20.04.2019

Quantentechnologie: Das werden die 4 größten Usecases

Rainer Blatt, Direktor des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation an der Universität Innsbruck, gilt als einer der weltweit renommiertesten Wissenschaftler im Bereich der Quanteninforma­tion. Für den brutkasten gab er einen Ausblick auf vier künftige Anwendungsbereiche dieser Technologie und wann diese unser Leben disruptiv verändern werden.
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Quantentechnologie
(c) IQOQI / C. Lackner

Rainer Blatt, dem heutigen Direktor des weltweit renommierten Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation an der Universität Innsbruck, ist es 2004 gelungen, zum ersten Mal Quanteninforma­tion zu teleportieren. Heute arbeitet er mit den Quantentechnologie-Fachkollegen Peter Zoller und Thomas Monz an der Realisierung des Quantencomputers. Sein Institut betreibt Rechner mit im internationalen Vergleich extrem hohen Qubits-Anzahlen und ist in Sachen Fehlerkorrektur-Forschung an der Weltspitze.

+++ Quantencomputing: Europa wittert eine Chance im globalen Wettlauf +++

Dass Quantencomputer selbst zwar ein großer Teil Blatts Forschung sind, keinesfalls aber alleine im Mittelpunkt stehen, liegt an drei weiteren Kerntechnologien, die laut Blatt – auch die Europäische Union sieht das in ihrem Quanten-Manifest so – zuerst umgesetzt werden sollten: Quantenkommunikation, Quantensimulation und Quantensensoren werden unsere Welt gravierend verändern. Dies noch bevor die Computer in prognostizierten zehn bis 15 Jahren zur totalen Disruption führen werden.

1. |Die Kommunikationsrevolution: Absolut sichere Datenübertragung durch Quantentechnologie

“Wir sehen heute schon Firmen in den USA und in Europa, die Geräte zur Quantenkommunikation verkaufen”, erklärt Rainer Blatt. Diese Geräte würden Quantenkommunikation nutzen, um Nachrichten besonders sicher zu übertragen. Der Grund: Liest eine dritte Stelle Daten während der Übertragung aus, werden diese unausweichlich sofort zerstört – eine inhärente Eigenschaft der Technologie.

“Ein noch nicht mögliches, aber nächstes Ziel ist es, die Quantenkommunikation über lange Strecken verfügbar zu machen”, sagt Blatt. Die Schwierigkeit dabei: “Die verwendeten Lichtleitfasern sind zwar sehr transparent, aber über lange Strecken werden heute auch für die herkömmliche Datenübertragung ca. alle 100 Kilometer Verstärkerstrecken eingesetzt. Verstärken heißt aber, sie müssen die Information, die ankommt, lesen, verstärken und weitergeben. Das funktioniert mit Quanteninformation nicht, weil sie beim Lesen zerstört wird.”

Deswegen verlange diese Technologie nach sogenannten Quantenwiederholern, also “Stationen, die wie ein kleiner Quantencomputer funktionieren. Sie nehmen Information entgegen und geben diese mithilfe von Verschränkungsprotokollen weiter.” Gelingt es, dies technisch umzusetzen, wird die globale, absolut sichere Datenübertragung kommen. In fünf bis zehn Jahren sollen so Quanten-­Netzwerke zwischen großen Städten möglich sein. Der Entwicklungsplan der Europäischen Union sieht dabei auch erste Kreditkartensysteme auf uns zukommen, die auf dieser Technologie basieren. Ein europäisches Internet, das klassische und Quantenkommunikation miteinander verbindet, lässt laut Quan­ten-Timeline des offiziellen EU-Manifests noch über zehn Jahre auf sich warten.

2. | Sensoren für Zeitmessung: Kurzfristig das größte Anwen­­­dungspotenzial

“Schon heute beruht ein Großteil der Messtechnik auf atomaren Messungen, insbesondere die Messung der Zeit. Die Sekunde ist festgelegt als ein Neunmilliardstel einer Schwingung eines Cäsium-Atoms”, meint Blatt und gibt Ausblick auf die disruptive Kraft der Quantentechnologie. “Diese Messungen werden in Zukunft auf optische Schwingungen übertragen. Wir können dann Zeiten mit einer unvergleichlichen Präzision von bis zu 16 Stellen hinter dem Komma messen.”

Quanten-Glasfaserkommunikation, Navigation im Weltall und viele andere Gebiete, die auf extrem genauer Zeitmessung basieren, werden damit riesige Entwicklungsschritte machen. “Für meinen persönlichen Geschmack wird dieses Thema in der öffentlichen Diskussion viel zu sehr vernachlässig”, so Blatt: “Ich bin der Meinung, dass vor allem die Quantenmesstechnik in den nächsten Jahren viel mehr Anwendung finden wird als alle anderen Technologien.”

Quantensensoren für Schwerkraft oder Magnetismus sind heute kurz vor der Markteinführung. Navigationssysteme, die auf der Technologie beruhen, sollen laut EU-Plan in fünf bis zehn Jahren in handlichem Format erhältlich sein. Bis zur Integration im Handy dürfte die Technologie noch mehr als zehn Jahre brauchen. Eine Schätzung scheint hier schwierig.

3. | Material und Medikamente: Völlig neue Festkörper und chemische Verbindungen simulieren

“Wenn Sie Materialeigenschaften mittels Quantenmechanik studieren wollen, dann stellen Sie fest, dass Sie bereits bei 40 Atomen am Ende der Fahnenstange angelangt sind, selbst mit den besten Supercomputern dieser Welt. Aber: Die meisten Materialien bestehen aus mehr als 40 Atomen.”

Die Lösung liegt in der Quantensimulation: “Sie geben 40 richtigen Atomen genau jene Eigenschaften, die sie brauchen und lassen sie auf vorbestimmte Art und Weise wechselwirken. Die Phänomene, die sie dabei studieren können, kann kein Computer ausrechnen.” So werden sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren komplexe Materialien mit disruptivem Nutzen in allen Industrien entwickeln. Auch die Arzneimittelherstellung soll davon gravierend profitieren.

4. | Quantenrechner überholen klassische Computer: “Das wird in den nächsten 10 oder 15 Jahren sicher passieren”

Blatts Vision: “Computer werden durch Quantencomputer ersetzt.” Sie kommunizieren über ein ultrasicheres Netz von Lichtleitungen, sie bauen auf die exaktest mögliche Zeitmessung und nutzen die gleichen Effekte wie die Quantensimu­lation. Die Quantencomputer haben das Potenzial – auch nach den Plänen der EU –, die größte Technologierevolution der Menschheitsge­schichte zu werden.

“Digitale Quantencomputer sind Maschinen, die mit Quantenhilfe über programmierte Schaltkreise echte Re­chenprobleme lösen können”, erklärt Blatt und beschreibt den technologischen Hintergrund: “Dazu müssen alle Rechenoperationen in sogenannte Gatteroperationen zerleget werden. Da sind wir noch nicht so weit, dass wir klassische Computer in ihrer Leistungsfähigkeit schlagen können. Aber: Wir sehen die Probleme und verstehen sie.”

Jetzt muss noch eine Reihe technischer Entwicklungen gemacht werden, bevor man die klassischen Computer abhängen kann. “Das wird in den nächsten 10 oder 15 Jahren sicher passieren”, meint Blatt. Die Auswirkungen auf Anwendungen der Optimierung, Big-Data-Analysen, Machine Learning und künstliche Intelligenz sowie Bilderkennung werden dabei am stärksten spürbar sein.


Dieser Beitrag erschien in gedruckter Form im brutkasten Print-Magazin #8 “Quantensprünge”.

⇒ zur Page des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation

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Mehr als 5.000 Leute, darunter Visionäre aus Wirtschaft und Politik, aber auch Joyn-Stars und Influencer:innen, treffen auch dieses Jahr wieder auf dem 4Gamechangers-Festival aufeinander. An drei Tagen referieren, philosophieren und diskutieren sie zu verschiedensten Themen wie Innovation, Inspiration, Digitalisierung und Entertainment.

4Gamechangers-Festival im Superwahljahr

Die drei Tage werden, wie gewohnt, in verschiedene Schwerpunkte unterteilt. Eingeläutet wird das Festival traditionellerweise vom “4Pioneers Day” rund um Unternehmertum, Finanzen, Innovationen und Technologien. Ein besonderes Highlight: Die Verleihung des Staatspreises für Digitalisierung am ersten Abend.

Die Gewinner:innen der sechs verschiedenen Kategorien werden von Staatssekretärin Claudia Plakolm verkündet, möglicherweise wird auch Bundeskanzler Karl Nehammer bei der feierlichen Verleihung anwesend sein – “das freut uns natürlich besonders”, so 4Gamechangers-Co-Founderin Nina Kaiser.

4Gamechangers
(c) brutkasten – 4Gamechangers-Co-Founderin Nina Kaiser.

Darauf folgt der “4Future Day”, der Kaiser als Working Mom besonders am Herzen liege: „Da geht es um gesellschaftspolitische Dinge, um Bildung und Jobs, um Klima und Nachhaltigkeit und um Gesundheit und Soziales.“ Den Abschluss macht der „4Gamechangers Day“, an dem die Diskussionen auf die globale Ebene gehoben werden. Die Keynotes drehen sich um Menschenrechte, Weltgeschehen, die digitale Transformation – „und dieses Jahr auch ganz stark um das Thema Superwahljahr, das uns ja alle betrifft“, so Kaiser. „Da wollen wir mit unseren Qualitätsjournalist:innen einen kleinen Ausblick über mögliche Ausgänge wagen.“

Afrika-Schwerpunkt mit Oscar-Preisträgerin Charlize Theron

Auch ein geografischer Schwerpunkt zieht sich dieses Jahr durch das Programm: “Wir haben heuer eigentlich an jedem Tag einen kleinen Afrika-Spin drin. Am ersten Tag afrikanische Innovationen und Startups. Am zweiten Tag afrikanische Social Cases. Und am dritten Tag natürlich unseren Superstar Charlize Theron”, erklärt Kaiser. Die Oscar-Preisträgerin ist eine von vielen bekannten Namen, die am Festival über ihre Projekte referieren werden.

Trotzdem werde laut Kaiser darauf geachtet, die Bühne nicht nur den großen Erfolgsgeschichten unserer Zeit zu überlassen. Was das 4Gamechangers besonders auszeichne, seien die vielen verschiedenen Lebensrealitäten der Speaker:innen: „Junge und alte Menschen, gleichermaßen erfolgreiche und welche, die es hoffentlich noch schaffen, sitzen hier zusammen“, erklärt sie.

Scheinwerfer auf Equality

Besonders herausgehoben werde dieses Jahr außerdem das Thema Gleichberechtigung, eines der Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen, die das 4Gamechangers-Festival als Leitsätze sieht. “From Power to Change” nennt Kaiser diesen Programmschwerpunkt. “Es geht darum, dass wir für echte Gleichberechtigung stehen. Da wurde schon x-fach diskutiert, aber wir kommen nicht wirklich weiter. Deshalb wollen wir heuer wirklich mal darauf eingehen, warum Frauen und Männer eben noch nicht gänzlich gleichgestellt sind.” Themen wie gleiche Bezahlung, Frauen in Führungspositionen, Gender Medicine und Vereinbarkeit von Kind und Beruf seien nur einige Beispiele für die Themen, die dieses Jahr diskutiert werden sollen.

Früh aufstehen lohnt sich

Auch wenn das 4Gamechangers kontinuierlich wächst – das bewährte Schema des Ablaufs bleibt bestehen. „Es bleibt der Festival-Charakter, es bleiben drei Tage und es bleibt eine Mischung aus Deep-Dive-Panels, bewegenden Themen und dem Fun-Faktor mit Party und Live-Acts“, so Kaiser. Ein abwechslungsreiches Programm, das die Tage von 8.30 Uhr bis 21.00 Uhr dicht füllt. Früh aufstehen lohnt sich dieses Jahr besonders: “Wenn man zwischen 8 und 9 Uhr zum Festival kommt, darf man dieses Jahr gratis rein. Das ist ein Incentive, weil oft quatscht man erst in der Früh ein bisschen und setzt sich irgendwann um 10 oder halb 11 auf die Global Stage. Wir wollen vor allem den Keynote-Speakern in der Früh eine volle Halle bieten”, erklärt Kaiser.

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