07.02.2019

Rahaf Harfoush: “Unsere Kultur ist besessen von Arbeit”

24/7 beschäftigt zu sein, gehört heutzutage zum guten Ton. Aussagen wie "Ich habe dieses Wochenende gar nichts gemacht" irritieren, denn sie untergraben das allgemeine Arbeitsideal, das sich längst in unser Privatleben eingeschlichen hat, #sidehustle. Warum diese Haltung nicht nur unserer Gesundheit, sondern auch unserer Kreativität schadet, darüber sprachen wir mit Rahaf Harfoush, der New York Times Bestsellerin und internationalen Speakerin, beim A1 Business Summit.
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Produktivität
Screenshot rahafharfoush.com

Wir alle kennen das Gefühl der Erschöpfung, für viele ist es sogar Normalität geworden, in der Startup-Szene wahrscheinlich noch mehr als anderswo. “Busy” zu sein ist ein Standard, niemand scheint sich mehr Langeweile leisten zu können oder zu wollen. Obligatorischer Teil eines jeden Smalltalks ist es, sich gegenseitig zu erzählen, wie beschäftigt man ist. “Unsere Kultur ist besessen von Arbeit und von der Idee, immer mehr in immer weniger Zeit zu schaffen”, erklärt Rahaf Harfoush im brutkasten-Interview am Rande des A1 Business Summits, wo sie eingeladen war, eine Keynote zu halten. Sie ist New York Times-Bestseller Autorin und internationale Speakerin und setzt sich u.a. mit Themen wie Innovation, Digitalkultur und der Art und Weise, wie wir arbeiten, intensiv auseinander.

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Woher kommt unser Arbeitsideal?

Für ihr neues Buch mit dem Titel “Hustle and Float: Reclaim Your Creativity and Thrive in a World Obsessed with Work”, das Mitte Februar erscheinen wird, ging sie auch der Frage nach, woher unser Arbeitsideal kommt. “Unser Verständnis von Produktivität kommt aus den Bereichen Militär und Regierung. Viele Menschen mussten möglichst viele standardisierte Aufgaben erledigen, was sich während der Industriellen Revolution z.B. in Fließbandarbeit und ähnlichem weiter fortsetzte.”

“In der Hektik der Produktivität schaden wir unserer Kreativität.”

In unserer von Arbeit besessenen Kultur versuchten wir, Kreativität mit denselben Maßstäben zu messen wie Produktivität, so Harfoush. Das aber sei ein Irrsinn. Innovation und Kreativität werden auch im Arbeitsalltag immer wichtiger, jedoch ließen sich in kurzer Zeit nicht beliebig viele und gute Ideen generieren. Harfoush fasst es so kurz zusammen: “In der Hektik der Produktivität schaden wir unserer Kreativität.” Bewiesenermaßen braucht der Mensch ausreichend lange Erholungsphasen, um gute Arbeit leisten zu können und um gute Ideen zu haben. Wenn die Konzentration absinkt, sollten wir einen längeren Spaziergang machen oder meditieren. Oder: am Output, und nicht an der Zeit orientiert arbeiten. Aber tun wir das? Natürlich nicht, denn in unserer Kultur macht man keine Pause, wenn der Kopf eine braucht. Höchstens, wenn der Bauch eine braucht.

Was ist dein side hustle?

Natürlich hat die gegenwärtige Arbeitskultur auch Auswirkungen auf unser privates Leben. In den sozialen Medien sind derzeit sogenannte “side hustles” in Mode. Oft wird uns mithilfe von Diagrammen gezeigt, wie viel Zeit wir pro Tag doch eigentlich zur Verfügung hätten: Bei acht Stunden Schlaf, acht Stunden Arbeit, zwei Stunden Workout und zwei Stunden Essen(svorbereitung) blieben ja immer noch vier Stunden pro Tag, um ein Buch zu schreiben oder eine App zu programmieren. “Diese Rechnung geht aber nicht auf. Was sehe ich in dieser Aufzählung alles nicht? Sich fertig machen und zur Arbeit fahren, Lebensmittel einkaufen, Zeit mit der Familie und mit Freunden verbringen, die Wohnung putzen, Wäsche waschen. Die meisten Leute, die so etwas propagieren, sind privilegiert haben oft externe Hilfe von Köchen, Haushaltshilfen, Kindermädchen, etc.” Die Realität der meisten Menschen dürfte anders aussehen.

“Wer ich bin, ist nicht, was ich produziere.”

Selbstwertgefühl und Produktivität

Es scheint so zu sein, dass wir eigentlich wissen, wie es besser gehen würde, aber wir können dieses Wissen nicht umsetzen. Harfoush meint, dies liege vor allem daran, dass “unser Selbstwert an unsere Produktivität gekoppelt ist. Wir ziehen Bestätigung daraus, von uns selbst und von anderen, wenn wir sagen, dass wir ständig beschäftigt sind. Beschäftigt sein heißt, wichtig zu sein. Mein Selbstwertgefühl ist nicht an meine Produktivität gekoppelt, wer ich bin, ist nicht, was ich produziere.” Das Leben ist kurz und wir sollten nicht nur um unserer Gesundheit, sondern auch um unserer Kreativität willen aufhören, inhumane Maßstäbe an uns selbst anzusetzen.

Das Interview wurde mit Rahaf Harfoush in englischer Sprache geführt und Teile davon für diesen Artikel ins Deutsche übersetzt.


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Walter Kreisel | (c) brutkasten / viktoria waba

Die Solarbranche erlebt derzeit eine Achterbahnfahrt. Nach dem Boom während der Energiekrise bremsen nun steigende Kreditzinsen und Inflation das Wachstum. Erst im Sommer gab das oberösterreichische Technologiekonzern Fronius bekannt, dass es in seiner Solarsparte über 800 Jobs abbauen muss. Parallel dazu kämpft auch das deutsche Unicorn Enpal mit rückläufigen Gewinnen. Und auch heimische Energy-Scaleups mussten aufgrund der schwierigen Marktbedingungen ihre Wachstumsstratgien anpassen – darunter auch neoom. Das Unternehmen rund um Walter Kreisel musste Ende Dezember letzten Jahres 27 Stellen abbauen (brutkaten berichtete)

Walter Kreisel: “Wir haben Zeit gewonnen”

Doch wie ist es um die Branche bestellt? “Die Nachfrage ist nach wie vor hoch,” erklärt Kreisel im Interview. Der Markt sei nicht eingebrochen, aber die Entscheidungszeiten für Solarspeicherkraftwerke im privaten und gewerblichen Sektor hätten sich verlängert. Kreisel betont, dass die Conversion Rate – also der Prozentsatz der Kunden, die sich für ein Produkt entscheiden – weiterhin hoch ist.

Im Dezember 2023 sah sich das Unternehmen gezwungen den Wachstumskurs anzupassen. Aus Sicht des Gründers sei der Schritt jedoch eine notwendige Maßnahme gewesen – zur langfristigen Stabilisierung des Unternehmens. “Es fühlt sich fast an wie eine Vollbremsung, aber in Wirklichkeit haben wir Zeit gewonnen, um Effizienz- und Effektivitätsmaßnahmen umzusetzen.”

Trotz dieser internen Anpassungen wächst neoom stetig weiter und beschäftigt mittlerweile über 300 Mitarbeiter:innen in Österreich, Deutschland und der Schweiz. “Wir stellen bereits wieder neue Leute ein und sehen großes Potenzial in unseren internationalen Märkten,” so Kreisel.

neoom setzt auf neue Geschäftsmodelle

Doch wie gelingt neoom in dem schwierigen Marktumfeld der Turnaround? Kreisel argumentiert es mit der zunehmende Digitalisierung, auf die sein Unternehmen setzt. So hätte das Unternehmen über die letzten Jahr den Schritt weg vom reinen Hardware-Verkauf (Stromspeicher) hin zu umfassenden digitalen Lösungen gemacht hat. “Wir sind längst kein reines Stromspeicher-Unternehmen mehr,” erklärt er. “Mittlerweile haben wir über 58.000 Geräte in der Cloud vernetzt, die von 15.000 Standorten aus gesteuert werden.”

Diese Vernetzung ermöglichte es neoom, nicht nur Solaranlagen effizienter zu betreiben, sondern auch neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Durch die Einführung von Subscriptions und Transaktionsmodellen hat das Unternehmen begonnen, einen signifikanten Teil seines Umsatzes durch wiederkehrende Einnahmen zu generieren. “Bis Jahresende werden knapp zehn Prozent unseres Umsatzes aus wiederkehrenden Erlösen bestehen,” so Kreisel.

Erst Anfang September stellte neoom neue Produkte im digitalen Bereich vor. Dazu zählt unter anderem die Energiemanagementsoftware Connect AI. Dieses System ermöglicht es, durch die intelligente Analyse von Daten automatisch die bessere Entscheidungen für den Energieverbrauch zu treffen.

Besonders in Deutschland und der Schweiz sieht Kreisel großes Potenzial für weiteres Wachstum. In Deutschland, wo neoom bereits 40 Prozent seines Umsatzes erwirtschaftet, wächst das Unternehmen schneller als in Österreich. “Deutschland ist ein riesiger Markt, und wir haben dort viel von unseren Mitbewerbern gelernt,” erklärt Kreisel.

Deutschland und Schweiz als neue Märkte

Walter Kreisel erklärt, dass neoom theoretisch jederzeit bereit für einen Börsengang wäre, aber die Marktbedingungen derzeit nicht optimal sind. “Wir könnten theoretisch jederzeit einen Börsengang machen, aber die Börse ist nicht bereit,” so Kreisel. Er merkt an, dass das Unternehmen eine bestimmte Umsatz- und Gewinnschwelle erreichen müsste, bevor ein Börsengang Sinn macht. “Stand heute musst du wahrscheinlich 600, 700, 800 Millionen Euro Umsatz machen und 100, 150 Millionen Euro Gewinn, das sind wir natürlich noch nicht.” Gleichzeitig hebt er hervor, dass neoom in Zusammenarbeit mit seinen 1.000 Partnern bereits indirekt Umsätze in dieser Größenordnung generiert.

“Die Energiewende wird bis 2040, 2050 dauern, du musst dir denken, 80% der Dächer sind noch nicht belegt, also wir haben unglaublich viel Potenzial.” Und merkt an: “Ich habe keinen Stress, ob wir den Börsengang 2029 oder 2026 haben.”

Hinsichtlich der gegenwärtigen Unvorhersehbarkeiten an den Finanzmärkten nennt Kreisel steigende Zinsen, Inflation sowie die geopolitischen Unsicherheiten, wie den Krieg in der Ukraine und die Konflikte in Israel und Palästina, als Faktoren, die eine stabile Planung für einen Börsengang erschweren. “Die Zinslage, steigende Zinsen, die Inflation, der Krieg – die Börse ist brutal volatil,” erklärt er.


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