dass der Terminal Value die Fortführung der Cash Flows in die Unendlichkeit reflektiert. Des Weiteren sollte eine Anpassung des Unternehmenswertes hinsichtlich eines möglichen Scheiterns des Start-ups vorgenommen werden. Hierfür können Gründer auf zahlreiche Studien zurückgreifen, die branchenspezifische Wahrscheinlichkeiten für Survival Rates auf Basis historischer Marktdaten bereitstellen.

Key Person Discount

Darüber hinaus ist gegebenenfalls ein Key Person Discount notwendig, welcher der Wahrscheinlichkeit Rechnung trägt, dass eine Schlüsselperson des Start-ups dieses verlässt. Dies wird in der Praxis oftmals über sog. Sensitivitätsanalysen dargestellt. Gibt es unterschiedliche Mitbestimmungs- oder Ausschüttungsrechte oder hat ein Investor einen Verwässerungsschutz, kann dies für die Unternehmensbewertung erhebliche Auswirkungen haben. Je nach Art und Umfang dieser Rechte bietet die Praxis unterschiedliche Verfahren und Methoden, die genauen Wertauswirkungen zu bestimmen. Letztlich sollte bei der Bewertung eines Start-ups ein Liquiditätsabschlag vorgenommen werden. Dieser trägt der im Vergleich etwa zu börsennotierten Unternehmen erschwerten Wiederveräußerung von Start-ups Rechnung. Der Abschlag für die Illiquidität eines Unternehmens wird in der Praxis dabei häufig anhand sog. Restricted Stocks Studien ermittelt.

Eine anspruchsvolle Aufgabe

Im Gegensatz zu etablierten Unternehmen weisen Start-ups Eigenschaften auf, die eine genaue Wertermittlung erheblich erschweren können:

  • Naturgemäß erzielen Start-ups geringe oder noch keine Umsätze und in den meisten Fällen auch in naher Zukunft noch operative Verluste. Somit würden die bewährten Bewertungsmethoden zu einer Abzinsung von negativen Cash Flows und letztlich zu einem negativen Unternehmenswert führen.
  • Selbst wenn ein Start-up bereits profitabel ist, verfügt es nur über eine kurze Unternehmenshistorie. Dies macht es sehr schwer, von einer Analyse der Vergangenheit auf die zukünftige Entwicklung des Start-ups zu schließen. Somit sind die prognostizierten Cash Flows mit großer Unsicherheit behaftet.
  • Viele Start-ups überleben schlichtweg nicht. Da es aber insbesondere in frühen Phasen der Unternehmensentwicklung sehr schwierig vorauszusagen ist, ob sich ein Geschäftsmodell tatsächlich durchsetzt, fügt dies weitere Unsicherheit bei einer Unternehmensbewertung hinzu.
  • Start-ups haben eine sehr heterogene Gesellschafterstruktur. Insbesondere wenn schon Investoren mit an Bord sind, sind unterschiedliche Mitbestimmungs- und Ausschüttungsrechte sowie ein Verwässerungsschutz für Investoren keine Seltenheit. Dies kann die Wertbestimmung einzelner Anteile erheblich erschweren.

Exkurs: Vorsicht vor der Venture-Capital-Methode

Viele Investoren nutzen die sog. Venture-Capital-Methode zur Ermittlung des Unternehmenswertes von Start-ups. Diese stellt eine Abwandlung der klassischen Multiple Verfahren dar. Bei der Venture-Capital-Methode wird in einem ersten Schritt der KPI des Start-ups, beispielsweise der Umsatz, für einen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt geschätzt. Im Falle von Venture Capital Investoren ist dieser Zeitpunkt der geplante Exit, welcher in der Regel nach drei bis fünf Jahren stattfindet.

In einem zweiten Schritt wird der prognostizierte Umsatz in Relation zu den aktuellen Umsätzen von Vergleichsunternehmen gesetzt und ein entsprechender Unternehmenswert des Start-ups zum Exit-Zeitpunkt abgeleitet. Schätzt der Investor den Umsatz des Start-ups in fünf Jahren auf 50 Mio. Euro und werden Vergleichsunternehmen mit aktuell 500 Mio. Euro Umsatz mit 400 Mio. Euro bewertet, so läge der Unternehmenswert des Start-ups folglich in fünf Jahren bei 40 Mio. Euro.

Um den heutigen Wert des Start-ups zu ermitteIn, wird in einem dritten Schritt der abgeleitete zukünftige Unternehmenswert mit einem pauschalen Zinssatz in Höhe der Renditeerwartung des Investors diskontiert. Somit erhält man den sogenannten Pre Money Value des Start-ups. Investoren erwarten dabei eine Rendite, die hoch genug ist um all ihre Risiken abzudecken. In der Praxis werden oft Zielrenditen von 50 bis 70 Prozent pro Jahr bei Early Stage Investments angesetzt. Renditeerwartungen späterer Finanzierungsrunden liegen auf Grund des geringer werdenden Investitionsrisikos normalerweise darunter.

Im letzten Schritt wird auf Basis des Pre Money Values des Start-ups die Anteilshöhe bestimmt, welche der Investor für sein Kapital erhält. Hierzu wird das frische Kapital des Investors zum Pre Money Value addiert, um so den Unternehmenswert nach Abschluss der Finanzierungsrunde (Post Money Value) zu erhalten. Der Anteil am Unternehmen, den der Investor erhält, errechnet sich durch Division des neuen Kapitals und des Post Money Value des Start-ups. Beträgt der Pre Money Value also bspw. vier Mio. Euro und sollen weitere eine Mio. Euro aufgenommen werden, würde der Investor entsprechend 20 Prozent des Unternehmens erhalten (eine Million neues Kapital zu fünf Mio. Post Money Value).

Die Schwächen der Methode

Die Venture-Capital-Methode hat sich bisher vor allem auf Grund ihrer einfachen Anwendung bei der Bewertung von Start-ups durchgesetzt. Sie ermöglicht es Gründern mit wenig Aufwand den ungefähren Wert ihres Unternehmens zu bestimmen. Jedoch bringt diese Methode zahlreiche Schwächen mit sich, welche teilweise zu erheblichen Ungenauigkeiten führen können.

Zuerst einmal müssen Gründer geeignete Unternehmen finden, deren Geschäftsmodell, Größe, Vertriebs- und Ertragsstruktur und Risikoprofil vergleichbar mit dem eigenen Start-up sind. Dies kann vor allem für junge, innovative Start-ups eine besondere Herausforderung darstellen. Da sich die Venture-Capital-Methode in der Regel auf einzelne KPIs wie Umsatz, Gewinn oder Nutzeranzahl stützt, wird der Unternehmenswert von Start-ups oftmals zum reinen „Game Playing“. So finden Gründer viele Argumente für einen rasanten Anstieg des Umsatzes oder der Nutzerzahlen. Investoren hingegen werden immer argumentieren können, dass die prognostizierte Entwicklung viel zu optimistisch und marktunüblich ist. In letzter Konsequenz können sich die Parteien in solchen Verhandlungen schnell in subjektive Rechtfertigungsschleifen verstricken statt einen gemeinsamen Nenner zu finden.

Zudem ist die Methode so angelegt, dass sie den KPI des Start-ups zum Zeitpunkt des Exits schätzt und diesen in Relation zu den heutigen KPIs von Vergleichsunternehmen setzt. Hier wird eine wertbestimmende Größe wie der Umsatz des Start-ups in 3 bis 5 Jahren mit den Umsätzen der Vergleichsunternehmen von heute verglichen. Hätte man somit ein Start-up beispielsweise Mitte 2007, also vor Ausbruch der weltweiten Wirtschaftskrise, mit der Venture-Capital-Methode bewertet, wäre man auf einen sehr hohen Wert gekommen, da die Vergleichsunternehmen vom Markt ebenfalls sehr hoch bewertet wurden. Eine Bewertung ein Jahr später, nach Einbruch der Börsenkurse von Vergleichsunternehmen, hätte sicherlich zu einem deutlich geringerem Wert geführt. Und das für ein und dasselbe Start-up. Somit ist der Wert durch Anwendung der Venture-Capital-Methode stark davon abhängig, wie hoch die Bewertung der Vergleichsunternehmen gerade ausfällt und weniger von selbst beeinflussbaren Größen.

Eine weitere Schwäche der Methode liegt darin, dass sie einen pauschalen Diskontierungssatz zur Abzinsung der zukünftigen Cash Flows verwendet. Dieser soll das gesamte Risiko eines Investors widerspiegeln. Damit gehen zwei nicht zu vernachlässigende Probleme einher. Zum einen werden alle Risiken unter einem Pauschalsatz subsummiert. Es lässt sich also nicht differenzieren, wie hoch die Risiken sind, dass sich das Geschäftsmodell nicht am Markt durchsetzt, dass ein Gründer oder eine Schlüsselperson das Start-up verlässt, welche Auswirkungen künftige Verwässerungen haben können oder wie stark die Auswirkungen einer Konjunkturkrise sind. Da diese Risiken bei Start-ups sehr unterschiedlich sein können, sollte grundsätzlich von einer Pauschalisierung der Risiken abgesehen werden. Darüber hinaus verändert sich das Risikoprofil des Start-ups über die Zeit. So nimmt das Risiko normalerweise mit der Entwicklung des Unternehmens ab. Auch dies steht einem pauschalen und über den Investitionszeitraum gleichbleibenden Diskontierungszinssatz entgegen.

Letztlich wird der Post Money Value bei der Venture-Capital-Methode durch Addition des neuen Kapitals zum Pre Money Value bestimmt. Sofern das neue Kapital oder Teile davon benutzt werden, um bisherige Investoren auszulösen, dürfen diese Teile nicht in die Berechnung des Post Money Values einfließen. Vielmehr fließt dieses Kapital nicht in das Unternehmen und trägt somit auch nicht zur Erhöhung seines Wertes bei.


Der Autor Pascal Koch ist Geschäftsführer der Münchner stratup UG, die auf die Wertermittlung von Start-ups und Wachstumsunternehmen spezialisiert ist, www.stratup.de

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Diskussionsrunde der Folge 2: Harald Herzog, Moritz Mitterer, Carina Zehetmaier, Bernd Konnerth, Markus Fallenböck (c) brutkasten

„No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM AustriaIBMITSVMicrosoftNagarroRed Hat und Universität Graz.


Gut zwei Jahre ist es her, dass ChatGPT einen Hype rund um generative KI-Modelle auslöste. Doch es stellen sich auch viele kritische Fragen beim Einsatz von KI – besonders in sensiblen Bereichen. Klar ist: Künstliche Intelligenz bietet viele Vorteile und vereinfacht komplexe Prozesse. Gleichzeitig wirft sie jedoch auch Herausforderungen und Ängste auf, mit denen man sich kritisch auseinandersetzen muss.

Was KI in den Bereichen Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten kann, diskutierten in der zweiten Folge „No Hype KI”:

  • Bernd Konnerth (Microsoft Österreich | Public Sector Lead)
  • Carina Zehetmaier (Women in AI Austria | Präsidentin)
  • Harald Herzog (Österreichische Gesundheitskasse | Leiter Digitalisierung und Innovation)
  • Moritz Mitterer (ITSV | Aufsichtsratsvorsitzender)
  • Markus Fallenböck (Universität Graz | Vizerektor für Personal und Digitalisierung).
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Menschenzentrierter Ansatz im Mittelpunkt

Künstliche Intelligenz ist schon längst Teil unseres Alltags – ob bewusst oder unbewusst. Und obwohl KI bereits in vielen Lebensbereichen der Österreicher:innen präsent ist, bleibt die Skepsis bei vielen groß. Laut Carina Zehetmaier ist es daher ein besonders wichtiger Faktor, dass man jeder einzelnen Person KI näher bringt, sodass mehr Vertrauen in die Technologie entsteht: „Derzeit gibt es noch viele Ängste rund um KI. Aber es gibt auch noch gewisse Schwachstellen wie zum Beispiel das Halluzinieren, oder auch Vorurteile, die in den Systemen drinnen sind und widergespiegelt werden können. Es ist relevant, dass man sich hier von Anfang an mit den kritischen Fragenstellungen auseinandersetzt“.

Hierbei müsse an vorderster Stelle die öffentliche Hand hohe Standards setzen – vor allem aus menschenrechtlicher Sicht. Zehetmaier befürwortet in diesem Zusammenhang den AI Act, der klare gesetzliche Rahmenbedingungen schafft. „Die öffentliche Hand ist der direkte Adressat der Grund- und Menschenrechte“, sagt sie.

Ein weiterer wichtiger Punkt von Zehetmaier ist die Notwendigkeit, marginalisierte Gruppen nicht zu übersehen. Man müsse sich bemühen, geschlechtsspezifische und andere Vorurteile in Datensätzen zu vermeiden. „Wir wissen auch, dass Automatisierung den Gender-Pay-Gap öffnet anstatt schließt, das heißt, da müssen wir aktiv und gezielt gegensteuern“.

Verantwortungsvolle KI bedeute, aktiv an den Daten und Algorithmen zu arbeiten. Nur so könne sichergestellt werden, dass KI-Anwendungen nicht nur technologisch effizient, sondern auch ethisch und gesellschaftlich verantwortungsvoll gestaltet werden.

Responsible AI: Inklusivität, Fairness, Datenschutz

Dass die Anwendung von generativer KI nicht bloß Kosten senken soll, sondern den Menschen Nutzen bringen muss, ist auch für Bernd Konnerth von Microsoft klar. „Wir setzen auf Responsible-AI-Standards, bei denen es um Inklusivität, Fairness, Datenschutz und all diese Themen geht. Das sind Leitplanken in unserer Produktentwicklung“, sagt der Public Sector Lead von Microsoft Österreich.

Von der Unternehmenstransformation bis hin zum öffentlichen Dienst sei ein breites Umschulungsprogramm notwendig, um Ängste abzubauen: Es sei wichtig, „Umgebungen zu schaffen, die es Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglich machen, mit der Technologie zu interagieren, um den Berührungsängsten entgegen zu wirken”.

Universität Graz startete UniGPT für Mitarbeitende

Was Bildung angeht, betont Markus Fallenböck von der Universität Graz die Bedeutung einer breiten Wissensvermittlung. Es gehe nicht nur um Spezialist:innen für KI, sondern vor allem um die große Masse an Mitarbeitenden, die einen “sinnvollen Umgang mit KI erlernen” müssen: „Je mehr Wissen wir in die Bevölkerung kriegen, umso mehr können wir Chancen nutzen und Risiken minimieren“.

Die Universität Graz hat dazu eine eigene Micro-Credential-KI gestartet, um Studierenden ein Grundwissen zu KI zu vermitteln: “Das ist ein abgeschlossenes Studienpaket, das man in jedes Studium integrieren kann und das gerade in einer Pilotphase ist”, erläutert Fallenböck. Das Paket lasse sich in jedes Studium integrieren. “Da ist die Idee, dass in ein paar Jahren jeder Bachelor-Studierende, der in Graz einen Abschluss macht, ein Grundwissen hat zu KI-Bereich, Technik, Wirtschaft, Recht, Ethik”.

Für die eigenen Mitarbeiter:innen hat die Universität Graz im Mai 2024 außerdem den Chatbot UniGPT gestartet. Bereits mehrere hundert Mitarbeiter:innen wurden dafür bereits eingeschult. “Da sitzt die Universitätsprofessorin neben der Sekretariatskraft und beide interessieren sich für KI und werden es in ihrem Arbeitsalltag gut einsetzen”, schildert Fallenböck seine Eindrücke.

Über die eigenen Mitarbeitenden will die Universität Graz Wissensvermittlung aber auch in die Bevölkerung tragen. Dazu hat sie im Oktober etwa erstmals den Technology Impact Summit zum Thema KI in Graz veranstaltet. “Weil natürlich auch wichtig ist, dass wir die breite Öffentlichkeit mit dem Thema erreichen. Je mehr Wissen wir in die Bevölkerung kriegen, umso mehr, können wir auch das Chancennutzen und Risikominimieren wirklich schaffen”, erläutert Fallenböck.

ITSV: Künstliche Intelligenz im Gesundheitssystem

 Die ITSV wiederum steuert und koordiniert die IT-Aktivitäten der österreichischen Sozialversicherung – und beschäftigt sich schon länger mit dem KI-Thema. Aufsichtsratsvorsitzender Moritz Mitterer erzählt im Talk, dass das Unternehmen bereits 2018 mit der Erprobung von KI-Lösungen begonnen habe. In einem geschützten Umfeld wurden dabei erste Erfahrungen gesammelt, bevor die Systeme in den Echtbetrieb übergingen. Dieser schrittweise Ansatz habe wesentlich dazu beigetragen, das Vertrauen in KI-Modelle im Unternehmen zu stärken.

Besonders bei sensiblen Daten, wie etwa Gesundheitsdaten, ist die Gefahr von Missbrauch ein zentraler Risikofaktor. Mitterer erläutert die Bedeutung von Transparenz und Nachvollziehbarkeit: „Man muss Patientinnen und Patienten mitnehmen, indem man entsprechend strenge Regeln hat und Compliance hat. Und indem man offen damit umgeht, falls doch was sein sollte“.

KI schafft Abhilfe bei steigendem Leistungsaufkommen bei ÖGK

Die ITSV arbeitet dabei unter anderem für die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK). Harald Herzog von der ÖGK erläutert, dass das steigende Leistungsaufkommen – etwa wachsende Fallzahlen, steigende Lebenserwartung, mehr Konsultationen – nach neuen Wegen verlangt: „Würden wir die Prozesse so weiterspielen wie bisher, bräuchten wir mehr Personal“, so Herzog. „Unsere Aufgabe ist es effizient zu arbeiten und alle technischen Möglichkeiten der KI auszunutzen“.

KI könne hier unterstützen, etwa bei der Wahlarztkostenerstattung. Ziel sei es, einen Großteil der Fälle automatisiert abwickeln zu können. Laut Herzog geht es aber nicht darum, den persönlichen Kontakt zu ersetzen, sondern lediglich zu ergänzen.

Zusätzliches Wirtschaftswachstum von bis zu 18 Prozent durch KI-Nutzung

Auch die öffentliche Verwaltung steht vor Herausforderungen, etwa aufgrund der Pensionierungswelle oder des Fachkräftemangels. Künstliche Intelligenz könnte dabei eine Rolle spielen. Bernd Konnerth von Microsoft Österreich sagt: „Künstliche Intelligenz kann eine Antwort sein – vielleicht nicht die Einzige, aber sie hat sehr viel Potenzial durch die Automatisierung wiederkehrender Tätigkeiten, viel Nutzen zu stiften“.

Aktuell befinde sich Österreich erst am Anfang, dieses Potenzial auszuschöpfen. Konnerth verweist auf eine Studie, dass Österreich ein Wirtschaftswachstum von bis zu 18 Prozent erzielen könnte, wenn das ganze Potenzial von KI ausgeschöpft werde.

Ausblick: KI-Nutzung in fünf Jahren

Wo steht der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in fünf Jahren? „Ich hoffe, dass wir nicht mehr über die Technologie reden müssen, so wie wir heute auch nicht mehr über Strom sprechen, sondern dass sie einfach da ist“, so Microsoft-Experte Konnerth.

Carina Zehetmaier wiederum blickt auf die EU als Werteunion. In fünf Jahren solle man sehen, dass Österreich und Europa es geschafft haben, einen wertebasierten, menschengerechten KI-Einsatz umzusetzen. Für Österreich könne sich hier eine besondere Chance bieten, so Zehetmaier. Das Land könne sich als Vorreiter für einen vertrauenswürdigen, menschenzentrierten Umgang mit KI etablieren. Es gehe darum, „den menschenzentrierten Ansatz im Einklang mit Werten und Grundrechten umzusetzen“.

KI birgt enormes Potenzial

Die Diskussionsrunde ist sich einig, dass KI in sensiblen Arbeitsfeldern längst keine ferne Zukunftsvision mehr ist, sondern bereits eine zentrale Rolle darstellt. Die Chancen sind enorm – von effizienteren Verwaltungsprozessen über eine präzisere Gesundheitsversorgung bis hin zu einer gerechteren Bildung. Doch um diese Möglichkeiten zu nutzen, braucht es breites Verständnis, klare Regeln, vertrauenswürdige Technik und einen sensiblen Umgang mit Daten.


Folge nachsehen: No Hype KI – Was kann KI in den Bereichen Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten?

Hier gehts es zur Nachlese von Folge 1: „No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?”


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