14.08.2024
BRUTKASTEN-TALK

Ex-OMV-CEO Rainer Seele: “Energiepolitik ist nicht sehr wirtschaftsfreundlich”

Im brutkasten-Talk bekrittelt der Unternehmer, Investor und Ex-OMV-CEO Rainer Seele die europäische Energie- und Klima-Politik.
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Rainer Seele im brutkasten-Studio | (c) brutkasten
Rainer Seele im brutkasten-Studio | (c) brutkasten

“Da habe ich eigentlich nichts Gutes zu vermelden”, sagt Rainer Seele im brutkasten-Talk auf die Frage nach der europäischen Wettbewerbsfähigkeit. Der ehemalige OMV-CEO ist mittlerweile unter anderem als Investor tätig und auch am Wiener Startup ElephantSkin beteiligt, wie brutkasten berichtete.

In Österreich war er nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine öffentlich in der Kritik gestanden, weil ihm eine Nähe zu Russlands Präsidenten Vladimir Putin nachgesagt wurde, die zur Abhängigkeit Österreichs von Russland beigetragen habe. Im Talk äußert er sich kritisch zur europäischen Energie- und Industriepolitik und gibt eine Einschätzung zur wirtschaftlichen Großwetterlage ab.

“Es kann ja sein, dass es Industrien gibt, die man auswandern lässt – aber mit einer Strategie”

Laut einer aktuellen Umfrage der deutschen Handelskammer hätten 45 Prozent der Unternehmen aus der energieintensiven Industrie im Nachbarland angekündigt, ihre Produktion entweder zurückzufahren oder ins Ausland zu verlagern, erläutert Seele. Die Politik sollte dieses Signal aus der Industrie “sehr ernst nehmen”, meint er. “Es kann ja sein, dass es Industrien gibt, die man auswandern lässt – aber mit einer Strategie. Und dann gibt es aber gewisse, die man unbedingt halten sollte”, so Seele.

Rainer Seele: Zwei Gründe für die Industrieabwanderung

Der Ex-OMV-Chef sieht für die Abwanderung hauptsächlich zwei Gründe: “Erstens eine Energiepolitik, die nicht sehr wirtschaftsfreundlich ist. Die hohen Energiepreise haben einen erheblichen Schaden an der Entwicklung hinterlassen.” Auch aktuell seien die Gaspreise etwa sechs mal so hoch wie in den USA. Und für den Winter erwartet er keine Entspannung.

Als zweiten Grund ortet Seele die hohen Kosten für Dienstleistungen. Wegen diesen sei das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland im Juli um 2,3 Prozent zurückgegangen. “Das heißt, die hohen Tarifabschlüsse übersetzen sich jetzt in hohe Arbeitskosten und schwächen damit natürlich den Standort weiter.”

Klima-Politik: “Was ich jetzt sehe, ist, dass wir immer sagen, was wir nicht wollen”

Für den ersten Punkt macht der Investor auch die europäische Klima-Politik verantwortlich. “Wir müssen ein Gesamtkonzept haben. Was ich jetzt sehe, ist, dass wir immer sagen, was wir nicht wollen. Wir wollen weniger Gas, wir wollen keine Kohle, wir wollen keine Kernenergie”, meint Seele. Die Politik sei aber gefordert, einen “Rechtsrahmen zu setzen, damit Investoren auch große Investitionen tätigen können, damit dieser Markt attraktiv bleibt”.

Entsprechend brauche es eine andere Priorisierung in der Energiepolitik, so der Ex-OMV-CEO. Diese habe in den vergangenen Jahren nur ein Ziel verfolgt: “Wir wollen die Energiewende machen und dann möglichst viel Investitionen in erneuerbare Energien, damit wir die Umstellung haben und dann auch keine Abhängigkeiten erzeugen.” Um den europäischen Wirtschaftsstandort “wirklich gesund” zu halten, brauche es aber “wettbewerbsfähige Energie”.

“Wenn man sich selbst wirtschaftlich umbringt, hat man auch nichts erreicht”

Man müsse also auch sehen, wo man zu wettbewerbsfähigen Konditionen Energie importieren könne. “Man muss sagen, wenn man sich selbst wirtschaftlich umbringt mit den Maßnahmen, hat man auch nichts erreicht, weil dann wird man die Maßnahmen nicht umsetzen können”, so Seele. “Es braucht die Wirtschaft dafür, um die Klimawende zu bauen und umzusetzen.”

In diesem Zusammenhang spricht sich der Investor auch dafür aus, Kernkraft wieder verstärkt in Betracht zu ziehen – international gebe es große Ausbaupläne. Auch im Thema Wasserstoff sieht Seele großes Potenzial. Europa sei auch potenziell ein wichtiger Absatzmarkt dafür. “Aber wir müssen uns darüber im Klaren werden, dass Europa im Wettbewerb zu Asien steht. Und, dass man wahrscheinlich investieren wird müssen, damit diese Technologie tatsächlich real wird.”

Rainer Seele will Wasserstoff-Incentives für die Industrie

Für die Industrie müsse hier auch eine Infrastruktur für den Wasserstoff-Import geschaffen werden. “Und da brauchen wir ein viel stärkeres Commitment von der Politik. Die ist hier gefordert, den entsprechenden Rechtsrahmen zu schaffen, sodass wir regulatorische Anreize für die Nutzung eines solchen Systems haben und dass Pipelines entweder umgebaut oder neu gebaut werden, um dann ein Wasserstoffnetz zu schaffen”, so Seele.

Auch die Industrie müsse incentiviert werden, zu Wasserstoff-Abnehmern zu werden. Dazu brauche es auch eine entsprechende Verteilung der Budgets für den Bereich. “Was ich sehe, ist, dass zwei Drittel der Budgets, die aufgestellt werden, in die Erzeugung gehen. Das wird ein grüner Wasserstoff sein, der mit einem hohen Preisticket kommt”, sagt der Investor. Dazu komme “ein größerer Teil”, der in die Infrastruktur fließe. Nur fünf Prozent würden in Unterstützungsmaßnahmen auf der Abnehmerseite fließen. Doch Seele ist überzeugt: “Wir müssen hier viel mehr die Industrie und die Kunden unterstützen, dass sie diesen Schritt wirtschaftlich auch verkraften und gehen können.”

“Außerordentlich zufrieden” mit Entwicklung bei Elephant Skin

Im Video-Talk äußert sich der Ex-OMV-Chef auch zu seinem Investment in das Wiener Startup ElephantSkin, das mit seinen Handschuhen Einweg-Plastikhandschuhe ersetzt. Auf die Großwetterlage im Risikokapitalbereich angesprochen, bekrittelt Seele zu zaghafte Schritte in der Zinspolitik. “Wir haben alle natürlich die Zinswende unglaublich begrüßt, waren voller Hoffnung und haben jetzt festgestellt, dass die Auswirkung dieses kleinen Schritts, den die Europäische Zentralbank gemacht hat, eigentlich nur gering ist”, meint der Investor.

Mit seinem finanziellen Engagement bei Elephant Skin sei er aber “außerordentlich zufrieden – keine Frage”, sagt Rainer Seele. Das Unternehmen habe eine “unglaublich tolle Entwicklung”, weswegen er seine Anteile zuletzt auch weiter aufgestockt habe. Der Markteintritt in die USA sei gelungen, der Markt nicht nur dort sondern auch im Mittleren Osten seitdem weiter ausgebaut worden.

“Wir haben eine unglaublich erfreuliche Entwicklung bei den Vertragsabschlüssen bei ElephantSkin, sodass ich in den nächsten Jahren eine ganz starke Umsatzsteigerung erwarte. Aber nicht nur den Umsatz, sondern auch die Profitabilität hat man verbessert. Ich glaube, wir werden auch kurz- und mittelfristig eine Dividendenfähigkeit bei diesem Unternehmen verbuchen können”, meint Seele. Für die Zukunft sieht er noch ein großes Marktpotenzial in Bereichen wie Bäckereien, Hotels und Fluggesellschaften – vor allem in den USA.

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Vor rund einem halben Jahr vermeldete das Wiener DeepTech-Startup Somareality den Erhalt eines 1,5 Mio. Euro schweren Investments (brutkasten berichtete). Nun kommuniziert das Startup eine Aufstockung des Kapitals: In einem LinkedIn-Posting gab das Unternehmen den Abschluss einer “überzeichneten Seed-Runde” in Höhe von 2,6 Millionen Euro bekannt. In dem Posting nennt das Unternehmen unter anderem Birdhouse Ventures, Gateway Ventures, Startup Wise Guys, FFG und aws als Unterstützer.

“Ein finales Closing für unsere 2024-Runde”

Laut Co-CEO Julia Kern handelt es sich bei den genannten Stakeholdern um “wesentliche Partner” in der nun geschlossenen Runde. Auf brutkasten-Nachfrage bestätigt Co-CEO Kern außerdem, dass es sich bei der nun kommunizierten Runde um “ein finales Closing für unsere 2024-Runde” handelt. Die in diesem Jahr gesammelte Summe soll “direkt auf unsere Kommerzialisierung und den Ausbau des Produktportfolios für nächstes Jahr” einzahlen, so Co-CEO Kern.

Somareality wurde 2019 in Wien gegründet und entwickelt Eye-Tracking-basierte Biomarker, um damit Rückschlüsse auf den kognitiven Zustand einer Person treffen zu können. Mit dem ersten Biomarker erreichte das Unternehmen einen Umsatz von knapp einer Million Euro. Bis 2026 sollen weitere Folgen, die insgesamt ein volles non-invasives kognitives Monitoring ermöglichen sollen.

Im Vorjahr hatte das Unternehmen einen strategischen Pivot vorgenommen: Das Projektgeschäft wich einem B2B-SaaS-Modell und die bestehende Technologie wurde fit gemacht für Hardware-Umgebungen außerhalb von Virtual Reality.

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