17.09.2024
GASTBEITRAG

Projektmanagement als Leadership-Bootcamp für Führungskräfte

Autonomie, Selbstverantwortung und Empowerment: Projekte werden zunehmend zur Leadership-Schmiede für Führungskräfte, wie Martina Huemann, wissenschaftliche Leiterin des Executive MBA Strategic Project Management der WU Executive Academy analysiert.
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Projektmanagment, Leadership
(c) zVg - Martina Huemann, WU- Projektmanagement-Expertin und wissenschaftliche Leiterin des Executive MBA Strategic Project Management der WU Executive Academy.

Projekte bieten eine einzigartige Gelegenheit, Leadership-Skills zu entwickeln, die sogar über das traditionelle Management hinausgehen: Projektmanager haben mitunter eine stärkere Herausforderung in Sachen Leadership als Führungskräfte in der Linienorganisation: Sie müssen ein Team zusammenstellen und koordinieren, Strukturen aufbauen, das Team und Stakeholder für das Projekt begeistern und die Motivation und die Produktivität in Hinblick auf den Projekterfolg hochhalten. Und das, obwohl sie in der Regel für die meisten Teammitglieder nicht direkt weisungsbefugt sind.

Learning from the best

Und gerade, weil Projektmanager zumeist keine formale Weisungsbefugnis haben, müssen sie durch ihre motivierende Persönlichkeit, ihre Fachkompetenz und den klaren Zweck des Projekts führen. Dies stellt enorme Anforderungen an ihre Leadership-Fähigkeiten, da sie Rahmenbedingungen setzen und die Teammitglieder empowern müssen.

Projektmanager sollten daher in der Lage sein, durch Inspiration und Motivation zu führen, anstatt durch Anweisungen und Kontrolle. Dies fördert eine Kultur des gegenseitigen Respekts und reibungsloser Zusammenarbeit.

Im Rahmen meiner Forschung zur Motivation junger Projektmanager und Professionals habe ich verschiedene “Räume” identifiziert, in denen wertvolle Leadership- Kompetenzen in Projekten erworben und kultiviert werden können:

1. Co-creation-Space mit Sinnfaktor: Dieser Raum bezieht sich auf den gemeinsamen Sinn und Zweck, das „Wofür“ (Purpose) eines Projekts. Je konkreter das Projekt ist, desto stärker steht der Purpose im Vordergrund.

Projekte bieten eine konkrete Vision, die die Mitarbeitenden inspiriert und antreibt. Dies trägt dazu bei, dass die Projektteams ihre besten Leistungen erbringen. Die Projektmanager benötigen die Fähigkeit, Ziele des Projekts dem Projektteam und den Stakeholdern klarzumachen und die Verbindung zum unternehmerischen Sinn und der damit verbundenen Vision herzustellen. Junge Talente lernen also in Projekten sehr rasch, wie wichtig es ist, einen klaren Purpose zu verfolgen und zu kommunizieren.

2. Social Space – der soziale Raum: The ‚lonesome Project-Management-Hero‘ is dead – Ein-Personen-Shows funktionieren in Projekten schon lange nicht mehr. Im Gegenteil: Projekte bieten ein eingebettetes Umfeld, in dem junge Fachkräfte ihre Fähigkeiten in einem kollaborativen Teamkontext entwickeln können.

Oft wird Führung im Sinne des Distributed Leadership im Team aufgeteilt: die jungen Professionals und angehenden Führungskräfte erhalten Anerkennung und lernen, wie sie andere motivieren und führen können – und das auch ganz ohne formale Autorität und personelle Führungsmacht. Im Social Space gehe es darum, soziale Bindungen zu knüpfen und ein starkes Netzwerk aufzubauen: Teamarbeit und kollektives Lernen stehen im Vordergrund, und junge Professionals haben die Gelegenheit, sich in verschiedenen Rollen auszuprobieren, was ihre Führungsfähigkeiten stärkt.

Besonders wichtig sind entsprechende Methoden des Projektmanagement, um Gemeinschaft und Commitment in zeitlich befristeten Projekten und temporärer Teamstruktur zu ermöglichen.

3. Learning & Competence Space: der Lern- und Kompetenzraum Projekte sind hervorragende Plattformen für „Learning by Doing“. Junge Professionals übernehmen auch ohne eine Führungsposition Verantwortung, sie leiten Sub-Teams, müssen unter Zeitdruck zum Ziel kommen und lernen durch Beobachtung und Ausprobieren, Leadership zu übernehmen.

Durch praxisnahe Herausforderungen können junge Talente ihre Kompetenzen in realen Situationen testen und weiter ausbauen. Diese Erfahrungen seien auch entscheidend für die weitere Entwicklung von Leadership-Skills. Eine Herausforderung dabei ist auch die Diversität, mit verschiedenen Stakeholdern zusammenzuarbeiten, die unterschiedliche Erwartungen und Bedürfnisse haben.

Projektmanager müssen auch lernen, in verschiedenen Sprachen klar zu kommunizieren und die Partner und Stakeholder proaktiv einzubinden. Gerade für die Young Professionals sei Projektarbeit besonders attraktiv: Ihre Hauptmotivation ist, viel in kurzer Zeit dazuzulernen und Verantwortung übernehmen zu können.

Projekt- vs. Linienorganisation

In der modernen Arbeitswelt laufen viele Prozesse zunehmend projektbasiert ab, eine Entwicklung, die als “Projectification” bekannt ist. Diese agile Arbeitsweise schwappt nun auch in die Linienorganisationen über, wo permanente Teams agile Elemente in ihren Arbeitsalltag einbauen. Die Wahl zwischen einer Karriere in Projekten oder in der Linie hängt stark von der individuellen Lebensphase und den persönlichen Zielen ab. Junge Menschen bevorzugen zu Beginn ihrer Karriere oft Projekte, um verschiedene Fähigkeiten und Erfahrungen zu sammeln. In späteren Lebensphasen, etwa bei der Familiengründung, kann eine stabilere Position in der Linienorganisation attraktiver sein.

Projektmanagement-Methoden und Leadership-Modelle

Traditionelle Projektmanagement-Methoden bringen notwendige Strukturen ein und ermöglichen es, gemeinsam Ziele zu erreichen. Moderne Projektleiter fungieren zudem als Facilitators, die Hindernisse beseitigen und die Prinzipien des Servant Leadership leben. Ziel ist es, ein Umfeld zu schaffen, in dem Teammitglieder Verantwortung und Initiative übernehmen können. Ein starkes Commitment und eine klare Kommunikation der Ziele sind dabei essenziell. Einzelkämpfer, die alle Entscheidungen treffen, gibt es nicht mehr. Heute ist Leadership im Projektmanagement viel mehr eine kollektive Anstrengung, bei der das gesamte Team eingebunden wird.

Genau das ist auch der Grund, warum Projekte als Bootcamps für die Entwicklung von Leadership-Skills konzipiert werden sollten. Dies umfasst nicht nur die Ausbildung zukünftiger Projektmanager, sondern auch die Entwicklung guter Führungskräfte für die gesamte Organisation. Projekte bieten eine intensive Lernerfahrung, bei der nicht nur junge Talente in verschiedenen Führungsrollen agieren können. Diese Erfahrungen sind unschätzbar wertvoll für die berufliche Entwicklung und tragen dazu bei, dass junge Führungskräfte zu kompetenten und selbstbewussten Leadern werden und erfahrene ihre persönlichen und fachlichen Leadership-Skills erweitern können.

Die OMV macht es vor

Wie Projektmanagement als Plattform für die Entwicklung von Leadership Skills dienen kann, zeigt auch das Beispiel des OMV-Konzerns. Die OMV steht inmitten einer tiefgreifenden Transformation, die eine Vielzahl von Projekten umfasst.

Gerade in Zeiten des Wandels ist Projektmanagement laut Stefan Engleder, Head of Business Projects and Consulting bei der OMV eine Kernkompetenz, um funktionierende Strukturen und Lösungen zu etablieren.

“Projektmanagement ist das Vehikel für erfolgreiche Veränderung und Transformation. Es schafft ein kommunikatives und kollaboratives Umfeld, um Herausforderungen zu begegnen und Chancen zu nutzen”, sagt er. Für Engleder, der im Executive MBA Strategic Project Management an der WU Executive Academy immer wieder Gastvorträge hält, ist – um ihn zu zitieren – eines klar: “Projektmanagement und Leadership sind untrennbar verbunden: Beide erfordern einen starken Fokus auf Menschen, Kommunikationsstärke, Entscheidungskompetenz, Problemlösungsorientierung und die Fähigkeit, Struktur zu schaffen und Teams zu begeistern und zu befähigen.”

Die Erfahrungen aus Projekten seien daher direkt auf die Führungsarbeit anwendbar. In Projekten lernen nicht nur (angehende) Führungskräfte, sondern auch Mitarbeitende wichtige Leadership-Kompetenzen, die sie auch unabhängig von der Position benötigen, denn: „In transformativen Umfeldern reicht es nicht, nach oben auf die Führungskräfte zu schauen, um Antworten auf komplexe Fragen zu erhalten. Es braucht die kollektive Erfahrung, um gemeinsam Herausforderungen zu meistern – und Menschen, die proaktiv mitgestalten.”

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brutkasten-Gründer und CEO Dejan Jovicevic beim 10-jährigen Jubiläum im Dezember. (c) brutkasten/Marko Kovic

Dieses Interview ist im brutkasten-Printmagazin von Dezember 2024 erschienen. Eine Download-Möglichkeit des gesamten Magazins findet sich am Ende dieses Artikels.


brutkasten: Wie kam es 2014 zur Gründung von brutkasten?

Dejan Jovicevic: Ich war im Styria-Konzern bei „Presse“ und „Wirtschaftsblatt“ und habe dort die Rechts- und Personalabteilung geleitet. Da kam einmal Christoph Hantschk, der Gründer des Startups goodbag, auf mich zu. Er wollte eine klassische Medienkooperation mit mir vereinbaren, bei der wir 20 Abos verlost hätten. Im Zuge unserer Gespräche dazu hat mich dieser Startup-Spirit fasziniert, den ich so bisher nicht kannte.

Meine ursprüngliche Idee war, dass wir mit „Presse“ und „Wirtschaftsblatt“ für Startups Leistungen erbringen könnten, z.B. das Controlling oder Legal-Themen. Ich wollte einfach irgendwie dabei sein. Ich habe dann gesehen, dass die Styria an einem Startup von Lorenz Edtmayer und Maximilian Nimmervoll beteiligt war, das App-Entwicklung angeboten hat. Die Leistung wollte ich ebenfalls dabei haben und habe dann Kontakt zu Lorenz aufgenommen.

Da hat sich dann herausgestellt, dass er gerade eine Job-Plattform für Startups plant. Für die Job-Plattform hat es Content gebraucht. So haben wir dann gemeinsam brutkasten konzipiert.

Wie ging es in die Umsetzung?

Ich habe von „Presse“ und „WirtschaftsBlatt“ dann die Zusage bekommen, dass wir das umsetzen können. Wir haben eine Website gestartet, mit internen Ressourcen der Styria. Die Styria hat parallel auch einen internen Inkubator für Innovation ausgeschrieben. Dort habe ich brutkasten als Projekt eingereicht. Es wurde als eines der fünf Siegerprojekte von rund 100 Einreichungen ausgewählt. In weiterer Folge konnten wir dann auch die ersten Leute einstellen. Unsere erste Redakteurin war Theresa Breitsching, die ab Ende 2014 Vollzeit für brutkasten gearbeitet hat.

Du selbst hast aber noch nicht Vollzeit an brutkasten arbeiten können?

Nein, ich habe das alles neben der Leitung der Rechts- und Personalabteilung gemacht. Ich war aber noch weit entfernt von dem Unternehmer, der ich heute bin; der weiß, wie man eine Firma aufbaut. Damals war es mehr Enthusiasmus und weniger Wissen. Wir haben dann unsere ersten internen Business Angels gewonnen, „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak und WirtschaftsBlatt-Chefredakteurin Eva Komarek.

Wir hatten damals zwei Seiten pro Woche in der „Presse“-Printausgabe vom Samstag, und zusätzlich haben wir brutkasten eben online bespielt. Das hat damals Theresa Breitsching weitgehend alleine gemacht. Ich habe meinen Hauptjob gehabt und immer wieder daneben was für brutkasten gemacht. Ich konnte aber aus dieser Management-Rolle nicht ganz raus, und das hat dann 2017 zum Buyout geführt. Den haben Lorenz Edtmayer, Maximilian Nimmervoll, Michael Tillian und ich dann gemacht. So wurde brutkasten ein eigenständiges Unternehmen.

Dejan Jovicevic machte 2017 den Management-Buy-out gemeinsam mit Lorenz Edtmayer, Michael Tillian und Maximilian Nimmervoll (v.l.n.r).

Hattest du früher schon die Vorstellung, dass du eines Tages Unternehmer werden möchtest, oder ist das durch deine Beschäftigung mit der Startup-Szene entstanden?

Weder noch. Wir sind gemeinsam mit „Presse“ und „WirtschaftsBlatt“ zu dem Entschluss gekommen, dass brutkasten als eigenes Unternehmen bessere Chancen hätte. Aber ich bin nicht einmal durch meine Beschäftigung mit der Startup-Szene auf die Idee gekommen, zu gründen: Ich war eigentlich an einem Karriereweg im Konzern interessiert. Und dann ist mir das passiert.

Als ich es meinem Mentor Michael Tillian erzählt habe, hat er mir gesagt: Dejan, das musst du machen – denn so eine Opportunity kriegst du nicht wieder.

Wie lange hat es gedauert, bis es dann Realität wurde?

Die Verhandlungen liefen noch acht Monate. Parallel dazu habe ich meinen ersten Sohn bekommen, im Dezember 2016. Im Mai 2017 waren die Verhandlungen abgeschlossen. Die Zeit bis dahin war eine brutale Phase, mit wenigen Stunden Schlaf pro Nacht. Ich habe ja noch immer meinen Hauptjob in der Styria gehabt und das parallel verhandelt. Die Verhandlungen waren sehr fair und ich bin der Styria dankbar, dass sie mir diese Möglichkeit gegeben hat.

Wie lief dann der Start als eigenes Unternehmen?

Der Deal war, dass wir den gesamten Betrieb übernehmen. Das waren damals fünf Leute und wir hatten keine Investoren, die uns finanziert haben. Wir hatten damals kein Geld. Die ersten Gehälter habe ich aus dem Stammkapital bezahlt. Mir selbst habe ich nichts ausbezahlt. Für die zweiten Gehälter haben wir dann schon Geld verdienen müssen. Das war eine brutale Phase. Wir waren 24/7 im Einsatz.

Du hast erzählt, dass du in der Anfangszeit von brutkasten gar nicht so stark ins Daily Business involviert warst. Wann hast du begonnen, selbst Content zu produzieren?

Das ist mit den Facebook-Livestreams gekommen. Das wollte ich unbedingt als First Mover machen. Diese Facebook-Livevideos haben uns dann auch den größten Boost gegeben – wir haben überallhin das Handy mitgenommen, Stative aufgebaut und von überall gestreamt. Das war damals neu und ist super angekommen. In dieser Phase hatten unsere Videos oft 10.000 Views und viele Kommentare.

Wie ging es für das Unternehmen brutkasten wirtschaftlich weiter? Wie kam es zur ersten Finanzierungsrunde im Jahr 2018?

Wir sind nach dem Buyout weiter gewachsen. Die ersten beiden Jahre haben wir operativ positiv abgeschlossen. Wir haben eine ordentliche Sogwirkung gespürt. Das hat dazu geführt, dass uns die ersten Investoren angesprochen haben. Wir hatten einfach Buzz erzeugt, weil ständig Gründer bei uns in den Livestreams waren.

Und dann hat mich einmal Runtastic-Co-Founder Florian Gschwandtner bei einem Drink angesprochen, dass wir uns bei ihm melden sollten, wenn wir mal Investoren suchen sollten. Unsere Eigentümerstruktur hatte sich da schon etwas verändert: Michael Tillian ist zur Russmedia gewechselt und hat, um Interessenskonflikte zu vermeiden, dort seinen 15-Prozent-Anteil eingebracht. Von Russmedia gab es dann ebenfalls die Bereitschaft, in brutkasten zu investieren, um eine Expansion auf den deutschen Markt zu finanzieren.

Über Kontakte und WhatsApp-Nachrichten hatten wir plötzlich eine 1,25-Mio.-Euro-Finanzierungsrunde aufgestellt. Andreas Bierwirth und die mySugr-Gründer waren auch mit dabei. Dann hatten wir noch ein brutkasten-Interview mit den Bitpanda-Gründern Eric Demuth und Paul Klanschek. Nach dem Interview hatte ich einen Notartermin, und als sie erfahren haben, warum, wollten sie ebenfalls einsteigen.

Du hast eindrücklich geschildert, wie wenig Geld am Anfang da war. Dann hast du plötzlich 1,25 Mio. Euro am Konto gehabt. Wie war das für dich in dem Moment?

Da konnte ich zum ersten Mal ein bisschen durchatmen. Gleichzeitig ist es jedoch so, dass so ein Betrag zwar nach einer hohen Summe klingt, aber 500.000 davon haben wir dann für die Akquisition von StartingUp verwendet – einiges für den Kaufpreis, aber da kommen ja noch eine ganze Reihe anderer Kosten, etwa für Anwälte, dazu. Beim Rest hast du dann monatlich gesehen, wie es weniger wird. Wir haben ja auch ins Team investiert.

Gleichzeitig haben wir aber unseren Umsatz gesteigert. Es war keine zweite Finanzierungsrunde nötig, weiteres Wachstum haben wir dann über Fremdkapital finanziert.

In der Coronapandemie entstand dann mit den digitalen Events ein neuer Geschäftsbereich …

Das hat uns einen Boost gegeben, das war ein wichtiger Meilenstein mit wirklich coolem Wachstum. Wir waren lange Zeit ganz klar als Medium positioniert; auf einmal war das Agentur-Business megaerfolgreich. Das war aber eine opportunistische Situation, kein Ergebnis eines langen Strategieprozesses. Es war im ersten Corona-Lockdown einfach überlebensnotwendig, sich etwas anderes zu überlegen.

Manche haben mir zu Kurzarbeit geraten, ich habe mich aber für „Langarbeit“ entschieden. Ich habe gewusst, es wird uns etwas einfallen – und das waren die digitalen Events. Wir waren dann sehr gefragt, weil wir ein Must-have-Produkt hatten. Wir haben diese Dinge eben auch viel schneller gelernt als Agenturen, die auf Kurzarbeit waren. Das digitale Event-Business hat uns viele Aufträge gebracht und für Wachstum gesorgt.

Manche haben mir zu Kurzarbeit geraten, ich habe mich aber für „Langarbeit“ entschieden.

Aber wir haben schon auch gelernt, dass unsere mediale Tätigkeit darunter leidet. 2021 war ein starkes Wachstumsjahr für uns: Wir haben in diesem Jahr über 20 Personen eingestellt und das „Venture Capital Magazin“ in Deutschland gekauft. Damit haben wir den Sprung auf rund 50 Mitarbeiter:innen gemacht.

Aus damaliger Sicht war das nachvollziehbar, weil die Prognosen auf starkes Wirtschaftswachstum hindeuteten. Man hat auf den Aufbruch nach der Pandemie gewartet, und dafür haben wir uns aufgestellt. Ich wollte vorne dabei sein, wenn der Aufschwung kommt. Dann ist es aber anders gekommen – mit dem Ukraine-Krieg, der am 24. Februar 2022 begonnen hat.

Wie hat sich das ausgewirkt?

Im Jänner und Februar war die Wirtschaft noch total im Aufbruch und wir hatten Aufträge, bei denen es um größere Summen ging als jemals zuvor. Dann kamen die Wirtschaftskrise, Inflation, die Venture-Capital-Krise und die ersten großen Layoffs in der Startup-Szene. Das hat uns auch vom Werbemarkt her getroffen. Das Geschäft mit den digitalen Events ist dann gravierend eingebrochen. Die Rezessionsangst in der Wirtschaft war sehr hoch. Eine Firma unserer Größe ohne Cashreserven konnte in so einem Umfeld nicht mehr überleben, auch wenn wir zwischenzeitlich eine Erholung geschafft haben. Das hat dann in einer Notoperation zum Verkauf an die VGN-Gruppe geführt.

Mit dem Deal wurde die VGN neue Mehrheitseigentümerin, du selbst hast die Mehrheit abgegeben. Wie war das für dich?

Es ging alles sehr schnell. Plötzlich standen wir vor dem Aus. Ich habe über tausend unterschiedliche Optionen nachgedacht. Das war eine Phase, in der ich jede Nacht um vier Uhr aufgewacht bin. Für mich persönlich war es die transformativste Phase meines Lebens, im Nachhinein auch im positiven Sinn.

Es hat sich schnell herausgestellt, dass die VGN die einzige Möglichkeit in der notwendigen Geschwindigkeit war. Gemeinsam mit Horst Pirker haben wir mit den Altinvestoren eine für alle gangbare Lösung gefunden. Für mich war es essenziell, auch mir selbst die Frage zu beantworten: Habe ich noch die Kraft, das die nächsten zehn Jahre weiterzumachen? Will ich das? Sehe ich noch die Vision? Und ich bin zum Schluss gekommen: Ja, das möchte ich. Ich habe tatsächlich in meine Kraft zurückgefunden, durch den radikalen Fokus auf die einzige Aufgabe: den Fortbestand von brutkasten zu sichern.

Wir konnten die Restrukturierung dann sehr gut bewältigen. Über den Sommer haben wir strategisch gearbeitet und Klarheit gewonnen. Dann sind wir mit gutem Elan und vielen Hausaufgaben in den Herbst hineingegangen, und wir haben die folgenden 18 Monate bravourös gemeistert; das gesamte Team. Heute stehen wir nach all diesen Erfahrungen mit einer strategischen Klarheit da, die wir nie hatten, mit einem starken kaufmännischen Fundament und mit einem Team, das besser als je zuvor zusammenarbeitet.

Wir feiern jetzt zehn Jahre brutkasten. Wie siehst du den Beitrag, den brutkasten zum Innovations-Ecosystem leistet?

Wir haben Brücken zwischen Startups, Investoren und Corporates gebaut, Innovationen sichtbar gemacht und dem österreichischen Innovations-Ecosystem eine Stimme gegeben. Ohne uns wären viele Erfolgsgeschichten vielleicht unbemerkt geblieben.

Birthday Bash zum zehnjährigen Jubiläum von brutkasten.

Unsere Plattform hat dabei geholfen, die inspirierendsten Köpfe des Landes miteinander zu verbinden und Mut zu machen, neue Wege zu gehen. Mit unseren unterschiedlichen Formaten wie Studiotalks, dem Printmagazin oder unseren Events haben wir dafür gesorgt, dass die Innovationskraft unseres Landes die Aufmerksamkeit bekommt, die sie verdient.

Du sprichst jetzt auch die Brückerbauer-Funktion zwischen Startups und Corporates an. brutkasten ist aus der Startup-Szene heraus entstanden, hat sich aber verbreitert und deckt mittlerweile das komplette Innovations-Ecosystem ab. Wie siehst du heute das Verhältnis zwischen brutkasten und der Startup-Szene?

Mich haben die Gründerinnen und Gründer fasziniert. Deshalb habe ich ein Medium für sie gebaut, mit allen Leuten, die den Weg seit Tag eins mitgehen. Aber schon ganz zu Beginn war unser Claim „Bridging the new and the old economy“. Das hatten wir auf der allerersten Website. Ich war von Anfang an überzeugt, dass, wenn man diese beiden Welten zusammenbringt, Startups stärker werden, weil sie Kunden, Partner und Projekte brauchen; und Corporates werden stärker, weil sie Innovation brauchen, die sie alleine nicht schaffen.

Dieser Teil des Brückenbauens hat für mich immer eine große Rolle gespielt, weil ich für die Corporate-Welt große Wertschätzung habe. Das ist letztlich die tragende Säule der Wirtschaft, und wenn man diese durch die Innovationskraft der Startups stärkt, stärkt man beide Seiten.

Ich sehe Startups auch nicht als isoliertes Phänomen – sie sind als Teil der Wirtschaft auch Garant für Wohlstand und das Sozialsystem. Dass alle zusammenarbeiten, ist mir wirklich ein Anliegen – heute mehr denn je, denn Europa muss selbstbewusster werden und die eigene Wettbewerbsfähigkeit stärken.

In diesem Kontext ist ja auch die neue brutkasten-Initiative Austrian Innovators zu sehen, die 2025 starten wird. Was steckt dahinter?

Wir brauchen die Innovationskraft, die Geschwindigkeit und den Mut von Gründerinnen und Gründern. Aber alleine werden sie die Welt nicht umkrempeln können. Da braucht es Corporates, die bereit sind, Geld zu investieren und Infrastruktur zu teilen. Es braucht Investoren und den Kapitalmarkt, der die Transformation finanziert. Und es braucht Policymaker und die Wissenschaft. Alle diese Stakeholder wollen wir zusammenbringen, aus der Überzeugung, dass wirklich große Dinge möglich werden, wenn die richtigen Leute an einem Strang ziehen.

Viele dieser Communitys, die ich jetzt genannt habe, sind untereinander halbwegs gut vernetzt, aber über den Tellerrand noch nicht so wirklich. Hier kann brutkasten als Ecosystem-Player einen Beitrag leisten, diese Akteure an einen Tisch zu bringen; in einem monatlichen Format mit digitalen Komponenten.

Wir feiern jetzt zehn Jahre brutkasten. Wo könnte brutkasten in weiteren zehn Jahren stehen?

Ich sehe brutkasten als Unternehmen, das weiter Pionierarbeit leistet und neue Standards setzt. Wir wollen nicht nur Trends folgen, sondern sie gestalten; sowohl in der Medienwelt als auch im Innovations-Ecosystem. Unsere Vision ist es, die erste Anlaufstelle für alle zu sein, die Innovation in Europa vorantreiben wollen. Mit einem starken Team, einer klaren Strategie und der Bereitschaft, uns immer wieder neu zu erfinden, sind wir bestens gerüstet, um die nächsten zehn Jahre erfolgreich zu gestalten.

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